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„Objektive Eignung“ als Kriterium für eine „vergleichbare Situation“?

MICHAELAWINDISCH-GRAETZ (WIEN)
  1. Eine unmittelbare Diskriminierung erfordert eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu einer Person in einer sachlich ähnlichen Situation (Vergleichsperson), wobei die Ursache dafür im Schutzgrund (hier Geschlecht) bestehen muss.

  2. Bei offenkundig fehlender Eignung für eine zu vergebende Stelle, also wenn der Bewerber schon die formalen Bewerbungskriterien objektiv bzw abstrakt nicht erfüllt, ist eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg zu verneinen.

Sachverhalt

FH-Prof. Mag. Dr. * (in der Folge kurz: Bewerberin) ist als Professorin bei der Bekl am Campus * am Department für * tätig. Von 2012 bis 2016 leitete sie die „Plattform Interkulturalität“ und von 2012 bis 2019 acht drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte mit einem Projektvolumen von etwa 900.000 €. In diesem Zeitraum war sie Vorgesetzte von sieben wissenschaftlichen Mitarbeitern und einer Bachelorpraktikantin. In den Jahren 2016 bis 2018 leitete sie als Principal Investigator ein internationales Konsortium in sieben Ländern, bestehend aus 17 Personen im Rahmen des von der EU geförderten Projekts „Europa 2038“. Wissenschaftliche Erfahrung erwarb sie durch viele eingeworbene Drittmittel, Publikationen und eine Habilitation im Fach Psychologie.

[2] Am 15.3.2019 wurden die Mitglieder der Fakultät * der Bekl über den Terminplan zur Dekanatswahl informiert. Rechtsgrundlage dieser Wahl war die Wahlordnung für die Wahl des Dekans/der Dekanin an der FH * idF vom 12.2.2008. Laut § 3 dieser Wahlordnung waren passiv wahlberechtigt alle an der Fakultät als L2 hauptberuflich Lehrenden mit wissenschaftlicher Erfahrung und qualifizierter Führungspraxis.

§ 3 2. Satz der Wahlordnung lautet wie folgt:

„Als qualifizierte Führungspraxis gilt die Tätigkeit als Studiengangs- oder Fachbereichsleiter/in oder als pädagogische/r Koordinator/in an der FH * oder andererseits eine Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen verbunden mit einer mindestens 3-jährigen Zugehörigkeit zur FH * als hauptberuflich Lehrender.“

[3] Am 16.3.2019 informierte die Bewerberin die Wahlkommission (§ 4 der Wahlordnung) von ihrer Kandidatur. Neben ihr bewarb sich auch FH-Prof. DAS MMag. Dr. C* (in der Folge kurz: C). In der Sitzung am 5.4.2019 prüfte die Wahlkommission das Vorliegen der passiven Wahlberechtigung und bejahte diese bei beiden Wahlwerbenden; beim Bewerber C aufgrund seiner Tätigkeit als Studiengangsleiter und bei der Bewerberin aufgrund der Leitung der „Plattform Interkulturalität“. Die Wahlkommission traf ihre Entscheidung vor dem Hintergrund, dass als Beispiel für qualifizierte Führungspraxis ua die Fachbereichsleitung angeführt ist, die auch keine Personalverantwortung beinhaltet.

[4] Bei der von 23.4.2019 bis 25.4.2019 abgehaltenen Dekanatswahl fielen 29 Stimmen (53,7 %) auf die Bewerberin und 25 Stimmen (46,3 %) auf den Bewerber C. Das Wahlergebnis wurde (unstrittig) von der Wahlkommission als Vorschlag an die Geschäftsführung übermittelt (§ 6 letzter Satz der Wahlordnung).

[...]

[6] Am 6.6.2019 wurden beide Bewerber von der Assistentin des Geschäftsführers der Bekl zum Hearing beim pädagogischen Personalbeirat eingeladen. Dem Personalbeirat obliegt nach seiner Geschäftsordnung „die Beratung der Geschäftsführung in allen mit dem pädagogischen Lehrpersonal in Zusammenhang stehenden, besetzungsrelevanten Fragen, die in den Zuständigkeitsbereich des Beirates fallen“, insb die „Durchführung von Hearings zur Auswahl von StandortleiterIn/DekanIn“ und die „Unterbreitung des korrespondierenden Besetzungsvorschlags“. Dazu hat die Geschäftsführung den Mitgliedern des pädagogischen Personalbeirats alle beurteilungsrelevanten Unterlagen vorzulegen.

[7] Am Tag nach Übermittlung der für das Hearing geforderten Unterlagen, dem 18.6.2019, setzte der Geschäftsführer der Bekl die Bewerberin telefonisch davon in Kenntnis, dass sie aufgrund des Fehlens einer „qualifizierten Führungspraxis“ nicht zum Hearing beim Personalbeirat zugelassen worden sei.

[8] Der zum Hearing geladene Bewerber C wurde am 27.6.2019 zum Dekan bestellt.

[9] Dem gerichtlichen Verfahren ging ein Verfahren vor dem I. Senat der Gleichbehandlungskommission voraus, welcher über Antrag der Bewerberin zu dem Prüfungsergebnis gelangt war, dass diese aufgrund des Geschlechts beim beruflichen Aufstieg, insb bei Beförderungen gem § 3 Z 5 GlBG, durch die Bekl diskriminiert worden ist. Der I. Senat hatte die Bekl aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden und zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebots die Leistung eines angemessenen Schadenersatzes, die Schulung der Geschäftsleitung und des Personalbeirats hinsichtlich Diversität, Gleichbehandlung, beruflichen Aufstieg, Durchlässigkeit von Systemen und das Öffnen des Kriteriums der qualifizierten Führungspraxis hinsichtlich Durchlässigkeit vorgeschlagen. Die Bekl hat diesem 277 Auftrag der Gleichbehandlungskommission nicht entsprochen.

[10] Zum Zeitpunkt der Wahl und der Bestellung des neuen Dekans erfüllte die Bewerberin die formellen Voraussetzungen für diese. Da sie eine Frau ist, wurde allerdings der Bewerber C und nicht sie mit dieser Funktion betraut (Feststellungen des Erstgerichts).

[11] Mit ihrer Klage nach § 12 Abs 4 Satz 1 GBK/ GAW-Gesetz begehrt die klagende Bundesarbeiterkammer die Feststellung, dass die Bewerberin aufgrund des Geschlechts beim beruflichen Aufstieg, insb bei Beförderungen gem § 3 Z 5 GlBG, durch die Bekl diskriminiert wurde.

[...]

[13] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

[...]

[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab.

[...]

[16] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen. [...]

Entscheidungsgründe des OGH

2.1. Die Revision der Kl wendet sich aber zunächst zu Recht gegen das Ergebnis der vom Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung vorgenommenen Auslegung der – gem § 10 Abs 3 Z 10 FHG (Fachhochschulgesetz) in der Satzung der Bekl verankerten – Wahlordnung nach den §§ 6, 7 ABGB:

§ 3 der Wahlordnung lautet in seinem hier relevanten Teil wie folgt: „Passiv wahlberechtigt sind alle an der jeweiligen Fakultät als L2 hauptberuflich Lehrenden mit wissenschaftlicher Erfahrung und qualifizierter Führungspraxis. Als qualifizierte Führungspraxis gilt die Tätigkeit als Studiengangs- oder Fachbereichsleiter/in oder als pädagogische/r Koordinator/in an der FH * oder andererseits eine Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen verbunden mit einer mindestens 3-jährigen Zugehörigkeit zur FH * als hauptberuflich Lehrender. Als wissenschaftliche Erfahrung gilt ein Doktorat und nachgewiesene wissenschaftliche Erfahrung (Publikationen, F&E-Projekte,, udgl.).

2.2. In dieser Bestimmung werden zunächst drei Tätigkeiten bei der Bekl genannt, die (jedenfalls) als qualifizierte Führungspraxis gelten (Studiengangsleiter, Fachbereichsleiter und pädagogischer Koordinator an der FH *). Im Anschluss daran werden in einer Art „Öffnungsklausel“ bestimmte Tätigkeiten, die nicht bei der Bekl erfolgen, diesen gleichgestellt (Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen [verbunden mit einer mindestens 3-jährigen Zugehörigkeit zur FH * als hauptberuflich Lehrender]). Erkennbar geht die Wahlordnung mit der Formulierung „gilt“ davon aus, dass die für die passive Wahlberechtigung erforderliche „qualifizierte Führungspraxis“ durch (bestimmte) Tätigkeiten bei der Bekl und durch (unbestimmte) Tätigkeiten mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen erworben werden kann. Insb die Formulierung

„ähnlichen Institutionen“ öffnet einen weiten Tätigkeitsbereich, in dem eine qualifizierte Führungspraxis erforderlich sein kann. Sinn und Zweck der in § 3 der Wahlordnung aufgestellten Voraussetzungen für die passive Wahlberechtigung zum Dekan ist nach Ansicht des Senats der, dass ein hauptberuflich Lehrender mit wissenschaftlicher Erfahrung zwar nicht irgendeine (geringe) Führungspraxis, sondern (aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit) eine qualifizierte (also höherwertige) aufweisen muss, weil ein Dekan diese für seine Tätigkeit unbedingt benötigt.

2.3. Dass die Bewerberin weder als Studiengangsleiterin, Fachbereichsleiterin oder pädagogische Koordinatorin bei der Bekl tätig war, ist unstrittig. Die Kl stützt im Verfahren die qualifizierte Führungspraxis der Bewerberin auch nicht darauf, sondern vielmehr auf ihre Tätigkeiten als Werberin von Drittmitteln (Projektfinanzierung) in Millionenhöhe, auf ihre Tätigkeiten im Rahmen der Durchführung von Projekten mit Personal- und Finanzverantwortung sowie auf ihre Tätigkeit als Leiterin eines internationalen Konsortiums in sieben Ländern, bestehend aus 17 Personen im Rahmen des von der EU geförderten Projekts „Europa 2038“. Für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob es sich dabei um Tätigkeiten in „der Wirtschaft oder einer ähnlichen Institution“ handelt (und nicht um eine Tätigkeit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Professorin bei der Bekl steht), fehlen aber konkrete Feststellungen. Erst wenn feststeht, in welcher Funktion die Bewerberin etwa ihre Tätigkeit als Leiterin des internationalen Konsortiums ausgeübt hat und welche Aufgaben sie dabei zu verrichten hatte, kann beurteilt werden, ob das „Konsortium“ den Charakter einer zur Bekl „ähnlichen Institution“ hat und in der Folge, ob die Bewerberin dabei eine qualifizierte Führungsposition, vergleichbar mit jener eines Studiengangsleiters, eines Fachbereichsleiters oder eines pädagogischen Koordinators innegehabt hat.

3.1. § 3 Z 1 GlBG untersagt ua jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses. Die Wendung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ im Tatbestand der Z 1 ist weit zu verstehen. Diese Formulierung beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des – in der Regel – vorausgehenden Bewerbungs- und Auswahlverfahrens (zB gezielte Ausklammerung der Bewerbungen von Frauen vom Auswahlvorgang für die Besetzung einer Führungsposition). Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen des AG (Vertragsanbahnung) oder für diesen handelnder Personen Bedacht zu nehmen. Der Gesetzgeber verbietet also mit § 3 Z 1 GlBG jedes diskriminierende Verhalten in diesem „Prozess“ und qualifiziert es als rechtswidrig (8 ObA 11/09i = ASoK 2010, 140 [Gerhartl]; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 [2021] § 3 Rz 13 mwN). 278

3.2. § 12 Abs 5 GlBG normiert die Rechtsfolgen von Verletzungen des Gleichbehandlungsgebots beim beruflichen Aufstieg: Ist ein AN wegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nicht beruflich aufgestiegen, ist der AG ihm gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet. § 12 Abs 5 Z 1 GlBG sieht eine Schadenersatzuntergrenze in der Höhe der Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate für AN vor, die bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich aufgestiegen wären. § 12 Abs 5 Z 2 GlBG normiert eine Schadenersatzobergrenze von bis zu 500 €, wenn dem AG der Nachweis gelingt, dass sich der Schaden, der beim AN durch die Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg entstanden ist, auf die Verweigerung der Berücksichtigung der Bewerbung beschränkt. Unter den Tatbestand der Z 2 leg cit fallen typischerweise AN, die zwar aufgrund ihres Geschlechts aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden wurden, die aber wegen ihrer nicht ausreichenden Qualifikation („Minderqualifizierte“) auch ohne Diskriminierung nicht beruflich aufgestiegen wären (Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 [2021] § 12 Rz 64).

4. Nach § 5 Abs 1 GlBG liegt eine unmittelbare Diskriminierung nach dem Geschlecht dann vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Diskriminierung erfordert somit eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu einer Person in einer sachlich ähnlichen Situation (Vergleichsperson), wobei die Ursache dafür im Schutzgrund (hier Geschlecht) bestehen muss. Es ist somit ein kausaler Zusammenhang zwischen der nachteiligen Behandlung und dem Schutzgrund erforderlich. Eine mittelbare Diskriminierung iSd § 5 Abs 2 GlBG betrifft hingegen Maßnahmen, die zwar neutral formuliert sind, aber für eine bestimmte Gruppe dennoch unverhältnismäßige nachteilige Auswirkungen haben und diese Gruppe daher besonders nachteilig betreffen (8 ObA 30/16v Pkt 3.2.; RS0115587).

5. Das verpönte Unterscheidungsmerkmal muss zumindest ein Motiv für die Entscheidung sein (Rebhahn/Windisch-Graetz in Windisch-Graetz, GlBG2 § 5 Rz 3, 7 f). Erfolgt die Entscheidung aus anderen Gründen, liegt schon begrifflich keine unmittelbare Diskriminierung vor. Ebenso wird verlangt, dass eine vergleichbare Situation vorliegt. Es ist dabei nicht notwendig, dass die Situationen identisch sind, sie müssen nur im Hinblick auf den Regelungszweck vergleichbar sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf dabei nicht allgemein und abstrakt erfolgen, sondern muss spezifisch und konkret für die betreffende Leistung erfolgen (Rebhahn/Windisch-Graetz in Windisch-Graetz, GlBG2 § 3 Rz 8; dies in Neumayr/Reissner, Zell-Komm3 § 5 GlBG Rz 4; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 [2021] § 5 Rz 19 f). Tendenziell ist die Vergleichbarkeit weit zu sehen, weil sonst das Gleichbehandlungsrecht unterlaufen werden könnte.

6.1. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, eine unmittelbare Diskriminierung der Bewerberin liege schon deshalb nicht vor, weil sie die formellen

Voraussetzungen für die zu besetzende Stelle (qualifizierte Führungspraxis) nicht erfülle und daher bereits deshalb für die Ernennung zur Dekanin objektiv nicht in Betracht käme, wird vom Senat nicht geteilt. Richtig ist zwar, dass im überwiegenden Schrifttum davon ausgegangen wird, dass bei offenkundig fehlender Eignung für eine zu vergebende Stelle, also wenn der Bewerber schon die formalen Bewerbungskriterien objektiv bzw abstrakt nicht erfüllt, eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg zu verneinen ist (vgl Rebhahn/Windisch-Graetz in Windisch-Graetz, GlBG2 § 3 Rz 61; dies in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 12 GlBG Rz 5; Kletecka/Köck in Windisch-Graetz, GlBG2 § 12 Rz 37; Potz, GlBG-Hopping? Schadenersatzjäger und das GlBG, RdW 2008/680, 730 [732]; Körber-Risak in Gruber-Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar VIII. Rz 104; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 [2021] § 12 Rz 14).

6.2. Legt aber – wie hier – § 3 der Wahlordnung die Voraussetzungen für die passive Wahlberechtigung zum Dekan in einer Art und Weise fest, dass der Bewerberin aufgrund der von ihr behaupteten Tätigkeiten und der daraus resultierenden Qualifikation nicht schon von vornherein jegliche Eignung für die Wahl zur Dekanin abgesprochen werden kann, dann kann – selbst wenn man der Lehre folgt (anders etwa das deutsche Bundesarbeitsgericht zur vergleichbaren Rechtslage des § 15 Abs 2 Satz 2 AGG, 8 AZR 470/14) – nicht von einer objektiven und offensichtlichen „Nicht-Qualifikation“ gesprochen werden, die die Bekl berechtigen würde, die Bewerberin gar nicht zum Bewerbungsverfahren (Hearing) zuzulassen. Schließlich will der Gesetzgeber auch das Rechtsgut, sich „diskriminierungsfrei“ am Arbeitsmarkt zu bewerben, schützen (vgl RS0124659). [...]

ANMERKUNG

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht ua deswegen zugelassen, weil die deutsche Rsp auf Basis vergleichbarer Rechtsgrundlagen die objektive Eignung einer:eines Bewerber:in nicht mehr als Kriterium der „vergleichbaren Situation“ erachte. Der OGH geht auf die Beweggründe des dt BAG, bei vergleichbarer Rechtslage anders zu argumentieren als die österreichische hL, nicht ein und folgt Letzterer im Grunde. Dabei hätte sich eine Auseinandersetzung mit der dt Rsp durchaus gelohnt, denn sie hat mE die besseren Argumente für sich.

Ausgangspunkt ist im vorliegenden Verfahren § 3 Z 5 GlBG, wonach niemand beim beruflichen Aufstieg unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden darf. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. § 12 Abs 5 normiert Schadenersatzverpflichtungen, sollte beim beruflichen Aufstieg diskriminiert 279

werden: Der Ersatzanspruch beträgt 1. die Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate, wenn die AN bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich aufgestiegen wäre, oder 2. bis € 500,–, wenn die AG nachweisen kann, dass der der AN durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung ihrer Bewerbung verweigert wurde. Für die Einstellungsdiskriminierung gilt gem § 3 Z 1 GlBG und § 12 Abs 1 GlBG Ähnliches.

Um eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund welchen Schutzgrundes auch immer festzustellen, ist es daher zentral, dass sich die als diskriminiert erachtete Person (Bewerber:in) und die Vergleichsperson in einer „vergleichbaren Lage“ befinden. Fraglich ist nun, welche Rolle die objektive Eignung einer:eines Bewerber:in für die zu besetzende Stelle für die Feststellung der „vergleichbaren Lage“ haben soll. Der OGH gibt der Auffassung des österreichischen Schrifttums Recht, „dass bei offenkundig fehlender Eignung für eine zu vergebende Stelle, also wenn der Bewerber schon die formalen Bewerbungskriterien objektiv bzw abstrakt nicht erfüllt, eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg zu verneinen ist“. Nach Ansicht des OGH und der österreichischen Lehre kann bei Einstellung und Beförderung nur eine Person diskriminiert werden, die objektiv die für die Stelle erforderliche Eignung besitzt. Bei fehlender Eignung der:des Bewerber:in könne eine Benachteiligung aus einem Schutzgrund gar nicht in Betracht kommen; es fehle an der Kausalität des missbilligten Merkmals und überdies an der Vergleichbarkeit der Lage (OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h; Hopf/Mayer/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 30 mwN; Rebhahn/Windisch-Graetz in Windisch-Graetz [Hrsg], GlBG2 § 3 Rz 61; ua).

Der OGH zitiert zwar die neue Rsp des BAG (19.5.2016, 8 AZR 470/14), setzt sich damit aber, wie gesagt, nicht inhaltlich auseinander. Das BAG sieht seit dem zitierten Urteil die objektive Eignung der:des Bewerber:in nicht mehr als Kriterium für die „vergleichbare Lage“. Die Berücksichtigung der Qualifikation erfolgt in der dt Rsp nur mehr über das Kriterium der Kausalität. Die „vergleichbare Lage“ besteht nur mehr darin, dass sich die Bewerberin und die Vergleichsperson beide „bewerben“ (BAG 8 AZR 470/14, Rn 18). Zentrales Argument für die Kehrtwende der dt Rsp sind die Schadenersatzregelungen des § 15 Abs 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die dem § 12 Abs 1 und 5 GlBG entsprechen. Der Umstand, dass es sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem Recht einen – wenn auch nach oben gedeckelten – Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, gibt, spricht für die Auffassung des BAG. Es ist gerade der Paradefall für einen Schadenersatzanspruch gem § 12 Abs 1 2. Fall oder § 12 Abs 5 2. Fall GlBG, dass die:der Bewerber:in die Stelle wegen fehlender oder im Vergleich geringerer Eignung ohnehin nicht bekommen hätte. Der Diskriminierungstatbestand wird dennoch erfüllt, wenn die Bewerbung aufgrund eines durch das GlBG verpönten Motivs unberücksichtigt bleibt. Die:Der übergangene Bewerber:in hat Anspruch auf Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung, die darin liegt, dass sie als Frau:Mann, als älterer Mensch, als „Ausländer:in“ etc übergangen worden ist.

Es gibt keinen überzeugenden Grund dafür, die objektive Eignung der:des Bewerber:in für die Stelle in die Prüfung des Vorliegens einer „vergleichbaren Lage“ einzubeziehen. Es ergibt vielmehr Sinn, dieses Thema bei der Prüfung der Kausalität eines bestimmten Motivs für die Ablehnung der:des Bewerber:in abzuhandeln. Wird ein:e Bewerber:in nur deswegen abgelehnt, weil sie:er für die Stelle nicht geeignet ist, ist kein Diskriminierungstatbestand erfüllt. Wird ein:e – auch die für die Stelle ungeeignete:r – Bewerber:in dagegen aus einem verpönten Motiv abgelehnt, hat sie:er Schadenersatzansprüche aufgrund der damit verbundenen Diskriminierungserfahrung.

Im vorliegenden Fall musste der OGH diese Frage nicht abschließend beantworten, da im fortgesetzten Verfahren noch etliche Feststellungsmängel durch das Erstgericht zu beheben waren. So war nicht nur die Frage offen, welche Qualifikationen die Wahlordnung tatsächlich verlangt und ob die Bewerberin sie erfüllt, sondern auch die wesentliche Frage, ob die Bewerberin ausreichend glaubhaft machen kann, dass sie bei der Dekanswahl aufgrund ihres Geschlechts übergangen worden ist. 280