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Angestelltengesetz light für Städte mit eigenem Statut?

WOLFGANGKOZAK (WIEN)
  1. Die VBO für Innsbruck ist eine Vertragsschablone, die kraft einzelvertraglicher Wirkung im Dienstvertrag verbindlich wird.

  2. Die Auslegung gem § 915 ABGB kommt erst dann zur Anwendung, wenn die Auslegung nach der erklärten Absicht der Parteien ohne eindeutiges Ergebnis bleibt.

  3. Vorschriften zur Berechnung der Abfertigung gem AngG gelangen auf Bedienstete einer Stadt mit eigenem Statut bei Fehlen landesgesetzlicher Vorschriften nur dann zur Anwendung, wenn diese in einer Unternehmung beschäftigt sind.

[1] Der Kl war seit 1.6.1982 im Baurechtsamt der Bekl beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist die Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Linz (VBO) anzuwenden, die folgende Regelungen enthält:

„§ 8 Bezü(1) Dem Vertragsbediensteten gebühren Monatsbezüge.(2) Die Monatsbezüge und die Sonderzahlungen der Vertragsbediensteten richten sich – sofern nichts anderes vereinbart wird – sinngemäß nach den für die Beamten der Stadt geltenden Vorschriften. (...)§ 12 Auszahlung(1) Der Monatsbezug ist für den Kalendermonat zu berechnen und am 15. jeden Monates (...) auszuzahlen.(2) Die für das erste Kalendervierteljahr gebührende Sonderzahlung ist am 15. März, die für das zweite Kalendervierteljahr gebührende Sonderzahlung am 15. Juni, die für das dritte Kalendervierteljahr gebührende Sonderzahlung am 15. September und die für das vierte Kalendervierteljahr gebührende Sonderzahlung am 15. November auszuzahlen. (...)§ 32 Abfertigung(1) Den Vertragsbediensteten, deren Dienstverhältnis vor dem 1.9.2003 begonnen hat, gebührt beim Enden des Dienstverhältnisses nach Maßgabe der Abs 2 bis 7 eine Abfertigung.(2) Der Anspruch auf Abfertigung besteht nicht, (...) wenn das Dienstverhältnis einverständlich aufgelöst wird und keine Vereinbarung über die Abfertigung zustande kommt (...).(4) Die Abfertigung beträgt nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von (...) 25 Jahren das Zwölffache des dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsbezuges.“

[2] Bei der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zum 31.1.2022 wurde vereinbart, dass der Kl eine „Abfertigung von zwölf Monatsbezügen“ erhält. Die Bekl zahlte dem Kl daraufhin eine Abfertigung von 58.602 € brutto.

[3] Der Kl begehrt 9.767 € sA an weiterer Abfertigung. Bei der Berechnung der Abfertigung seien auch die Sonderzahlungen einzubeziehen. Die Regelung des § 32 VBO sei intransparent und gröblich205 benachteiligend bzw diskriminierend. ISd umfassenden arbeitsrechtlichen Entgeltbegriffs sei § 32 Abs 4 VBO dahin zu verstehen, dass der Kl Anspruch auf das Zwölffache des ihm für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts habe, was auch die Sonderzahlungen miteinschließe.

[4] Die Bekl wendet ein, dass die Abfertigung nach § 32 Abs 4 VBO das Zwölffache des Monatsbezugs betrage. Der Monatsbezug umfasse nach § 8 Abs 2 VBO iVm § 3 Abs 2 Oö Landesgehaltsgesetz das Gehalt und allfällige Zulagen, nicht aber die vierteljährlichen Sonderzahlungen.

[5] Das Erstgericht gab der Klage statt. [...]

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die VBO unterscheide klar zwischen monatlich auszuzahlenden Monatsbezügen und vierteljährlich auszuzahlenden Sonderzahlungen, sodass der Monatsbezug [...] die Sonderzahlungen nicht miteinschließe. [...] Obwohl das Dienstrecht der Gemeindebediensteten seit der B-VG-Novelle 1999 in die Kompetenz der Länder falle, würden in Oberösterreich noch immer landesgesetzliche Regelungen für die Vertragsbediensteten der Städte mit eigenem Statut fehlen, sodass auf diese Dienstverträge das allgemeine Zivil- und Arbeitsvertragsrecht anzuwenden sei. Dazu würden neben den Vorschriften im ABGB auch jene des AngG gehören, das als „allgemeines Auffanggesetz“ unabhängig davon anzuwenden sei, ob der Kl in einem Unternehmen iSd § 2 AngG oder in der Hoheitsverwaltung beschäftigt war. Nach § 23 AngG habe der Kl einen Abfertigungsanspruch von zwölf Monatsentgelten, was auch die Sonderzahlungen miteinschließe. Es handle sich um zwingendes Recht, das die auf vertraglicher Vereinbarung beruhenden Regelungen der VBO verdränge. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rsp zur Anwendbarkeit des AngG in der Hoheitsverwaltung vorliege. [...]

[9] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

[10] 1. Die VBO der Bekl ist eine Vertragsschablone, die kraft einzelvertraglicher Vereinbarung im Dienstvertrag verbindlich wird (RIS-Justiz RS0081830). Bei der Auslegung gilt daher auch die Unklarheitenregel des § 915 ABGB, wonach eine undeutliche Äußerung zum Nachteil desjenigen ausschlägt, der sie verwendet hat (RS0081830 [T1]). Die Auslegungsregel des § 915 ABGB ist aber erst heranzuziehen, wenn die Auslegung nach der erklärten Absicht der Parteien ohne eindeutiges Ergebnis bleibt (RS0109295). Steht der Vertragsinhalt eindeutig fest, dann ist für die Anwendung des § 915 ABGB kein Raum (RS0017752; RS0017957).

[11] 2. Der weite Entgeltbegriff des allgemeinen Arbeitsrechts, der dazu führt, dass bei der Berechnung der Abfertigung auch Sonderzahlungen zu berücksichtigen sind, gilt etwa für Gemeindebedienstete nach der VBO für Innsbruck nur, soweit keine abweichenden landesgesetzlichen oder vertraglichen Regelungen bestehen (RS0081839). Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die VBO der Bekl in § 8 und § 12 klar zwischen monatlich auszuzahlenden Monatsbezügen und vierteljährlich auszuzahlenden Sonderzahlungen unterscheidet, sodass der „Monatsbezug“ die Sonderzahlungen nicht miteinschließt. Die Unterscheidung von Monatsbezug einerseits und Sonderzahlungen andererseits führt dazu, dass auch § 32 Abs 4 der VBO dahin auszulegen ist, dass die Sonderzahlungen bei der Berechnung der Abfertigung außer Betracht bleiben müssen (9 ObA 239/01i [VBO Klagenfurt]; im Ergebnis auch 8 ObA 50/03s und 9 ObA 73/15y [VBO Innsbruck]). Die zwischen dem Kl und der Bekl getroffene Vereinbarung ist deshalb dahin auszulegen, dass die Sonderzahlungen bei der Berechnung der Abfertigung nicht zu berücksichtigen sind.

[12] 3. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Kl nichtsdestoweniger auf die zwingenden Vorschriften des AngG berufen könne. [...]

[13] 4. Auch Arbeitsverträge mit Gemeinden unterliegen dem allgemeinen Zivil- und Arbeitsvertragsrecht, das durch landesgesetzliche Sondervorschriften verdrängt werden kann. Der OGH hat bereits zu 9 ObA 6/10p ausgesprochen, dass die Kompetenz zur Regelung des Dienstvertragsrechts die Länder zur Erlassung von Regelungen ermächtigt, die vom allgemeinen Zivil- und Arbeitsrecht abweichen, das Fehlen solcher besonderen Regelungen aber dazu führt, dass die allgemeinen zivil- und arbeitsrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind, wozu neben den Regelungen im ABGB auch jene des Angestelltengesetzes gehören (ebenso Löschnigg/Reiff in Löschnigg/Melzer11 § 3 AngG Rz 10; Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3 AngG Rz 10; Radner in Gruber-Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht – System- und Praxiskommentar [40. Lfg 2022] Kap I.1. Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis Rz 5; vgl auch Spielbüchler, Vertragsrecht, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht, FS-Strasser II [1993] 342 [377]).

[14] 5. § 3 AngG macht die Anwendung des Angestelltengesetzes auf Gemeindebedienstete davon abhängig, dass sie in einer „Unternehmung“ iSd § 2 AngG beschäftigt sind. Für Angestellte der Länder, die „behördliche Aufgaben“ zu besorgen hatten, bestand nämlich schon vor der B-VG-Novelle 1974 nach Art 12 Abs 1 Z 8 B-VG keine umfassende Zuständigkeit des Bundes (Hofer-Zeni, Die Kompetenz zur Regelung des Dienstrechts, ÖJZ 1972, 122 [123]; Jabloner, Verfassungsrechtliche Fragen des Dienstvertragsrechtes, FS-Schnorr [1988] 489 [490]). Nach den klaren Vorgaben des Gesetzgebers sind damit AN, die in der Hoheitsverwaltung tätig und mit behördlichen Aufgaben betraut sind, wie dies auf den Kl zutraf, vom Anwendungsbereich des Angestelltengesetzes ausgenommen (Grillberger, Dienstrecht der Kärntner Gemeindevertragsbediensteten, in Rebhahn, Beiträge zum Kärntner Gemeinderecht [1998] 206 [224]; Resch, Gesetzgebungskompetenz für Vertragsbedienstete, RFG 2010/21, 93 f).

[15] 6. Schrammel und Kozak verstehen das Angestelltengesetz als „allgemeines Auffanggesetz“, das auf vertragliche Dienstverhältnisse zu einer Gemeinde zur Anwendung gelangen soll, wenn das Land von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat, sodass es auch auf Beschäftigte in der Hoheitsverwaltung anzuwenden wäre (Schrammel in Marhold/Burgstaller/Preyer, § 3 AngG Rz 16; Kozak in Reissner4 [2022]206 § 3 AngG Rz 3). Die Anwendbarkeit des allgemeinen Zivil- und Arbeitsrechts kann aber nicht dazu führen, dass der Anwendungsbereich dieser Vorschriften über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinaus ausgedehnt wird. Da § 3 AngG Bedienstete in der Hoheitsverwaltung aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausnimmt und solche Dienstverhältnisse deshalb nur den Vorschriften des ABGB unterliegen, handelt es sich um keine planwidrige Gesetzeslücke, sondern um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, sodass auch eine analoge Anwendung des Angestelltengesetzes ausscheidet (siehe Resch, RFG 2010, 94).

[16] 7. Der OGH hat deshalb bereits ausgesprochen, dass die Vorschriften des Angestelltengesetzes über die Berechnung der Abfertigung auf Bedienstete einer Stadt mit eigenem Statut ungeachtet des Fehlens landesgesetzlicher Vorschriften nur zur Anwendung gelangen können, wenn diese Bediensteten in einer „Unternehmung“ iSd § 2 AngG beschäftigt sind (9 ObA 239/01i; 9 ObA 69/13g). Im Ergebnis existiert damit keine landes- oder bundesgesetzliche Vorschrift, die dem Kl, der behördliche Aufgaben zu besorgen hatte, einen über die VBO hinausgehenden Abfertigungsanspruch gewähren würde.

[17] 8. Der Kl beruft sich darauf, dass die unterschiedliche Behandlung von Bediensteten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße und gröblich benachteiligend sei. Richtig ist, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch für Vertragsbedienstete gilt (RS0031488). Dem öffentlichen DG steht es aber frei, Zuwendungen auf eine bestimmte Gruppe von DN zu beschränken, solange er dabei nicht willkürlich oder sachfremd differenziert (RS0016829; RS0016815; RS0028240). Da sich die Tätigkeit in einer Behörde wesentlich von jener in einer Unternehmung unterscheidet, ist eine unterschiedliche Behandlung der dort beschäftigten Bediensteten, die im Übrigen den Bestimmungen der VBG vergleichbar ist (RS0081487) nicht unsachlich. Da der Kl nicht aufgrund seines Alters benachteiligt wird, liegt auch kein Verstoß gegen § 1 Oö Antidiskriminierungsgesetz vor.

[18] 9. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher dahin abzuändern, dass das auf Gewährung einer über die Regelungen der VBO hinausgehenden Abfertigung gerichtete Klagebegehren abgewiesen wird.

[19] [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Die vorliegende E stellt den Endpunkt einer längeren juristischen Diskussion dar, in der der OGH nunmehr nochmals eine entscheidende Präzisierung vorgenommen hat. Erörterungsgegenstand war, ob das Angestelltengesetz als „allgemeines Arbeitsrecht“ auf Vertragsbedienstete von Städten mit eigenem Statut anzuwenden ist. Es liegt bereits eine E des OGH aus dem Jahr 2010 vor, in der diese Frage zustimmend beantwortet wurde. Wo liegt nun bei gegenständlicher E der Unterschied: Aus den Minimalangaben in den Feststellungen geht hervor, dass der Kl im Baurechtsamt der Stadt mit eigenem Statut (Innsbruck) beschäftigt war und dies seit 1.6.1982. Dass er im Rahmen der Hoheitsverwaltung beschäftigt wurde, erschließt sich dann letztlich aus der Zulassung der Revision durch das OLG Innsbruck. In der OGH-E 9 ObA 6/10p (wbl 2011/207) hingegen war das Dienstverhältnis einer Diplomkrankenschwester Gegenstand der E, die in einem Krankenhaus der Stadt Linz beschäftigt war und auf deren Arbeitsverhältnis die VBO der Stadt zur Anwendung kam. Das Höchstgericht musste sich damals daher nicht mit der Frage beschäftigen, ob trotz Charakters eines allgemeinen Arbeitsrechtes des AngG, dessen Geltungsbereich die Anwendung des Gesetzes auf Personen, die behördliche Aufgaben verrichten, letztendlich doch ausschließen würde.

2.
Angestelltengesetz als „allgemeines Arbeitsvertragsrecht“

In dieser E zu Linz beschäftigte sich der OGH mit der Einordnung des Angestelltengesetzes und führte ua aus, dass im Rahmen der Ausgliederungsgesetzgebung (unter Bezugnahme ua auf das Poststrukturgesetz und das Universitätsgesetz 2002) vorgesehen wurde, dass auf die Arbeitsverhältnisse von Personen, die nach dem Ausgliederungsstichtag begonnen wurden, das Angestelltengesetz auch für Arbeitertätigkeiten anzuwenden sei.

Dieser Ausgangspunkt kann nun ein Argument dafür liefern, wie die Normwirkung des – vom OGH in der aktuellen Entscheidung zu Recht relevierten – Geltungsbereichs von § 3 AngG bei Städten mit eigenem Statut ohne anwendbarem Landesdienstrecht zu bewerten ist.

3.
Ausgliederungen mit Behördenbelehnung

Einen praxisrelevanten Bereich stellt hier sicher die Ausgliederung der nunmehrigen IEF-Service GmbH dar: Mit dem Ausgliederungsgesetz, mit dem eine IEF-Service GmbH gegründet wird (IEFG, BGBl I 2001/88), wurde die Besorgung der Aufgaben auf dem Gebiet der Insolvenz-Entgeltsicherung sowie der Geschäftsführung des Insolvenz-Ausfallgeld- Fonds auf gegenständliche GmbH übertragen. § 7 IEFG sieht vor, dass zur Genehmigung des Vollzugs hoheitlicher Aufgaben die Geschäftsführer gemeinsam befugt sind. Diese können aber auch DN der Gesellschaft für die Erledigung bestimmter hoheitlicher Angelegenheiten in Form einer Approbationsbefugnis ermächtigen. Gegenständliche Norm verweist in einem Klammerausdruck direkt auf § 16 leg cit, der unter dem Titel DN-Begriff anführt, dass unter der im Gesetz verwendeten Bezeichnung „Dienstnehmer“ neben zugewiesenen Beamten auch alle sonstigen AN der Gesellschaft, namentlich genannt Angestellte, Arbeiter und ehemalige vertragliche Bedienstete, umfasst sind.

Der Gesetzgeber geht also in diesem Ausgliederungsgesetz explizit davon aus, dass trotz der Betrauung mit behördlichen Aufgaben, das Angestelltengesetz (grundsätzlich aufgrund des Geltungsbereiches: wegen Leistung höherer, nicht kaufmännischer207 Dienste bei einem Formkaufmann, § 1 Abs 1 AngG) anzuwenden ist. Zusätzlich statuiert § 18 IEFG, dass ein im Rahmen der behördlichen Tätigkeit zu vertretender Schaden nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zu behandeln ist.

Ebenso sieht die Ausgliederung der Finanzmarktaufsicht, das BG über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMABG, BGBl I 2001/97) vor, dass gem § 14 FMABG das Angestelltengesetz auf die Dienstverhältnisse anzuwenden ist, soweit sich aus den Überleitungsbestimmungen nichts anderes ergibt. § 2 FMABG regelt, dass zur Bankenaufsicht die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben und Befugnisse der in der leg cit angeführten Gesetze gehören, wofür gem § 3 FMABG aufgrund der Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes gehaftet wird.

Die Argumentation der Anwendung des Angestelltengesetzes im Rahmen der Ausgliederungen von Bundesaufgaben des OGH in seiner E aus dem Jahr 2010 lässt sich daher mE ohne weiteres auf vorliegenden Sachverhalt anwenden. Der Gesetzgeber hat in vollem Bewusstsein der erheblichen behördlichen Aufgaben, wie obige Beispiele zeigen, das Angestelltengesetz als Arbeitsrecht im Rahmen der Ausgliederung von Staatsaufgaben angesehen bzw vorgesehen. Gerade dies bestätigt den Befund des OGH in 9 ObA 6/10p (vom 22.12.2010) nachdrücklich, dass das Angestelltengesetz allgemeines Arbeitsrecht darstellt. Das Zurückziehen auf den Geltungsbereich von § 3 AngG wäre daher nicht geboten gewesen.

4.
„Das war schon immer so“?

In Rz 14 gegenständlicher E führt der OGH aus, dass bereits zu Anfang der 1970er-Jahre der Bund keine Kompetenz für die Erlassung dienstrechtlicher Regelungen für Angestellte der Länder mit behördlichen Aufgaben hatte. Dieses historische Argument geht aber an dem Problem vorbei – dies wurde im Übrigen aber auch nicht in Frage gestellt (vgl Schrammel in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 3 Rz 7 [Stand 1.6.2005, rdb.at]) – und kann so nur vordergründig als Unterstützung für die Rechtsauslegung des OGH dienen. Grundsätzlich stellt sich die Frage nach der Anwendung von „allgemeinem Arbeitsrecht“ in Sachverhalten wie diesem gerade wegen der Änderung der historischen Kompetenzverteilung und der sich daraus ergebenden Unsicherheiten. Gerade die fehlenden Übergangsbestimmungen der B-VGNovelle 1999 (Schrammel, AngG § 3 Rz 11 [Stand 1.6.2005, rdb.at]) erzeugen ja das Rechtsproblem, welches durch die Annahme des AngG als allgemeines Arbeitsrecht gelöst werden soll. Das historische Argument kann daher mE lediglich als Maßstab eines Vertrauensschutzes und einer Einzelfallgerechtigkeit dienen, ob DN im behördlichen Bereich außerhalb der einzelvertraglichen Schablone vom Bezugsprinzip bei der Berechnung der Abfertigung ausgehen durften oder nicht.

5.
Doch ein Fall der Gleichbehandlung?

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass keine Frage der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung vorliegt: Der Vertragsschablone des AG wird nach der E des OGH je nachdem, in welchem Bereich der Stadt man tätig wird, durch die sich daraus ergebende Anwendung der zwingenden Bestimmungen des AngG derogiert oder eben nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Frage der rechts- bzw verfassungskonformen Auslegung, ob das AngG zur Anwendung kommt. So beachtet die vom OGH verwendete Auslegung jedenfalls den Vorrang der Wortinterpretation und führt zu einer klaren nachvollziehbaren Lösung, die zumindest auf Kurzzitate vorangegangener Entscheidungen verweisen kann. Unter Beachtung der Ausführungen in P 2 ist aber aus verfassungsrechtlicher Sicht zu prüfen, ob ein solches Auslegungsergebnis dem Gleichheitssatz von Art 2 StGG/Art 7 B-VG entsprechen kann.

Zieht man die als Beispiel angeführten Ausgliederungen mit behördlichen Aufgaben heran, nach denen jedenfalls Arbeitsverhältnisse mit Anspruchsanwartschaften der Abfertigung alt gem § 23 AngG entstehen können bzw Ansprüche entstanden sind, wird sichtbar, dass mittlerweile das Vorhandensein einer gerechtfertigten sachlichen Differenzierung im Zusammenhang, ob man behördliche Aufgaben in einer Fachabteilung, behördliche Aufgaben außerhalb der Fachabteilung des öffentlichen AG oder Aufgaben in einer Unternehmung verrichtet, zumindest bezweifeln kann (zu den Vorgaben des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes: Muzak, B-VG6 Art 2 StGG Rz 21 [Stand 1.10.2020, rdb.at]). Auch spricht der Befund dafür, dass frühere gleichheitskonforme Differenzierungen jedenfalls durch eine Veränderung der Umstände gleichheitswidrig werden können (Muzak, B-VG6 Art 2 StGG Rz 22 [Stand 1.10.2020, rdb.at]): Aus dem Sachverhalt sind keine wirklich zwingenden Unterschiede zu ersehen, die Rechtsordnung insgesamt nimmt immer weniger Differenzierungen zwischen der Verrichtung behördlicher und nichtbehördlicher Tätigkeiten mehr vor und Argumente der Systemgerechtigkeit sprechen letztlich ebenfalls für eine Anwendung des AngG. Grosso modo gesehen kann der Gleichheitssatz als Argumentationsbasis dafür herangezogen werden, dass das AngG als allgemeinen Auffangtatbestand auf alle vertraglichen Dienstverhältnisse zu Städten mit eigenem Statut ohne gesetzliches Dienstrecht der Länder anzuwenden ist (so auch bereits Spielbüchler, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht, in FS Strasser II [1993] 382 FN 89).

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses zeigt sich insb dann, wenn nicht ein klarer Sachverhalt, wie er gegenständlichem Verfahren zugrunde lag, beurteilt werden muss, sondern wenn die betreffende Person im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zumindest einmal, wenn nicht öfters, in oder aus einer behördlichen Abteilung in eine Unternehmung versetzt wird. Folgendes Beispiel soll hier verdeutlichend wirken: Die Person arbeitet 23 Jahre in einer Unternehmung der Stadt mit eigenem Statut, ohne Existenz eines landesgesetzlichen Dienstrechts, das auf diese anwendbar wäre. Für die letzte Phase ihres Arbeitsverhältnisses von drei Jahren wird sie nun in eine behördliche Abteilung versetzt, wo dann eine abfertigungswirksame Beendigung stattfindet. Fraglich ist nun, ob eine Rechtsfolge der Versetzung ist,208 dass die Berechnung der Abfertigung nur auf Basis des Bezuges erfolgt, da die Person am Schluss im „behördlichen Teil“ des AG gearbeitet hat.

Obiges Beispiel stellt im Anwendungsbereich des VBG des Bundes überhaupt kein Problem dar, da unabhängig, ob die Person in einer Unternehmung des Bundes beschäftigt wurde oder in einem behördlichen Bereich, die Abfertigung unterschiedslos immer vom Bezug berechnet wird. Dieses System der strikten Gleichbehandlung wurde durch die Ausgliederungen, wie gezeigt, aufgegeben. Bereits Schrammel hat angemerkt, dass die Beschäftigungszuteilung für das AngG als „allgemeinen Auffangtatbestand“ keine Auswirkungen haben darf (Schrammel, AngG § 3 Rz 16 [Stand 1.6.2005, rdb.at])

Was überdies am Ergebnis der E etwas irritiert, ist, dass der AG mangels eigener Gesetzgebungskompetenz ein eigenes Dienstrecht per Einzelvertragsschablone schafft, welches dem sonstigen öffentlichen Dienstrecht nachgebildet wurde, der Landesgesetzgeber aber keine Notwendigkeit bisher sah, ein Dienstrecht mit der gewünschten Entgelt(-berechnungsgrundlage) einzuführen (vgl zur Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz: Schrammel, AngG § 3 Rz 12 [Stand 1.6.2005, rdb.at]). Nun wird durch die Rsp das Auffangnetz, je nach Zuteilung in die jeweilige Organisation, innerhalb dieses Auffangnetzes weiter differenziert, was zur Folge hat, dass das Prinzip der Bezugsberechnung des öffentlichen Dienstes so weit wie möglich aufrecht erhalten wird. Rechtspolitisch ist diese Situation mehr als unbefriedigend zu bewerten.

6.
Fazit

Der OGH entscheidet bezüglich der allgemeinen Anwendung des AngG im behördlichen Bereich von Städten mit eigenem Statut, dass dieses aufgrund der Ausschlussregelung von § 3 AngG nicht zur Anwendung kommt. An der soliden Begründung der E ist nichts auszusetzen. Das Höchstgericht bleibt jedoch bei dem der E zugrundeliegendem Spezialproblem der Geltung des AngG als allgemeines Arbeitsrecht in der Mitte des Weges stehen.