Windisch-Graetz (Hrsg)GlBG – Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar
2. Auflage, Verlag Österreich, Wien 2022 964 Seiten, gebunden, € 249,–
Windisch-Graetz (Hrsg)GlBG – Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar
Bereits ein Jahr nach den größeren Umstrukturierungen im Gleichbehandlungsrecht hat der leider viel zu früh verstorbene Robert Rebhahn 2005 seinen Kommentar zum Gleichbehandlungsgesetz herausgegeben. Auf dieser Grundlage ist 2022 – diesmal unter der Herausgeberinnenschaft von Michaela Windisch-Graetz – der Kommentar zum Gleichbehandlungsgesetz sowie zum BG über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft neu erschienen. Den Beginn des Kommentars bilden die keineswegs bloß einleitenden Ausführungen von Robert Rebhahn und Michaela Windisch-Graetz, in denen die beiden großen Anwendungsfelder des GlBG umrissen werden: die Arbeitswelt sowie der Bereich der privaten Anbieter:innen von Gütern und Dienstleistungen aller Art für andere Private (Einleitung Rz 1). Im Anschluss wird sogleich das große Dilemma des Gleichbehandlungsrechts im Privatrechtsverkehr angesprochen, nämlich dessen Spannungsverhältnis zur Privatautonomie, die es den Rechtsanwender:innen (zu) lange erlaubt hat, bei Entscheidungen über das Ob und gegebenenfalls den weiteren Verlauf von Rechtsbeziehungen die verschiedensten persönlichen Merkmale (zB Geschlecht, ethnische Herkunft) zu berücksichtigen sowie diese Merkmale den Entscheidungen zugrunde zu legen (Einl Rz 2). Die äußerst lesenswerte tour de force durch die markantesten Entwicklungsstadien des Gleichbehandlungsrechts aus nationaler und internationaler Sicht beginnt mit der Bindung des Staats nach Art 2 StGG 1867 an gewisse Gleichheitserwägungen; sie führt über die ILO-Konvention 111 aus 1957 und den US-amerikanischen Civil Rights Act von 1964 hin zu einer umfassenden Darstellung der unionsrechtlichen Quellen, die dann auch von den weiteren Autor:innen bei der Kommentierung der jeweiligen Tatbestände noch einmal aufgegriffen und vertieft werden. Den wesentlichen Rechtsinstituten wird aber bereits in dieser Einleitung gebührender Platz eingeräumt; wie etwa der indirekten oder mittelbaren Diskriminierung, die ausgehend von einer wegweisenden E des US Supreme Court aus 1971 (Griggs vs Duke Power Co) über die RL 76/207/EWG und insb über den EuGH (Rs Jenkins/Kingsgate) in der Folge auch in das österreichische GlBG Eingang gefunden hat (Einl Rz 5; siehe auch § 5 Rz 26). Deutlich wird bei der Lektüre der Entwicklung des Gleichbehandlungsrechts ua auch, dass vor allem die europarechtlichen Quellen schon das GlBG 1979, und zwar bereits vor dem EU-Beitritt Österreichs, maßgeblich beeinflusst haben (Einl Rz 15 f).
Im Einleitungskapitel wird von den Autor:innen zudem ein wesentlicher Effekt von Gleichbehandlungsregelungen angesprochen, der sich unabhängig von Art und Ausmaß der konkreten Sanktionierung der Diskriminierung zeigt (Einl Rz 9, Rz 30, Rz 39): Vermehrte Gleichbehandlung wird und wurde nicht zuletzt durch „Rechtfertigungslast“ bedingt; eine zusätzliche, teilweise auch bloß indirekte Anforderung, die den potentiell Diskriminierenden auferlegt wird, die aber neben einer245 verstärkten Dokumentation der tatsächlichen Vorgänge und Rechtsbeziehungen auch eine „Beeinflussung des Bewusstseins der Entscheidungsträger“ mit sich bringt (Einl Rz 39). Gleichzeitig wird im Kommentar mit dem Mythos, durch Gleichbehandlungszwang seien „Privatautononomie und Auswahlfreiheit“ bei Personalentscheidungen abgeschafft, aufgeräumt, den Gegner:innen des Gleichbehandlungsrechts gerne strapazieren: Das GlBG verbietet es nicht, nach körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Gesundheitszustand, sozialer Schicht oder Sympathie zu differenzieren; die Auswahlentscheidungen dürfen eben nichts mit missbilligten Kriterien zu tun haben und insb nicht auf der Idee eines pauschalen Ausschlusses aller jener Menschen beruhen, die ein bestimmtes Kriterium erfüllen (Einl Rz 30 ff)! Es bedarf – zumindest im Hintergrund – sachlich begründbarer Entscheidungen. Weiterer „Fundamentalkritik“ am zwingenden Gleichbehandlungsrecht wird mit Argumenten entgegengehalten, die aus dem Kartell- und Wettbewerbsrecht stammen könnten und auch aus dem Kollektivvertragsrecht vertraut sind: Wenn alle Mitbewerber:innen sich an Gleichbehandlung halten müssen, wird nicht nur Sozialdumping, sondern auch unfairer Wettbewerb verhindert (Einl Rz 40).
Die Kommentierungen der §§ 1 und 2 GlBG von Rebhahn und Windisch-Graetz sind der Abklärung zentraler Begriffe aus dem Geltungsbereich, wie zB „Arbeitsverhältnisse aller Art“ (§ 1 Rz 20 ff) oder den arbeitnehmerähnlichen Personen (§ 1 Rz 35 ff) bzw einer instruktiven Darstellung des Konzepts von Gleichstellung (§ 2 Rz 1 bis 31) gewidmet; bezüglich letzterer ist der Gesetzestext mit seinem „Ziel dieses Abschnitts ist die Gleichstellung von Frauen und Männern“ schließlich recht lapidar ausgefallen. Neben der Abgrenzung der Begriffe setzt sich der Kommentar mit den Überschneidungen derselben auseinander, die sich zB aus der verpflichtenden Anwendung des unionsrechtlichen AN-Begriffs ergeben: Weder die nationale Qualifikation als (Nicht-)AN noch Betriebsgröße, Arbeitszeitausmaß oder AN-Gruppe spielen eine Rolle (§ 1 Rz 21, 26), was ua zur Einbeziehung der Mitglieder von Vertretungsorganen von Kapitalgesellschaften führen kann (§ 1 Rz 21).
Beamt:innen, die nach unionsrechtlichem Verständnis ja auch AN sein können, haben aufgrund des hoheitlichen Bestellungsakts keine „Arbeitsverhältnisse aller Art“ iSd GlBG; für sie kommt – ebenso wie für Arbeitsverhältnisse auf privatrechtlicher Grundlage zu einer Gebietskörperschaft – das B-GlBG oder eines der Gleichbehandlungsgesetze der Länder zur Anwendung, die aufgrund der gemeinsamen europarechtlichen Ursprünge dem GlBG vergleichbare Mindeststandards enthalten müssen (§ 1 Rz 26, 28). In diesem Zusammenhang heben die Autor:innen hervor, dass bezüglich der AN von anderen Körperschaften öffentlichen Rechts, die ansonsten von Kernmaterien des Arbeitsrechts teilweise ausdrücklich ausgenommen werden, eine solche Herausnahme nicht erfolgt ist: AN ausgegliederter Rechtsträger:innen fallen daher sehr wohl in den Schutzbereich des GlBG (§ 1 Rz 26, 28). Dies trifft allerdings wiederum dann nicht zu, wenn – wie bei den Universitäten – für die AN des (ausgegliederten) Rechtsträgers die Anwendung eines Spezialgesetzes angeordnet ist (vgl § 44 UG 2002 und § 41 B-GlBG). Hier wird jedoch in einem Nebensatz von den Autor:innen zusätzlich die These angemerkt, dass für Beamt:innen an den Universitäten „strengere Vorschriften des GlBG auch neben dem B-GlBG angewendet werden könnten“ (§ 1 Rz 28).
Die Land- und Forstarbeiter:innen und ihr Verhältnis zum GlBG werden von den Autor:innen ebenfalls näher untersucht, und zwar gleich an zwei Stellen (§ 1 Rz 29, IV. Teil Rz 1 ff): Deren Arbeitsrecht wird mittlerweile nicht mehr durch bundesrechtliche Grundsatz- und landesrechtliche Ausführungsgesetze geregelt, sondern ist zur Gänze in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers überführt worden. Trotzdem wurde die separate Regelung des Gleichbehandlungsrechts dieser Beschäftigtengruppe vom Gesetzgeber fortgeschrieben (§ 1 Rz 29). Diesbezüglich ist die Herausnahme der betreffenden Arbeiter:innen aus dem Anwendungsbereich des § 1 Abs 2 Z 1 GlBG zu nennen (im Übrigen unter Bezugnahme auf das LAG [Landarbeitsgesetz] 1984); zudem bestehen eigene Regelungen zur Gleichbehandlung der Land- und Forstarbeiter:innen in §§ 133 ff LAG 2021. Weiters findet sich im IV. Teil des GlBG, §§ 41 bis 58 leg cit, – noch immer – die Festlegung der „Grundsätze für die Regelung der Gleichbehandlung im Arbeitsleben in der Land- und Forstwirtschaft“. Die Grundsatzbestimmungen sind den Autor:innen zufolge nicht mehr in Kraft (IV. Teil Rz 5). Ihre zentralen Inhalte spiegeln sich aber aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben sowohl in den Bestimmungen des GlBG für die sonstigen AN als auch im LAG 2021 wider (§ 1 Rz 29), was wiederum dazu führt, dass zur Auslegung der Gleichbehandlungsbestimmungen des LAG 2021 auf die Rsp und Lehre zum GlBG – und damit auch auf den vorliegenden Kommentar – zurückgegriffen werden kann. Den separaten Anwendungsbereich kommentieren die Autor:innen dahingehend, dass es „wohl auch [möglich gewesen wäre], stattdessen die Ausnahme [der Land- und Forstarbeiter:innen] im GlBG zu streichen“ (§ 1 Rz 29). Ob damit gemeint ist, dass im GlBG gar nicht (mehr) ausdrücklich Bezug auf das LAG genommen werden müsste, oder vielmehr diese AN de lege ferenda in das GlBG einbezogen werden sollten, geht nicht ganz deutlich hervor. Aus Sicht der Rezensentin wäre eine formelle Einbeziehung der Landund Forstarbeiter:innen in den Anwendungsbereich der GlBG und damit ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Kodifikation des Individualarbeitsrechts durchaus wünschenswert. Freilich müsste dem auch eine Neuregelung bezüglich der kompetenzrechtlich weiterhin bei den Ländern verbliebenen Verwaltung vorangehen.
Philipp Bertsch bespricht in seiner Kommentierung des § 11a GlBG den bereits bei seiner Einführung viel kritisierten Einkommensbericht, der als Instrument für mehr – zumindest innerbetriebliche – Transparenz bezüglich der Entgelte, die den AN tatsächlich gewährt werden, geschaffen worden ist. Die Kritik betrifft insb die Unternehmensgröße; erst Unternehmen mit mehr als 150 AN müssen einen Einkommensbericht erstellen, dh sich mit ihrer Entgeltpolitik auseinandersetzen. Anders ist dies nach der Darstellung von Bertsch in Ländern wie Schweden, dessen Rechtsordnung bezüglich der Einkommen auf hohe Transparenz abzielt und wo die Berichtspflicht bereits Unternehmen ab 25 AN trifft. Eine solche Erweiterung würde in Österreich, als Land der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), den Wirkungsbereich durchaus vergrößern (§ 11a246 Rz 3). Wie der Autor anmerkt, sei zudem der Entgeltbegriff des § 11a GlBG teilweise unklar; so insb die Berücksichtigung der verschiedenen Formen von Mehrarbeitsabgeltung betreffend. Die (Nicht-)Berücksichtigung solcher Entgelte kann aber aus mehrfacher Sicht zu Verwerfungen in Bezug auf die Aussagekraft des Einkommensberichts führen, etwa weil Frauen idR von vornherein aufgrund des hohen Anteils an Teilzeit- und Familienarbeit von der Mehrarbeitsabgeltung weniger profitieren können als ihre Kollegen. Bertsch schließt sich diesbezüglich jenen Stimmen im Schrifttum an, die sich für eine Berücksichtigung der Überstundenentgelte aussprechen; schlägt aber offenbar zusätzlich vor, die „entsprechenden Erläuterungen“ über die Zusammensetzung der Entgelte im Unternehmen in den jeweiligen Einkommensbericht aufzunehmen (§ 11a Rz 10). In § 11a Abs 4 GlBG wird – etwas im Widerspruch zur Transparenz, die der Einkommensbericht schaffen soll – den AN ein recht umfassendes Verschwiegenheitsgebot auferlegt; lediglich gegenüber Interessenvertretungen und sonstigen Einrichtungen, von denen Rechtsauskünfte eingeholt werden, wird die Verschwiegenheitspflicht gesetzlich reduziert. Um dem Zweck des Einkommensberichts erfüllen zu können, werden die angesprochenen Einrichtungen sehr weit verstanden (§ 11a Rz 15 f). Konzediert muss von Bertsch freilich werden, dass die Regelungen zum Einkommensbericht ein Auskunftsrecht des:r AN gegenüber dem:r AG in Bezug auf konkrete Vergleichspersonen im Betrieb und deren Bezahlung nicht umfassen. Dazu merkt der Kommentator aber auch gleich an, dass ganz allgemein die Weigerung des:r AG, Entgeltdaten des Unternehmens offenzulegen, im Rahmen der Beweiswürdigung zu Lasten dieses:r AG Berücksichtigung finden kann (§ 11 Rz 30).
Der Themenkomplex sexuelle Belästigung und Belästigung nach §§ 6 und 7 GlBG wird von Wolfgang Mazal neu bearbeitet. In seiner Kommentierung erfolgt eine umfassende systematische Verortung und Darstellung der Tatbestandsstruktur und -elemente der Belästigung, verdeutlicht an markanten Beispielsfällen (§ 7 Rz 18 ff, 39 f). Darüber hinaus wird das in der Praxis schon länger thematisierte, aber rechtlich als solches nicht geregelte Mobbing aufgearbeitet (§ 7 Rz 14a); ebenso wird der mittlerweile verstärkt notwendige Bezug zur digitalen Welt hergestellt und es werden die Ansätze der Bekämpfung digitaler Diskriminierung und Gewalt im Internet – Stichwort: Hass im Netz – angesprochen (§ 7 Rz 17a). Zu Recht weist Mazal bei den Formen angemessener Abhilfe, zB der Entlassung der belästigenden Person, darauf hin, dass für „gravierende Fälle von Fehlverhalten ... eine Verfristung (durch Wohlverhalten) oder gar ein Untergang des Entlassungsrechts grundsätzlich zu verneinen“ ist (§ 7 Rz 58). Dabei ist zu „bedenken“, dass die belästigte Person häufig erst nach längerer Zeit zur Artikulierung fähig oder bereit sein wird. Dies wird vom Kommentator zwar nur in Bezug auf den „möglichen objektiven Untergang des Entlassungsrechts“ in den Raum gestellt, ist aber wohl auch generell bezüglich der Aufgriffsmöglichkeiten im Falle sexueller Belästigung beachtlich (§ 7 Rz 59). Bei den Rechtsfolgen bezweifelt Mazal, dass eine Mindesthöhe von € 1.000,– Schadenersatz eine Sanktion abschreckender Natur iSd Richtlinien darstellt (§ 7 Rz 62e). Diese finanzielle Schwäche der Sanktionierung von Fehlverhalten bei sexueller Belästigung weiterdenkend bezieht er sozialversicherungsrechtliche Aspekte mit ein und bespricht die sexuelle Belästigung unter dem Aspekt des Arbeitsunfalls und des DG-Haftungsprivilegs (§ 6 Rz 67 ff), wohl um belästigten Menschen zu einer anderen Form von Ersatzleistung für erlittene Unbill zu verhelfen.
Mit den Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots zu allen Diskriminierungstatbeständen sowie den einschlägigen Fristen beschäftigt sich die Kommentierung der §§ 12 bis 15 GlBG von Stefan Köck, basierend auf jener von Andreas Kletecka. Die Erläuterungen gehen vom Schadenersatz wegen Einstellungsdiskriminierung bis hin zu den Folgen einer diskriminierenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die neben dem Schadenersatz (ausnahmsweise) auch die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses umfassen kann; sie widmen sich also den Rechtsfolgen von Diskriminierungen aller Art in den verschiedenen Stadien des Arbeitsverhältnisses, so etwa auch jenen bei Diskriminierung in Form von (sexueller) Belästigung. Zu letzteren werden von Köck anhand von Beispielen aus der Judikatur für bisher zugesprochenen Schadenersatz wegen sexueller Belästigung (§ 12 Rz 66; € 3.500,– für eine sogar strafrechtlich relevante Belästigung) die an anderer Stelle von Mazal geäußerten Zweifel an der abschreckenden Wirkung der gesetzlichen Sanktionen untermauert (§ 7 Rz 62e).
Gemeinsam mit Thomas Dullinger kommentiert die nunmehrige Herausgeberin Michaela Windisch-Graetz den II. Teil des GlBG. In ihren Ausführungen zu § 17 GlBG, wo neben ethnischer Zugehörigkeit, Alter, sexueller Orientierung und Religion die Weltanschauung als missbilligtes Kriterium einer Schlechterbehandlung in der Arbeitswelt genannt wird, machen die Autor:innen klar, dass der österreichische Gesetzgeber auch ein Diskriminierungsverbot aufgrund politischer Anschauung normieren wollte (§ 17 Rz 38) und daher nicht nur der gewissermaßen als Verneinung von Religion zu verstehende Atheismus geschützt ist. Weltanschauung iSd GlBG beschäftigt sich ernsthaft und verbindlich mit einer umfassenden Deutung verschiedener Aspekte des Lebens und der Welt (§ 17 Rz 34, 38); Weltanschauung ist hingegen nicht bloß die Meinung oder Überzeugung einer Person einen isolierten Bereich oder Aspekt betreffend, zB die gerade aktuelle Asylgesetzgebung und -praxis oder COVID-19-Bestimmungen (§ 17 Rz 34). Dieses gesamtheitliche Verständnis von Weltanschauung hat der OGH (in 9 ObA 59/22z vom 20.10.2022), ua unter Bezugnahme auf den hier rezensierten Kommentar, erst jüngst bejaht, als er sich hinsichtlich der Diskriminierung eines Parteimitglieds und -funktionärs mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, ob eine parteipolitische Überzeugung bzw Mitgliedschaft Ausdruck einer Weltanschauung sein kann. Das Höchstgericht hat allerdings darüber hinaus betont, dass das verpönte Motiv der handelnden Person, das hinter der Diskriminierung steht, nicht schon mit der Parteimitgliedschaft als solches genügend belegt wird, sondern in einem zusätzlichen Schritt glaubhaft gemacht werden muss.
Wenn auch nicht eigentliches Thema des GlBG konnten die Kommentator:innen sich gewissermaßen nebenbei zur Abschaffung des Karfreitags als zusätzlichen Feiertag nur für ausgewählte christliche Konfessionen äußern (§ 19 Rz 32): Während sie die Abschaf-247fung des selektiven Feiertags „Karfreitag“ als solches befürworten, weisen sie aus grundrechtlicher Perspektive zu Recht kritisch auf die gesetzliche Anordnung in § 33a Abs 28 ARG hin, wonach derartige Sonderregelungen in bestehenden Kollektivverträgen unwirksam und künftig unzulässig seien; zum einen spielen dabei Gleichheitserwägungen eine Rolle, zum anderen greift die Regelung in die Kollektivvertragsautonomie der Interessenverbände ein (FN 76 in § 19 Rz 32). Dass ein echter zusätzlicher persönlicher Feiertag für alle, konfessionsunabhängig, auf gesetzlicher Ebene, der nicht aus dem den AN ohnehin bereits seit Langem zugestandenen Urlaubskontingent gespeist wird, anstelle der Wegnahme eines Feiertags für die Angehörigen bestimmter lang verfolgter christlicher Minderheitsreligionen ein schönes Signal an alle AN in Österreich gewesen wäre, zB auch für die jüdische oder die mittlerweile angewachsene muslimische Gemeinde, erlaubt sich die Rezensentin hier am Rande anzumerken.
Maria Y. Lee kommentiert den III. Teil, Abschnitt 1, des GlBG; das ist der Bereich der Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts und der ethnischen Herkunft im Privatrechtsverkehr außerhalb der Arbeitswelt, der – neben den europarechtlichen Ursprüngen in den Gleichbehandlungs-Richtlinien – auch von der Antirassismus-Konvention (ICERD) sowie der CEDAW, dem Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, stark beeinflusst wird (§ 30 Rz 1). Diese Diskriminierungsverbote betreffen im Wesentlichen die rechtlichen Beziehungen zwischen privaten Anbieter:innen von Gütern und Dienstleistungen, einschließlich deren Gehilf:innen, und den (potentiellen) Bezieher:innen solcher Leistungen, also insb deren Klient:innen (§ 30 Rz 14 f). Die Leistungen der privaten Anbieter:innen müssen an die Öffentlichkeit gerichtet, dh einem allgemein umschriebenen Personenkreis zugänglich sein. Diskriminierungsverbote aufgrund des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft bestehen daher etwa am Wohnungsmarkt sowie beim Zugang zu Lokalen, Transportmitteln oder generell Dienstleistungen aller Berufssparten und Branchen, zB dem Abschluss von Versicherungen und Bankgeschäften ebenso wie dem Rechtsbeistand bei Anwält:innen, aber auch der Vermittlung von Spitzensportler:innen und UBER-Fahrer: innen (§ 30 Rz 16, 29 ff). Gem § 33 GlBG stellt die ausschließliche oder überwiegende Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen an Personen eines bestimmten Geschlechts keine Diskriminierung dar, wenn dies verhältnismäßig ist. Lee hat dazu anhand der Prüfungsergebnisse des Senats III drei Fallgruppen herausgearbeitet (Leistungen für Männer und Frauen, aber zu unterschiedlichen Bedingungen; räumliche Bereiche, die nach Geschlechtern getrennt sind; gesonderte Leistungen nur für Angehörige eines bestimmten Geschlechts; vgl § 33 Rz 3 ff); sie diskutiert die teilweisen Überschneidungen zwischen diesem Verständnis von einer Nicht-Diskriminierung und jenem der positiven Diskriminierung nach § 34 GlBG, und stellt weiters im Einzelnen Maßnahmen und Mechanismen wie das sogenannte Empowerment vor, dh die Stärkung einer bestimmten Gruppe durch Vermittlung von Fertigkeiten und die Überwindung von einschränkenden Vorstellungen über Geschlechterrollen (§ 33 Rz 15 ff, 27 ff).
Die Brücke ins Verwaltungsrecht schlägt Doris Hattenberger, die das GBK/GAW-Gesetz kommentiert, also den sehr umfangreichen institutionellen Teil des Gleichbehandlungsrechts, der seit 2004 aus dem GlBG ausgegliedert und zu einem eigenen Gesetz geworden ist. Die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sollen – den ordentlichen Gerichten vorgeschaltet oder deren Anrufung vermeidend – den diskriminierten Personen einen niederschwelligen Zugang zum Recht gewähren sowie als paralleles Rechtsschutzangebot fungieren. Unmissverständlich verdeutlicht die Kommentatorin dabei, dass – von gewissen Berührungspunkten abgesehen – der Rechtsschutz der (ordentlichen) Gerichtsbarkeit und jener der Verwaltung unabhängig voneinander bestehen und in Anspruch genommen werden können, und folglich „ein und dieselbe Frage“ einer Diskriminierung von Gericht oder Verwaltungsorgan unterschiedlich beantwortet werden kann (Vor § 1 GBK/GAWGesetz Rz 5 f). Dass die Betrauung der Verwaltung in Gestalt von Kommissionen mit so sensiblen, in die höchst-persönliche Sphäre von Menschen reichenden Agenden wie der sexuellen Belästigung bei gleichzeitiger Ausstattung mit einem schwachen Instrumentarium nicht ganz gelungen sein kann, weist die Kommentatorin gewissermaßen indirekt in ihrer aufschlussreichen Analyse der Rechtsnatur der Gleichbehandlungskommission und der Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie der ihnen zugewiesenen Rechtsinstrumente nach (zB § 1 GBK/GAW-Gesetz Rz 5). Auch die Möglichkeit einer Verfahrensführung vor der Gleichbehandlungskommission unabhängig vom Willen einer Betroffenen wird zu Recht kritisiert (§ 11 GBK/GAW-Gesetz Rz 12). Bei ihrer Untersuchung der Rechtsnatur der Gleichbehandlungskommission und Gleichbehandlungsanwaltschaft folgt Hattenberger der öffentlich-rechtlichen Systematik und Terminologie; ebenso wird den Besonderheiten der in der österreichischen Rechtsordnung nicht unüblichen Beteiligung der Sozialpartner (siehe nur das Bundeseinigungsamt) entsprechend Rechnung getragen (§ 2 GBK/GAW-Gesetz Rz 2 ff). Die „zT rhetorisch variantenreichen“ Umschreibungen der Rechtsnatur früherer Autoren beschränkt sie auf den einleitenden Rückblick (§ 1 GBK/GAW-Gesetz Rz 1 ff). Beide Institutionen sind Verwaltungsorgane des Bundes; alle ihre Mitglieder üben (mittlerweile) ihre Tätigkeit expressis verbis weisungsfrei aus (vgl § 3 Abs 3, § 10 Abs 1a GBK/GAW-Gesetz). Instruktiv sind insb auch die Ausführungen der Kommentatorin zur Qualifikation der Tätigkeiten der Gleichbehandlungskommission als „nicht-hoheitliche Verwaltung“ anstelle einer Charakterisierung als Privatwirtschaftsverwaltung (§ 1 GBK/GAW-Gesetz Rz 6).
Der vorliegende Kommentar zum Gleichbehandlungsgesetz bietet für alle Leser:innen etwas: für die an der Dogmatik und der Entwicklung interessierten Forschenden und Praktiker:innen des Gleichbehandlungsund Antidiskriminierungsrechts, sei es als Anwält:innen oder Richter:innen, und für den in Zukunft – wohl wieder, siehe nur die Entgelttransparenz-RL – aktiv werdenden Gesetzgeber, der an verschiedensten Stellen legistische Hinweise finden kann. Von großem Nutzen ist der vorliegende Kommentar aber auch für die Rechtsanwender:innen von Sondergesetzen wie dem B-GlBG und dem LAG 2021, weil aufgrund der gemein-248samen europarechtlichen Ursprünge auch die Regelungen in den Gleichbehandlungsgesetzen für diese Sondergruppen dem GlBG vergleichbare Mindeststandards enthalten.