Zum Gedenken an Theo Öhlinger

RUDOLFMÜLLER (WIEN/SALZBURG)IM NAMEN VON SCHRIFTLEITUNG UND WISSENSCHAFTLICHEM BEIRAT

Am 10.12.2023 ist das langjährige Mitglied des wissenschaftlichen Beirates unserer Fachzeitschrift, em. o.Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger, im 85. Lebensjahr verstorben.

Sein Wirken wurde in dieser Zeitschrift schon mehrfach, nämlich anlässlich seines 60. (DRdA 1999, 254 f), 65. (DRdA 2004, 295 f), 70. (DRdA 2009, 298) und seines 75. Geburtstages (DRdA 2014, 287) ausführlich gewürdigt. Seine Schaffenskraft erlaubte ihm eine fruchtbare wissenschaftliche Arbeit bis fast ganz zuletzt: 2022 ist sein zehn Jahre zuvor (zuletzt schon mit Harald Eberhard als Co-Autor) verfasstes Lehrbuch „Verfassungsrecht“ bereits in 13. Auflage und 2023 sein mit Michael Potacs und nunmehr auch mit a verfasstes Standardwerk „EU-Recht und staatliches Recht“ in 8. Auflage erschienen.

In Ried im Innkreis geboren, führten ihn Studium und akademische Laufbahn zuerst nach Innsbruck, dann aber bald nach Wien, deren Alma Mater er als ordentlicher Universitätsprofessor für Öffentliches Recht mehr als 30 Jahre lang die Treue gehalten hat. Als Wissenschafter von hohen Graden, der auch an bedeutenden ausländischen Universitäten wiederholt zu Gast war, hat sich Öhlinger stets der Gefahr des vielzitierten „Elfenbeinturms“ entzogen. Er hat in seinen wissenschaftlichen Arbeiten häufig das jeweils politische Umfeld reflektiert und damit auf aktuelle Ereignisse reagiert. In seinem Werk finden sich Beiträge von der Buchpreisbindung bis zur Krankenanstaltenfinanzierung, von der Kärntner Ortstafelfrage über die heute leider wieder zu diskutierenden Probleme der demokratischen Verfasstheit der Republik bis zur Beteiligung an den heißen Debatten rund um die Tiroler Agrargemeinschaften und das Gemeindegut. Seine besondere Liebe gehörte dem Recht der Europäischen Union, dessen Entwicklung er mit zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten begleitet hat. Im Zentrum seiner verfassungsrechtlichen Interessen (er war von 1977-1989 Ersatzmitglied des VfGH) stand auch die Rsp des VfGH, auf die er immer wieder auch mit kritischen Kommentaren reagierte.

Besonders ist an dieser Stelle aber sein Interesse für soziale Fragen und soziale Grundrechte hervorzuheben, von dem ua auch rund ein Dutzend sozialrechtliche Beiträge in dieser Zeitschrift zeugen. Soziale Fragen haben ihn auch immer mit dem Blick auf das internationale Recht beschäftigt; so war er zB Mitglied im „Committee of Independent Experts“ der Europäischen Sozialcharta (1984 bis 1990). 2019 ist er gemeinsam mit Konrad Lachmayer dem Projekt der Fusion der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse, im Besonderen aber der damals schon geplanten Parität von DN und DG in deren Organen, mit überzeugenden Argumenten als verfassungswidrig entgegengetreten. Er war in solchen, aber auch in anderen Fragen ein häufig herangezogener, immer sachlicher und kompetenter Interviewpartner in wichtigen Medien.

Theo Öhlinger war in Lehre, Forschung und Praxis dem Gemeinwohl verpflichtet, wie sich auch aus seinen zahlreichen weiteren Funktionen ergibt, die er wahrgenommen hat, wie zB bei der Begründung der Verwaltungsakademie des Bundes, als Mitglied des Österreich-Konvents, aber auch als Berater von Präsidenten des Nationalrates. Nicht zuletzt sei erwähnt, dass der mit zahlreichen hohen österreichischen und internationalen Auszeichnungen Dekorierte sich auch in besonderem Maße in der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer engagiert hat.

Unsere Zeitschrift ist stolz und dankbar, von Theo Öhlinger, der sozialen Fragen und damit wesentlichen Belangen der AN stets in besonderer Weise verbunden war, durch viele Jahre im wissenschaftlichen Beirat unterstützt worden zu sein und zahlreiche Beiträge aus seiner Feder veröffentlicht zu haben.

Der Tod von Theo Öhlinger hinterlässt auf zahlreichen Ebenen eine nicht zu schließende Lücke. Sein umfangreiches, schriftlich hinterlassenes Werk wird noch lange in die Zukunft wirken. Wir werden ihm aber auch als einen besonders liebenswürdigen Kollegen stets ein ehrendes Angedenken bewahren.229