König/Mitterecker (Hrsg)Praxishandbuch des österreichischen Sportrechts

Facultas Verlag, Wien 2022 1.376 Seiten, gebunden, € 220,–

GERT-PETERREISSNER (GRAZ)

Das vorliegende Praxishandbuch könnte man auch als „Textbuch“ zum Sportrecht bezeichnen, enthält es doch auf ca 1.300 Seiten 41 Aufsätze von mehreren Dutzend Autorinnen und Autoren, die überwiegend einer jüngeren Generation aus der Anwaltschaft zuzuordnen sind, einige mit Uni-Vergangenheit, dazu auch aktuelle Angehörige der Universitäten. Die Themen der Aufsätze sind demgemäß breit gestreut: Es beginnt mit Fragen der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung im Sport und der Sportorganisation, danach folgt das Arbeitsrecht inklusive Geschäftsfähigkeitsrecht und das Sozialversicherungsrecht, weiter geht es mit Beiträgen zum Vereins- und Verbandsrecht sowie – irgendwie nahe – dem „Transferrecht“. Es folgt das Haftungsrecht und das Strafrecht in einem Block mit vier Aufsätzen, danach kommt das „öffentliche Recht“ ua mit Veranstaltungsrecht, Sportförderung, Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Naturschutz-, Forst- und Wasserrecht. Daran schließt die „Sportverbandsgerichtsbarkeit“ an (drei Aufsätze), gefolgt vom Steuerrecht (vier Aufsätze) und dem (Privat-)Versicherungsrecht (ein Aufsatz zur Versicherung von Hobbysport); interessant für den Rezensenten wäre übrigens eine Analyse der Privatversicherungen von Vollprofis im Bereich des alpinen und nordischen Skisports, die ja in der Praxis problematischerweise nicht als DN iSd SV behandelt werden (zum grundlegenden, gegenteiligen Erkenntnis im Fall Lukas MüllerVwGH 3.4.2019, Ro 2019/08/0003, Causa Sport 2019, 171: Der schwer verunfallte – seither querschnittsgelähmte – Vorspringer bei der Skiflug-Weltmeisterschaft war im Unfallzeitpunkt DN iSd § 4 Abs 2 ASVG). Weiter geht es im Themenreigen mit – weniger juristisch – eSport sowie Finanzierung, bevor wieder stärker rechtswissenschaftlich geprägte Materien wie Wettrecht, Insolvenzrecht und Datenschutzrecht erörtert werden. Zwei letzte Kapitel betreffen schließlich „Vermarktungsrecht/Medienrecht“ (vier Aufsätze) sowie „Wettbewerbs- und Kartellrecht/Beihilferecht/Vergaberecht“ (ebenfalls vier Aufsätze).

Dass das Sportrecht eine Querschnittsmaterie ist, braucht nach dieser Auflistung nicht mehr betont zu werden. Hinzugefügt sei, dass eine weitere rechtliche Durchdringung des Sportrechts aus verschiedenen speziellen Perspektiven, wie sie das zu besprechende Werk bietet, zu begrüßen ist. Was dieses Buch aber sicher nicht ist und worin es sich vom beinahe gleichnamigen, renommierten „Praxishandbuch Sportrecht“ (4. Auflage 2020, C.H. Beck Verlag) der hochverdienten (deutschen) Autoren Pfister/Fritzweiler/Summerer/Alvermann unterscheidet, ist der Umstand, dass es sich nicht um einen systematisch anhand bewährter dogmatischer Kriterien durchkomponierten „Grundriss“ des (österreichischen) Sportrechts handelt.

Hier von besonderem Interesse sind naturgemäß die Beiträge zum Arbeitsrecht (Anna Maria Stelzer) sowie zum Sozialversicherungsrecht (Thomas Dullinger).

Der Beitrag von Stelzer ist sauber gearbeitet, fasst den Stand der (arbeitsrechtlichen) Diskussion gut zusammen und enthält zahlreiche Nachweise zur Literatur bzw Judikatur in Österreich. Ihr Plädoyer für den KollV von Fußball-Bundesliga und ÖGB bzw auch für weitere Kollektivverträge in der Sportbranche ist zu begrüßen (S 66 ff). Die Ausführungen etwa zu Optionen in Spielerverträgen (S 68 ff) oder zum Recht auf Beschäftigung (S 72 ff, jeweils mwN) sind aufschlussreich und anregend. Leider übernimmt die Autorin schon auf der ersten Textseite das von Teilen der Arbeitsrechts-Community angestimmte Lamento, dass das Arbeitsrecht für den professionellen Sport nicht passend sei und dass es eines „Sportarbeitsgesetzes“ bedürfe (S 62 ff). Dazu ist – weniger gegen die Autorin als vielmehr gegen die skizzierte Denkschule – Folgendes zu sagen: Das Arbeitsrecht gilt grundsätzlich für alle Wirtschaftszweige und das soll auch so sein. Es wäre rechts- und sozialpolitisch problematisch, für jeden kleinen Nebenbereich ohne massive und gut begründete Notwendigkeit (zB JournG – Medienfreiheit, BäckAG – Nachtarbeit, BSchEG – Wetterrisiko in der Baubranche) ein Sondergesetz zu schaffen. Es könnte dann ja „jeder kommen“ und wir hätten bald spezielle Gesetze bspw für die (volkswirtschaftlich viel wichtigeren) Bereiche der Reinigung oder der Gastronomie, für die sogenannte Sozialbranche usw. Gerade am Beispiel der Sozialwirtschaft zeigt die österreichische Arbeitsrechts- und Sozialrechtsgeschichte, dass der richtige Weg darin besteht, sich auf die allgemeinen Rahmenbedingungen einzulassen: Die häufig mit altruistischer Motivationslage als Vereine gegründeten Institutionen der Branche arbeiten heute – anders als noch vor 30 Jahren – personalwirtschaftlich idR hoch professionell und dementsprechend unauffällig. Zur Anpassung an Branchenerfordernisse gibt es Kollektivverträge.

Dass das beispielhaft hervorgehobene Arbeitszeitrecht für den Profisport ein Problem sei, ist übrigens eine Legende, was dem Rezensenten mehrere ehemalige Radprofis sowie Fußballnationalspieler, die in verschiedenen Ligen im In- und Ausland tätig waren, bestätigt haben: Mehr als zwölf Stunden Arbeit an einem Tag wäre dem Output äußerst abträglich, es sind schon acht Stunden Leistungs- oder Spitzensport am Tag zu viel, „am siebenten Tage sollst du ruhen“ ist seit Jahrtausenden ein gutes Rezept, und am Ötztal-Radmarathon (S 62 FN 37) nehmen keine Radteams und damit auch keine AN teil, sodass die Einhaltung der Ruhepause nach § 11 AZG nicht zur Debatte steht. Diese ist auch bei längeren Bewerben kein Problem, zumal nach der genannten Bestimmung nicht nach sechs Stunden, sondern bei mehr als sechs Stunden Arbeit (übrigens: Siegerzeit Felix Gall auf der Königsetappe der Tour de France 2023: 4,49,08; letzter Platz: 5,34,04) die Arbeitszeit zu unterbrechen ist: Also zB (ohnehin unrealistisch) sieben Stunden Radrennen, eine halbe Stunde Pause, dann eine Stunde Medienarbeit. Oder Trainingseinheit 1 – 3, dazwischen je zehn Minuten Pause (vgl § 11 Abs 1 Satz 2 AZG) usw.249

In seinem Beitrag zum Sozialversicherungsrecht stellt Dullinger instruktiv den pflichtversicherten Personenkreis dar, verweist auf grundlegende Judikate etwa zu Skilehrern (idR DN iSd § 4 Abs 2 ASVG; S 112 mwN) oder zum mehr oder weniger reinen Sponsoring- Verhältnis im Fall Kinigadner (VwGHRa 2018/08/0028DRdA 2021/3, 35 [Födermayr] = JAS 2020, 191 [Pechtl]: keine ASVG-Pflichtversicherung, S 112, 115); in Konstellationen wie der letzteren komme der Status als „neuer“ Selbständiger iSd § 2 Abs 1 Z 4 GSVG in Betracht (diese Brücke findet sich auf S 112). Wenn Bergführer oder Skiguides direkt für die Gäste arbeiten, sind sie neue Selbständige (S 116 mwN), arbeiten sie allerdings für eine Alpinschule, könnten sie – wie die Skilehrer der Skischule (siehe oben) – als DN iSd § 4 Abs 2 ASVG zu qualifizieren sein (so Medienberichte aus Tirol im Oktober 2023).

Im Leistungsrecht unmittelbar interessant erscheint die UV. Der Autor handelt diese in Kürze theoretisch und mit den speziellen Problemen im Sportbereich (zB betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen, Anlageschäden) inklusive wichtiger Leitentscheidungen ab (S 123 ff). Die Verneinung des Arbeitsunfalls beim Grazer Business-Tennis-Cup durch OGH10 ObS 253/98y (DRdA 1999/30, 261 [krit Schrammel] = ZAS 1999/17, 152 [krit Jöst]) war im Ergebnis mE wohl richtig (zum „dienstlichen Interesse“ an der Sportausübung, S 126): Die Teilnahme des tennisbegeisterten Prokuristen der obersteirischen Bergbahnen-GmbH am ehrgeizig geführten Wettbewerb (!) samt kurzer Referenz in der Lokalzeitung entsprach wohl nur sehr nebenbei der „Unternehmensphilosophie“ und der „Pflege beruflicher Kontakte“.

Zur PV erwähnt Dullinger den einschlägigen Fall Robert Pecl (OGH10 ObS 123/98fDRdA 1999/52, 382 [Karl] = ZAS 1999/24, 186 [Holzer]) und führt zu Recht aus, dass man das Begehren des Berufsfußballspielers, nach Ende der Karriere wegen zahlreicher Verletzungen eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu beziehen, besser mit klassischen Elementen aus dem Rechtsgebiet (insb Verweisungsfeld) und nicht mit dem Umstand der „bloß vorübergehenden“ Berufsausübung ablehnen hätte können.

Jenseits der für DRdA relevanten Materien finden sich im vorliegenden Sammelband weitere relevante und für den Rezensenten lehrreiche Artikel (siehe oben). Alles in allem ist das Buch somit ein guter Impuls für die Entwicklung des Sportrechts in Österreich.