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Ersatz der Kosten für vom Europäischen Betriebsrat in Anspruch genommene Beratungs-, Anwalts- und Dolmetscherleistung

WALTERGAGAWCZUK

Der Kl ist Europäischer Betriebsrat (EBR) kraft Gesetzes (§ 191 ArbVG) in der Unternehmensgruppe M*. Die Bekl ist die Konzernspitze der Unternehmensgruppe M*. Der Kl begehrte die Übernahme bzw Freistellung von Kosten gem § 197 ArbVG für im Einzelnen aufgeschlüsselte, von ihm in Anspruch genommene Beratungs-, Anwalts- und Dolmetscherleistungen.

Die Bekl bestritt die Kosten als unangemessen. Die Kl hätte die kostenfreie Beratung der Arbeiterkammer oder des Österreichischen Gewerkschaftsbundes in Anspruch nehmen müssen. Die Kostentragungspflicht der zentralen Leitung setze erst dort ein, wo Interessenvertretungen an die Grenzen ihrer Beratungsmöglichkeit stießen. Auch sei der verrechnete Stundensatz von € 300,- überhöht.

Das Erstgericht gab der Klage weitgehend statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils nicht Folge. Es beurteilte die erbrachten Beratungsleistungen als erforderlich und die dafür verrechneten Kosten als angemessen. Die Revision wurde zugelassen.

Der OGH wies die Revision mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurück. Gem § 197 ArbVG sind die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des EBR und des engeren Ausschusses anfallenden Kosten gem § 186 ArbVG von der zentralen Leitung zu tragen. Nach § 186 Abs 2 ArbVG gehören dazu die für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Verwaltungsausgaben, insb die für die Veranstaltung der Sitzungen und jeweils vorbereitenden und nachbereitenden Sitzungen anfallenden Kosten einschließlich der Dolmetschkosten und der Kosten für jedenfalls einen Sachverständigen sowie die Aufenthalts- und Reisekosten für die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums und für jedenfalls einen Sachverständigen.

Das Gesetz begrenzt die Kosten demnach mit den „für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Verwaltungsausgaben“. Naturgemäß lässt sich nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beurteilen, welche der demonstrativ aufgezählten und allenfalls weitere Aufwendungen in welchem Umfang angemessen sind.

Die „subsidiären“ Vorschriften nach Art 7 in Anhang I der EBR-RL 2009/38/EG sehen ua vor, dass der EBR und der engere Ausschuss sich durch Sachverständige ihrer Wahl unterstützen lassen können, sofern dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist (Anhang I Abs 5). Auch das ArbVG regelt in den Bestimmungen zur europäischen Betriebsverfassung, in denen die Beiziehung eines Sachverständigen ausdrücklich normiert ist (§§ 182, 220, 235 ArbVG), dass es sich um einen Sachverständigen „seiner Wahl“ (Anm: daher nach Wahl des jeweiligen Organs der Arbeitnehmerschaft) handelt.

Weder aus den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung noch aus der in der Richtlinie normierten Beachtung der jeweiligen Rechte und gegenseitigen Verpflichtungen lässt sich ableiten, dass der EBR bei Beiziehung eines Sachverständigen nur die – hier auch teilweise abgelehnte – Gratisinformation durch Interessenvertretungen eines bestimmten Mitgliedstaats in Anspruch nehmen dürfte.

Dies ließe sich auch mit dem zuvor dargestellten Grundsatz der freien Wahl des Sachverständigen nicht vereinbaren.

Richtig ist zwar, dass aus der Beschränkung auf die „erforderlichen Verwaltungsausgaben“ in § 186 ArbVG folgt, dass ein Ersatz von höheren als den für die erbrachte Sachverständigenleistung angemessenen Kosten nicht zusteht. Welche Kosten konkret angemessen sind, ist aber wiederum eine Frage des Einzelfalls.

Mit der Beurteilung der vom Kl geltend gemachten Kosten als angemessen hat das Berufungsgericht auch unter Berücksichtigung der Komplexität der grenzüberschreitenden Fragestellungen, des erheblichen Gesamtzeitraums und der Höhe der Kosten den gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum nicht überschritten.

Anmerkung

Die gegenständliche E zeigt wieder einmal klar und deutlich, dass nationale Bestimmungen, die europäische Richtlinien umsetzen, grundsätzlich unbefangen von einem nationalen Verständnis auszulegen sind. Dem österreichischen ArbVG ist es an sich nämlich fremd, dass der BR die Kosten für von ihm in Anspruch genommenen Beratungsleistungen vom/von der AG verlangen kann. In der Praxis erfolgt die Beratung der Betriebsräte idR durch die Gewerkschaften oder die AK, ohne dass dafür eigene Kosten anfallen. Mit einem „nationalem Auge“ hätte man also durchaus auch zu dem Ergebnis kommen können, dass die Kostentragungspflicht der zentralen Leitung der Unternehmensgruppe erst dort einsetzt, wo AK und Gewerkschaften an die Grenzen ihrer Beratungsmöglichkeit stoßen. Die EBR-RL sieht jedoch eine freie Wahl des oder der Sachverständigen vor. Der BR kann also wählen, ob er sich (kostenlos) durch seine Interessenvertretung oder kostenpflichtig, zB durch einen Anwalt oder eine Anwältin, beraten lässt. Im letzteren Fall kann 20 er die Kosten für die Beratung übernehmen und danach von der zentralen Leitung einfordern oder gleich die Übernahme der Zahlung von der zentralen Leitung fordern (Freistellung). Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Beratungsleistung zur Erfüllung der Aufgaben des EBR erforderlich ist. Begrenzt ist der Kostenersatz mit den angemessenen Kosten. Welche Kosten konkret angemessen sind, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Der verrechnete Stundensatz in der Höhe von € 300,- beurteilte der OGH im konkreten Fall als im Rahmen des gerichtlichen Ermessens vertretbar.