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Keine nachvertragliche Entgeltfortzahlung bei einvernehmlicher Auflösung vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit

FLORIANHÖRMANN (WIEN)
  1. Der Entgeltfortzahlungsanspruch bleibt bei einvernehmlicher Auflösung gem § 5 Satz 2 erster Fall EFZG nur dann über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bestehen, wenn die Arbeitsverhinderung bereits im Vereinbarungszeitpunkt vorlag.

  2. Die Arbeitsverhinderung beginnt zu jenem Zeitpunkt, in dem der AN seinen vertraglich geschuldeten Tätigkeiten wegen Krankheit bzw Unfalls nicht nachkommen kann.

  3. Dem AG steht die Möglichkeit offen zu beweisen, dass im Vereinbarungszeitpunkt unabhängig von der Krankschreibung keine Arbeitsverhinderung vorlag.

[...]

[2] Am 27.9.2021 kam der Kl zwischen 6:30 Uhr und 7:00 Uhr zu seiner Arbeitsstelle. [...] Der Geschäftsführer der Bekl [...] bot dem Kl eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses an [...]. Der Kl stimmte [...] zu. Dass sich der Kl zu jenem Zeitpunkt schlecht oder krank fühlte, gab er nicht an und ist nicht feststellbar.

[3] Da die Personalabteilung [...] noch nicht besetzt war, fuhr der Kl [...] nach Hause. Der Geschäftsführer [...] ließ in der Folge ein Schreiben über die Auflösung des Dienstverhältnisses erstellen [...].

[4] Als der Kl nach Hause kam, fühlte er sich unwohl und [...] suchte [...] seinen Hausarzt auf. Dieser [...] schrieb ihn mit 27.9.2021 krank. Zwischenzeitig war der Kl von der Bekl angerufen worden, dass dort für ihn etwas zu unterschreiben sei. [...] Der Kl fuhr [...] wieder zur Bekl, wo er um 15:10 Uhr eintraf. Er legte seine Krankenstandsbestätigung vor und [...] sollte [...] die schriftliche Ausfertigung der einvernehmlichen Auflösung unterschreiben, was er jedoch verweigerte. [...]

[5] Der Kl begehrt [...] Entgeltfortzahlung [...] für die Zeit bis 5.12.2021. [...] Er befinde sich seit 27.9.2021 in [...] Krankenstand, weshalb er [...] Anspruch auf Entgeltfortzahlung habe. [...]

[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die einvernehmliche Auflösung sei am 27.9.2021 morgens vereinbart worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kl nicht krank gewesen. Er habe daher keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl [...] Folge [...]. Der Kl sei von seinem Hausarzt am Tag der Vereinbarung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses „mit diesem Tag“ krankgeschrieben worden. [...] Die Arbeitsunfähigkeit [...] wirke auf den geplanten Arbeitsbeginn zurück [...], weshalb ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 5 EFZG bestehe. [...]

[12] Die Revision ist zur Klarstellung zulässig und auch berechtigt.

[13] 1. Nach § 2 EFZG behält ein AN, der nach Antritt des Dienstes durch Krankheit (Unglücksfall) an der Leistung seiner Arbeit verhindert ist, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, seinen Anspruch auf Entgelt für einen bestimmten Zeitraum abhängig von der Dauer seiner Beschäftigung.

[14] Weiters sieht § 5 EFZG vor, dass, wenn der AN während einer Arbeitsverhinderung gem § 2 EFZG ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wird oder den AG ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des AN trifft, der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach dem Gesetz vorgesehene Dauer bestehen bleibt, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bleibt auch dann bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis während einer Arbeitsverhinderung gem § 2 oder im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung gem § 2 einvernehmlich beendet wird.

[15] 2. Die Erweiterung des Entgeltfortzahlungsanspruchs im Fall einer einvernehmlichen Auflösung durch § 5 Satz 2 EFZG erfolgte mit BGBl I 2017/153 (ohne nähere Erläuterungen). Grundsätzlich dienen die Entgeltfortzahlungsbestimmungen des § 5 EFZG bzw des diesem entsprechend § 9 AngG der Lohnsicherung und damit der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des AN während der Dienstverhinderung sowie dem Schutz seiner Gesundheit. Darüber hinaus soll es dem AG auch unmöglich gemacht werden, sich den Entgeltfortzahlungspflichten dadurch zu entziehen, dass er das Arbeitsverhältnis beendet (vgl Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 9 AngG Rz 4 mwN; 9 ObA 123/10v; RIS-Justiz RS0109426 [T1]). Mit der Novellierung der Bestimmung (BGBl I 2017/153) wurden durch die Erweiterung um einvernehmliche Auflösungen während der Arbeitsverhinderung und im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung weitere Konstellationen unter den Schutz der Entgeltfortzahlungsbestimmung gestellt, die vom bisherigen Normzweck nicht erfasst waren (10 ObS 67/21g).

[16] 3. Schon nach der bisherigen Rechtslage kam es auf die Kenntnisse des AG von einer Arbeitsunfähigkeit nicht an (vgl Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG10 § 9 AngG Rz 12 ua). Bei der einvernehmlichen Auflösung ist dagegen zu unterscheiden, da § 5 Satz 2 EFZG zwei Anwendungsfälle erfasst: Einerseits die einvernehmliche Beendigung während einer Arbeitsverhinderung nach § 2 EFZG, andererseits die einvernehmliche Beendigung im Hinblick auf eine solche Arbeitsverhinderung. Bei der einvernehmlichen Beendigung während des Krankenstands ist das Motiv der Beendigung ohne Bedeutung. Dagegen muss bei der einvernehmlichen Beendigung im Hinblick auf einen Krankenstand das Motiv zur Beendigung im (bevorstehenden) Krankenstand liegen, was die diesbezügliche Kenntnis des AG voraussetzt (vgl 9 ObA 100/22d).

[17] 4. Soweit die Bestimmung auf die Auflösung „während der Arbeitsverhinderung“ abstellt, bleibt der Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bestehen, wenn die Dienstverhinderung bereits im Zeitpunkt (des Zugangs) der Beendigungserklärung vorlag, das tatsächliche Ende des Arbeitsverhältnisses ist nicht relevant (Drs aaO Rz 18 mwN). Für die202 einvernehmliche Auflösung (erster Fall) bedeutet das, dass die Vereinbarung während der Arbeitsunfähigkeit abgeschlossen worden sein muss, für die die Entgeltfortzahlung begehrt wird (so auch Haider, DRdA 2022/13 [246]).

[18] 5. Dass keine Kenntnis des AG von der Arbeitsverhinderung erforderlich ist, ist insb in jenen Fällen relevant, in denen der AN nach Ausspruch der Beendigungserklärung bzw Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung noch für den Tag der Erklärung oder der Auflösung krank geschrieben wird – was teilweise auch rückwirkend erfolgt (vgl die Beispiele aus der Rsp des OLG bei Eibensteiner, Rückwirkende Krankschreibung und AG-Kündigung, RdW 2017/248) – und das ärztliche Attest dem AG erst danach vorgelegt wird.

[19] Die gesundheitsbedingte Dienstverhinderung fängt grundsätzlich zu jenem Zeitpunkt an, in dem der AN tatsächlich arbeitsunfähig ist. Dies ist dann der Fall, wenn er aufgrund von Krankheit oder Unfall seinen vertraglich geschuldeten Tätigkeiten nicht nachkommen kann (Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG10 § 9 AngG Rz 12). Es kommt daher auf das objektive Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit an.

[20] 6. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass idR der Zeitpunkt, in dem die Krankschreibung erfolgt, nicht mit dem Zeitpunkt der objektiven Dienstverhinderung gleichzusetzen ist, wird durch die Krankschreibung diese Dienstverhinderung ja nur dokumentiert. Erfolgt daher eine Krankschreibung rückwirkend, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsverhinderung schon zu diesem Zeitpunkt vorgelegen ist. Da es in die fachliche Kompetenz des Arztes fällt, zu entscheiden, ob Arbeitsunfähigkeit besteht, wird es teilweise in der Lehre sogar als unerheblich erachtet, wenn der AN einen Arbeitsversuch unternommen hat, weil er sich für ausreichend arbeitsfähig hielt (Eibensteiner, Rückwirkende Krankschreibung und AG-Kündigung, RdW 2017/248 [315]). Dessen ungeachtet muss aber dem AG die Möglichkeit offenstehen zu beweisen, dass unabhängig von der Krankschreibung objektiv keine Arbeitsunfähigkeit vorlag.

[21] 7. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht zwar formal eine negative Feststellung zur Arbeitsfähigkeit des Kl zum Zeitpunkt der Vereinbarung getroffen, disloziert in der Beweiswürdigung verwies es dazu jedoch darauf, dass aufgrund der aufgenommenen Beweise „nicht davon auszugehen ist, dass der Kl zu Beginn des Tages des 27.9.2021 arbeitsunfähig oder krank war“, was nach dem Erstgericht dazu führte, dass „eine Negativfeststellung zu treffen war“. Gemeint war also offenkundig die positive Feststellung, dass der Kl zu Beginn des Tages nicht arbeitsunfähig oder krank war.

[22] Unabhängig davon hat aber der Kl im Verfahren überhaupt nicht geltend gemacht, vor und bei der Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung krank gewesen zu sein. Zwar brachte er vor, dass er aufgrund der allgemeinen Situation, wie man im Unternehmen mit ihm umgegangen sei, psychische Probleme gehabt habe, zum konkreten Vorfallstag berief er sich jedoch darauf, dass ihm erst nach dem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Bekl, als er den Vorfall schockiert seiner Mutter schilderte, schwindelig wurde und er sich zum Hausarzt begab. Dh, auch der Kl geht nicht davon aus, dass er am Morgen dieses Tages arbeitsunfähig war, sondern dass seine Beschwerden aus dem Vorfall am Vormittag resultieren. Damit ist aber die einvernehmliche Auflösung nicht „während der Arbeitsverhinderung“ vereinbart worden, unabhängig davon, dass die Krankschreibung ohne näheres Anführen eines Zeitpunkts für diesen Tag erfolgte.

[23] Auf ein „Vertrauen in die Krankschreibung“ kommt es in diesen Zusammenhang nicht an. Soweit in der Revisionsbeantwortung darauf verwiesen wird, dass es „nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt, dass der Kl nur aufgrund von Druck wegen seiner bisherigen Krankenstände und seiner langen Krankengeschichte sowie der Angst hinsichtlich eines möglichen Jobverlustes trotz Krankheit zur Arbeit ging“, so hat er ein diesbezügliches Vorbringen in erster Instanz gerade nicht erstattet, weshalb darin eine unzulässige Neuerung liegt.

[24] 8. Es besteht daher kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, weshalb das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen war. [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Der OGH stellte in der vorliegenden E klar, dass keine nachvertragliche Entgeltfortzahlung gem § 5 Satz 2 erster Fall EFZG zusteht, wenn die einvernehmliche Auflösung vor Eintritt der Arbeitsverhinderung durch Krankheit vereinbart wurde. Dem ist im Ergebnis uneingeschränkt zuzustimmen.

Die praktische Bedeutung der E liegt insb darin, dass der OGH eine Arbeitsverhinderung im Vereinbarungszeitpunkt trotz rückwirkender Krankschreibung zutreffend verneinte, weil der AN im Vereinbarungszeitpunkt arbeitsfähig war. Nachstehend werden die tragenden Gründe der E untersucht.

2.
Entgeltfortzahlungsregelungen bei einvernehmlicher Auflösung

Nach § 2 EFZG (bzw § 8 Abs 1 AngG) behält ein AN, der ohne grobes Verschulden durch Krankheit bzw Unglücksfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert ist, seinen Entgeltanspruch für einen bestimmten, von der Beschäftigungsdauer abhängigen Zeitraum.

Einen Entgeltfortzahlungsanspruch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus sah § 5 EFZG (bzw § 9 Abs 1 AngG) ursprünglich nur für die Fälle der AG-Kündigung, der Entlassung ohne wichtigen Grund und des verschuldeten Austritts vor.

Mit BGBl I 2017/153 wurde Satz 2 in § 5 EFZG (und § 9 Abs 1 AngG) ergänzt, wonach der Entgeltfortzahlungsanspruch auch dann bestehen bleibt, wenn das Arbeitsverhältnis während oder im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit bzw Unglücksfall einvernehmlich beendet wird. § 5 Satz 2 EFZG kennt somit zwei Anwendungsfälle:203

Zum einen die einvernehmliche Auflösung während einer Arbeitsverhinderung durch Krankheit, zum anderen die einvernehmliche Auflösung im Hinblick auf eine solche Arbeitsverhinderung.

3.
Keine Arbeitsverhinderung durch Krankheit im Vereinbarungszeitpunkt

Vorliegend fuhr der AN nach Abschluss der einvernehmlichen Auflösung nach Hause. Sodann fühlte er sich unwohl und begab sich zum Arzt, der ihn mit diesem Tag krankschrieb. Fraglich war daher, ob die einvernehmliche Auflösung unter Beachtung der rückwirkenden Krankschreibung während einer Arbeitsverhinderung erfolgt ist (§ 5 Satz 2 erster Fall EFZG).

Der OGH verneinte dies zutreffend. Die Arbeitsverhinderung beginne zu jenem Zeitpunkt, in dem der AN seinen vertraglich geschuldeten Tätigkeiten aufgrund Krankheit bzw Unfalls nicht nachkommen kann. Bei einer rückwirkenden Krankschreibung könne zwar regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsverhinderung schon zu diesem Zeitpunkt vorgelegen sei. Dem AG stehe aber die Möglichkeit offen zu beweisen, dass im Vereinbarungszeitpunkt unabhängig von der Krankschreibung objektiv keine Arbeitsverhinderung vorlag.

Das Erstgericht habe (disloziert) festgestellt, dass der AN zu Beginn des Tages nicht arbeitsunfähig oder krank war. Zudem habe der AN im Verfahren nicht geltend gemacht, im Vereinbarungszeitpunkt krank gewesen zu sein. Vielmehr sei der AN selbst davon ausgegangen, dass ihm erst zu Hause schwindelig geworden sei. Damit sei die einvernehmliche Auflösung nicht während der Arbeitsverhinderung vereinbart worden, weshalb keine nachvertragliche Entgeltfortzahlung zusteht.

Für dieses Ergebnis sprechen auch die folgenden Überlegungen:

Der Entgeltfortzahlungsanspruch nach §§ 2 iVm 5 Satz 2 erster Fall EFZG setzt voraus, dass der AN im Zeitpunkt der Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung „durch Krankheit (Unglücksfall) an der Leistung seiner Arbeit verhindert“ ist. Primäre Voraussetzung ist also eine Arbeitsverhinderung im Vereinbarungszeitpunkt.

Die Krankenstandsbestätigung ist nach der Rsp ein (widerlegbarer) Anscheinsbeweis für die vom AN zu beweisende Arbeitsunfähigkeit. Dem AG steht der Beweis offen, dass unabhängig von der Krankschreibung keine Arbeitsverhinderung vorlag (OGH8 ObA 2302/96dDRdA 1997, 392 [Resch]).

Wenn ein AN, wie vorliegend, vor Abschluss der einvernehmlichen Auflösung noch Arbeitsleistungen erbracht hat bzw dem AG zur Arbeitserbringung zur Verfügung stand, wird dadurch nicht nur der Beweiswert der Krankenstandsbestätigung in Frage gestellt (vgl jüngst auch BAG 13.12.2023, 5 AZR 137/23 zur Erschütterung des Beweiswertes einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach deutschem Recht), sondern war der AN ganz offenkundig eben nicht durch Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert. Im Vereinbarungszeitpunkt lag keine Arbeitsverhinderung vor, weil der AN bis unmittelbar davor noch gearbeitet hat und somit seinen vertraglich geschuldeten Tätigkeiten im Vereinbarungszeitpunkt nachkommen konnte.

Wäre im Vereinbarungszeitpunkt bereits eine Arbeitsverhinderung vorgelegen, hätte der AN diese dem AG entsprechend der Meldepflicht gem § 4 EFZG unverzüglich (vor Abschluss der einvernehmlichen Auflösung) mitteilen können und müssen, was er nicht tat.

IS dieser Argumente hat auch das OLG Wien in einer früheren E zutreffend das Vorliegen einer Kündigung während einer Arbeitsverhinderung verneint. Der AN habe sich zum Kündigungszeitpunkt zwar in einem regelwidrigen Körperzustand befunden. Er war aber noch nicht an der Erbringung seiner geschuldeten Arbeitsleistung verhindert, sondern hat normal gearbeitet und teilte dem AG die Erkrankung auch nicht mit (OLG Wien 7 Ra 111/04a ARD 5550/9/2004). Ein regelwidriger Körperzustand muss auch nicht zwingend zu einer Arbeitsunfähigkeit führen. Ebenso verneinte das ASG Wien trotz rückwirkender Krankschreibung das Vorliegen einer Kündigung während einer Arbeitsverhinderung, weil der AN während der Arbeitserbringung am Arbeitsplatz angetroffen und gekündigt wurde (ASG Wien 10 Cga 241/93w ARD 4536/9/94).

Darüber hinaus lag gegenständlich bis zur Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung Arbeitszeit vor, weil der AN dem AG ausdrücklich zur Arbeitserbringung zur Verfügung stand. Wenn der AN im Vereinbarungszeitpunkt aber bereits einen Entgeltanspruch für die geleistete Arbeitszeit hat, bleibt für eine Arbeitsverhinderung bzw einen diesbezüglichen Entgeltfortzahlungsanspruch, der über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bestehen bleiben könnte, kein Raum.

Da die einvernehmliche Auflösung somit nicht während der Arbeitsverhinderung geschlossen wurde, bestand kein nachvertraglicher Entgeltfortzahlungsanspruch.

4.
Keine Kenntnis des AG von der Arbeitsverhinderung

Der AG hatte im Vereinbarungszeitpunkt der einvernehmlichen Auflösung auch keine Kenntnis von der zukünftigen Arbeitsverhinderung des AN. Die einvernehmliche Auflösung konnte daher auch nicht im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit erfolgt sein (§ 5 Satz 2 zweiter Fall EFZG). Wie der OGH zutreffend ausführte, muss bei der einvernehmlichen Auflösung im Hinblick auf den Krankenstand das Motiv zur Beendigung nämlich im (bevorstehenden) Krankenstand liegen, was die diesbezügliche Kenntnis des AG aber notwendig voraussetzt.

Für die nachvertragliche Entgeltfortzahlung bei einvernehmlicher Auflösung während der Arbeitsverhinderung durch Krankheit (§ 5 Satz 2 erster Fall EFZG) soll es laut OGH hingegen nicht auf die Kenntnis des AG von der Arbeitsverhinderung ankommen (siehe auch OGH9 ObA 100/22dDRdA 2023, 471 [Greiner] = ecolex 2023, 430 [Bruckmüller]). Dies war vorliegend zwar nicht entscheidungsrelevant (weil schon die primäre Voraussetzung der Arbeitsverhinderung im Verein-204barungszeitpunkt nicht vorlag), ist aber aus den folgenden Gründen zu hinterfragen.

Die Bestimmungen des § 5 EFZG (bzw § 9 AngG) sollen verhindern, dass sich der AG den Entgeltfortzahlungspflichten durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses entziehen kann. Dieser Zweck gilt auch für die Bestimmungen zur einvernehmlichen Auflösung während oder im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung in § 5 Satz 2 EFZG (bzw § 9 Abs 1 Satz 2 AngG), weil diese laut Initiativantrag „analog zur Arbeitgeberkündigung“ ergänzt wurden (siehe Tomandl, ZAS 2022, 39 mit ausführlicher Begründung; aA OGH10 ObS 67/21gDRdA 2022, 242 [Haider] = JAS 2022, 143 [Radner]).

Anders als bei einer AG-Kündigung hat der AN bei einer einvernehmlichen Auflösung jedenfalls die Möglichkeit, vor seiner Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses seiner Meldepflicht gem § 4 EFZG (bzw § 8 Abs 8 AngG) gegenüber dem AG nachzukommen und diesen von der Arbeitsverhinderung in Kenntnis zu setzen. Tut der AN dies nicht und hat der AG im Vereinbarungszeitpunkt auch sonst keine Kenntnis von der Arbeitsverhinderung, kann man dem AG nicht vorwerfen, sich seinen Entgeltfortzahlungspflichten entziehen zu wollen. Der Normzweck verlangt daher notwendig die Kenntnis des AG von der Arbeitsverhinderung im Vereinbarungszeitpunkt. Dies dämmt zugleich auch die Missbrauchsanfälligkeit rückwirkender Krankschreibungen ein.

Im Ergebnis sprechen daher gute Gründe dafür, dass ein nachvertraglicher Entgeltfortzahlungsanspruch auch bei einer einvernehmlichen Auflösung während der Arbeitsverhinderung die Kenntnis des AG von der Arbeitsverhinderung voraussetzt.

5.
Resümee

Der OGH hat einen nachvertraglichen Entgeltfortzahlungsanspruch zutreffend verneint, weil der AN im Vereinbarungszeitpunkt der einvernehmlichen Auflösung – trotz rückwirkender Krankschreibung – nicht an der Arbeitsleistung verhindert, sondern arbeitsfähig war.

Dem AG steht der Beweis offen, dass unabhängig von einer Krankschreibung keine Arbeitsverhinderung vorlag. Wenn ein AN vor Abschluss der einvernehmlichen Auflösung noch Arbeitsleistungen erbringt bzw dem AG zur Arbeitserbringung zur Verfügung steht, war er offenkundig nicht durch Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert.

Entgegen der Ansicht des OGH setzt ein nachvertraglicher Entgeltfortzahlungsanspruch mE auch bei einer einvernehmlichen Auflösung während der Arbeitsverhinderung die Kenntnis des AG von der Arbeitsverhinderung voraus.