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Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung bleibt bei krankheitsbedingtem späteren Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit rechtswirksam – Wiedereingliederungsgeld gebührt aber ab Antrittszeitpunkt

ELISABETHHANSEMANN

Die Rechtswirksamkeit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit gem § 13a AVRAG tritt durch die Zustellung der Mitteilung über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes nach § 143d ASVG (§ 13a Abs 1 Z 8 AVRAG) ein. Erfolgt der tatsächliche Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit nicht zum geplanten (gesetzlich zulässigen) Zeitpunkt, weil nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit iSd § 13a Abs 1 Satz 1 AVRAG ein neuerlicher Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eintrat, so hat dies nicht die Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit zur Folge.

Sachverhalt

Am 18.7.2022 vereinbarte die Kl mit ihrem AG für den Zeitraum 8.8.2022 bis 7.2.2023 eine Wiedereingliederungsteilzeit. Mit Schreiben vom 27.7.2022 teilte die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) der Kl mit, dass ihr Antrag auf Wiedereingliederungsteilzeit vom chef- und kontrollärztlichen Dienst bewilligt worden sei und sie daher Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld habe. Aufgrund eines bronchopulmonalen Infekts (neuerliche Erkrankung) befand sich die Kl von 1.8.2022 bis einschließlich 19.8.2022 (Freitag) im Krankenstand. Sie nahm ihre Arbeit am 22.8.2022 wieder auf. Mit Bescheid vom 8.9.2022 lehnte die ÖGK den Antrag der Kl auf Wiedereingliederungsgeld für den Zeitraum 8.8.2022 bis 7.2.2023 mit der Begründung ab, dass ein Dienstantritt der Kl am 8.8.2022 nicht möglich war. Mit ihrer Klage begehrt die Kl die Zuerkennung von Wiedereingliederungsgeld für den Zeitraum von 8.8.2022 bis 7.2.2023. Der Umstand, dass sie infolge ihrer neuerlichen Erkrankung die Arbeit nicht am 8.8.2022 antreten habe können, habe nicht zur Folge, dass der Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld für den gesamten Zeitraum verloren gehe. Die Bekl wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die Wiedereingliederungsteilzeit spätestens einen Monat nach Ende der Arbeitsunfähigkeit angetreten werden müsse. Dies wäre bei der Kl spätestens am 12.8.2022 der Fall gewesen.

Verfahren und Entscheidung

Das Erstgericht sprach der Kl Wiedereingliederungsgeld anlässlich des Versicherungsfalls der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand für den Zeitraum von 22.8.2022 bis 7.2.2023 im gesetzlichen Ausmaß zu. Die Vorschrift, dass die Wiedereingliederungsteilzeit spätestens einen Monat nach Ende der mindestens sechs Wochen ununterbrochen andauernden Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unglücksfall (Anlassfall) angetreten werden muss, betreffe die arbeitsrechtliche Seite der Vereinbarung, berühre aber nicht den sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld. Dieses gebühre gem § 143d Abs 1 ASVG aber erst ab dem Tag des tatsächlichen Dienstantritts, daher hier ab 22.8.2022.

Das nur von der Bekl angerufene Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die Klage zur Gänze abwies. Arbeits- und sozialrechtliche Folgen der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit könnten nicht getrennt voneinander behandelt werden. Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil Rsp fehle, ob Wiedereingliederungsgeld auch dann entfalle, wenn die Wiedereingliederungsteilzeit aufgrund eines Krankenstands nicht innerhalb eines Monats nach Beendigung des Anlassfalls angetreten werden könne.

Der OGH hielt die Revision der Kl für zulässig und berechtigt.

Originalzitate aus der Entscheidung

„1. Die Gewährung von Wiedereingliederungsgeld setzt gemäß § 143d Abs 1 ASVG erstens die vorherige Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit gemäß § 13a AVRAG (in der hier unstrittig anwendbaren Fassung der Novelle BGBl I 2018/54) voraus. Zweitens ist die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Krankenversicherungsträgers auf Basis des Wiedereingliederungsplans erforderlich. Die Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit bleibt bis zur Mitteilung des Krankenversicherungsträgers über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes und deren Zustellung (an den Arbeitgeber, § 143d Abs 6 ASVG) schwebend unwirksam […]. Sie wird erst mit dem auf die Zustellung der Mitteilung über die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld folgenden Tag gemäß § 13a Abs 1 Satz 8 AVRAG (vor der Novelle BGBl I 2018/54: Satz 7) rechtswirksam. Die Voraussetzungen für die Vereinbarung einer rechtswirksamen Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung liegen hier unstrittig vor […].

[…]

2.3. Die Wortinterpretation [des § 13a Abs 1 AVRAG idF der Novelle BGBl I 2018/54] […] ergibt kein eindeutiges Ergebnis. § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG regelt als Voraussetzung des Anspruchs sicherlich die Notwendigkeit der Vereinbarung, den geplanten Antritt für die Wiedereingliederungsteilzeit auf einen Zeitpunkt 43 zu legen, der spätestens einen Monat nach dem Ende des mehr als sechswöchigen ununterbrochenen Anlassfalls liegt […]. Der Hinweis auf „muss ... angetreten werden“ im Zusammenhang mit einer Zeitangabe würde für das Erfordernis eines tatsächlichen Antritts sprechen. Allerdings wird dies wiederum durch die Bezugnahme „im Sinne des ersten Satzes“ relativiert – der erste Satz regelt nämlich nur die Vereinbarung. § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG kann daher auch so gelesen werden, dass lediglich der geplante Zeitpunkt des Antritts der Wiedereingliederungsteilzeit im gesetzlich vorgesehenen Zeitraum liegen muss.

2.4 Bei systematischer Interpretation der Bestimmung fällt auf, dass der wesentliche Mindestinhalt der Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung in § 13a Abs 2 AVRAG geregelt ist, wonach Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung zu vereinbaren sind […]. § 13a Abs 1 AVRAG regelt hingegen (lediglich) weitere (teilweise auch exogene), großteils formale Voraussetzungen und einen gewissen Ablauf der Wiedereingliederungsteilzeit […]. Allerdings hängt die Rechtswirksamkeit der Vereinbarung wie ausgeführt allein vom Vorliegen der chef- und kontrollärztlichen Genehmigung und deren Mitteilung an den Arbeitgeber ab, nicht aber von anderen Voraussetzungen. Insbesondere ergibt sich aus § 13a AVRAG nicht, dass die bereits rechtswirksam gewordene Vereinbarung wieder unwirksam werden könnte, weil die Wiedereingliederungsteilzeit nicht zum geplanten Termin angetreten wurde. Bei einer hier erforderlichen systematischen Betrachtung auch der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen wird umgekehrt erkennbar, dass der „tatsächliche Beginn“ der Wiedereingliederungsteilzeit – worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat – den Versicherungsfall der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand (§ 120 Z 2a ASVG) begründet und der „tatsächliche Dienstantritt“ den Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld gemäß § 143d Abs 1 ASVG entstehen lässt.

2.5. Die historische Interpretation ergibt allerdings klar die Absicht des Gesetzgebers, durch die Einführung des § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG lediglich klarzustellen, dass die Wiedereingliederungsteilzeit nicht unmittelbar (nahtlos) an den mehr als sechswöchigen ununterbrochenen Krankenstand anschließen musste. Dies folgt erstens aus dem Zweck der Wiedereingliederungsteilzeit, schwer kranke Arbeitnehmer möglichst sanft in die Arbeitswelt zu reintegrieren und deren längeren Verbleib im Erwerbsleben zu unterstützen […]. Zweitens hält der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl I 2018/54 seine bloß klarstellende Absicht deutlich fest, wenn es heißt: (ErläutRV 164 BlgNR 26. GP 1, 3): „[…] Die vorgeschlagene Gesetzespräzisierung dient der Klarstellung, dass die Wiedereingliederungsteilzeit nicht nur im unmittelbaren Anschluss an den Krankenstand, sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt angetreten werden kann. Die Arbeitszeitreduktion muss im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem mindestens sechswöchigen Krankenstand erfolgen. Um den zeitlichen Zusammenhang zu gewährleisten, muss die Wiedereingliederungsvereinbarung spätestens zum Ablauf von einem Monat nach dem Ende dieses Krankenstands erfolgen. Der Möglichkeit des Antritts der Wiedereingliederungsteilzeit innerhalb eines Monats nach dem Arbeitsbeginn soll ein zwischenzeitiger neuerlicher Krankenstand (infolge einer anderen Erkrankung wie zB eines grippale[n] Infekts oder eines Wiederauflebens jener Erkrankung, die für die Inanspruchnahme der Wiedereingliederungsteilzeit ursächlich ist) nicht entgegenstehen.“

Diese Regelung sollte daher lediglich dem Arbeitnehmer einen gewissen Spielraum bieten (Tomandl, AVRAG [2022] 157). In keiner Weise ergibt sich aus den Materialien eine Absicht des Gesetzgebers, die Wirksamkeit (!) der Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit, deren gesetzliche Ausgestaltung ohnedies schon „übertrieben kompliziert“ erfolgte (Tomandl, AVRAG 156), davon abhängig zu machen, dass der zu einem gesetzlich zulässigen Zeitpunkt geplante Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit auch tatsächlich erfolgt. Der geforderte zeitliche und ursächliche Zusammenhang des Anlassfalls und der Wiedereingliederungsteilzeit ist bereits dann gewahrt, wenn der vereinbarte Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit innerhalb des in § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG normierten Zeitraums liegt. Ist diese zeitliche und kausale Verknüpfung gegeben, so ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen ein zwischenzeitiger kürzerer Krankenstand der Wirksamkeit der Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit zwingend entgegenstehen sollte […].

3.1 Nichts anderes kann für einen solchen zwischenzeitigen Krankenstand gelten, wenn er innerhalb des Zeitraums des § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG beginnt, jedoch erst nach dem geplanten Zeitpunkt des Antritts der Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung endet.

[…]

Bei Zusammenschau der arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen ergibt sich folgendes Bild: Liegt eine Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit – insbesondere auch mit einem gemäß § 13a Abs 1 Satz 2 ASVG zulässigen geplanten Antrittstermin – vor und erweist sich diese als medizinisch zweckmäßig, sodass die chef- und kontrollärztliche Bewilligung erteilt wird (§ 143d Abs 1 ASVG), so ist diese Vereinbarung rechtswirksam. Der Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld entsteht frühestmöglich mit dem geplanten Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit. Erfolgt dieser nicht tatsächlich, so hindert dies – ungeachtet der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung – den Eintritt des Versicherungsfalls der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand und das Entstehen des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld. Umgekehrt ergibt sich aus dem Wortlaut des § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG gerade nicht, dass die – nach Erteilung der chef- und kontrollärztlichen Genehmigung bereits rechtswirksame! – Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit (nur) deshalb ihre Wirksamkeit ver44löre, weil die Wiedereingliederungsteilzeit zum geplanten Termin nicht tatsächlich angetreten wurde. Zutreffend wird im Ergebnis in der Literatur daher vertreten, dass die Zeitpunkte der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit und des Entstehens des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld auseinanderfallen können […].

[…]“

Erläuterung

Die Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit ist arbeitsrechtlicher Natur und in § 13a AVRAG geregelt. Das Wiedereingliederungsteilzeitgeld ist eine Leistung aus der KV und daher als sozialversicherungsrechtlicher Anspruch in § 143d ASVG geregelt. Die gegenständliche E beschäftigt sich mit der Frage, ob die arbeits- und sozialrechtlichen Folgen der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit getrennt voneinander behandelt werden können und bejaht dies mit folgender Begründung:

§ 13a Abs 1 AVRAG normiert, „dass ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin nach einer mindestens sechswöchigen ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unglücksfall (Anlassfall) mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin schriftlich eine Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte (Wiedereingliederungsteilzeit) für die Dauer von mindestens einem Monat bis zu sechs Monaten vereinbaren kann, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Monate gedauert hat.Die Wiedereingliederungsteilzeit muss spätestens einen Monat nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des ersten Satzes angetreten werden.“

Der 2. Satz des § 13a AVRAG wurde mit der Novelle BGBl 2018/554BGBl 2018/554 eingefügt, um den zeitlichen Zusammenhang der Arbeitszeitreduktion mit dem mindestens sechswöchigen Krankenstand zu gewährleisten. Der Gesetzgeber wollte dadurch den AN größere Flexibilität bieten und insb jene, die ihre Arbeitskraft nach der Genesung zunächst überschätzen, miteinbeziehen. Keinesfalls wollte der Gesetzgeber die Wirksamkeit der Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit vom tatsächlichen Antritt abhängig machen.

Die Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit ist daher bereits rechtswirksam, wenn der Antrittstermin zulässig ist (dh binnen einem Monat nach der mindestens sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit liegt) und die Wiedereingliederungsteilzeit medizinisch zweckmäßig ist, sodass die chef- und kontrollärztliche Bewilligung erteilt wurde. Die Rechtswirksamkeit einer den gesetzlichen Anforderungen des § 13a AVRAG entsprechenden Vereinbarung tritt durch die Zustellung der Mitteilung über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes nach § 143d ASVG ein. Erfolgt der Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit tatsächlich nicht zum zulässigen Antrittstermin, verliert die Vereinbarung dennoch nicht ihre Wirksamkeit.

Anders verhält es sich beim Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld. § 120 Z 2a ASVG normiert den Eintritt des Versicherungsfalles. Dieser gilt mit dem tatsächlichen Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit nach § 13a AVRAG als eingetreten. § 143d Abs 1 ASVG normiert, „dass Personen, die eine Wiedereingliederungsteilzeit nach § 13a AVRAG vereinbart haben, für deren Dauer, jedoch höchstens neun Monate,ab dem Tag des tatsächlichen DienstantrittsAnspruch auf Wiedereingliederungsgeld haben“. Der Beginn der sozialversicherungsrechtlichen Leistung des Wiedereingliederungsgeldes ist daher nach dem Wortlaut eindeutig an den tatsächlichen Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit geknüpft.

Der OGH bestätigt mit seiner E die in der Literatur herrschende Meinung (Dunst/Panhölzl, Die Wiedereingliederung nach langen Krankenständen, DRdA-infas 2017, 113 [115]; Födermayr, Wiedereingliederungsteilzeit, SozSi 2018, 470 [474]; aA ohne nähere Begründung Liebmann in Poperl/Trauner/Weißenböck, ASVG-Praxiskommentar [72. Lfg] § 143d ASVG Rz 11) und stellt fest, dass die Zeitpunkte der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit und des Entstehens des Anspruches auf Wiedereingliederungsgeld auseinanderfallen können.