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Ausstrahlung des österreichischen Betriebsverfassungsrechts ins Ausland

MARTINGRUBER-RISAK / HANNAHLUTZ (WIEN)
  1. Nach dem klaren Wortlaut des § 14 Abs 4 Entwicklungszusammenarbeitsgesetzes (EZA-G) bildet die Austrian Development Agency (ADA) mit ihren im Ausland eingerichteten Dienststellen einen einheitlichen Betrieb iSd § 34 Abs 1 ArbVG.

  2. Die Ausstrahlung des ArbVG auf die AN der im Ausland gelegenen Betriebsstätten führt, aufgrund der gesetzlichen Anordnung des § 14 Abs 4 EZA-G, nicht zur Verletzung des, dem II. Teil des ArbVG innewohnenden Territorialitätsprinzips.

Die in Österreich errichtete ADA gilt gem § 14 Abs 4 Satz 2 EZA-G, gemeinsam mit ihren im Ausland eingerichteten Koordinations- und Projektbüros, als einheitlicher Betrieb iSd § 34 Abs 1 ArbVG. Damit im Einklang statuiert § 14 Abs 4 Satz 1 EZA-G aus einem öffentlich-rechtlichen ANSchutzgedanken heraus auch für die im Ausland gelegenen Arbeitsstätten die (räumliche) Anwendbarkeit des II. Teils des ArbVG und damit die Ausstrahlung der Betriebsverfassung auf alle bei der ADA beschäftigten AN unabhängig ihres Beschäftigungsortes.

Betriebsverfassungsrecht, Internationales Privatrecht, Ausstrahlung

[1] Gem § 1 Abs 1 EZA-G hat der Bund Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen seiner internationalen Entwicklungspolitik zu leisten.

[2] Gem § 6 Abs 1 EZA-G wurde die Österreichische Gesellschaft für Entwicklungszusammenarbeit mit beschränkter Haftung mit dem Firmenwortlaut ADA, hier die Bekl, errichtet. [...]

[3] Die Bekl richtete zur Durchführung ihrer Aufgaben elf Koordinationsbüros im Ausland ein (§ 13 EZA-G), die jeweils von einem vor Ort befindlichen Leiter geführt werden. Daneben gibt es im Ausland dreizehn für eine bestimmte Dauer oder ein bestimmtes Projekt eingerichtete Projektbüros, die dem jeweiligen Koordinationsbüro zugeordnet sind und deren Führung einem „Teamleader“ obliegt. Die Koordinations- und die Projektbüros werden gemeinsam als Auslandsdienststellen der Bekl bezeichnet. AG sämtlicher dort beschäftigter Personen ist die Bekl, wobei die Anstellung der Mitarbeiter vor Ort teilweise nach dem jeweils lokal geltenden Arbeitsrecht erfolgt.

[4] Nach den Betriebsratswahlen 2012, 2016 und 2020 teilte die Geschäftsführung der Bekl dem klagenden BR mit, dass bei der Betriebsratswahl auch KoordinationsbüroleiterInnen sowie lokale Angestellte, die außerhalb der Zentrale der Bekl ihren Arbeitsort hätten, vom Wahlvorstand zur Betriebsratswahl zugelassen worden seien. Dies entspreche nicht der Rechtsansicht der Geschäftsführung, wonach die Zentrale der Bekl als ein Betrieb zu sehen sei und die Koordinationsbüros gemeinsam mit den Projektbüros als eigene Betriebe iSd § 34 ArbVG zu qualifizieren seien. [...]

[5] Der Kl (Anm der Verf: der BR) begehrte im vorliegenden Verfahren zuletzt folgende Feststellungen:

[6] 1. Die Bekl stellt samt den ihr zugehörigen Auslandsdienststellen (Koordinationsbüros und Projektbüros) einen einzigen, einheitlichen und ungeteilten Betrieb iSd § 34 ArbVG dar.

[7] 2. Die Kl vertritt sämtliche AN der Bekl, einschließlich jener an den Auslandsdienststellen (Koordinationsbüros und Projektbüros).

[8] 3. Die AN an den Auslandsdienststellen sind AN iSd § 36 Abs 1 ArbVG. [...]

[12] Der klagende BR begründete diese Begehren zusammengefasst damit, dass sich aus § 14 Abs 4 EZA-G ergebe, dass die Zentrale und die Auslandsdienststellen der Bekl ein einheitlicher Betrieb seien. Den Auslandsdienststellen komme keine eigene Rechtspersönlichkeit zu. Sie seien auch nicht berechtigt, eigenständig Arbeitsverhältnisse zu begründen. Organisatorisch seien sie Teil eines einheitlichen Betriebs der Bekl und arbeiteten dieser zu; sämtliche Entscheidungen würden in der Zentrale getroffen. [...]

[14] Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass es sich bei den Koordinationsbüros um eigenständige Betriebe handle, die über eine organisatorische Selbstständigkeit verfügten. Das ArbVG finde auf sie keine Anwendung, weil dessen Geltungsbereich auf Österreich beschränkt sei. [...]

[16] Mit Teilurteil stellte das Erstgericht fest, dass die Bekl mit den ihr zugehörigen Auslandsdienststellen keinen einzigen einheitlichen und ungeteilten Betrieb iSd § 34 ArbVG darstelle (Pkt 1 des Klagebegehrens, Spruchpunkt A.1.). [...] da es die Rechtsauffassung vertrat, dass die Bestimmungen des zweiten Teils des ArbVG auf alle in Österreich liegenden Betriebe anzuwenden seien. Betriebe, die von Österreichern im Ausland betrieben würden, fielen nicht in den Geltungsbereich. Schon aus § 14 Abs 4 EZA-G ergebe sich, dass die Bekl als Betrieb iSd § 34 ArbVG gelte. Daraus sei aber nicht ableitbar, dass im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip auch im Ausland gelegene Dienststellen (Arbeitsstätten) dem österreichischen Betriebsbegriff unterlägen. Vielmehr sei zu überprüfen, ob im Ausland tätige AN dem inländischen Betrieb zugehörig seien.

[17] Das Berufungsgericht [...] hob das Ersturteil in seinen Spruchpunkt A. [...] auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. [...]

[18] Zur Aufhebung des Spruchpunkts A. vertrat es zusammengefasst die Auffassung, die gesetzliche Anordnung in § 14 Abs 4 Satz 2 EZA-G, wonach die Bekl als Betrieb iSd § 34 ArbVG gelte, sage nichts darüber aus, ob die Auslandsdienststellen der Bekl einen einheitlichen Betrieb mit der Zentrale bildeten. Vielmehr diene die Bestimmung der Klarstellung, dass die Bekl nicht unter die Ausnahme des § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG falle. Ob ein einheitlicher 281 Betrieb vorliege, sei vielmehr anhand der von der Rsp dazu aufgestellten Kriterien zu prüfen. Dazu fehlten aber ausreichende Feststellungen. Auch im Ausland gelegene unselbständige Betriebsteile eines in Österreich gelegenen Betriebs blieben betriebsverfassungsrechtlich Bestandteil des österreichischen Betriebs. Ob alle aus dieser Rechtslage resultierenden Konsequenzen im Ausland verwirklichbar seien, sei eine davon getrennt zu behandelnde Frage, die vom innerstaatlichen Recht des Landes, in dem sich der Betriebsteil befinde, abhänge und nur im Einzelfall entschieden werden könne.

[19] Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts betreffend den Spruchpunkt A. richtet sich der Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) des Kl [...]. [...]

[24] 2.2 Nach § 13 Abs 1 EZA-G kann die Bekl zur Durchführung ihrer Aufgaben im Ausland Koordinationsbüros einrichten. Dazu wird im Allgemeinen Teil der erläuternden Bemerkungen ausgeführt, dass der Betrieb der (damals bestehenden) österreichischen EZA-Koordinationsbüros auf die Bekl übergehen wird und die Bestellung von Leitern der Koordinationsbüros (§ 13 Abs 2 EZA-G) und eine direkte Weisungserteilung an diese durch den BM für auswärtige Angelegenheiten (§ 13 Abs 2 und § 14 Abs 1 EZA-G) vorgesehen ist, da diese Büros – insb in Staaten, in denen es keine österreichischen Vertretungsbehörden gibt – auch weiterhin, wenn auch nur in Einzelfällen, Aufgaben der österreichischen Vertretungsbehörden wahrzunehmen haben (vgl ErlRV 81 BlgNR XXII GP 3).

[25] 2.3 § 14 Abs 4 Satz 1 EZA-G normiert im Anschluss an § 13 leg cit, dass für alle AN der Bekl das ArbVG in der geltenden Fassung gilt. Nach § 14 Abs 4 Satz 2 EZA-G gilt die Bekl als Betrieb iSd § 34 ArbVG. Dazu wird in den erläuternden Bemerkungen festgehalten, dass alle AN der Bekl hinsichtlich ihrer AN-Rechte vom BR der Bekl vertreten werden (ErlRV 81 BlgNR XXII GP 14).

[26] 3.1 Dem Berufungsgericht ist insofern zuzustimmen, als der Wortlaut des Gesetzes (§ 14 Abs 4 Satz 2 EZA-G) allein keine klare Aussage darüber trifft, ob die Auslandsdienststellen der Bekl einen einheitlichen Betrieb mit der Zentrale bilden. Die Gesetzesauslegung darf aber nicht bei der Wortinterpretation stehen bleiben (RS0008788 [T3]), insb, wenn sich dadurch für einzelne Bestimmungen kein Anwendungsgebiet ergibt, sie also sinnlos blieben (RS0010053). [...]

[28] 4.1 Zunächst folgt aus dem klaren Wortlaut des § 14 Abs 4 Satz 1 ArbVG (richtig: EZA-G; Anm der Verf), dass für alle AN der Bekl (als privater Rechtsträger) grundsätzlich der Anwendungsbereich des ArbVG eröffnet sein soll. Da § 14 Abs 4 Satz 2 ArbVG (richtig: EZA-G; Anm der Verf) ausdrücklich bestimmt, dass die Bekl als Betrieb iSd § 34 ArbVG gilt, gelten auch die Bestimmungen des II. Teils des ArbVG (§ 33 Abs 1 ArbVG) für die Bekl.

[29] 4.2 Dass der Gesetzgeber mit der Formulierung „alle Arbeitnehmer der ADA“ [...] auch die AN der Koordinationsbüros meint(e), folgt nicht nur aus der Systematik des Gesetzes, welches die Koordinationsbüros in der unmittelbar davor stehenden Bestimmung des § 13 EZA-G näher regelt, sondern insb aus der historischen Auslegung. [...] Damit in Einklang steht auch die Feststellung, wonach AG sämtlicher in den Auslandsdienststellen beschäftigter Personen die Bekl ist.

[30] 4.3. Die Rechtsauffassung des klagenden BR, die Bekl stelle samt den ihr zugehörigen Auslandsdienststellen (Koordinationsbüros und Projektbüros) einen einzigen, einheitlichen und ungeteilten Betrieb iSd § 34 ArbVG dar, ist zutreffend. Aus den erläuternden Bemerkungen kommt nämlich auch klar hervor, dass der Zweck der Bestimmung des § 14 Abs 4 EZA-G sein soll, dass alle AN der Bekl hinsichtlich ihrer AN-Rechte vom BR der Bekl (also von einem BR) vertreten werden. [...] Dahinter steht der AN-Schutzgedanke, der sich gerade für die sich im Ausland befindlichen AN stellt. [...]

[32] 4.5 Bestimmt schon § 14 Abs 4 Satz 1 EZA-G, dass das ArbVG für alle AN der Bekl in der (jeweils geltenden) Fassung zur Anwendung gelangt, kann aber der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht gefolgt werden, die Bestimmung des § 14 Abs 4 EZA-G in ihrer Gesamtheit diene lediglich der Klarstellung, dass die Bekl nicht unter die Ausnahme des § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG falle. [...] Hätte doch bei dieser Ansicht jedenfalls der zweite Satz des § 14 Abs 4 EZA-G keine weitere inhaltliche Bedeutung, weil sich die Bekl gerade dadurch auszeichnet, dass sie neben der Zentrale in Wien zahlreiche Koordinationsbüros im Ausland unterhält. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, eine überflüssige und damit inhaltslose Regelung getroffen zu haben (RS0008792). Die Bestimmung des § 14 Abs 4 EZA-G ist daher vielmehr als Gesamtregelung anzusehen (vgl RS0008787). Bedingung für die Annahme eines einheitlichen Betriebs iSd § 34 ArbVG ist, dass der Anwendungsbereich (sachlich und räumlich) des ArbVG für alle AN (im In- und Ausland) überhaupt eröffnet ist.

Diese Vorfrage (vgl RS0051038) löste der Gesetzgeber bereits durch die Erklärung der Anwendbarkeit des ArbVG für alle AN der Bekl, sodass eine gesonderte Prüfung des sachlichen (und auch räumlichen) Geltungsbereichs iSd § 33 ArbVG nicht mehr stattzufinden hat. Der zweite Satz des § 14 Abs 4 EZA-G bezieht sich auf die Bestimmung des § 34 ArbVG, der im ArbVG den Betriebsbegriff definiert.

[33] 5. Dieses Ergebnis führt, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, auch nicht zu einer Verletzung des dem II. Teil des ArbVG innewohnenden Territorialitätsprinzips (Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 33 ArbVG Rz 4 mwN). Richtig ist zwar, dass grundsätzlich die Bestimmungen des II. Teils des ArbVG (nur) auf alle in Österreich liegenden Betriebe anzuwenden sind (vgl aber 9 ObA 88/97z und Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 33 Rz 17 zur Anwendung österreichisches Betriebsverfassungsrecht auf unselbständige Arbeitsstätten im Ausland, die organisatorisch inländischen Betrieben zugehörig sind). § 14 Abs 4 Satz 1 EZA-G statuiert für den vorliegenden Fall aber – erkennbar aus einem öffentlich-rechtlichen AN-Schutzgedanken heraus (vgl §§ 38, 39 Abs 1 ArbVG) – (auch) die (räumliche) 282 Anwendbarkeit des II. Teils des ArbVG auf alle AN der Bekl. [...]

[34] 6. Eine vergleichbare Regelung zu § 14 EZA-G findet sich in § 135 Abs 1 und 2 UG 2022. Auch § 135 Abs 1 UG 2002 – ähnlich mit § 14 Abs 4 Satz 1 EZA-G – wird als betriebsverfassungsrechtliche Norm verstanden, die eine vom allgemeinen System des ArbVG abweichende Regelung enthält, nach der die Universität betriebsverfassungsrechtlich mit sämtlichen (im In- und Ausland befindlichen) Universitätseinrichtungen und Dienststätten als einheitlicher Betrieb gilt (Schrammel in Perthold-Stoitzner, UG3.01 § 135 Rz 9; Löschnigg, Forschungseinrichtungen österreichischer Universitäten im Ausland – personalrechtliche Implikationen in FS Pfeil 2022, 199 ff).

[35] 7. Zusammengefasst gilt die gem § 6 Abs 1 EZA-G errichtete Österreichische [...] ADA mit ihren im Ausland eingerichteten Koordinationsbüros und diesen zugeordneten Projektbüros als einheitlicher Betrieb iSd § 34 Abs 1 ArbVG.

[36] 8. Da somit kein Raum für eine Überprüfung der zu § 34 ArbVG judizierten Kriterien verbleibt, konnte dem Klagebegehren zu Spruchpunkt A. in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen stattgegeben werden (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

ANMERKUNG

Mit der vorliegenden E ergänzt der OGH seine bereits vorliegende Judikatur zur Ausstrahlung des ArbVG auf im Ausland tätige AN (vgl OGH 9 ObA 88/97z DRdA 1998/16, 183 [Hoyer]). Interessant ist dabei, dass er dieses Ergebnis nicht mit den Kriterien des Betriebsbegriffs bzw der Integration der betreffenden AN in einen österreichischen Betrieb begründet, sondern auf die gesetzliche Anordnung des § 14 Abs 4 EZA-G abstellt, nach der für alle AN der ADA das ArbVG und die ADA selbst als Betrieb iSd § 34 ArbVG gilt. Kraft dieser gesetzlichen Anordnungen strahlt das ArbVG in diesem Fall auch auf die AN aus, die im Ausland ihren gewöhnlichen Arbeitsort haben. Damit hat die Entscheidung kaum praktische Auswirkungen über den Einzelfall hinaus (dazu Pkt 3.1.). Sie kann jedoch zum Ausgangpunkt für Überlegungen für all jene Fälle dienen, in denen – ohne vergleichbare betriebsverfassungsrechtliche Sonderregelungen – österreichische Unternehmen über Beschäftigte im Ausland verfügen und diese insb durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in inländische Betriebe integriert werden (dazu Deinert, Herausforderungen der Internationalisierung der Arbeitswelt, DRdA 2022, 155).

1.
Grundregel: Territorialitätsprinzip

Der örtliche Anwendungsbereich des II. Teils des ArbVG ist dem – ungeschriebenen, aber nach hA unstrittig zur Anwendung kommenden – Territorialitätsprinzip folgend auf das österreichische Bundesgebiet beschränkt und die Bestimmungen der Betriebsverfassung sind auf im Ausland gelegene und betriebene Betriebe inländischer Unternehmen nicht anzuwenden (so OGH9 ObA 88/97z DRdA [Hoyer]; Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 33 ArbVG Rz 4; Gruber-Risak in Gruber-Risak/Mazal [Hrsg], Das Arbeitsrecht40 Kap III Rz 11; aA insb Niksova, Grenzüberschreitender Betriebsübergang [2014] 223; Ludvik, Der internationale Betrieb [2021] 50). Diesem Prinzip folgend gelten die Bestimmungen des ArbVG und damit auch jene über die Wahl des BR gem §§ 50 ff ArbVG nur für in Österreich gelegene Betriebe. Sind AN im Ausland in einen inländischen Betrieb organisatorisch eingegliedert, so strahlt das ArbVG auf diese (und damit auch ins Ausland) aus. Darauf ist nun näher einzugehen.

2.
Ausstrahlung der Betriebsverfassung

Bei der Anknüpfung betreffend des Individualarbeitsrechts, wo auf den gewöhnlichen (physischen) Arbeitsort für die Ermittlung des Arbeitsvertragsstatuts iSd Rom I-VO abgestellt wird (Dullinger, Individualarbeitsrechtliche Aspekte grenzüberschreitender Unternehmens- und Konzernstrukturen, ZAS 2022, 14 mwN; aA mit Betonung der allfällig gegebenen virtuellen Dimension der Arbeit Gruber-Risak, Grenzüberschreitendes Arbeiten im virtuellen Raum, DRdA 2019, 120), kann es zu einer Ausstrahlung des zB österreichischen Arbeitsrechts nur bei einer vorübergehenden Entsendung ins Ausland kommen. Bei einer dauernden Beschäftigung außerhalb Österreichs ist hingegen, auch bei allfälliger organisatorischer Einbindung in einen österreichischen Betrieb, österreichisches Individualarbeitsrecht nicht anwendbar (Krebber in Franzen/Gallner/Oetker [Hrsg], Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht5 [2024] VO [EG] 593/2008 Art 8 Rz 54). Anders gestaltet sich jedoch die Frage nach der Bedeutung der Integration von ausländischen AN in inländische Betriebsstrukturen für die Anwendung des österreichischen Betriebsverfassungsrechts. Dem ArbVG kommt nämlich unter bestimmten Umständen auch ins Ausland ausstrahlende Wirkung zu. Nach einhelliger Ansicht bleiben deshalb unselbständige ausländische Betriebsteile eines, in Österreich gelegenen, Betriebes betriebsverfassungsrechtlich Bestandteil des innerstaatlichen Betriebes (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch [Hrsg], ArbVG § 33 Rz 17; dem folgend auch OGH9 ObA 88/97z

[Hoyer]). Ausschlaggebend dafür ist das Ausmaß der Eingliederung dieser AN in den inländischen Betrieb, die unter Beiziehung von IKT auch in räumlicher Entfernung zum entsprechenden Betrieb und damit auch grenzüberschreitend erfolgen kann (Deinert, DRdA 2022, 155). Unerheblich ist dabei die Staatsbürger:innenschaft der AN sowie der Umstand, dass ihre Arbeitsverhältnisse idR ausländischem Recht unterliegen (Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 33 ArbVG Rz 4).

2.1.
Ausstrahlung kraft gesetzlicher Anordnung

Im vorliegenden Fall prüft das Gericht die Frage der Ausstrahlung der österreichischen Betriebs 283 verfassung freilich lediglich aufgrund der gesetzlichen Anordnung des § 14 Abs 4 EZA-G, weswegen explizit eine Überprüfung der zu § 34 ArbVG judizierten Kriterien im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt unterbleibt. Der OGH hält fest, dass § 14 Abs 4 Satz 1 EZA-G, erkennbar aus einem öffentlich-rechtlichen AN-Schutz heraus, (auch) die (räumliche) Anwendbarkeit des II. Teils des ArbVG auf alle AN der ADA vorsieht und es daher zu einer Ausstrahlung der inländischen Betriebsverfassung kommt. Die Feststellung, dass es sich bei der ADA und ihren Außendienststellen um einen einheitlichen Betrieb handelt, stützt das Gericht auf eine andere explizite Anordnung, nämlich § 14 Abs 4 Satz 2 EZA-G. Damit sind alle ausländischen Organisationseinheiten, unabhängig davon, ob sie als eigenständige Betriebe oder lediglich als Betriebsteile zu qualifizieren sind, ex lege Teile eines österreichischen Betriebes. Zudem hält der OGH ausdrücklich fest, dass es aufgrund der gesetzlichen Anordnung zu keiner Verletzung des für das Betriebsverfassungsrecht grundsätzlich geltenden Territorialitätsprinzips kommt.

Ähnlich würde der OGH wohl in dem Fall des im Wesentlichen gleichlautenden § 135 Abs 1 und 2 UG 2022 judizieren, was der Gerichtshof in der E unter Berufung auf Literatur bereits andeutet (Schrammel in Perthold-Stoitzner, UG3.01 § 135 Rz 9; Löschnigg in FS Pfeil [2022] 199 ff). Selbiges muss dann auch für die gleichlautenden Bestimmungen von § 10 BG über die Errichtung der Gesellschaft „Familie & Beruf Management GmbH“ (BGBl I 2006/3BGBl I 2006/3) gelten. § 10 BG über den Forschungs-, Wissenschafts-, Innovations- und Technologieentwicklungsrat (BGBl I 2023/52) ordnet zwar nur an, dass der FWIT-Rat als Betrieb iSd § 34 ArbVG gilt, eine Bezugnahme auf § 36 ArbVG betreffend die betriebsverfassungsrechtliche AN-Eigenschaft fehlt hingegen. Dennoch ist davon auszugehen, dass diesfalls alle allfällig im Ausland beschäftigten AN (soweit sie die Kriterien des § 34 ArbVG erfüllen) vom II. Teil des ArbVG erfasst sind.

Wegen der gesetzlichen Anordnung blieb freilich die Frage offen, ob auch ohne diese eine Ausstrahlung des II. Teils des ArbVG hätte erfolgen müssen oder maW, ob der der E zugrundeliegende Sachverhalt ebenfalls zum Unterfallen der Außenstellen unter die österreichische Betriebsverfassung geführt hätte. Diese soll nun nachgeholt und damit Erkenntnisse über den Spezialfall hinaus für im Ausland disloziert tätige AN österreichischer Unternehmen gewonnen werden.

2.2.
Allgemeine Grundsätze der Ausstrahlung

Ohne die Spezialbestimmung hätte der OGH prüfen müssen, ob die ADA und ihre Außendienststellen einen einheitlichen Betrieb iSd nach § 34 ArbVG notwendigen „Organisatorischen Einheit“ darstellen oder ob es sich dabei jeweils um eigene Betriebe handelt. Dafür ist von Bedeutung, inwieweit den Außendienststellen Selbständigkeit zukommt bzw in welchem Umfang deren Leiter:innen selbständig entscheidungsbefugt sind (Gruber-Risak in Gruber-Risak/Mazal [Hrsg], Das Arbeitsrecht40 Kap III Rz 24 mwN). Nach der Rsp (OGH 9 ObA 166/99y RdW 2000, 306 – botanischer Garten; OGH 8 ObA 207/00z DRdA 2001, 144 [Naderhirn]) ist die Selbständigkeit dabei noch nicht entscheidend beeinträchtigt, wenn bestimmte administrative, kaufmännische oder wirtschaftliche Agenden (insb Personalangelegenheiten) getrennt in einer Zentrale für eine Reihe von Betriebsstätten gemeinsam geführt werden, da es vor allem auf die produktionstechnische Leitung ankommt; nichtsdestotrotz ist eine Entscheidungsfreiheit in Personalangelegenheiten (insb Begründung und Beendigung von Arbeitsverträgen) ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines selbständigen Betriebes. Letztlich geht es aber darum, dass die Führungskräfte in der Arbeitsstätte bei Tagesfragen zur Erfüllung des technischen Zwecks dieser Arbeitsstätte Entscheidungsfreiheit besitzen (zB Koordination der AN, Anordnung von Überstunden) (OGH6 Ob 51/85 RdW 1987, 59; OGH9 ObA 143/95DRdA 1996, 297 [zust Runggaldier] ua). Zudem ist dabei zu beachten, dass im Zweifel die räumliche Entfernung nach hA ein Hilfsargument für das Vorliegen mehrerer selbständiger Betriebe ist (Gruber-Risak in Gruber-Risak/Mazal [Hrsg], Das Arbeitsrecht40 Kap III Rz 25 mwN). Bei einer Prüfung der Kriterien des § 34 ArbVG wäre es daher gut denkbar gewesen, dass bei den über alle Welt verteilten Auslandsdienststellen der ADA ausreichende Selbständigkeit vorliegt, selbst wenn, wie der BR vorgebracht hat, die Personalentscheidungen in Österreich getroffen wurden.

Liegt aber nur ein unselbständiger Betriebsteil im Ausland vor oder gar nur einzelne disloziert dort tätige AN, so ist die Frage zu stellen, inwieweit diese in einen österreichischen Betrieb integriert sind. Der OGH hat eine derartige Konstellation bereits geprüft (OGH9 ObA 88/97z

[Hoyer]) und dazu festgehalten, dass es darauf ankommt, ob die AN in einer so engen Beziehung zum Betrieb stehen, dass sie als dem Betrieb noch zugehörig betrachtet werden können. Es kommt daher darauf an, ob die AN als Glied der betrieblichen Organisation gesehen werden können (OGH RIS-Justiz RS0107424). Wesentlich ist dabei freilich, dass diese betriebliche Organisation in Österreich zu verorten ist, ansonsten fehlt es einem „ausstrahlungsfähigen“ österreichischen Betrieb. Der OGH verneinte etwa das Vorliegen einer inländischen Betriebsorganisation bezüglich einer in Österreich im Homeoffice tätigen, jedoch ausschließlich für AN im Ausland zuständigen, Personalleiterin (OGH9 ObA 89/19gDRdA 2020, 568 [Mathy] = RdW 2020, 695 [Lindmayr]).

In der Regel wird die Zuordnung derartig disloziert tätiger, in keinen ausländischen Betrieb ausreichend integrierter AN relativ leicht sein. Irgendjemand muss ja die relevanten AG-Befugnisse ausüben und so in irgendeiner Form Anordnungen treffen und Kontrolle ausüben, da ansonsten mangels persönlicher Abhängigkeit kein Arbeitsverhältnis vorliegt. Und das werden dann von Österreich aus agierende Vorgesetzte sein, sodass hier die Integration und Zuordnung unproblematisch ist. 284 Schwieriger gestalten sich Konstellationen insb in internationalen Konzernen, in denen AN betriebs- oder gar rechtsträgerübergreifend eingesetzt werden und bei denen die AG-Befugnisse so auf mehrere Personen aufgeteilt sind, die in unterschiedlichen Betrieben verortet sind. Eine Untersuchung der betriebsverfassungsrechtlichen Folgen der Zuordnung von AN zu mehreren Betrieben in unterschiedlichen Staaten sprengt freilich den Umfang eines Entscheidungskommentars, weshalb hier nur der Hinweis gegeben werden kann, dass hier uE – wie bei der Arbeitskräfteüberlassung (Tomandl, Betriebsverfassungsrechtliche Fragen der Arbeitnehmerüberlassung, ZAS 2011, 248) – auf die Art des jeweiligen Mitwirkungsrechtes und darauf abzustellen ist, welchen Betriebsinhaber:innen gegenüber dieses geltend gemacht werden kann.

3.
Ergebnis

Die E des OGH bringt Klarheit darüber, dass es kraft der gesetzlichen Anordnung in § 14 Abs 4 EZA-G zu einer Ausstrahlung des ArbVG auch auf die AN der ADA im Ausland kommt. Auch wenn der OGH dabei nicht auf die für die Zugehörigkeit von ausländischen AN zu einem inländischen Betrieb iSd § 34 ArbVG erforderlichen Kriterien eingeht, stellt er doch erneut fest, dass auch im Ausland tätige AN in die österreichische Betriebsverfassung miteinbezogen werden können und dem das für das Betriebsverfassungsrecht grundsätzlich geltende Territorialitätsprinzip nicht entgegensteht.