13Arbeitskräfteüberlassung: Wiederholte Probezeit bei mehreren aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen und Überlassung an denselben Beschäftiger nicht per se rechtsmissbräuchlich
Arbeitskräfteüberlassung: Wiederholte Probezeit bei mehreren aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen und Überlassung an denselben Beschäftiger nicht per se rechtsmissbräuchlich
Die Kl war beim bekl Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen in den Zeiträumen 14.6. bis 28.7.2021, 9.8. bis 23.12.2021 und 10.1. bis 13.1.2022 beschäftigt. Sie wurde dabei jeweils an die D* GmbH mit Standorten in G* und A* als Produktionsarbeiterin in Vollzeit überlassen. Am Beginn der Dienstverhältnisse, auf die der KollV für ArbeiterInnen im Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (kurz: KVAÜ) zur Anwendung kam, wurde je eine einmonatige Probezeit vereinbart. Die beiden ersten Arbeitsverhältnisse endeten durch einvernehmliche Auflösung.
Während des ersten Dienstverhältnisses und bis 13.9.2021 im zweiten Beschäftigungsverhältnis arbeitete die Kl am Standort G* in der Produktion. Danach und während des dritten Arbeitsverhältnisses wurde die Kl am Standort A* für Verpackungstätigkeiten eingesetzt, wobei sich am Inhalt ihrer Tätigkeit ab 14.9.2021 nichts änderte.
Am 14.1.2022 teilte die Kl der Bekl mit, dass sie krank sei. Nach der Übermittlung einer entsprechenden Krankmeldung erklärte die Bekl die Auflösung des Dienstverhältnisses in der Probezeit.
Die Kl begehrt von der Bekl Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung für die Zeit bis 4.2.2022. Das dritte Arbeitsverhältnis habe unter Bezugnahme auf die Probezeit nicht rechtswirksam gelöst werden können, weil deren Vereinbarung gesetz- und sittenwidrig bzw die Berufung darauf rechtsmissbräuchlich sei. Das zweite Arbeitsverhältnis sei offenbar deshalb beendet worden, damit die Bekl für die Zeit der Weihnachtsfeiertage keine „Stehzeit“ bezahlen müsse. Die Berufung auf eine Auflösung innerhalb der Probezeit für das dritte Dienstverhältnis stelle daher eine Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften dar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der rechtswidrigen Auflösung innerhalb der Probezeit statt, da die Kl im dritten Beschäftigungsverhältnis die gleichen Tätigkeiten wie (ab 14.9.2021) im zweiten verrichtet habe.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Bekl erhobenen Berufung Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Es vertrat zusammengefasst die Rechtsauffassung, dass es nach der Rsp bei wiederholter Beschäftigung im Anwendungsbereich des KVAÜ keiner besonderen sachlichen Rechtfertigung für die Vereinbarung einer (neuen) Probezeit bedürfe; es würden aber noch Feststellungen zur Prüfung der Frage fehlen, ob im Anlassfall dennoch aufgrund der vorliegenden Umstände die Berufung der Bekl auf den kollektivvertraglich vorgesehenen Probemonat beim dritten Arbeitsverhältnis rechtsmissbräuchlich sei.
Der OGH bestätigte die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts und hielt fest, dass nach stRsp Art IV Z 1 KVAÜ so auszulegen ist, dass eine Probezeit mangels Einschränkung auf ein „erstes“ Arbeitsverhältnis auch bei jedem neuen Arbeitsverhältnis zum Tragen kommt. Die neuerliche Probezeit im zweiten Arbeitsverhältnis setzt keinen besonderen sachlichen Grund voraus.
Die Grenze für die Zulässigkeit einer Probezeit im zweiten (oder einem weiteren) Arbeitsverhältnis ist 25 laut OGH immer dort zu ziehen, wo unter den gegebenen Umständen eine Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zu befürchten ist, bspw etwa die systematische Auflösung von Arbeitsverhältnissen in der Probezeit vorgenommen wird, um sie dann erneut zu begründen.
Nach der Rsp des OGH ist Rechtsmissbrauch nicht nur dann anzunehmen, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt.
Die Überlassung des AN an denselben Beschäftiger bei gleicher Tätigkeit und Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit stellt für sich alleine nicht per se einen Rechtsmissbrauch dar. Dazu müssen weitere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, dass das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Ein Kriterium für diese Beurteilung ist auch der Umstand, auf welche Art und gegebenenfalls auf welche Initiative die Auflösung des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses erfolgte.
Nach Ansicht des OGH ist im vorliegenden Fall für die Beurteilung der Frage, ob die Auflösung des (dritten) Arbeitsverhältnisses einen Rechtsmissbrauch darstellt, insb relevant, ob die einvernehmliche Auflösung des (zweiten) Arbeitsverhältnisses – so die Behauptung der beweispflichtigen Kl – auf Initiative der Bekl zur Umgehung der Bezahlung einer „Stehzeit“ während des Betriebsurlaubs erfolgte. Dazu hat das Erstgericht aber keine Feststellungen getroffen, weshalb die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht zu Recht erfolgte.
Der Rekurs der Kl war daher zurückzuweisen.