Das Blackout aus dem Blickwinkel der Entgeltfortzahlung

MICHAELGOGOLAMICHAELTRINKO

Seit einiger Zeit wird der Eintritt eines Blackouts von Expert:innen als zunehmend realistisches Krisenszenario angesehen* und infolgedessen auch in der arbeitsrechtlichen Literatur vermehrt diskutiert. Dabei stellt sich im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis insb aus rechtswissenschaftlicher Sicht die praxisrelevante Frage, welche Vertragspartei dasRisiko der Entgeltfortzahlung bei Unterbleiben der Arbeitsleistungaufgrund eines Blackout-Szenarios trifft.

1..
Was versteht man unter einem Blackout?

Unter einem Blackout-Szenario wird gemeinhin ein länger andauernder Stromausfall oder Energiemangel von überregionaler Bedeutung verstanden. Relevant ist somit neben der Dauer des Ereignisses auch dessen geografische Ausdehnung. Kommt es lediglich für einige Stunden und lokal begrenzt zu Energieengpässen, kann wohl kaum von einem Blackout gesprochen werden und es ist nicht von einer größeren Zahl rechtlicher Unklarheiten auszugehen. In einer Krisensituation umfassenderer Art ist jedoch damit zu rechnen, dass weite Teile des öffentlichen Lebens und des Alltags zum Erliegen kommen – weil etwa Wasserpumpen, Tankstellen oder der öffentliche Verkehr nicht mehr wie gewohnt funktionieren – und auch die Wirtschaft mit massiven Auswirkungen zu kämpfen haben wird. Dies selbst dann, wenn die Stromversorgung lediglich für einige Tage ausfällt, wobei nach längstens einer Woche ohne Energie aufgrund der dramatischen Folgen für die Bevölkerung ohnehin davon ausgegangen werden muss, dass die öffentliche Ordnung kaum mehr aufrechterhalten werden kann. Bei einer derartig schwerwiegenden Situation wird die Gesetzgebung (zumindest ex post) in der Verantwortung sein, Regelungen zu offenen Fragen – nicht nur in Bezug auf das Arbeitsrecht – zu treffen.

In diesem Beitrag werden die §§ 1154b und 1155 ABGB sowie die Sonderbestimmung des § 16 UrlG unter Bezugnahme auf Entgeltfortzahlungsansprüche und die damit in Zusammenhang stehende mögliche Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Zuge eines Blackouts erörtert. Andere sondergesetzliche Normen, welche Fragen der Entgeltfortzahlung regeln, müssen hier – schon aus Platzgründen – ausgeblendet bleiben. Im Vordergrund stehen dabei dogmatische Betrachtungen auf der Grundlage, dass die Gesetzgebung beim Auftreten derartiger Ereignisse keine Sonderbestimmungen, wie dies etwa im Rahmen der COVID-19-Pandemie geschehen ist, schafft. Grundsätzlich wird wohl davon auszugehen sein, dass der Staat in einer derart schwerwiegenden Situation, wie sie ein Blackout zweifellos darstellt – gegebenenfalls auch nachträglich –, Regelungen zur Entgeltfortzahlung trifft.*

2..
Das Blackout als Ereignis der „neutralen Sphäre“

Von essenzieller Bedeutung für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Zuge eines Blackouts ist die Frage der Existenz der sogenannten „neutralen Sphäre“. Intensive Abhandlungen dazu finden sich im Schrifttum vorwiegend zu § 1155 ABGB. Aber auch in Bezug auf § 1154b Abs 5 ABGB ist in der Lehre umstritten, ob neben der AN- sowie der AG-Sphäre eine noch dritte,* die sogenannte „neutrale Sphäre“, existiert.* So wird davon ausgegangen, dass Ereignisse, die umfassend sind und die Allgemeinheit betreffen, und deren Eintritt weder auf Seiten des/der AN noch des AG liegt, sondern in die „neutrale Sphäre“ fällt, ein Entgeltanspruch des/der AN in derartigen Konstellationen zu verneinen sei.* Gerade die Erfahrungen der COVID-19-Pandemie haben die Diskussion um die Existenz der neutralen Sphäre weiter befeuert, was sich nicht zuletzt in der dazu ergangenen Literatur* widerspiegelt.

Festzuhalten ist zum Verhältnis der Bestimmungen des § 1154b Abs 5 ABGB und des § 1155 ABGB zunächst, dass diese unterschiedliche Stoßrichtungen aufweisen. Während § 1154b Abs 5 ABGB auf Fälle der Dienstverhinderung durch den/die AN – iSe Unterbleibens der geschuldeten Arbeitsleistung – abzielt, regelt § 1155 ABGB die Entgeltfortzahlung bei Annahmeverzug, den der AG zu vertreten hat. 57

In seiner E* von 1987 hielt der OGH fest, dass zu prüfen sei, ob ein Elementarereignis vorliege, das den/die AN daran hindere, den Arbeitsplatz zu erreichen und nicht mehr in die Sphäre des/der AN oder des AG falle, sondern als Ereignis „höherer Gewalt“ der „neutralen Sphäre“ zuzuordnen sei. Dies hätte laut OGH zur Folge, dass weder nach § 1154b noch nach § 1155 ABGB Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehe. Auch wenn das Höchstgericht in der angesprochenen E die Lehre von der neutralen Sphäre wiedergab, liegt bis dato keine E des OGH vor, in welcher der Entgeltanspruch aufgrund einer „allgemeinen Kalamität“ verneint wurde.*

In der Literatur* finden sich unterschiedliche Ansätze, in welchen Fällen ein Ereignis der „neutralen Sphäre“ zuzurechnen ist. Jedoch ist grundsätzlich festzustellen, dass davon ausgegangen wird, dass der Entgeltanspruch des/der AN bei Eintreten höherer Gewalt entfällt, wenn das Ereignis über die Sphäre des einzelnen AG hinaus die Allgemeinheit betrifft (sogenannte „allgemeine Kalamität“). Angeführt werden dafür ua Seuche, Hochwasser, Erdbeben oder Energiemangel.*

Im Schrifttum werden im Wesentlichen drei unterschiedliche Theorien vertreten, wobei sich die Rsp bisher keiner der Theorien ausdrücklich angeschlossen hat.* Diese sind die Lokalisierungs-, die Einfluss- und die Zurechnungstheorie.

Die Lokalisierungstheorie beschränkt sich darauf, ob sich die Ursache der Verhinderung im Bereich des AG geäußert hat. Daher fallen in die Sphäre des AG alle Ereignisse, die eine Dienstverhinderung bewirken und die Person des AG, sein Unternehmen, die Organisation und den Ablauf des Betriebs, die Zufuhr von Rohstoffen, Energien und sonstigen Betriebsmitteln sowie die betriebliche und unternehmerische Tätigkeit betreffen.* Die Beherrschbarkeit durch den AG ist gem der Lokalisierungstheorie daher unerheblich und es kommt nur darauf an, ob der Umstand den DG bzw den Betrieb betrifft.*

Nach der Einflusstheorie sind lediglich jene Verhinderungen des/der AN dem AG zuzurechnen, welche für den AG vorhersehbar waren, der AG jedoch die Möglichkeit gehabt hätte, die Verhinderung durch Einleitung von Maßnahmen abzuwenden, zB Bebauung eines Lawinengebietes durch den AG.*

Die Zurechnungstheorie stellt eine Fortentwicklung der Einflusstheorie dar,* wobei beide von der lokalisierenden Theorie ausgehen. Bei der Zurechnungstheorie steht die Frage im Vordergrund, ob der/die AN eine stärkere Beziehung zu dem den Arbeitsausfall bewirkenden Risiko hat als der AG. Nach der Zurechnungstheorie nimmt § 1155 ABGB jedoch noch nicht selbst die Abgrenzung zwischen AN- und AG-Sphäre vor, sondern stellt lediglich eine Verweisungsnorm dar. Die Abgrenzung der Sphären voneinander kann erst unter Heranziehung des gesamten Arbeitsrechts erfolgen.*

Prima facie wäre daher ein Blackout vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ein derart allgemeines Ereignis, welches in die neutrale Sphäre fällt und daher ein Entgeltanspruch des/der AN entfallen würde.*

Jedoch ist die Existenz einer „neutrale Sphäre“ im Schrifttum nicht unumstritten bzw wird diese teilweise auch abgelehnt.* Schon der Terminus „neutrale Sphäre“ an sich sei irreführend, da sich diese Sphäre keineswegs als neutral darstelle. Sie führe lediglich dazu, dass kein Entgeltanspruch für den Zeitraum der Dienstverhinderung seitens des/der AN besteht und nur zulasten einer Vertragspartei, nämlich zulasten des/der AN, wirkt.* So gelangt weiters Aichberger-Beig* zum Ergebnis, dass der AG stets, und somit auch bei allgemeinen Kalamitäten, zur Entgeltfortzahlung gem § 1155 ABGB verpflichtet sei, wenn bei aufrechtem Vertrag der/die arbeitsbereite AN nicht zur Arbeit eingesetzt werden kann, unabhängig davon, warum der/die AN nicht eingesetzt wird. Dies entspreche sowohl den allgemein-zivilrechtlichen Gefahrtragungsregeln als auch dem Willen des historischen Gesetzgebers und sei zusätzlich aufgrund arbeitsrechtlicher Wertungen geboten. AN würden bei einem vollständigen Entfall des Entgelts schlechter gestellt werden als sie bei Auflösung oder Unterbrechung des Arbeitsvertrags – durch Anspruch auf Arbeitslosengeld – wären. Dies würde weiters dazu führen, dass eine entgeltzahlungsfreie neutrale Sphäre das Entgeltrisiko zur Gänze vom/von der AN zu tragen ist.*58

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Existenz einer „neutralen Sphäre“ auch bzgl § 1154b ABGB nicht gänzlich unumstritten ist. Während einige Autor:innen eine solche grundsätzlich auch bei § 1154b ABGB annehmen, bejahen andere zwar das Bestehen einer neutralen Sphäre hinsichtlich § 1155 ABGB, lehnen eine Existenz dieser im Hinblick auf § 1154b ABGB allerdings ab.* Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung könne demnach entfallen, wenn eine Vielzahl von AN von einer allgemeinen Kalamität betroffen ist. Jedoch löst der OGH* die Frage der Entgeltfortzahlung nicht über § 1155 ABGB, sondern über § 1154b Abs 5 ABGB. Ua nach Felten bedeute dies, dass wohl innerhalb des Anwendungsbereiches des § 1154b Abs 5 ABGB kein Platz für eine sogenannte „neutrale Sphäre“ vorhanden und auch im Anwendungsbereich des § 1155 ABGB der „neutralen Sphäre“ ein restriktives Verständnis entgegenzubringen sei.*

3..
Die Entgeltfortzahlung gem § 1154b Abs 5 ABGB bzw § 8 Abs 3 AngG

Die Bestimmungen der §§ 1154b Abs 5 ABGB (für Arbeiter:innen) sowie 8 Abs 3 AngG (für Angestellte) gewähren Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Vorliegen anderer, dh neben Arbeitsunfall und Krankheit, die Person des/der AN betreffender Gründe der Dienstverhinderung, soweit die Verhinderung ohne Verschulden des/der AN zustande kommt und eine verhältnismäßig kurze Zeit andauert. Dabei können die die Entgeltfortzahlungspflicht auslösenden Dienstverhinderungsgründe durchaus unterschiedlich sein, wobei es sich nicht zwingend um eine Unfähigkeit des/der AN zur Leistungserbringung handeln muss, sondern bloß um eine Unzumutbarkeit aufgrund anderer aufgrund von Recht, Sitte oder Herkommen als höherwertig einzustufender Verpflichtungen.* So ist das Entgelt bei Unerreichbarkeit des Arbeitsplatzes aufgrund von starkem Schneefall* oder der Tätigkeit als Wahlzeuge bei einer Betriebsratswahl* ebenso fortzuzahlen wie beim Tod der Mutter und den damit verbundenen Begräbnisvorbereitungen bzw der Teilnahme am Begräbnis,* Arztbesuchen (außerhalb des Krankenstandes)* und sogar bei Dienstverhinderung aufgrund der Teilnahme an der silbernen Hochzeit eines nahen Verwandten* sowie bei notwendiger Anwesenheit in der Wohnung während der Behebung einer Telefonstörung.* Auch die Auswirkungen eines Streiks bzw die damit verbundenen Verkehrsbeeinträchtigungen oder Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen können uU einen Entgeltfortzahlungsanspruch gem § 1154b Abs 5 ABGB bzw § 8 Abs 3 AngG begründen.* Nicht jedoch besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei nicht berufsbedingter Ablegung der Jagdprüfung* oder der Ausübung einer politischen Nebentätigkeit.* § 1154b Abs 5 ABGB wird daher als eine Art Generalklausel für alle ansonsten nicht erfassten Fälle der arbeitnehmer:innenseitigen Dienstverhinderung angesehen.*

3.1..
Verschuldensabhängiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Unter Bezugnahme auf die in § 1154b Abs 5 ABGB enthaltene Wendung „ohne sein Verschulden“ und die Gesetzesmaterialien geht die hL davon aus, dass jedes Verschulden des/der AN, somit auch leichte Fahrlässigkeit, den Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließt.* Ein Verschulden des/der AN ist dann anzunehmen, wenn die Dienstverhinderung durch ein ungewöhnlich leichtfertiges oder mutwilliges Verhalten herbeigeführt wurde, wenn der/die AN sich also mutwillig Gefahren aussetzt, die erheblich über das bei einer normalen und vernünftigen Lebensweise Übliche hinausgehen, weshalb es unbillig wäre, die Folgen eines solchen Verhaltens auf den AG abzuwälzen.* Der/die AN hat daher alles Zumutbare zu unternehmen, um das Entstehen von Dienstverhinderungen zu vermeiden oder diese zumindest so kurz wie möglich zu halten, also etwa Termine soweit als möglich und zumutbar außerhalb der Arbeitszeit ansetzen oder die notwendige Handlung auf andere Weise, etwa telefonisch, vornehmen.*

3.2..
Dauer der Entgeltfortzahlung

Bis zum ARÄG 2000* war der Entgeltfortzahlungsanspruch des/der AN bei wichtigen, die Person des/der AN betreffenden Gründe gesetzlich mit der maximalen Dauer von einer Woche pro Anlassfall beschränkt. Durch die Streichung der Höchstgrenze besteht nunmehr ein gesetzlicher Anspruch für „eine verhältnismäßig kurze Zeit“. Durch den vom Gesetzgeber normierten Wegfall des Höchstzeitraums von einer Woche ist nun davon auszugehen, dass die Entgeltfortzahlung auch länger andauern kann.*59

3.3..
Fallkonstellationen bei einem Blackout

Im Hinblick auf das Szenario eines Blackouts sind unterschiedliche Fälle denkbar, in denen AN ohne ihr Verschulden an der Erbringung der Dienstleistung verhindert sind. Ist etwa der öffentliche Verkehr eingestellt und dem/der AN eine Anreise zu Fuß oder mit dem Fahrrad aufgrund der Entfernung des Arbeitsorts unmöglich oder unzumutbar, so ist vom Vorliegen eines zur Entgeltfortzahlung führenden Dienstverhinderungsgrundes gem § 1154b Abs 5 ABGB bzw § 8 Abs 3 AngG auszugehen.

Selbiges muss wohl gelten, wenn aufgrund der Krisensituation die Kindergärten und Volksschulen geschlossen sind und eine Kinderbetreuung anders als durch den/die AN selbst nicht gewährleistet werden kann. In diesem Zusammenhang könnte uU auch § 16 UrlG einschlägig sein. In Abs 1 Z 2 leg cit wird normiert, dass bei Verhinderung an der Arbeitsleistung wegen der notwendigen Betreuung des Kindes bzw Wahl- oder Pflegekindes des/der AN oder eines im gemeinsamen Haushalt lebenden leiblichen Kindes des anderen Ehegatten, des eingetragenen Partners oder Lebensgefährten infolge eines Ausfalls einer Person, die das Kind ständig betreut hat, aufgrund von Tod, Aufenthalt in einer Heil- und Pflegeanstalt, Verbüßung einer Freiheitsstrafe sowie bei einer anderweitigen auf behördlicher Anordnung beruhenden Anhaltung, schwerer Erkrankung, Wegfall des gemeinsamen Haushaltes des anderen Elternteils, Adoptiv- oder Pflegeelternteils mit dem Kind oder der Betreuung des Kindes, Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Nicht von der Betreuungsfreistellung erfasst ist jedoch die Schließung des Kindergartens bzw der Schule.* Aus diesem Grund entschied sich die Gesetzgebung in Reaktion auf die Schulschließungen während der COVID-19-Pandemie zwischenzeitlich zur Schaffung der Sonderbetreuungszeit.* Sollte es im Falle eines Blackouts zu Schulschließungen kommen, greifen daher – mangels Sonderbestimmungen – jedenfalls die allgemeinen Bestimmungen der §§ 1154b Abs 5 ABGB bzw 8 Abs 3 AngG bei der notwendigen Betreuung eines Kindes.

Ist der/die AN gezwungen, aufgrund des länger anhaltenden Stromausfalls Vorkehrungen zum Schutz seines/ihres Eigentums vor Schäden (zB Beschädigung der Wohnung durch abtauende Kühlschränke oder dgl) zu ergreifen und deshalb nicht zur Arbeit zu erscheinen, könnte dies ebenfalls eine Dienstverhinderung mit Entgeltfortzahlungsanspruch iSd § 1154b Abs 5 ABGB darstellen.

3.4..
Verpflichtung zur Überstundenleistung bei einem Blackout

In diesem Zusammenhang ist jedoch die – neben einer gegebenenfalls kollektivrechtlich oder einzelvertraglich vereinbarten Überstundenverpflichtung – aus der Treuepflicht abgeleitete Verpflichtung zur Überstundenleistung zu erwähnen, die im Zusammenhang mit der Situation eines Blackouts Relevanz entfalten könnte. Für außergewöhnliche Fälle erlaubt das Arbeitszeitgesetz die vorübergehende Nichtanwendung bestimmter Regelungen über Arbeitszeitgrenzen, soweit es sich um eine Notsituation handelt und die engen Voraussetzungen des § 20 AZG vorliegen, die Arbeiten also bloß vorübergehend und unaufschiebbar sind und „zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Lebens oder für die Gesundheit von Menschen oder bei Notstand sofort vorgenommen werden müssen“ (§ 20 Abs 1 lit a AZG) oder „zur Behebung einer Betriebsstörung oder zur Verhütung des Verderbens von Gütern oder eines sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens erforderlich sind, wenn unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Zweckes nicht getroffen werden können“ (§ 20 Abs 1 lit b AZG). Jedenfalls unterliegt die Frage der Zulässigkeit von Überstunden oder Mehrarbeit jedoch einer Interessenabwägung.* Daneben erlaubt § 11 ARG eine Beschäftigung von AN während der Wochenend- und Feiertagsruhe in außergewöhnlichen Fällen. Eine generelle Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Krisenfall lässt sich aus den Bestimmungen des AZG sowie des ARG jedenfalls nicht ableiten.*

4..
Die Entgeltfortzahlung gem § 1155 Abs 1 ABGB

Der dispositive* § 1155 ABGB besitzt einen sehr weiten Anwendungsbereich und gilt im Grunde für sämtliche AN. Neben Arbeiter:innen und Angestellten ist § 1155 ABGB per analogiam*auch für freie DN anwendbar, wobei hinsichtlich der Bemessung der Entgelthöhe unter Verweis auf das in § 1155 ABGB enthaltene Lohnausfallsprinzip bei freien Dienstverhältnissen auf den Durchschnitt der letzten zwölf repräsentativen Monate abzustellen ist.* Als lex specialis kommt als einseitig zwingende Norm § 10 Abs 2 AÜG für überlassene Arbeitskräfte zur Anwendung.* Dieser legt – in mit § 1155 ABGB vergleichbarer Weise – fest, dass überlassene Arbeitskräfte, wenn sie zur Leistung bereit sind, aber nicht oder nur unter dem vereinbarten Ausmaß beschäftigt werden können, Anspruch auf das Entgelt auf Basis der vereinbarten Arbeitszeit haben.60

Ein grundsätzlich zeitlich unbegrenzter* Entgeltfortzahlungsanspruch des/der AN gem § 1155 ABGB entsteht, wenn die Dienstleistung nicht zustande kommt, wobei der/die AN zur Leistung bereit war und der/die AN durch Umstände auf Seiten des AG an der Leistungserbringung verhindert war.

4.1..
Nichtzustandekommen der Arbeitsleistung

Dienstleistungen können einerseits deshalb unterbleiben, weil der AG den/die AN nicht beschäftigen will oder andererseits, weil der AG den/die AN nicht wirtschaftlich sinnvoll beschäftigen kann. Bei Zweiterem kann die Erbringung der Dienstleistung durch physische, insb technische, Hindernisse (Strommangel) oder der Mangel an anderen Produktionsfaktoren gestört sein oder auch wegen mangelnder Nachfrage sinnlos erscheinen.* Im Falle eines Blackouts wird davon auszugehen sein, dass die Arbeitsleistung aufgrund des Stromausfalles in vielen Fällen gar nicht möglich sein wird und die Arbeitsleistung aus diesem Grunde nicht zustande kommt. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen der AG für derartige Situationen (zB mittels Notstromaggregates) vorgesorgt hat. In einem Büro, in dem zwar die Stromversorgung gegeben ist, aber aufgrund des Blackouts keine Internetverbindung besteht, ist fraglich, ob überhaupt eine wirtschaftlich sinnvolle Beschäftigung möglich ist. Es ist aber durchaus denkbar, dass etwa gewisse Aufträge durch die Bereitstellung eines Notstromaggregats noch abgearbeitet werden können. Jedoch müssen auch hierbei die zwingenden Bestimmungen des AN-Schutzes eingehalten werden. Hier zeigt sich, dass es aufgrund der Diversität der Arbeitswelt nicht oder nur schwer möglich ist, generelle Aussagen zu treffen.

4.2..
Leistungsbereitschaft des/der AN

Ist der/die AN ungeachtet des Hindernisses seiner/ihrer tatsächlichen Beschäftigung willens und auch fähig, dem AG die Arbeitskraft anzubieten, so liegt Leistungsbereitschaft vor.* Die Leistungsbereitschaft muss grundsätzlich während der Zeit, zu welcher der/die AN die Arbeitsleistung schuldet, bestehen. Unabhängig der Störungen am Arbeitsplatz ist die Fähigkeit des/der AN zur Leistung nur nach seinen/ihren persönlichen Umständen zu beurteilen. Weiters bedeutet die Bereitschaft zur Arbeitsleistung, dass der/die AN nach Wegfall der Störung bereit ist, unverzüglich die geschuldete Arbeit wieder aufzunehmen.* Grundsätzlich muss die Arbeitskraft am bedungenen Arbeitsort zur bedungenen Arbeitszeit während des gesamten Zeitraums des Dienstverhinderungsgrundes angeboten werden. Jedoch kann vom/von der AN, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer Arbeitsaufnahme zu rechnen ist, nicht verlangt werden, dass täglich die gesamte Arbeitszeit am Arbeitsplatz verbracht wird. Eine Verpflichtung des/der AN, dass die Arbeitskraft täglich angeboten wird, besteht nicht. Der/die AN muss lediglich in der Lage sein, unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes die Arbeit unverzüglich wieder aufzunehmen.*

Der AG muss grundsätzlich leistungsbereite AN darauf hinweisen, dass er die Arbeitsleistung nicht annehmen will oder kann. Gibt der AG eine derartige Erklärung nicht (schlüssig) ab, so dürfte der AN sich nicht vom Betriebsgelände entfernen.* Dem OGH* zufolge werden aber von diesem Grundsatz dann Ausnahmen zuzulassen sein, wenn die Tatsache der Unmöglichkeit der Diensterbringung an einem bestimmten Tag (in einer bestimmten Zeitspanne) auch für den/die AN derart evident ist, dass es einer ausdrücklichen oder schlüssigen Erklärung des DG nicht bedarf (zB völlige Zerstörung des Betriebsgeländes durch eine Naturkatastrophe). Denkbar ist auch, dass Umstände vorliegen, aus denen der/die AN ableiten kann, dass dem AG eine entsprechende Erklärung objektiv unmöglich oder unzumutbar ist. Auch hinsichtlich der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales ist wiederum aufgrund der Vielzahl an möglichen Konstellationen auf den konkreten Einzelfall abzustellen.

UE wird der/die AN wohl grundsätzlich einmalig seine Leistungsbereitschaft gegenüber dem AG an der Betriebsstätte bekunden müssen. Wenn absehbar ist, dass die Arbeitsleistung aufgrund des Blackouts für längere Zeit unmöglich sein wird, so muss der/die AN jedenfalls nicht täglich die Arbeitsleistung vor Ort anbieten. Mit Blick auf die Rsp wird bei einer offenkundigen Unmöglichkeit der Leistungserbringung im Zuge eines Blackouts auch schon das erstmalige Bekunden der Leistungsbereitschaft des/der AN entfallen können.

4.3..
Umstände auf Seiten des AG

Im Zuge der Diskussion, wann iSd Gesetzes „Umstände auf Seiten des Arbeitgebers“ eintreten, wurden wie erwähnt mehrere Theorien entwickelt.* Allgemein ist jedoch zu fragen, in welchem Umfang der AG verpflichtet ist, Vorsorge für den Fall eines Blackouts zu treffen. Jedenfalls werden seitens der Wirtschaftskammern für ihre Mitglieder vielfältige Informationen zur Blackout-Vorsorge angeboten.* So könnte wohl in vielen Fällen mittels eines Notstromaggregats, autarker Stromproduktion durch 61 Photovoltaikanlagen oder dgl ein Annahmeverzug des AG vermieden und der Betrieb trotz eines Blackouts – zumindest für einen bestimmten Zeitraum – aufrechterhalten werden. Betrachtet man die Entscheidung des OGH,* wonach trotz umfassender COVID-Maßnahmen und Betriebsschließungen unternehmerische Entscheidungsspielräume verbleiben und somit die Erbringung von Dienstleistungen möglich bleibt, spricht dies gegen eine allgemeine Betroffenheit. Daher kann man wohl auch im Falle eines Blackouts nicht von einer „allgemeinen Betroffenheit“ sprechen und das Blackout daher grundsätzlich nicht der „neutralen Sphäre“ zurechnen. Abseits davon werden jedenfalls jene Ereignisse in die Sphäre des AG fallen, die er vermeiden hätte können, unabhängig davon, ob höhere Kosten entstehen.* Sogar im Einzelfall unvermeidbare Störungen durch ein Naturereignis wurden dem AG bereits zugerechnet.* So wird bereits im Rahmen der häufig vertretenen Zurechnungstheorie festgehalten, dass der AG entgeltfortzahlungspflichtig wird, wenn er nicht alles Zumutbare unternommen hat, um den Eintritt des Risikos im Betrieb abzuwenden. Dabei wird nicht verlangt, dass der AG das Risko beherrschen kann, sondern man begnügt sich wohl damit, dass er es zumindest abstrakt beeinflussen kann, mag auch der Eintritt des Ereignisses nicht mehr vermeidbar gewesen sein.*

Überdies ist festzuhalten, dass es sich bei Störungen des Stromnetzes nicht um Naturereignisse, die sich durch völlig fehlende Beherrschbarkeit auszeichnen, sondern um Störungen eines – vom Menschen errichteten und beeinflussbaren – technischen Systems handelt, weshalb nahe liegt, dass derartige Störungen in das Betriebsrisiko des AG fallen. Nicht außer Acht zu lassen ist in diesem Zusammenhang weiters, dass AG gegenüber Netzbetreibern Regressansprüche geltend machen könnten, wenn auch diese – trotz abstrakter Vorhersehbarkeit eines Blackouts – nicht ausreichend Vorsorgemaßnahmen durch Errichtung von Ausgleichskraftwerken udgl getroffen haben.

UE ist daher nicht davon auszugehen, dass sich AG ihrer Entgeltfortzahlungspflicht dadurch entziehen können, dass sie zumutbare Vorsorgemaßnahmen im Hinblick auf den möglichen Eintritt eines Blackouts nicht getroffen haben. In einem solchen Fall stellt daher ein Blackout einen Umstand auf Seiten des AG iSd § 1155 ABGB dar.

5..
Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass § 1154b Abs 5 ABGB bzw § 8 Abs 3 AngG immer dann einschlägig ist, wenn AN für eine verhältnismäßig kurze Zeit ohne ihr Verschulden die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen können. Können AN den Arbeitsort tatsächlich nicht erreichen oder ist die Arbeitserbringung aufgrund von Unzumutbarkeit der Anreise – zB aufgrund der Distanz – oder anderen, höherwertigen Verpflichtungen der AN, im Fall eines Blackouts etwa Kinderbetreuung oder Schutz und Sicherung des Eigentums, nicht möglich, so besteht gem § 1154b Abs 5 ABGB (bzw § 8 Abs 3 AngG) ein zeitlich begrenzter Anspruch auf Entgeltfortzahlung trotz Unterbleibens der Arbeitsleistung.

§ 1155 ABGB hingegen setzt ua die Leistungsbereitschaft des AN voraus. Kann der/die AN seine Arbeitsleistung daher trotz Blackout anbieten, der AG die Leistung jedoch nicht entgegennehmen, so ist der Entgeltfortzahlungsanspruch gem § 1155 ABGB einschlägig. Im Vergleich zu § 1154b Abs 5 ABGB ist der Anspruch gem § 1155 ABGB nicht auf eine gewisse Zeitdauer begrenzt, wobei hierbei Anrechnungsregeln zur Anwendung kommen können. In diesem Zusammenhang ist bereits auf der Grundlage der Zurechnungstheorie davon auszugehen, dass jedenfalls jene AG entgeltfortzahlungspflichtig werden, die nicht alles Zumutbare unternommen haben, um die mit einem Blackout verbundenen Risiken im Betrieb abzuwenden.

Somit lässt sich festhalten, dass für AN, die aufgrund eines Blackouts ihre Arbeitsleitung nicht erbringen können, in vielen Fällen ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem AG besteht. Jedoch ist aufgrund der unterschiedlichen Auswirkungen des Blackouts stets der konkrete Einzelfall zu prüfen, um festzustellen, ob ein Entgeltfortzahlungsanspruch gem § 1154b Abs 5 oder § 1155 ABGB besteht. Unter dem Aspekt der Vermeidung von Rechtsunsicherheiten erscheint es daher naheliegend, der Sichtweise von Aichberger-Beig,* wonach AG auch bei allgemeinen Kalamitäten zur Entgeltfortzahlung gem § 1155 ABGB verpflichtet sind, den Vorzug zu geben. Tritt der Fall eines Blackouts tatsächlich ein, ist überdies damit zu rechnen, dass die Rsp und wohl nicht zuletzt die Gesetzgebung durch die Schaffung von Spezialregelungen für größere Klarheit im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung sorgen werden.62