SchmidtRegelungsoptionen des deutschen Gesetzgebers zum Whistleblower-Schutz in Umsetzung der EURichtlinie 2019/1937

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2022, 359 Seiten, € 109,90

ERIKAKOVÁCS (WIEN)

Die rechtlichen Implikationen von Whistleblowing beschäftigen Rechtswissenschaftler*innen bereits seit geraumer Zeit. Neue Impulse setzte zunächst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit dem Fall Heinisch (EGMR, Urteil vom 21.7.2011, Beschwerde-Nr 28274/08, Heinisch v Germany), wodurch insb die grundrechtlichen Bezüge von Whistleblowing in den Fokus der Forschung gerückt sind (vgl etwa die Buchbesprechung von Jahnel zu Redder, Der verfassungsrechtliche Schutz von Whistleblowern in DRdA 2021/3, 271 f). Eine neue Dimension hat das Thema durch die Erlassung der RL 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, erhalten. Die Umsetzung der Whistleblowing-RL hat Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen in Deutschland in den letzten Jahren stark beschäftigt, auch die Zahl der Dissertationen, die sich mit verschiedenen Aspekten des Themas auseinandersetzen, ist gestiegen (zB Brobeil, Die Auswirkungen der Richtlinie [EU] 2019/1937 auf Arbeitnehmer-Hinweisgeber, Nomos 2022; Brockhaus, Geheimnisschutz und Transparenz, Mohr Siebeck GmbH 2022; Fischer, Hinweisgebersysteme im Lichte der EU-Richtlinie 2019/1937 unter besonderer Betrachtung der Vertraulichkeitszusicherung, Duncker & Humblot 2023; Feldner, Kündigungsschutz für Whistleblower im Wandel, Duncker & Humblot 2023; etc).

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine Dissertation, die von Rudkowski als Doktormutter betreut wurde. Das Buch bietet einen sehr breiten Überblick über die rechtlichen Implikationen von Whistleblowing. Im ersten Teil werden die widerstreitenden Interessen der Beteiligten dargestellt. Der zweite Teil konzentriert sich auf die Person des Whistleblowers, die Zulässigkeit von Whistleblowing, das Verhältnis von internem und externem Whistleblowing und schließt mit dem rechtlichen Schutz des Whistleblowers. Teil 3 widmet sich der Implementierung von unternehmensinternen Hinweisgebersystemen und Teil 4 den Umsetzungsmodalitäten. Teil 5 enthält einen von der Autorin erarbeiteten Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz und Teil 6 schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick.

Das Buch befindet sich auf dem Stand von Mai 2021. Es setzt sich kritisch mit der Richtlinie und dem ersten deutschen Gesetzesentwurf auseinander, konnte aber das am 2.7.2023 in Kraft getretene deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) noch nicht berücksichtigen.

Für österreichische Leser*innen sind insb jene Ausführungen interessant, die auf die österreichische Rechtslage übertragbar sind, wie etwa die Frage, ob Mitursächlichkeit die Annahme einer Repressalie begründen kann oder ob das Whistleblowing das ausschlaggebende Motiv für die Repressalie sein muss. Schmidt spricht sich dafür aus, dass eine bloße Mitursächlichkeit nicht ausreicht, eine unzulässige Repressalie vielmehr voraussetzt, dass die nachteilige Maßnahme primär wegen der Meldung oder Offenlegung erfolgt ist (S 332). Diese Auslegung steht im Einklang mit § 23 des österreichischen HSchG.

Schmidt erläutert ferner die Vor- und Nachteile eines anonymen Meldekanals und plädiert für die Verfolgung anonymer Meldungen, auch wenn dies kleine Unternehmen belasten kann (214 ff). Die Datenschutzkonformität243 interner Meldesysteme ist eine wichtige Voraussetzung für deren Rechtmäßigkeit; die dafür notwendigen datenschutzrechtlichen Anforderungen werden in dem Buch ausführlich behandelt. Die Datenverarbeitung muss nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und nach billigem Ermessen erfolgen; schließlich können die Betroffenen Opfer böswilliger Falschbeschuldigungen werden, wobei sie bei anonymen Meldungen keine Möglichkeit haben, rechtliche Schritte gegen die Hinweisgeber*innen einzuleiten. Bei der Entgegennahme anonymer Hinweise ist es daher schwieriger, auch die Interessen der verdächtigten Person zu berücksichtigen. Schmidt weist auch darauf hin, dass bei anonymen Meldungen keine Möglichkeit besteht, die Hinweisgeber*innen über die getroffenen Maßnahmen zu informieren, obwohl dies von der Richtlinie grundsätzlich gefordert wird. Anonyme Meldungen können aber durchaus wichtige Hinweise auf Missstände liefern, und wenn es diese interne Meldemöglichkeit nicht gibt, werden sich die Betroffenen nicht unbedingt an die externe Meldestelle wenden, sondern das Aufdeckungspotenzial geht einfach verloren. Nach Ansicht von Schmidt scheinen daher die Vorteile anonymer Meldungen zu überwiegen. Sie schlägt daher in ihrem Entwurf vor, dass auch Meldungen ohne Offenlegung der Identität der Hinweisgeber*innen entgegengenommen werden müssen und die Vorgaben des Gesetzes auf solche Meldungen uneingeschränkt Anwendung finden sollen.

Das deutsche HinSchG (BGBl I 2023/140) sieht vor, dass die interne Meldestelle auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten soll. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass auch anonyme Meldungen möglich sind (§ 16 Abs 1 S 4-5). Demgegenüber enthält das österreichische HSchG keine Verpflichtung, anonymen Hinweisen nachzugehen, gewährt aber anonymen Hinweisgeber*innen einen gewissen Schutz für den Fall, „wenn als Folge ihres anonym gegebenen Hinweises ihre Identität ohne ihr Zutun anderen bekannt wird“ (§ 6 Abs 3 HSchG). Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage werden anonyme Hinweise in Zukunft noch zu einigen Diskussionen und spannenden Fällen führen.