25Bonus anlässlich der Corona-Krise als Teil einer Sozialplanleistung
Bonus anlässlich der Corona-Krise als Teil einer Sozialplanleistung
Der normative Teil von (hier: Sozialplan-) Betriebsvereinbarungen ist nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen. Der Inhalt der zwischen den Parteien vor Abschluss der BV geführten Sozialplanverhandlungen ist nicht maßgeblich, können doch die Normadressaten, denen nur der Text der BV zur Verfügung steht, die Vorstellungen, die die Betriebsvereinbarungsparteien beim Abschluss vom Inhalt der Normen besessen haben, weder kennen noch feststellen.
Der Satz „Dies erfolgt unabhängig vom Sozialplan“ iZm dem Corona-Bonus ist nicht so zu verstehen, dass die Leistung sämtlichen AN unabhängig davon zustehe, ob sie vom Geltungsbereich des Sozialplans erfasst seien oder nicht. Die gegenständliche Formulierung lässt vielmehr die Absicht der Betriebsvereinbarungsparteien erkennen, dass sie im Sozialplan (für die vom Geltungsbereich der BV erfassten AN) einen zusätzlichen Bonus nach § 124b Z 350 lit a EStG verankert haben wollten, der der Berücksichtigung der Pandemie-Situation dienen sollte.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung verbiete es nicht, jenen AN, die von Umstrukturierungsmaßnahmen des Betriebs besonders betroffen seien, Vorteile gegenüber jenen zu gewähren, die davon nicht betroffen seien. Es möge zwar sein, dass die Corona- Pandemie grundsätzlich alle Mitarbeiter – auch jene, die ausschließlich oder überwiegend im Homeoffice tätig gewesen seien – betroffen habe; diejenigen, die zusätzlich jedoch noch um ihre berufliche Zukunft bangen hätten müssen, aber ganz besonders.
[1] Am 20.10.2020 schlossen die Bekl und deren BR aufgrund festgelegter Reorganisationsmaßnahmen am Standort der Bekl in Wien eine BV gem § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG über Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Betriebsänderung ab (Sozialplan). Diese beinhaltet ua folgende Regelungen:
„2. Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Gültigkeitsbeginns der Betriebsvereinbarung in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen und deren Arbeitsverhältnis im Zuge der Reorganisationsmaßnahmen des Konzerns aus strategischen Gründen vorgenommenen Abbau von Arbeitsplätzen und Verlagerungsmaßnahmen am Standort Wien betroffen ist.Vom Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung sind Arbeitnehmer_innen ausgenommen:a) deren Arbeitsverhältnisse bei der Betriebsinhaberin aufrecht bleiben:b) bis l) ...
4. Leistungen
4.1. Allgemeines
Leistungen aus der Betriebsvereinbarung erhalten ausschließlich jene in den Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer_innen, mit denen im Sinne des Pkt. 3 eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird.
...
4.2. Die Sozialplanzahlung setzt sich wie folgt zusammen:
...
4.2.1. Sockelbetrag
Den Sockelbetrag erhält jede/r vom Sozialplan erfasste Arbeitnehmer_in und er beträgt 1,5 Bruttomonatsgehälter. Dieser Betrag begründet sich durch die aktuelle wirtschaftliche Lage und die besonders prekäre Situation am Arbeitsmarkt während der gegenwärtigen COVID19-Pandemie.
...
10. Bonus anlässlich Corona-Krise
Festgehalten wird, dass die Betriebsinhaberin den Arbeitnehmer_innen aufgrund der besonderen Belastungen wegen der Coronakrise zusätzlich einen Bonus von EUR 3.000 im Sinne des § 124b Z 350 EStG leistet. Dies erfolgt unabhängig vom Sozialplan. Dieser Betrag wird auf den Sockelbetrag gemäß Punkt 4.2.1. angerechnet.
...“
[2] Im vorliegenden Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG ist zwischen dem kl BR und der Bekl strittig, ob alle AN, die zum 20.10.2020 bei der Bekl beschäftigt waren, Anspruch auf Zahlung des Covid-Bonus in Höhe von 3.000 € brutto iSd Pktes 10. der BV haben oder nur diejenigen AN, die in den Geltungsbereich des Sozialplans fallen.
[3] Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren des Kl, gerichtet darauf, dass alle AN, die zum 20.10.2020 bei der Bekl beschäftigt waren, den Covid-Bonus erhalten, statt.
[4] Das Berufungsgericht wies über Berufung der Bekl das Klagebegehren ab. In seiner rechtlichen Beurteilung führte es aus, dass bei der Auslegung der BV zunächst zu beachten sei, dass diese im Zuge einer Umstrukturierung des Betriebs der Bekl abgeschlossen worden sei und sich ausdrücklich auf § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG (Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Minderung der Folgen einer Betriebsänderung iSd § 109 Abs 1 Z 1 bis 6, sofern diese wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt) stütze. Nach ihrem Pkt 2. gelte die BV für alle AN, die zum Zeitpunkt des Gültigkeitsbeginns der BV in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Bekl stünden und deren Arbeitsverhältnis vom im Zuge der Reorganisationsmaßnahmen des Konzerns aus strategischen Gründen vorgenommenen Abbau von Arbeitsplätzen und Verlagerungsmaßnahmen am Standort Wien betroffen sei. Ausgenommen vom Geltungsbereich der BV seien ua AN, deren Arbeitsverhältnisse bei der Betriebsinhaberin aufrecht blieben. Nach Pkt 4.1. der BV erhielten Leistungen aus der BV ausschließlich jene in den Geltungsbereich fallenden AN, mit denen eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werde. Daraus ergebe sich bereits der 314 faktische Zusammenhang der Regelung. Ein AN, der nicht vom Geltungsbereich der BV umfasst sei und aufgrund der ausdrücklichen Regelung keine Leistungen aus dieser erhalte, werde darin auch kein Leistungsversprechen zu seinen Gunsten vermuten. Schon der Kontext der Regelung spreche damit eindeutig gegen die Annahme, die Leistung stehe allen Mitarbeitern der Bekl zu. Für eine solche Regelung außerhalb des Sozialplans würde es dem BR auch an entsprechender Regelungskompetenz fehlen (vgl § 29 ArbVG). Sie wäre damit nur als sogenannte „freie“ BV, der keine normative Wirkung zukomme, anzusehen. Dass die Parteien im Rahmen der Sozialplanverhandlungen eine solche abschließen wollten, ergebe sich aus dem Kontext jedoch nicht.
[5] Auch wenn in anderen Regelungen der BV von „den betroffenen ArbeitnehmerInnen
“ die Rede sei, könne aus der Textierung in Pkt 10., wonach die Betriebsinhaberin „den Arbeitnehmer_innen
“ einen Bonus leiste, nicht abgeleitet werden, dass damit alle AN der Bekl gemeint seien, weil auch in anderen Punkten der BV (beispielsweise 4.2.2.2., 4.2.2.3., 4.2.5., 6.4. oder 9.) ebenfalls nur von „ArbeitnehmerInnen
“ die Rede sei.
[6] Der Satz „Dies erfolgt unabhängig vom Sozialplan
“ in Pkt 10. der BV sei – entgegen der Ansichten des Kl und des Erstgerichts – nicht so zu verstehen, dass die Leistung sämtlichen AN unabhängig davon zustehe, ob sie vom Geltungsbereich des Sozialplans erfasst seien oder nicht. Nach § 124b Z 350 lit a) EStG in der zum Zeitpunkt des Abschlusses der BV gültigen Fassung (BGBl I 2020/99BGBl I 2020/99) seien Zulagen und Bonuszahlungen, die aufgrund der Covid-19-Krise zusätzlich geleistet würden, im Kalenderjahr 2020 bis 3.000 € steuerfrei. Dabei müsse es sich um zusätzliche Zahlungen handeln, die ausschließlich zu diesem Zweck geleistet würden und üblicherweise bisher nicht gewährt worden seien. Telos der Regelung sei jedenfalls die Sicherstellung der steuerfreien Auszahlung des Betrags an die betroffenen AN.
[7] Der Grundsatz der Gleichbehandlung verbiete es nicht, jenen AN, die von Umstrukturierungsmaßnahmen des Betriebs besonders betroffen seien, Vorteile gegenüber jenen zu gewähren, die davon nicht betroffen seien. Es möge zwar sein, dass die Corona-Pandemie grundsätzlich alle Mitarbeiter – auch jene, die ausschließlich oder überwiegend im Homeoffice tätig gewesen seien – betroffen habe; diejenigen, die zusätzlich jedoch noch um ihre berufliche Zukunft bangen hätten müssen, aber ganz besonders. Da der Bonus von 3.000 € auf den gem Pkt 4.2.1. der BV zu leistenden Sockelbetrag (1,5 Bruttomonatsgehälter) angerechnet werde, würde eine gegenteilige Auslegung des Pktes 10. der BV gerade nicht zu einer Gleichbehandlung aller Mitarbeiter führen, sondern vielmehr zu einer Bevorzugung jener, die vom Geltungsbereich des Sozialplans nicht umfasst seien, weil sich diese den Bonus nicht auf irgendwelche Leistungen anrechnen lassen müssten, sondern ihn zusätzlich erhalten würden.
[...]
[11] Die Revision des Kl ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig (RS0042819; RS0109942); sie ist aber nicht berechtigt.
[...]
[13] 2. Der normative Teil von (hier: Sozialplan-) Betriebsvereinbarungen ist nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen (RS0050963 [T2, T4]). In erster Linie ist bei der Auslegung von Betriebsvereinbarungen deshalb der Wortsinn zu erforschen und die sich aus dem Text ergebende Absicht der Parteien der BV zu berücksichtigen (RS0010089 [T35]; 9 ObA 120/22w Rz 9 mwN). Bei der Auslegung muss zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass die Parteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RS0008897 [T32], RS0008828 [T3]).
Zahlreiche Ansprüche, die Sozialpläne gewähren, verfolgen das Ziel, den AN bisher zugestandene Rechtspositionen solange wie möglich zu erhalten bzw deren Verlust auszugleichen (RS0107237). Der typische Zweck eines Sozialplans, die sich aus einer betrieblichen Änderung für alle oder einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerschaft ergebenden wesentlichen Nachteile zu verhindern, zu beseitigen oder zu mildern, ist bei der Auslegung des Sozialplans ebenfalls zu berücksichtigen (RS0010088 [T19]; RS0008807 [T14]).
[14] 3. Der Senat erachtet die Begründung des Berufungsgerichts für zutreffend, weshalb es genügt, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den zentralen Revisionsargumenten ist Folgendes zu erwidern:
[15] 3.1. Dem Argument, der Wortlaut des Pktes 10. der BV spreche dafür, dass allen AN der Bekl eine – von der BV unabhängige Leistung – zugesagt werden sollte, steht der Umstand entgegen, dass Pkt 2. – ebenfalls wörtlich gelesen – jene AN von den Regelungen der BV erfasst haben will, die ua „... im Zuge der Reorganisationsmaßnahmen des Konzerns aus strategischen Gründen vorgenommenen Abbau von Arbeitsplätzen und Verlagerungsmaßnahmen am Standort Wien betroffen ...
“ sind. Im gesamten Text der – gem § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG abgeschlossenen – BV findet sich kein Hinweis, dass die BV darin nicht nur Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Betriebsänderung vorsehen wollte, sondern einen davon unabhängigen Leistungsanspruch allen AN der Bekl gewähren wollte. Der Inhalt der zwischen den Parteien vor Abschluss der BV geführten Sozialplanverhandlungen ist nicht maßgeblich (vgl RS0010088 [T4, T30]), können doch die Normadressaten, denen nur der Text der BV zur Verfügung steht, die Vorstellungen, die die Betriebsvereinbarungsparteien beim Abschluss vom Inhalt der Normen besessen haben, weder kennen noch feststellen. Sie müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (RS0010088 [T3, T4]). 315 [16] 3.2. Dass es sich beim Bonus um einen solchen nach § 124b Z 350 lit a EStG handeln soll, um in die Begünstigung der Steuerbefreiung zu kommen, ergibt sich schon aus dem klaren Wortlaut des Pktes 10. der BV. § 124b Z 350 lit a EStG regelt (ausschließlich) die Voraussetzungen für diese Steuerbefreiung. Danach (in der damals gültigen Fassung BGBl I 2020/99BGBl I 2020/99) sind Zulagen und Bonuszahlungen, die aufgrund der COVID-19-Krise zusätzlich geleistet werden, im Kalenderjahr 2020 bis 3.000 € steuerfrei, wenn es sich um zusätzliche Zahlungen handelt, die ausschließlich zu diesem Zweck geleistet werden und üblicherweise bisher nicht gewährt wurden (vgl auch IA 402 BlgNR 27. GP 32; vgl Neumüller, Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Bonuszahlungen aufgrund der COVID-19-Krise, ecolex 2022, 604, 921 [922]).
Die Formulierung „Dies erfolgt unabhängig vom Sozialplan.
“ lässt damit die Absicht der Betriebsvereinbarungsparteien erkennen, dass sie im Sozialplan (für die vom Geltungsbereich der BV erfassten AN) einen zusätzlichen Bonus nach § 124b Z 350 lit a EStG verankert haben wollten, der der Berücksichtigung der Pandemie-Situation dienen sollte. Dem Argument des Berufungsgerichts, die Umstrukturierung bedeute gerade für die durch die Reorganisationsmaßnahmen der Bekl mit einem Arbeitsplatzverlust konfrontierten AN in der Zeit der Pandemie eine besondere Belastung, hält die Revision nichts Stichhältiges entgegen. Ob der gewählte Weg der Betriebsvereinbarungsparteien, diesen AN dafür den Bonus in der BV zu gewähren, mit den Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 124b Z 350 EStG im Einklang steht, gilt es hier für die Frage des Kreises der Anspruchsberechtigten nicht zu prüfen. Mit dem Anwendungsbereich eines Sozialplans, der ja schließlich dem Schutz der wirtschaftlich Schwachen dienen soll (RS0107237 [T3]), deckt sich dieser Zweck aber jedenfalls. Auch in anderen Regelungen des Sozialplans fand die schwierige Pandemiesituation damals gerade für die von der Umstrukturierung betroffenen AN, mit denen eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses vereinbart wurde, Berücksichtigung. Diese erhalten den Sockelbetrag von 1,5 Bruttomonatsgehältern, „begründet durch die [damals] aktuelle wirtschaftliche Lage und die besonders prekäre Situation am Arbeitsmarkt während der Pandemie
“ (Pkt 4.2.1. Satz 2 der BV). Nur in diesem Gesamtgefüge der BV ist für den verständigen Leser auch die Formulierung „unabhängig vom Sozialplan
“ zu verstehen.
[17] 4. Die Mängelrüge des Revisionswerbers, die dem Berufungsgericht für den Fall der Annahme einer „freien BV“ eine Überraschungsentscheidung vorwirft, würde nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO bilden, wenn der behauptete Verfahrensverstoß abstrakt geeignet wäre, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (vgl RS0043027). Dies ist hier aber nicht der Fall, weil das Berufungsgericht bei seiner rechtlichen Beurteilung ohnehin von einer „echten“ und nicht von einer „freien“ BV ausgegangen ist und der BR die Berechtigung seines Feststellungsbegehrens auch nicht auf eine „freie BV“ stützt.
[18] Der Revision des Kl war daher nicht Folge zu geben.
Bei der gegenständlichen Vereinbarung handelt es sich um eine BV gestützt auf § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG („Sozialplan“) zugunsten von AN, die im Zuge von Reorganisationsmaßnahmen des gegenständlichen Konzerns betroffen sind. Die Sozialplanzahlungen bestehen jedenfalls aus einem Sockelbetrag in der Höhe von 1,5 Monatsgehältern und einem Bonus iSd § 124b Z 350 EStG („Covid-Bonus“) in Höhe von € 3.000,–. Dieser Betrag wird auf den Sockelbetrag angerechnet. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht der Satz „Dies erfolgt unabhängig vom Sozialplan.
“ im Zusammenhang mit dem Bonus bzw die Frage, ob dieser Bonus nun allen AN zusteht oder nur denjenigen, die ausdrücklich in den Geltungsbereich der BV fallen. Der OGH entschied sich für letztere Ansicht und somit für eine engere Auslegung und verwies dabei auf eine Reihe von Rechtssätzen aus seiner Vorjudikatur; insb darauf, dass der normative Teil von Betriebsvereinbarungen nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen ist, deshalb in erster Linie der Wortsinn zu erforschen ist und die sich aus dem Text ergebende Absicht der Parteien. Der Inhalt der zwischen den Parteien vor Abschluss der BV geführten Sozialplanverhandlungen ist hingegen nicht maßgeblich.
Gegen die engere Auslegung und somit dafür, dass alle AN, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bei der Bekl beschäftigt waren, den Bonus bekommen sollen, spricht der Wortlaut des gegenständlichen Satzes „... erfolgt unabhängig vom Sozialplan
“. Für eine weite Auslegung spricht weiters, dass der Hintergrund des gegenständlichen Bonus die steuerliche Begünstigung ist, die bei Zulagen oder Bonuszahlungen greift, die (ausschließlich) auf Grund der COVID- 19-Krise zusätzlich geleistet werden. Von der COVID-19-Krise waren aber alle AN betroffen. In diesem Zusammenhang wird auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ins Treffen geführt.
Dafür, dass der Bonus nur den von den Umstrukturierungsmaßnahmen direkt betroffenen AN zustehen soll, spricht, dass sich die Parteien der Vereinbarung ausdrücklich auf § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG stützen und vor allem der ausdrückliche Geltungsbereich der Vereinbarung. Bestärkt wird dies noch durch Pkt 4.1., wonach Leistungen aus der BV ausschließlich jene in den Geltungsbereich fallenden 316 AN erhalten, mit denen eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird.
Der Umstand, dass es für den Bonus eine steuerliche Begünstigung gab, spricht für sich alleine noch nicht, dass dieser Bonus allen betroffenen AN gezahlt werden muss. Unter Berücksichtigung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kann der AG differenzieren. In Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz wäre von Relevanz, ob es sich bei den von den Reorganisationsmaßnahmen betroffenen AN im Verhältnis zu allen AN bloß um eine kleine Minderheit handelte oder nicht (siehe etwa Löschnigg, Arbeitsrecht13 [2017] 6/329). Derartiges ist dem Sachverhalt, der der Urteilsausfertigung des OGH zu Grunde liegt, leider nicht zu entnehmen. Wie auch immer, der Gerichtshof erachtet es als ausreichende sachliche Differenzierung, dass Personen, die um ihre berufliche Zukunft bangen müssen, von der Pandemie besonders betroffen sind. Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass die prekäre Situation am Arbeitsmarkt während der Pandemie laut Vereinbarung (Pkt 4.2.1.) ausdrücklich bereits durch den Sockelbetrag abgegolten werden sollte. Um eine hohe Leistung hat es sich beim Bonus jedenfalls nicht gehandelt. Dessen Höhe relativiert sich nämlich, da er auf den Sockelbetrag angerechnet wurde und sich (bezogen auf den Bruttobetrag) idR somit im Endeffekt für die Betroffenen gar nicht auswirkte. Vor diesem Hintergrund trägt auch das weitere Argument des Gerichtshofs, wonach die von den Reorganisationsmaßnahmen Betroffenen sogar benachteiligt wären, wenn die anderen AN den Bonus zur Gänze (zusätzlich) erhalten würden.
Den rechtlich wohl interessantesten Aspekt hat das Berufungsgericht ins Spiel gebracht, nämlich die Feststellung, dass es dem BR für eine Regelung einer Bonuszahlung außerhalb eines Sozialplans an entsprechender Regelungskompetenz fehlen würde und somit eine sogenannte „freie“ BV vorliegen würde. Diesen Gedanken konsequent weitergedacht würde bedeuten, dass es sich bei der Vereinbarung in Hinblick auf die von den Reorganisationsmaßnahmen betroffenen AN um eine BV gem § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG handelt und darüber hinaus zu prüfen wäre, ob diese nicht Aspekte einer „freien“ BV enthält. Regelungen einer „freien“ BV können nämlich auch als Teil einer sogenannten „vermischten BV“ in Erscheinung treten. Darunter werden Betriebsvereinbarungen verstanden, die sowohl auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung beruhen als auch darüber hinausgehende Bestimmungen enthalten, die die Voraussetzungen einer „freien“ BV erfüllen (siehe Schneller in Reissner/Neumayer [Hrsg], Zeller Handbuch Betriebsvereinbarungen [2014] Rz 44.05). Es muss sich auch nicht formal um zwei oder mehrere Bestimmungen handeln; selbst aus einer einzelnen Regelung kann sich der „vermischte“ Charakter ergeben. Man denke etwa an den Fall, dass eine BV über eine Gewinnbeteiligung (§ 97 Abs 1 Z 16 ArbVG) ausdrücklich für alle AN des Betriebes und nicht „nur“ für die AN gem § 36 ArbVG abgeschlossen wird. In diesem Fall handelt es sich bei den AN gem § 36 ArbVG um eine normative BV und bei den anderen AN wäre zu prüfen, ob es zivilrechtlich zu einer konkludenten Vertragsänderung gekommen ist. Im vorliegenden Fall wären also noch Feststellungen in Bezug auf den Wissensstand der AN im Betrieb erforderlich gewesen (siehe OGH 18.10.2023, 9 ObA 65/23h) und gegebenenfalls eine Würdigung, ob daraus ein entsprechendes Vertrauen auf die Leistung ableitbar gewesen wäre.
Es gibt sowohl Argumente die für als auch Argumente, die gegen eine Auslegung der BV sprechen, wonach alle AN, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bei der Bekl beschäftigt waren, den Bonus bekommen sollen. Im Endeffekt haben jedoch die Argumente dagegen mehr Gewicht.
Die Frage, ob es darüber hinaus iS einer sogenannten freien BV für die nicht von der Reorganisation betroffenen AN zu einer Vertragsänderung gekommen ist, wurde zwar angesprochen, aber nur unzureichend geprüft. Sowohl das Berufungsgericht als auch der OGH dürften vielmehr davon ausgegangen sein, dass es sich bei der BV entweder um eine echte oder um eine unechte oder sogenannte freie BV handelt. Schriftliche Vereinbarungen zwischen Betriebsinhaber und BR mit der Bezeichnung BV können aber nicht nur „entweder – oder“, sondern „sowohl – als auch“ sein. 317