SchlotthauerArbeitnehmer im Mannschafts-eSport

Nomos Verlag, Baden-Baden 2022 414 Seiten, broschiert, € 114,– (D), € 117,20 (Ö)

REINHARDMINDEROCK (LINZ)

ESport ist in den letzten Jahren von einem Nischen- zu einem Massenphänomen aufgestiegen und diese Entwicklung brachte eine neue Berufsgruppe mit sich: professionelle eSportler. Daran anknüpfend stellen sich mittlerweile zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen, zB ob auf dieses Berufsbild ua das Arbeitszeitrecht, Urlaubsrecht oder Bestimmungen zum AN-Schutz anwendbar sind. Maßgeblich hierfür ist, ob eSportler als AN eingeordnet werden können. Genau diese Fragestellung arbeitet Schlotthauer (eingeschränkt auf Mannschafts-eSportler) ausführlich, überzeugend und übersichtlich dargestellt ab. Dementsprechend werden aufbauend das Erscheinungsbild des eSports (Kapitel 1) und die rechtlichen Grundlagen – insb des AN-Begriffs – dargestellt (Kapitel 2), gefolgt von der konkreten arbeitsrechtlichen Einordnung der eSportler, und zwar gegliedert nach Profi, Halbprofi und Amateur (Kapitel 3). Am Ende des Buches findet sich eine Übersicht der Ergebnisse (Kapitel 4). Zwar behandelt das Werk ausschließlich die deutsche Rechtslage, dennoch sind zahlreiche Argumente, die für oder gegen die Einordnung von eSportlern als AN sprechen – es handelt sich freilich jeweils um Einzelfallentscheidungen – weitgehend auch für das österreichische Recht verwertbar oder können zumindest als Denkanstoß dienen.

Dies zeigt sich anschaulich beispielsweise anhand der Prüfung, ob die Voraussetzungen der persönlichen Abhängigkeit im Falle professioneller eSportler vorliegen (Kapitel 3, 247 ff). Sie ist das zentrale Merkmal des AN-Begriffs, wobei ein wesentliches Beurteilungskriterium – in Deutschland wie in Österreich – die Weisungsunterworfenheit ist, die sich auf Ort, Zeit, Inhalt und auch die Durchführung der Tätigkeit beziehen kann (248). Ausführlich bearbeitet Schlotthauer in diesem Zusammenhang die örtliche Weisungsbindung, denn die Ausübung von eSport kann grundsätzlich online erfolgen und erfordert keine physische Anwesenheit (253 ff). Diesbezüglich ist allerdings eine weitere Differenzierung angebracht. Zwar ist eSport grundsätzlich virtuell durchführbar, jedoch werden gerade im professionellen Bereich zahlreiche Vorgaben zum Ort der Leistungserbringung gemacht, und zwar sowohl beispielsweise hinsichtlich der Anwesenheit bei Presseterminen, Show-Games, Messen, Interviews, zum Aufenthalt in Gaming-Häusern (das sind ausgestattete Einrichtungen der jeweiligen „Clans“) als auch zum Aufenthalt in virtuellen Räumen. Schlotthauer folgert in einem ersten Schritt richtig, dass Weisungen betreffend den realen Aufenthaltsort des Sportlers (physische Anwesenheit an einem realen Ort wie bei einem Pressetermin oder zur Taktik-Besprechung in einem Gaming-Haus) zweifelsfrei als Weisungen in örtlicher Hinsicht zu sehen sind (254 f), die für eine AN-Eigenschaft des jeweiligen Sportlers sprechen. Diese Schlussfolgerung gilt selbstredend gleichermaßen für das österreichische Recht (vgl Petschinka/Piska, eSport-Recht, in König/Mitterecker [Hrsg], Praxishandbuch des österreichischen Sportrechts [2022] 847 [865]). Ebenso ist Schlotthauer darin zuzustimmen, dass auch die aufwendige Einrichtung von Hard- und Software samt leistungsfähiger Internetverbindung durch den AG an einem bestimmten Ort (zB Home-Office) zu einer örtlichen Bindung führt, die für die AN-Eigenschaft sprechen wird. Läge diesbezüglich nicht ohnedies eine ausdrückliche Weisung vor, an diesem Ort zu arbeiten, geht er hierbei von einer zumindest „konkludenten örtlichen Weisung“ aus (254 f), wobei man auch aus der Nutzung der Ausrüstung des AG bereits eine Eingliederung in dessen Organisation ableiten können wird.

Von wesentlichem Interesse ist jedoch, wie jene Weisungen zu beurteilen sind, die sich auf den Auf-250enthalt in einem bestimmten virtuellen Raum (virtuelle Lobby) beziehen. Dabei erläutert Schlotthauer zunächst treffend, dass diesfalls nicht jegliche örtliche Bindung entfällt. Der Sportler muss sich schließlich doch in einer Umgebung aufhalten, die eSport auf professionellem Niveau zulässt, was eine entsprechende Ausrüstung erfordert. Dadurch werden die realen Arbeitsorte deutlich eingeschränkt (zB Home-Office, Gaming-Häuser). Weil dies aber auch jeden selbständigen Sportler ebenso treffe, bezweifelt der Autor, dass die Bindung an eine zumindest eSport-taugliche Umgebung für die AN-Eigenschaft sprechen könne (256). Damit argumentiert Schlotthauer genau genommen, dass dieser Ortsbindung deshalb keine Unterscheidungskraft zukomme, weil sie in der „Natur der Sache“ liegt. Dieses Argument ist jedoch unvollständig, denn auch wenn der konkreten Bindung an den Ort für sich alleine kaum Aussagekraft zukommen wird (soweit ist Schlotthauer zuzustimmen), ist sie in der Gesamtheit dennoch zu werten und kann die Gesamtbeurteilung weiter verstärken. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sind stets sämtliche Umstände zu berücksichtigen, um nicht Gefahr zu laufen, die Beurteilung zu verfälschen (ausführlich Födermayr, Der VwGH und die ASVG-Pflichtversicherung von SportlerInnen, DRdA 2021, 35 [41], iZm § 4 Abs 2 ASVG). Folglich wäre bereits aus diesem Grund die Weisung, sich zur eSport-Ausübung in einem bestimmten virtuellen Raum aufzuhalten, für die Gesamtbeurteilung der AN-Eigenschaft entsprechend zu berücksichtigen, selbst wenn ihr wenig Gewicht zukommt (vgl allgemein zum Bedeutungsverlust des Arbeitsplatzes Rebhahn in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 1151 ABGB [Stand 1.1.2018, rdb.at] Rz 103).

Weitergehend behandelt Schlotthauer aber ohnedies die Frage, ob man auch überhaupt auf den virtuellen Raum als Arbeitsort abstellen könnte. Im deutschen Recht läuft dies auf die Subsumtion des virtuellen Raumes unter § 611a Abs 1 S 2 BGB hinaus. Hierbei lässt der Autor das Ergebnis jedoch offen, denn ein „Ort“ iSd Bestimmung sei zwar grundsätzlich ein realer Ort, allerdings würden Auslegung und Telos der Norm auch eine entsprechende Subsumtion zulassen (256 f). Man müsse sich aber nicht festlegen, denn diese Art von Weisung könne man anstatt als ortsbezogen auch als durchführungsbezogen bzw als Ausprägung der Eingliederung in die Arbeitsorganisation verstehen (257).

Dieses Ergebnis kann auch ohne eine mit § 611a BGB vergleichbare Bestimmung auf die österreichische Rechtslage übertragen werden. Schlotthauer ist letztlich darin zuzustimmen, dass eine derartige Weisungsbefugnis in diesem Sinne verstanden im Rahmen der Gesamtbetrachtung für die AN-Eigenschaft sprechen wird – das zuvor noch problematisierte „Natur der Sache“-Argument (der Aufenthalt in einem bestimmten virtuellen Raum ist für jeden Selbständigen gleichermaßen zur Berufsausübung erforderlich) wird hier allerdings nicht aufgeworfen (differenzierend jedoch Francken/Nothelfer/Schlotthauer, Der Arbeitnehmer im professionellen eSport, NZA 2019, 865 [869]). Genau genommen hat die Weisung zum Aufenthalt in einem virtuellen Raum den Inhalt, einen konkreten eSport-Titel zu einem vorgegebenen Zweck zu spielen (Training, Wettkampf, Show-Game etc). Das Verständnis derartiger Weisungen als das „Was“ und „Wie“ anstatt das „Wo“ der Arbeitsleistung betreffend erscheint in diesem Lichte sachgerechter, womit Schlotthauers Vorsicht hinsichtlich der Subsumtion unter den Ortsbegriff in § 611a BGB zu begrüßen ist. Damit besteht zumindest im Hinblick auf die Beurteilung der AN-Eigenschaft von eSportlern – es geht letztlich um die Beurteilung der Fremdbestimmtheit der Arbeitsleistung – keine Notwendigkeit, den „Arbeitsort“ auf virtuelle Räume zu erstrecken (vgl Petschinka/Piska in König/Mitterecker, Praxishandbuch 847 [865]; für den virtuellen Raum als „Arbeitsort“ aufgrund umfassender Kontrollmöglichkeiten vgl Lutz, Virtuelles Crowdwork: Clickworker, in Lutz/Risak [Hrsg], Arbeit in der Gig-Economy [2017] 62 [88]).

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass bezüglich des Phänomens eSport die österreichische Rechtswissenschaft der deutschen bislang hinterherhinkt. Die österreichische Politik hat zwar bereits vor einiger Zeit entsprechenden Handlungsbedarf erkannt, weshalb sich im aktuellen Regierungsprogramm 2020- 2024 eine politische Absichtserklärung zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe findet, um den rechtlichen Rahmen abzuklären (Entschließung des NR vom 11.12.2020, 123/E 27. GP; AB 536 BlgNR 27. GP). Dennoch wurde eSport in der österreichischen (arbeits-)rechtlichen Literatur bis dato in einem sehr überschaubaren Umfang behandelt. Auch deshalb kommen Interessierte an der beachtlichen Arbeit Schlotthauers kaum vorbei.