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Zur Dienstnehmereigenschaft von Speisenzustellern

ALEXANDERPASZ
§ 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG

Die betreffenden Personen waren bei der DG als Zusteller von Speisen und Getränken tätig. Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (nunmehr: ÖGK) verpflichtete die DG per Bescheid zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen, da sie die Zusteller als der Pflichtversicherung in der KV, PV und UV gem § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG unterliegende DN qualifizierte. Das BVwG bestätigte den Bescheid der ÖGK. Dagegen erhob die DG Revision an den VwGH, die von diesem jedoch zurückgewiesen wurde.

Die Revision des DG wendete sich zuerst gegen die Auffassung, die als Zusteller von Speisen und Getränken tätigen Personen seien der Pflichtversicherung als echte DN unterlegen. Weiters habe das BVwG es unterlassen, die DN-Eigenschaft der einzelnen Zusteller im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen. Es sei nicht ausreichend gewesen, die Frage nur aufgrund der vermeintlich gleichen Verträge für alle Zusteller gemeinsam zu beurteilen, sondern es wären von Amts wegen die persönlichen Verhältnisse bei jedem einzelnen Zusteller zu erheben gewesen. Hierzu hat der VwGH jedoch bereits festgehalten, dass in Fällen, in denen eine größere Anzahl an Personen auf der Grundlage übereinstimmender Verträge nach einem übereinstimmenden Geschäftsmodell für einen DG tätig wird, die Behörde bzw das Verwaltungsgericht nicht verhalten sind, ohne Anhaltspunkte für einen maßgeblichen Unterschied der Tätigkeiten nach solchen Unterschieden zu forschen.

Weiters wurde in der Revision geltend gemacht, der VwGH habe ausgesprochen, dass eine persönliche Arbeitspflicht dann zu verneinen sei, wenn ein Auftraggeber einfache Aushilfsarbeiten derart organisiere, dass für deren Durchführung jederzeit mehrere abrufbare Arbeitskräfte zur Verfügung stünden und es ihm gleichgültig sei, von welcher gleichwertigen Arbeitskraft aus dem potenziell zur Verfügung stehenden Kreis die Arbeiten verrichtet würden. Der Auftraggeber könne dabei nicht darauf vertrauen, dass ihm eine bestimmte Arbeitskraft zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung stehe. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt, womit eine DN-Eigenschaft zu verneinen sei.

Der VwGH hielt dem entgegen, dass die Grundvoraussetzung für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG (und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als DN) stets die persönliche Arbeitspflicht ist. Diese ist ua dann nicht gegeben, wenn demjenigen, dessen Leistungserbringung zu beurteilen ist, eine generelle Vertretungsbefugnis bei Erbringung dieser Leistung eingeräumt ist oder wenn ein Beschäftigter die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann („sanktionsloses Ablehnungsrecht“). Der Empfänger der Dienstleistungen kann unter solchen Umständen nicht darauf bauen und entsprechend disponieren, dass dieser Beschäftigte an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit für Dienstleistungen vereinbarungsgemäß zur Verfügung steht. Die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen, ihm angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten auszuschlagen, berührt die persönliche Arbeitspflicht dagegen in keiner Weise, auch wenn es als „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ bezeichnet wird. Zwischen der sanktionslosen 35 Ablehnung der Erbringung einzelner Leistungen, etwa bei deren Abruf im Zuge einer Rahmenvereinbarung bei verpflichtender Tätigkeit im Fall der Zusage, und einem generellen sanktionslosen Ablehnungsrecht, das die persönliche Abhängigkeit ausschließt, ist ein deutlicher Unterschied zu machen. Eine ausdrücklich vereinbarte Befugnis des Beschäftigten, bereits zugesagte Arbeitseinsätze jederzeit nach Gutdünken sanktionslos ablehnen zu können, steht zudem im Verdacht, ein „Scheingeschäft“ zu sein, wenn eine solche Vereinbarung mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nicht in Einklang zu bringen wäre (vgl §§ 539 und 539a ASVG). Anders wäre ein Sachverhalt aber zB dann zu beurteilen, wenn der DG einfache Aushilfsarbeiten derart organisiert, dass für deren Durchführung jederzeit mehrere abrufbare Arbeitskräfte zur Verfügung stehen („präsenter Arbeitskräftepool“), und es ihm, beispielsweise wegen der Einfachheit der Arbeiten, gleichgültig ist, von welcher (gleichwertigen) Arbeitskraft aus dem potenziell zur Verfügung stehenden Kreis er die Arbeiten verrichten lässt. Steht dem DG die Möglichkeit offen, im Falle der (jederzeit möglichen) Absage der von ihm in Aussicht genommenen Person aus dem „Pool“ sofort die jeweils nächste Arbeitskraft abzurufen und stehen genügend Arbeitskräfte zur Verfügung, dann könnte der einzelne Teilnehmer am „Pool“, mit dem dies vereinbart wurde oder dem dies bekannt ist, tatsächlich in Übereinstimmung mit dem Vereinbarten davon ausgehen, einzelne Arbeitsleistungen jederzeit nach Gutdünken sanktionslos ablehnen zu dürfen.

Diese Rsp hat auch das BVwG seiner Beurteilung zugrunde gelegt und festgehalten, dass die DN, sobald von ihnen nach einer Kontaktaufnahme durch den DG die Übernahme eines Dienstes zugesagt worden sei, nach den wahren Verhältnissen zur (Dienst-)Leistung verpflichtet gewesen seien. Ein „präsenter Arbeitskräftepool“ habe nicht bestanden. Ein „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ sei mit der Unternehmensorganisation nicht vereinbar gewesen und sei auch den Zustellern nach den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zugestanden. Daher war die Revision mangels Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.