Ulber/Ulber (Hrsg)AÜG – Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Kommentar für die Praxis
6. Auflage, Bund-Verlag, Frankfurt am Main 2023, 1.482 Seiten, gebunden, € 139,-
Ulber/Ulber (Hrsg)AÜG – Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Kommentar für die Praxis
Nunmehr ist in sechster Auflage der Kommentar zum deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) im Bund-Verlag erschienen. Der Band umfasst ohne Register rund 1.450 Seiten und beleuchtet das Thema in vielen Facetten, die das gewöhnliche Spektrum eines Gesetzeskommentars weit übersteigen. In Österreich wurde die deutsche Überlassungsproblematik insoweit bekannt, als die Arbeitsumstände der AN, die in Unternehmen der Fleischindustrie überlassen waren, durch die Anhäufung von COVID-Clustern in diesem Bereich öffentlich wurden und sogar Erwähnung in den Hauptnachrichtensendungen in Österreich gefunden haben. Der deutsche Gesetzgeber versuchte diese Missstände ua durch das Gesetz zur Sicherung von AN-Rechten in der Fleischwirtschaft zu beheben. Dieses befindet sich als Abdruck des Gesetzestextes in einer der 9 Anhänge des Kommentars, die auch den Entgeltrahmentarifvertrag Zeitarbeit oder den Manteltarifvertrag Zeitarbeit enthalten.
Für den österreichischen Leser besonders interessant ist die ca 320 Seiten umfassende Einleitung, die sich mit dem Anwendungsbereich des AÜG, dessen Entstehungsgeschichte sowie mit Erscheinungsformen und Gefährdungsbereichen, die die Arbeitskräfteüberlassung auslöst, beschäftigen. Gerade hier schildert der Kommentar das Gefährdungspotential, welches Arbeitskräfteüberlassung auf den Arbeitsmarkt beinhaltet und die Folgen, die Einstellungs- und Lohnpolitiken haben, die Zeitarbeit als Rationalisierungspotential und Lohnsenkungspotential begreifen, zumal laut Kommentierung in Deutschland die Zeitarbeitsbranche die größte zusammenhängende Einzelbranche darstellt.
Ebenso werden in der Einleitung „rechtstatsächliche“ Entwicklungen, grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung oder Ausländerbeschäftigungsrecht behandelt.
Die Ausführungen zum Fehlen von gesetzlichen Abgrenzungskriterien zwischen Werkvertrag und Arbeitskräfteüberlassung zeigen dem von der österreichischen Rechtslage verwöhnten Leser auf (§ 4 Abs 2 österreichisches AÜG regelt diese Abgrenzung – diese Norm wird vom Kommentator als Vorbildnorm genannt), dass dieses Manko in der deutschen Rechtslage zu großer Rechtsunsicherheit führt, da keine einheitlichen Kriterien bestehen und in der kasuistischen Einzelfallrechtsprechung keine generellen Regeln durch die Gerichte herausgearbeitet wurden.
Insofern scheint die österreichische Rechtslage, insb das Kollektivvertragsrecht mit der normierten Außenseiterwirkung, die Entstehung solcher gravierenden Missstände, wie diese im Kommentar geschildert sind, zumindest nicht zu begünstigen. Dem Befund, dass Arbeitskräfteüberlassung auch in Österreich die Mitbestimmung in den Betrieben erschwert und die Arbeitnehmerschaft somit spaltet, kann auch die österreichische Rechtslage nicht wirklich etwas entgegensetzen.
Der gesamte Kommentar ist trotz des sperrigen Themas sehr gut lesbar gehalten. Lediglich die in den Text eingearbeiteten Verweise und Zitierungen stören den Lesefluss etwas. Hier liegt die Vorliebe des Rezensenten doch stärker auf der Verwendung von Fußnoten. Der Kommentar ist alleine wegen der unglaublich informativen Einleitung jedem zu empfehlen, der sich mit Arbeitskräfteüberlassung beschäftigt; alleine, weil die Zusammenhänge zwischen kollektivem Arbeitsrecht, persönlichem Schutzrecht und Ausländerbeschäftigungsrecht so klar dargestellt werden und auch die gesellschaftlichen Folgen von Lohn- und Sozialdumping sowie Ausbeutung aufgezeigt werden, wenn das Zusammenspiel dieser Regelungen nicht funktioniert.