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Beitragszuschlag ohne unmittelbare Betretung?

CONRADGREINER (WIEN)
  1. Ein Beitragszuschlag gem § 113 Abs 1 ASVG ist immer dann vorzuschreiben, wenn DN entgegen § 33 Abs 1 ASVG nicht vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung angemeldet wurden.

  2. Nach einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a ASVG setzt sich der Beitragszuschlag aus Teilbeträgen für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz zusammen; in Ermangelung einer unmittelbaren Betretung muss der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen, der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung ist hingegen grundsätzlich vorzuschreiben.

  3. Da den bei der Verkehrspolizei tätigen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes keine Prüfbefugnisse im Rahmen des ASVG oder des BG über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge (PLABG) (oder sonst unter der Verantwortung der Österreichischen Gesundheitskasse [ÖGK]) zukommen, handelt es sich bei einer Betretung durch diese Organe um keine unmittelbare Betretung iSd § 111a ASVG.

Die ÖGK verpflichtete die mitbeteiligte Partei mit Bescheid vom 9.12.2020 gem § 113 ASVG zur Entrichtung eines Beitragszuschlags in der Höhe von € 1.800,–. Bei einer Überprüfung durch ein „Organ der Exekutivbehörde (Autobahnpolizei K [...])“ sei festgestellt worden, dass drei namentlich genannte DN bei der mitbeteiligten Partei beschäftigt gewesen seien, ohne bei der ÖGK gemeldet zu sein.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab die ÖGK mit Beschwerdevorentscheidung vom 25.2.2021 insoweit Folge, als der Beitragszuschlag auf € 1.000,– herabgesetzt wurde. Dafür war maßgeblich, dass die ÖGK einen Meldeverstoß nur mehr hinsichtlich eines DN annahm. [...]

Die mitbeteiligte Partei stellte einen Vorlageantrag.

Mit dem angefochtenen Erk gab das BVwG der Beschwerde statt und änderte die Beschwerdevorentscheidung dahingehend ab, dass der Ausgangsbescheid vom 9.12.2020 ersatzlos behoben werde. Das BVwG stellte fest, dass die Insassen eines auf die mitbeteiligte Partei zugelassenen Fahrzeugs am 23.6.2020 um 9:35 Uhr auf der Pyhrnautobahn von Beamten der LPD (Landespolizeidirektion) Oberösterreich, Autobahnpolizei K, angehalten und einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen worden seien. Nach Beendigung der Kontrolle hätten die Beamten einen Bericht an die Finanzpolizei mit dem Ersuchen um Überprüfung einer möglichen illegalen Beschäftigung übermittelt.

In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG aus, dass § 113 ASVG idF der Novelle BGBl I 79/2015 – so wie bisher § 113 Abs 1 Z 1 ASVG – nicht in allen Fällen einer Verletzung der Pflicht zur Anmeldung von DN vor Arbeitsantritt einen Beitragszuschlag vorsehe, sondern nur im Fall einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a ASVG. Diese Betretung müsse nach der Rsp des VwGH (Hinweis auf VwGH 8.5.2019, Ra 2019/08/0017) durch ein gesetzlich ermächtigtes Prüforgan erfolgen.

Im vorliegenden Fall seien die Fahrzeuginsassen von Beamten der Autobahnpolizei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen worden. Dass den im Rahmen der Fremdenpolizei tätig werdenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gesetzlich die Ermächtigung, als „Prüforgan“ iSd sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften – insb des § 113 ASVG – einzuschreiten, eingeräumt worden sei, sei aus den fremdenpolizeilichen Vorschriften oder dem ASVG nicht abzuleiten. Es lasse sich auch mit dem Zweck der Vorschreibung eines Beitragszuschlags nach § 113 ASVG – nämlich die Kosten für den Prüfeinsatz abzugelten – nicht in Einklang bringen, dass hiervon auch beliebige fremdenpolizeiliche Kontrollen durch Organe der Bundespolizei, bei denen nur zufällig eine nicht zur Pflichtversicherung angemeldete Person betroffen sei, erfasst würden. Es leuchte demnach nicht ein, gleichsam jedwede Kontrolltätigkeit von Organen der Bundespolizei im Rahmen der Fremdenpolizei zugleich als Tätigwerden von „Prüforganen“ iSd ASVG zu qualifizieren.

Im vorliegenden Fall könne daher in Ansehung der stattgefundenen fremdenpolizeilichen Kontrolle im Ergebnis nicht von einer Betretung durch gesetzlich ermächtigte Prüforgane gesprochen werden. Die Vorschreibung eines Beitragszuschlags gem § 113 ASVG sei somit zu Unrecht erfolgt. [...]

Gegen dieses Erk richtet sich die vorliegende Revision, über die der VwGH [...] erwogen hat:

Die Revision erweist sich [...] als zulässig. Sie ist im Ergebnis auch teilweise berechtigt.

Beitragszuschläge für die nicht oder verspätet erfolgte Anmeldung zur Pflichtversicherung sowie für die Meldung eines zu niedrigen Entgelts waren bereits in der Stammfassung des § 113 ASVG, BGBl 189/1955, vorgesehen. Die Zuschläge sollten „bis zum zweifachen Ausmaß der nachzuzahlenden Beiträge“ vorgeschrieben werden.

Mit der Novelle BGBl 111/1986 wurde klargestellt, dass ein Meldeverstoß auch dann beitragszuschlagspflichtig ist, wenn keine Beiträge nachzuzahlen sind (vgl dazu auch die ErlRV 774 BlgNR 16. GP, 38). Mit dieser Novelle erhielt § 113 Abs 1 ASVG eine Zifferngliederung. Die Z 1 umfasste nun die Fälle, in denen eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet wurde oder das Entgelt nicht gemeldet wurde, und normierte dafür einen Beitragszuschlag „bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen“. Die Z 2 regelte die Fälle einer verspäteten Anmeldung oder Entgeltmeldung, die Z 3 Fälle der Meldung eines zu niedrigen Entgelts.

Mit der Novelle BGBl I 132/2005 wurde – im Anschluss an die gleichzeitig eingeführte Verpflichtung zur Anmeldung „spätestens bei Arbeitsantritt“177 nach § 33 ASVG – in § 113 Abs 1 Z 1 ASVG statt wie bisher auf die nicht erfolgte „Anmeldung zur Pflichtversicherung“ auf die nicht erfolgte „vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs 1a Z 2“ abgestellt. Damit sollte zufolge den Erläuterungen (ErlRV 1111 BlgNR 22. GP, 5) klargestellt werden, dass ein beitragszuschlagsrelevanter Meldeverstoß erst dann vorliegt, wenn die Frist von sieben Tagen (für die vollständige Anmeldung) verstrichen ist und der DG nur eine Mindestangaben-Anmeldung (gem § 33 Abs 1a Z 1 ASVG) oder keine Anmeldung erstattet hat.

Mit der Novelle BGBl I 31/2007 wurden die bisher in der Z 1 des § 113 Abs 1 enthaltenen Tatbestände auf zwei Ziffern aufgeteilt und im Hinblick auf die nun im § 33 ASVG vorgesehene Verpflichtung zur Anmeldung bereits vor Arbeitsantritt modifiziert (vgl auch die ErlRV 77 BlgNR 23. GP, 4 f). Die Z 1 erfasste nun nur mehr die Fälle, in denen „die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde“, die Z 2 hingegen Fälle, in denen „die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde“. Zugleich wurde bei der Berechnung der Höhe des Zuschlags differenziert: Für Fälle des § 113 Abs 1 Z 2 ASVG sah Abs 3 weiterhin einen Beitragszuschlag in Höhe von maximal dem Doppelten jener Beiträge vor, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der vollständigen Anmeldung oder bis zum Einlangen der verspäteten vollständigen Anmeldung beim Versicherungsträger entfielen. Für den Fall des § 113 Abs 1 Z 1 ASVG bestimmte Abs 2 hingegen, dass sich der Beitragszuschlag „nach einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a“ aus zwei Teilbeträgen zusammensetzt, mit denen die „Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden“, und zwar für die gesonderte Bearbeitung 500 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person und für den Prüfeinsatz 800 €.

Die geltende Fassung erhielt der § 113 ASVG durch das Meldepflicht-Änderungsgesetz, BGBl I 79/2015. Er lautet nunmehr:

„§ 113. (1) Den in § 111 Abs 1 genannten Personen (Stellen) können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde.

(2) Der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a setzt sich aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 400 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 600 €.

(3) Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf bis zu 300 € herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.“

[...]

Die dargestellte Entwicklung der Rechtslage zeigt, dass die überhaupt nicht oder verspätet erfolgte Anmeldung zur Pflichtversicherung stets mit Beitragszuschlägen belegt wurde. Eine Differenzierung zwischen gar nicht und verspätet erfolgter Anmeldung wurde erstmals mit der Novelle BGBl 11/1986 vorgenommen, wobei sich die Rechtsfolgen nur insoweit unterschieden, als im einen Fall beim Höchstbetrag des Zuschlags auf das Doppelte der bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung und im anderen Fall auf das Doppelte der bis zum Eintreffen der verspäteten Anmeldung entfallenden Beiträge abgestellt wurde. Mit der Novelle BGBl I 31/2007 wurde weiter differenziert: § 113 Abs 1 Z 1 ASVG erfasste, wie oben dargestellt, die Fälle, in denen nicht schon vor Arbeitsantritt angemeldet wurde, § 113 Abs 1 Z 2 ASVG hingegen die Fälle, in denen zwar möglicherweise die Mindestangaben- Meldung vor Arbeitsantritt erfolgte, dann aber die (fristgerechte) vollständige Anmeldung unterblieb. Für die Fälle des § 113 Abs 1 Z 1 ASVG „nach einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a“ wurde in Form von Pauschalbeträgen für die „gesonderte Bearbeitung“ und den „Prüfeinsatz“ eine neue – von der angefallenen Beitragsschuld und damit von der Dauer des vor der Betretung schon bestehenden Versicherungsverhältnisses unabhängige – Bemessung des Beitragszuschlags vorgesehen. Das wurde in den Gesetzesmaterialien (ErlRV 77 BlgNR 23. GP, 5) wie folgt erläutert:

„Bei unterbliebener Anmeldung vor Arbeitsantritt soll im Fall der Betretung grundsätzlich ein pauschalierter Beitragszuschlag Platz greifen, der sich aus zwei Teilbeträgen zusammensetzt: einem Betrag von 500 € pro Person, die anzumelden gewesen wäre, als Pauschalersatz für die Bearbeitungskosten des Sozialversicherungsträgers sowie einem Betrag von 800 € für den Prüfeinsatz als Pauschalersatz für jene Kosten, die der Sozialversicherung und den Behörden im Zuge einer einschlägigen Prüfung durch ihre Organe erwachsen. Die unterschiedliche Höhe der Teilbeträge ergibt sich daraus, dass der höhere Aufwand bei verspäteter Anmeldung vor allem aus dem Verfahren im Einzelfall und weniger aus dem Prüfeinsatz selbst resultiert.“

Entgegen in der Literatur geäußerten Ansichten (vgl Feik/Warter in SV-Komm, § 113 Rz 7, mit Hinweis auf Brodil, DRdA 2008, 383 [387], sowie Schrank, ZAS 2008, 4 [11]) und einer vereinzelt auch in der Rsp des VwGH angedeuteten Auslegung (vgl VwGH 27.4.2011, 2011/08/0073, wo im Übrigen auch das Verhältnis der Z 1 und 2 des § 113 Abs 1 ASVG idF BGBl I 31/2007 erläutert wird) kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach dieser Rechtslage eine nicht erfolgte Anmeldung vor Arbeitsantritt nur dann die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitragszuschlags nach sich gezogen hat, wenn der Meldeverstoß im Zuge einer unmittelbaren Betretung hervorgekommen ist – mag dies auch der typische Fall sein, in dem das Unterlassen einer Anmeldung vor Arbeitsantritt der Behörde zur Kenntnis gelangt. Dagegen sprechen sowohl der Wortlaut des § 113 ASVG idF BGBl I 31/2007 – der das Erfordernis178 einer „unmittelbaren Betretung“ nur in Abs 2, also auf der Rechtsfolgenseite, anspricht – als auch die Materialien, aus denen sich die Intention ergibt, jede unterbliebene Anmeldung vor Arbeitsantritt mit einem Beitragszuschlag zu belegen. Die Bedingung „nach einer unmittelbaren Betretung“ ist vielmehr nur darauf zu beziehen, dass dann zwei Teilbeträge – für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz – zu entrichten sind; hat keine unmittelbare Betretung – und damit in aller Regel auch kein Prüfeinsatz – stattgefunden, ist hingegen nur der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung vorzuschreiben. Dieser ist von einem Prüfeinsatz unabhängig, da grundsätzlich durch jede nicht vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung angemeldete Person ein gesonderter Bearbeitungsaufwand verursacht wird.

Für die aktuelle Rechtslage gilt sinngemäß das Gleiche (vgl auch die ErlRV 618 BlgNR 25. GP, 6, wonach sich der Beitragszuschlag nach dem bisherigen § 113 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG nur bezüglich seiner Höhe ändern soll). Ein Beitragszuschlag gem § 113 Abs 1 ASVG ist immer dann vorzuschreiben, wenn ein DN entgegen § 33 Abs 1 ASVG nicht vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung angemeldet wurde. Nach einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a ASVG setzt er sich aus Teilbeträgen für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz zusammen; in Ermangelung einer unmittelbaren Betretung muss der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen, der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung ist hingegen (sofern kein Nachsichtsgrund iSd § 113 Abs 3 ASVG vorliegt) vorzuschreiben. Das Ergebnis, dass immer dann, wenn keine unmittelbare Betretung iSd § 111a ASVG erfolgt, der Beitragszuschlag nach § 113 ASVG ganz zu entfallen hätte, erschiene demgegenüber unsachlich: Es könnte dann höchstens (sofern der betreffende Tatbestand erfüllt ist) der deutlich niedrigere Säumniszuschlag nach § 114 Abs 1 Z 1 ASVG vorgeschrieben werden, obwohl bloß aus dem Fehlen einer unmittelbaren Betretung weder ein geringerer Bearbeitungsaufwand noch eine weniger schwerwiegende Bedeutung des Verstoßes für das Funktionieren der gesetzlichen SV folgt.

Das BVwG hätte die Vorschreibung des Beitragszuschlags somit – ausgehend von der festgestellten Nichtmeldung vor Arbeitsantritt und in Ermangelung festgestellter Gründe für eine Nachsicht iSd § 113 Abs 3 ASVG – nicht zur Gänze beheben dürfen.

Die von ihm verneinte Frage, ob im vorliegenden Fall eine Betretung iSd § 111a ASVG stattgefunden hat, ist (nur) dafür relevant, ob neben dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz vorzuschreiben war.

Zur Frage der Betretung hat der VwGH im Erk VwGH 8.5.2019, Ra 2019/08/0017 (noch zur – im entscheidenden Punkt aber unveränderten – Rechtslage vor der Novelle BGBl I 79/2015) Folgendes ausgeführt:

„Die Wortfolge ‚nach einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a‘ in dieser Bestimmung enthält ausschließlich eine sachliche Definition des Begriffs ‚unmittelbare Betretung‘ und hat mit der in § 111a ASVG darüber hinaus enthaltenen Regelung der Parteistellung nichts zu tun. ‚Unmittelbare Betretung‘ bezieht sich auf die Wortfolge des § 111a ASVG ‚Personen betreten haben, die entgegen § 33 Abs 1 nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden‘, gleichgültig, durch welche gesetzlich ermächtigten Prüforgane die Betretung erfolgte. [...] Auch in Ansehung der von der Revisionswerberin hervorgehobenen Kontrollbefugnisse der Gebietskrankenkassen ist es für den VwGH nicht zweifelhaft, dass § 113 Abs 2 ASVG für jede ‚Betretung‘ durch Prüforgane gilt, insbesondere durch solche der Versicherungsträger (vgl. § 111 Abs 4 ASVG).“

Es muss sich also – entsprechend der Anknüpfung an einen „Prüfeinsatz“ in § 113 Abs 2 ASVG – um eine Betretung durch „Prüforgane“ handeln. Die Prüfung, die diesen Organen obliegt, kann nur eine solche unter der Verantwortung des für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträgers sein, also nach dem ASVG (insb dessen § 41a) bzw nach dem PLABG (nach dessen § 5 die Organe des Prüfdienstes bei der Sozialversicherungsprüfung als Organe der ÖGK bzw BVAEB [Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau] tätig werden und deren sachlichen Weisungen unterliegen). Nur insofern ist es sachlich, den Prüfaufwand im Wege eines (nach § 115 Abs 2 ASVG auf die Versicherungsträger und „sonstigen Stellen“ im Verhältnis der Beitragsrückstände aufzuteilenden) Zuschlags zu den nach dem ASVG einzuhebenden Beiträgen den betroffenen DG aufzuerlegen.

Da den im Rahmen der Verkehrspolizei tätigen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes keine Prüfbefugnisse im Rahmen des ASVG oder des PLABG (oder sonst unter der Verantwortung der ÖGK) zukommen, handelt es sich bei einer Betretung durch diese Organe somit um keine Betretung iSd § 111a ASVG, die zur Vorschreibung eines Beitragszuschlags im Umfang auch des Beitragsteils für den Prüfeinsatz nach § 113 Abs 2 ASVG ermächtigt.

Da aber nach dem oben Gesagten auf Basis der Feststellungen des BVwG ein Beitragszuschlag für die gesonderte Bearbeitung zu verhängen gewesen wäre, war das angefochtene Erk – soweit es die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitragszuschlags auch im Umfang des Teilbetrags für die gesonderte Bearbeitung verneinte – gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl zur Teilbarkeit des Spruchs VwGH 7.9.2011, 2008/08/0218). Im Übrigen war die Revision gem § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Wurden DN nicht vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung angemeldet, so ist ein Beitragszuschlag vorzuschreiben (§ 113 Abs 1 ASVG). Dieser Zuschlag setzt sich bei „einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a“ aus zwei Teilbeträgen179 zusammen: Ein Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung iHv € 400,– je nicht rechtzeitig angemeldeten DN und ein Teilbetrag für den Prüfeinsatz iHv € 600,– (§ 113 Abs 2 ASVG).

In dem vom VwGH zu beurteilenden Fall war die Beschäftigung eines DN ohne Anmeldung bei der ÖGK von der Autobahnpolizei bei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle festgestellt worden. Strittig war, ob in einem solchen Fall ein Beitragszuschlag nach § 113 ASVG vorzuschreiben ist. Konkret musste sich der VwGH mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Ist die Feststellung einer unangemeldeten Beschäftigung durch die Autobahnpolizei eine „unmittelbare Betretung“ iSd § 111a ASVG? Falls nicht, ist dann trotzdem ein Beitragszuschlag gem § 113 leg cit vorzuschreiben (und bejahendenfalls, in welcher Höhe)?

2.
„Unmittelbare Betretung“ iSd § 111a ASVG durch die Autobahnpolizei?

§ 113 Abs 2 ASVG regelt die Höhe des Beitragszuschlags im Falle einer „unmittelbaren Betretung“ iSd § 111a leg cit. Qualifiziert man die Feststellung einer unangemeldeten Beschäftigung durch die Autobahnpolizei als „unmittelbare Betretung“ idS, führt dies zu keinen weiteren rechtlichen Problemen: Der vorzuschreibende Beitragszuschlag setzt sich aus dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung (€ 400,– für jeden nicht rechtzeitig angemeldeten DN) und dem Teilbetrag für den Prüfeinsatz zusammen (€ 600,–).

Der VwGH hat sich bereits in einer anderen E mit der Auslegung der Wortfolge „nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a“ befasst und entschieden, dass damit jede Betretung durch gesetzlich ermächtigte Prüforgane gemeint ist (VwGH 8.5.2019, Ra 2019/08/0017). Unter „Betretung“ versteht der Gerichtshof ein körperliches Zusammentreffen von Prüforgan und nicht angemeldetem DN, also ein unmittelbares sinnliches Wahrnehmen des DN durch das Organ (VwGH 19.12.2018, Ro 2018/08/0019). Eine „Betretung“ idS lag im gegenständlichen Fall vor. Fraglich war also nur, ob die Autobahnpolizei ein gesetzlich ermächtigtes „Prüforgan“ ist. In einer anderen E hat der VwGH gesagt, „Prüforgane“ seien nicht nur die in § 111a ASVG genannten Organe der Bundesabgabenbehörden (und seit der Novelle BGBl I 104/2019 des Amts für Betrugsbekämpfung), sondern auch die Organe der Versicherungsträger, weil auch diesen nach dem ASVG Kontrollbefugnisse zukommen (VwGH 8.5.2019, Ra 2019/08/0017). Aufbauend auf diesen Ausführungen meint der VwGH in der gegenständlichen E, „Prüforgane“ seien all jene Organe, denen Prüfbefugnisse nach dem ASVG oder dem PLABG zukommen.

Da die Autobahnpolizei solche Prüfbefugnisse nicht hat, sind deren Organe keine „Prüforgane“ idS. Die Feststellung einer unangemeldeten Beschäftigung durch die Autobahnpolizei ist daher keine „unmittelbare Betretung“ iSd § 111a ASVG. Zu diesem Ergebnis kommt auch der VwGH in der gegenständlichen E.

3.
Beitragszuschlag ohne unmittelbare Betretung?

Damit stand der VwGH vor der Frage, ob (und bejahendenfalls, in welcher Höhe) auch ohne unmittelbare Betretung iSd § 111a ASVG ein Beitragszuschlag nach § 113 leg cit vorzuschreiben ist.

Soweit in der Lehre Stellungnahmen dazu vorliegen, wird vertreten, dass ein Beitragszuschlag nur bei einer unmittelbaren Betretung durch Prüforgane vorzuschreiben sei; ohne unmittelbare Betretung sei der Meldeverstoß nicht zuschlagsfähig (Brodil, DRdA 2008, 383 [387]; Feik/Warter in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 113 ASVG Rz 7; Schrank, ZAS 2008, 4 [11]). Auch aus einer älteren E des VwGH ließe sich diese Auffassung ableiten (VwGH 27.4.2011, 2011/08/0073).

Die Ansicht, ohne unmittelbare Betretung entfalle der Beitragszuschlag ganz, erscheint dem Gerichtshof in der gegenständlichen E aber unsachlich: Es könnte dann nur (sofern der betreffende Tatbestand erfüllt ist) der Säumniszuschlag gem § 114 Abs 1 Z 1 ASVG vorgeschrieben werden, obwohl in einem solchen Fall weder ein geringerer Bearbeitungsaufwand noch eine weniger schwerwiegende Bedeutung des Verstoßes für das Funktionieren der gesetzlichen SV vorliege. Der VwGH meint daher, ohne unmittelbare Betretung entfalle nur der Teilbetrag für den Prüfeinsatz, nicht aber der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung. Seine Auffassung stützt der Gerichtshof auf den Gesetzeswortlaut und historische Argumente: Gem § 113 Abs 1 ASVG sei ein Beitragszuschlag immer dann vorzuschreiben, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde; das Erfordernis einer unmittelbaren Betretung werde erst in Abs 2 leg cit angesprochen. Zudem zeige ein Blick auf die historische Entwicklung der Bestimmung, dass die unterlassene Anmeldung zur Pflichtversicherung stets mit Beitragszuschlägen belegt wurde und wird.

Die Auffassung des VwGH in der gegenständlichen E ist überzeugend. Wenn die Lehre vertritt, ohne unmittelbare Betretung sei gar kein Beitragszuschlag vorzuschreiben, dann steht das im Widerspruch zu § 113 Abs 1 ASVG; danach ist – ohne dass das Erfordernis einer unmittelbaren Betretung genannt wird – bei unterlassener Anmeldung ein Beitragszuschlag vorzuschreiben. Zwar bezieht sich § 113 Abs 2 ASVG seinem Wortlaut nach auf den (Regel-)Fall einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a leg cit. Die Bestimmung ist aber durch die Aufteilung des Beitragszuschlags in zwei Teilbeträge (einmal für die gesonderte Bearbeitung und einmal für den Prüfeinsatz) detailliert genug, um daraus auch die Höhe des Zuschlags für Fälle ohne unmittelbare Betretung abzuleiten: Für diese Fälle ergibt eine systematische Zusammenschau von § 113 Abs 1 ASVG und Abs 2 leg cit, dass bei unterlassener Anmeldung auch ohne unmittelbare Betretung ein Beitragszuschlag vorzuschreiben ist, jedoch nur in der Höhe des Teilbetrags für die gesonderte Bearbeitung; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfällt, weil es keinen Einsatz gibt, dessen Kosten (pauschal) ersetzt werden könnten (arg: Teilbetrag für „den“ Prüfeinsatz).180

4.
Beitragszuschlag und „Verursacherprinzip“

Nach der Rsp des VwGH verfolgen Beitragszuschläge nach § 113 ASVG den Zweck, jenen Mehraufwand zu ersetzen, der durch den Verstoß gegen die Meldepflicht verursacht wurde (jüngst etwa VwGH 8.5.2019, Ra 2019/08/0017). Dementsprechend qualifiziert der Gerichtshof Beitragszuschläge ihrem Wesen nach nicht als Strafe, sondern als Pauschalersatz für den durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachten Verwaltungsmehraufwand (VwGH 9.9.2009, 2006/08/0227; VwGH 20.10.2004, 2002/08/114; siehe auch VfGH 7.3.2017, G 407/2016 ua). Der „verursachte Mehraufwand“ ist nach treffender Ansicht des VwGH aber nicht der Verwaltungsaufwand, welcher zur Feststellung der Meldepflichtverletzungen aufgewendet wurde, sondern jener (zusätzliche) Aufwand, der ohne Meldeverstoß nicht eingetreten wäre (VwGH 30.9.1994, 91/08/0069; VwGH 17.3.1988, 87/08/0112; VwGH 26.3.1987, 86/08/0223).

Ausgehend von diesem Verständnis zu Wesen und Zweck von Beitragszuschlägen ist die Vorschreibung eines Pauschalersatzes für die gesonderte Bearbeitung konsequent: Bei rechtmäßigem Verhalten (iSd § 33 ASVG) wären keine Bearbeitungskosten entstanden; diese wurden durch den Meldeverstoß verursacht (zumindest dem Grunde nach; dazu VwGH 13.5.2009, 2008/08/0249 und VwGH 14.1.2013, 2010/08/0077: Der genaue Umfang des tatsächlichen Bearbeitungsaufwands spielt für die Höhe des pauschalen Beitragszuschlags keine Rolle). Hingegen werden die Kosten für den Prüfeinsatz durch den Meldeverstoß nicht einmal dem Grunde nach verursacht, weil Sozialversicherungsprüfungen (§ 41a ASVG) auch ohne einen konkreten Anlass durchgeführt werden. Die Verwaltungskosten einer solchen Prüfung sind daher kein „Mehraufwand“ im oben beschriebenen Sinne.

Eine pauschale Abgeltung des konkreten Prüfeinsatzes passt daher mit dem vom VwGH unterstellten Wesen und Zweck der Zuschläge nach § 113 ASVG nicht zusammen. Auch in einer älteren E hat der Gerichtshof gesagt, die auf eine Beitragsprüfung entfallenden Kosten seien kein durch einen Meldeverstoß verursachter Mehraufwand (VwGH 26.3.1987, 86/08/0223). Allerdings erging diese E noch zu einer Fassung des § 113 ASVG (BGBl 1986/111), bei der kein Teilbeitrag für den Prüfeinsatz vorgeschrieben war, und der verursachte Mehraufwand noch die Funktion einer Obergrenze für den Beitragszuschlag hatte (vgl etwa VwGH 17.3.1988, 87/08/0112). Wenn der Gesetzgeber nunmehr einen Pauschalersatz für den (nicht verursachten) Prüfeinsatz vorschreibt, kann dies wohl nur eine Sanktion für das im Meldeverstoß verwirklichte Unrecht sein. Dann kann es aber keinen Unterschied machen, ob die unterlassene Anmeldung durch Prüforgane festgestellt wird oder nicht, weil der Meldeverstoß in beiden Fällen das Funktionieren der gesetzlichen SV gleichermaßen beeinträchtigt; darauf weist auch der VwGH in der gegenständlichen E hin.

Der Gesetzgeber könnte diese E daher als Anlass sehen, die Regelung des Beitragszuschlags gem § 113 ASVG erneut zu überdenken. De lege lata kann – wie dargelegt – ohne unmittelbare Betretung kein Teilbetrag für „den“ (konkreten) Prüfeinsatz vorgeschrieben werden. De lege ferenda erschiene es erwägenswert, bei Meldeverstößen stets auch einen Pauschalzuschlag für den Prüfaufwand der Sozialversicherungsträger insgesamt vorzuschreiben, weil letztlich jeder Meldeverstoß (unabhängig von einer unmittelbaren Betretung) dazu beiträgt, dass Beitragsprüfungen überhaupt notwendig sind.