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Ausgleichszulage: Anrechnung des „fiktiven Ausgedinges“ bei Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebs im Rahmen eines Scheidungsvergleichs

FABIANGAMPER

Der Kl bezieht seit Oktober 2021 eine Korridorpension und parallel dazu eine deutsche Rente. Die Ehe des Kl wurde am 18.11.2021 geschieden. Die Ehegatten waren zur Hälfte Eigentümer einer land- bzw forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaft. Bis zur Scheidung hat die Gattin des Kl den Betrieb bewirtschaftet. Im Scheidungsvergleich übergab der Kl seinen Anteil der Liegenschaft bzw am Betrieb an die geschiedene Gattin gegen die Leistung eines Ausgleichsbetrags iHv € 30.000,-.

Die Bekl lehnte mit Bescheid vom 20.1.2022 den Antrag auf Ausgleichszulage des Kl ab, da gem § 292 Abs 8 ASVG ein fiktives Einkommen aufgrund 45 der Betriebsübergabe angerechnet werden müsse. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge und ließ die Revision zu, da eine Klarstellung zur Anwendbarkeit des § 292 Abs 8 und 9 ASVG nach der Übertragung eines land- bzw forstwirtschaftlichen Betriebs in einer Aufteilungsvereinbarung geboten sei.

Die Revision des Kl ist zwar aus diesem Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Dazu führt der OGH aus, dass in § 292 Abs 8 bis 13 ASVG Ausnahmen vom Grundsatz, dass Einkünfte nur in tatsächlicher Höhe berücksichtigt werden, geregelt sind. Abs 8 leg cit sieht die Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens (bis 31.12.2021 iHv 10 % des jeweilig anzuwendenden Ausgleichszulagenrichtsatzes, ab 1.1.2022 änderte sich der Prozentsatz auf 7,5 %) vor, falls die Bewirtschaftung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs aufgegeben, der Betrieb übergeben oder auf andere Weise jemanden zur Bewirtschaftung überlassen wurde („fiktives Ausgedinge“). Die Pauschalanrechnung hat ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang solche Leistungen im Einzelfall tatsächlich empfangen werden, und ohne dass es auch auf die (oftmals „faktisch unmöglich“ zu ermittelnden) Motive ankommt, zu erfolgen. Entscheidend ist, dass Verfügungen getroffen wurden, bei denen jeweils die grundsätzliche Möglichkeit bestanden hätte, ein Ausgedinge oder eine entsprechende Geldleistung zu vereinbaren. Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass dem Eigentümer eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs zugemutet werden könne, diesen so zu verwerten, dass er einen Teil seines Lebensunterhalts auch nach Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit selbst bestreiten kann.

Begrenzt wird diese fiktive Anrechnung durch eine „Härteklausel“ in § 292 Abs 9 ASVG. Diese bestimmt, dass die Hinzurechnung eines fiktiven Einkommens unterbleibt, wenn die Gewährung von Gegenleistungen aus einem übergebenen oder aufgegebenen land- bzw forstwirtschaftlichen Betrieb aus Gründen, die der Einflussnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen sind, am Stichtag zur Gänze ausgeschlossen oder später unmöglich geworden ist. Die Bestimmung zielt auf Fälle ab, in denen aus Gründen, die der Einflussnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen sind, die Erbringung von Ausgedingsleistungen unmöglich (geworden) ist, so zB bei einem Betriebsentzug gegen den Willen des Inhabers, bei Zerstörung durch höhere Gewalt oder bei Zwang zur Betriebseinstellung durch ungünstige Produktionsverhältnisse, aber auch bei einem durch zwingende Gründe veranlassten Freihandverkauf.

Im vorliegenden Fall schloss der Kl im Zuge der Scheidung eine Vereinbarung iSd §§ 81 ff EheG über die Übertragung seines Betriebsanteils ab. Die Tatsache, dass die Vereinbarung in der Form eines gerichtlichen Vergleichs geschlossen wurde, führt nicht zu einer Ausnahme der Anwendung des § 292 Abs 8 ASVG. Auch der gerichtliche Vergleich unterliegt der Disposition der Parteien und ist daher als Aufgabe, Übergabe oder Überlassung des Betriebs durch den bisher Berechtigten iSd § 292 Abs 8 ASVG zu qualifizieren. Eine wirtschaftliche Zwangslage wurde in der Revision nicht dargetan.