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Berechtigte Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit im Falle der wahrheitswidrigen Eingabe in das Arbeitszeiterfassungssystem

DAVIDKOXEDER

Die Bekl ordnete am Freitag, den 13.3.2020, für den Kl und andere Mitarbeiter Homeoffice an. Am 16.3.2020 flog der Kl um ca 7:00 Uhr mit seiner Familie in seine Wohnung nach Teneriffa. Obwohl er dort erst ab ca 12:30 Uhr zu arbeiten begann und wusste, dass im Betrieb eine Sollarbeitszeit von 8:00 bis 16:12 Uhr für ihn als Vollzeitbeschäftigten galt, gab er wahrheitswidrig im Arbeitszeiterfassungssystem der Bekl an, an diesem Tag von 9:00 Uhr bis 17:15 Uhr gearbeitet zu haben. Der Kl war allerdings der Ansicht, dass er dadurch keine Arbeitszeitverkürzung zu Lasten der Bekl herbeiführte, weil er am 13.3.2020 von 7:00 bis ca 22:30 Uhr gearbeitet hatte.

In weiterer Folge sprach die Bekl die Entlassung des Kl wegen Vertrauensunwürdigkeit gem § 27 Z 1 Fall 3 aus.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurück.

In seiner Begründung hielt er in rechtlicher Hinsicht fest, dass unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 Fall 3 AngG jede Handlung oder Unterlassung eines Angestellten fällt, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines AG unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des AG gefährdet sind.

Bei der Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit kommt es vor allem darauf an, ob für ihn vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien. Dafür 15 ist nicht das subjektive Empfinden des AG entscheidend, sondern es ist an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen, der nach den Begleitumständen des Einzelfalles und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet wird. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Angestellten das Vertrauen des AG so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses (auch nur bis zum nächsten Kündigungstermin oder bis zum Ablauf der Vertragszeit) nicht mehr zugemutet werden kann. Die Frage, ob durch das Verhalten des AN tatsächlich ein Schaden verursacht wurde, ist jedoch nicht Tatbestandsmerkmal des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit. Insofern ist ein Schadenseintritt nicht erforderlich; ebenso wenig eine Schädigungsabsicht.

Ergänzend hielt der OGH fest, dass die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach (schon alleine) die wahrheitswidrige Eingabe des Kl in das Arbeitszeiterfassungssystem keine bloße Ordnungswidrigkeit darstellt, sondern einen gravierenden Vertrauensbruch, der die Weiterbeschäftigung des Kl unzumutbar erscheinen ließ und somit die Bekl zur Entlassung des Kl berechtigte, der von der Rsp entwickelten Grundsätzen zum Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit entspricht.

Darüber hinaus genießt der AN bei Arbeitsleistungen im Homeoffice eine besondere Vertrauensstellung, weil in diesen Fällen (vergleichbar mit Reisenden) weder eine konkrete Überwachung der Arbeitszeit noch eine genaue Kontrolle der Tätigkeit möglich ist, sondern der AG im Wesentlichen auf die Richtigkeit der Berichte und Angaben des AN angewiesen ist.

Dass der Kl – wie er in seiner außerordentlichen Revision betont – mangels Vereinbarung einer „Kernzeit“ ohnehin berechtigt gewesen wäre, am 16.3.2020 bis Mittag privaten Verpflichtungen nachzugehen, ändert nichts daran, dass er durch seinen wahrheitswidrigen Eintrag der Arbeitszeit im Arbeitszeiterfassungssystem an diesem Tag nicht erbrachte Arbeitsleistungen vortäuschte.

Darüber hinaus rechtfertigt auch das Argument des Kl, er hätte sich durch diesen Eintrag wegen seiner am 13.3.2020 geleisteten, aber nicht erfassten Überstunden keinen finanziellen Vorteil verschafft, nicht seine bewusste Täuschungshandlung, zumal – wie bereits oben erwähnt – eine Schädigungsabsicht keine Tatbestandsvoraussetzung für den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit darstellt.

Zur Rechtzeitigkeit des Entlassungsausspruchs führte der OGH aus, dass die Gründe für die vorzeitige Lösung eines Arbeitsverhältnisses unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, geltend zu machen sind. Der AG hat die Entlassung also ohne Verzug, sohin sofort nachdem ihm der Entlassungsgrund bekannt geworden ist, auszusprechen.

Jedoch darf dabei der Unverzüglichkeitsgrundsatz nicht überspannt werden. Dem AG muss zwischen dem Bekanntwerden des Entlassungsgrundes und dem Ausspruch der Entlassung eine angemessene Überlegungsfrist gewährt und ihm Gelegenheit gegeben werden, sich über die Rechtslage zu informieren. Dabei muss den Erfordernissen des Wirtschaftslebens und den Betriebsverhältnissen, insb der Organisationsform des Unternehmens, Rechnung getragen werden.

Im gegenständlichen Fall ist nach Ansicht des OGH dem Berufungsgericht keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung in der Bejahung der Rechtzeitigkeit des am Tag nach dem entlassungsbegründenden Vorfall erfolgten Entlassungsausspruchs unterlaufen. Nach den Feststellungen war der Bekl der (geklärte) Sachverhalt am Nachmittag des 17.3.2020 bekannt geworden. Mit dem Ausspruch der Entlassung am Folgetag nach rechtlicher, mehrere Stunden dauernder Prüfung und anschließender Besprechung mit den entscheidungsbefugten Personen der Bekl wurde somit der Grundsatz der Unverzüglichkeit gewahrt.

Aus all diesen Gründen war auch mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung die außerordentliche Revision der Kl zurückzuweisen.