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Im Exekutionsweg bezahlter Bruttovergleichsbetrag kann bei irrtümlicher Überzahlung zurückgefordert werden

KLAUSBACHHOFER

Die Bekl war als Gemeindesekretärin bei der Kl beschäftigt. Am 14.1.2019 schlossen die Parteien (die nunmehrige Bekl als Kl und die nunmehrige Kl als Bekl) einen Vergleich wie folgt:

„1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, der Klägerin zu Händen des Klagsvertreters 14 Bruttomonatsgehälter auf das Konto des Klagsvertreters bis zum 28.2.2019 zu bezahlen, wobei der Vergleichsbetrag nach Möglichkeit nach dem festen Steuersatz von 6 % (zumindest teilweise) sowie nach der Fünftel-Regelung zu veranlagen ist. ...“

Am 22.2.2019 teilte die Kl dem Beklagtenvertreter schriftlich mit, dass laut Auskunft der Lohnverrechnung bei der Abrechnung erhebliche rechtliche Unklarheiten bestünden, weshalb per 28.2.2019 eine Akontozahlung von € 20.000,- geleistet werde. Die steuer- und abgabenrechtliche Situation werde derzeit noch vom Finanzamt und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) geprüft. Sollten sich Nachzahlungen ergeben, würden diese umgehend geleistet werden. Die Kl überwies in der Folge diese Akontozahlung. 29

Am 19.3.2019 teilte der Beklagtenvertreter dem Klagevertreter mit, dass seiner Ansicht nach der gerichtliche Vergleich nach wie vor nicht vollständig erfüllt worden sei und setzte hierfür eine Nachfrist bis zum 10.4.2019. Am 2.5.2019 überwies die Kl der Bekl einen weiteren Betrag von € 9.802,64. Am 10.5.2019 teilte der Beklagtenvertreter dem Klagevertreter mit, dass der Vergleich immer noch nicht zur Gänze erfüllt sei. Am 24.6.2019 beantragte die Bekl aufgrund des Vergleichs vom 14.1.2019 die Bewilligung der Fahrnisexekution gegen die Kl.

Die vom Bezirksgericht antragsgemäß erlassene Exekutionsbewilligung erwuchs unbekämpft in Rechtskraft, wobei der zu zahlende Gesamtbetrag einschließlich der Kosten des Exekutionsverfahrens € 7.797,52 betrug.

Am 16.7.2019 überwies die Kl der Bekl diesen Betrag und am 18.7.2019 einen weiteren Betrag von € 409,06. Am 19.7.2021 erließ das Finanzamt Österreich gegen die Kl Haftungsbescheide über die zu entrichtende Lohnsteuer und die Festsetzung des DG-Beitrags, jeweils für die Jahre 2019 und 2020 betreffend die Bekl.

Die Kl begehrt nunmehr von der Bekl den Rückersatz von € 12.781,75, gestützt auf Schadenersatz, ungerechtfertigte Bereicherung, § 1358 ABGB und alle sonstigen erdenklichen Rechtsgründe. Sie habe insgesamt € 38.009,22 an die Bekl gezahlt. Nicht zuletzt durch die Exekutionsführung sei es daher irrtümlicherweise zu einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung zu Gunsten der Bekl im Umfang des Klagsbetrags (im Wesentlichen Lohnsteuer) gekommen. Die Kl habe daher eine Überzahlung von € 12.781,75 geleistet. Die Exekutionsführungen der Bekl seien schikanös und zum Schaden der Kl erfolgt, weil die Bekl gewusst habe, dass ihr aus dem Vergleichsbetrag nur der Nettobetrag zustehe.

Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass das Rückforderungsbegehren der Kl nicht zu Recht bestehe, weil diese nur das gezahlt habe, was der Bekl aus dem Vergleich zustehe. Abgesehen davon habe die Bekl die überwiesenen Beträge gutgläubig verbraucht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl gegen das klagsabweisende erstgerichtliche Urteil nicht Folge. Eine (teilweise) Rückforderung der Zahlungen nach § 1431 ABGB scheitere schon daran, dass die Kl einen Irrtum über das Bestehen oder den Umfang ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich nicht behauptet habe.

Die außerordentliche Revision der Kl wurde aber vom OGH als zulässig und iSd hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch als berechtigt erkannt.

Der OGH schließt sich der einhelligen Ansicht an, wonach der gerichtliche Vergleich eine doppelfunktionelle Prozesshandlung ist. Er hat zugleich den Charakter eines zivilrechtlichen Vertrags und einer Prozesshandlung. Nach der nunmehr auch in der Rsp herrschenden Lehre vom Doppeltatbestand ist zwischen seiner prozessualen und seiner materiell-rechtlichen Wirksamkeit zu unterscheiden. Ein Prozessvergleich kann demnach prozessual unwirksam, als materielles Rechtsgeschäft aber wirksam sein, und umgekehrt. Ob ein Vergleich einen Prozess beendet, ist dabei ausschließlich nach Prozessrecht zu beurteilen; ob ein verpflichtender Vertrag zustande gekommen ist, ausschließlich nach materiellem Recht.

Ein gerichtlicher Vergleich kann außerdem auch ein Exekutionstitel sein. Nach § 1 Abs 1 Z 5 EO bildet ein gerichtlicher Vergleich für die in ihm vereinbarten Leistungen grundsätzlich einen Exekutionstitel. Bildet ein gerichtlicher Vergleich wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 7 EO keinen Exekutionstitel, so bleibt dennoch die ihm zugrundeliegende Willenseinigung der Parteien über die vereinbarte Leistung, also der in ihm enthaltene privatrechtliche Vertrag, bestehen und er ist als Prozessvergleich wirksam.

Wenn in der OGH-E vom 29.9.2015, 8 ObA 18/15b, mangels näherer Konkretisierung des Begriffs „Bruttomonatsgehalts“ ein unbestimmter Vergleich als nicht wirksamer Exekutionstitel beurteilt wurde, folgt daraus aber nicht, dass der Vergleich auch materiell-rechtlich unwirksam wäre.

Auf die materiell-rechtliche Unwirksamkeit des Vergleichs – welche ausschließlich nach materiellem Recht zu beurteilen wäre – hat die Kl im erstinstanzlichen Verfahren ihren Rückforderungsanspruch gegen die Bekl auch nicht gestützt. Vielmehr ging auch sie von einem wirksamen Vergleich aus, aus dem der Bekl ein Nettobetrag von € 25.227,47 zustehe; (bloß) die „Überzahlung“ von € 12.781,15 sei eine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung, weil diese der Bekl aus dem Vergleich nicht zustehe.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Formulierung im Vergleich, wonach sich die Kl verpflichtete, der Bekl 14 Bruttomonatsgehälter zu zahlen, von einem objektiven Erklärungsempfänger nur dahin verstanden werden könne, dass die Kl die mit dieser Zahlung verbundenen Gebühren und Abgaben trage, sie daher berechtigt sei, diese vom Vergleichsbetrag abzuziehen und der Bekl nur der sich daraus ergebende Nettobetrag zukommen solle, wird vom OGH als zutreffend geteilt.

Nach der Rsp gewährt die Zahlung einer Nichtschuld unter dem Druck einer Vollstreckung ohne Rücksicht auf einen Irrtum des Leistenden den Kondiktionsanspruch. Zudem hat sich die Kl bereits in der Klage auf eine „irrtümlicherweise“ erfolgte ungerechtfertigte Vermögensverschiebung berufen und 30damit sehr wohl einen Irrtum über ihre Leistungspflicht iSd § 1431 ABGB behauptet.

Die vom Erstgericht getroffenen negativen Feststellungen begründen die Abweisung des Klagebegehrens (jedenfalls derzeit) nicht. Zwischen den Parteien ist nämlich vorerst strittig, welches „Bruttomonatsgehalt“ dem Vergleich zugrunde liegt. Erst wenn dieses (durch Auslegung des Vergleichs nach § 914 ABGB) festgestellt wurde und der sich daraus zu errechnende Bruttovergleichsbetrag feststeht, kann der entsprechende Nettobetrag (allenfalls mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens) errechnet werden.

In dieser Hinsicht lagen nach Ansicht des OGH sekundäre Feststellungsmängel vor, weshalb sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig erwies und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde.