20

COVID-19-Tests als Teil der Krankenbehandlung?

BIRGITSCHRATTBAUER (SALZBURG)
OGH 22.6.2023 10 ObS 129/22aOLG Graz 11.8.2022 7 Rs 17/22gLG Graz 3.11.2021 7 Cgs 31/21w
  1. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien ist ableitbar, dass COVID-19-Tests nicht auch vom Anspruch auf Krankenbehandlung gem § 133 ASVG erfasst sein können. Die mit § 742 ASVG etablierte Testmöglichkeit für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit SARS-Cov-2 besteht unabhängig bzw losgelöst von einer etwaigen Leistungspflicht der Krankenversicherungsträger.

  2. Die Notwendigkeit der Testungen kann auch nicht mit dem Argument bestritten werden, es gebe weder eine Therapie noch ein wirksames Medikament zur Behandlung einer SARS-Cov-2-Infektion, sodass die Tests bzw deren Ergebnisse von vornherein nicht geeignet seien, sich auf die konkrete Behandlung auszuwirken. Auch der Krankheitsverdacht ist dem Versicherungsfall der Krankheit zuzurechnen, unabhängig davon, ob er sich bewahrheitet oder nicht. Bestehen objektiv diagnostizierbare Symptome, hat der Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der Klärung des Verdachts.

[1] Am 27.10.2020 suchte die Kl über telefonischen Rat ihres Hausarztes Dr. S*, der in keinem Vertragsverhältnis zur bekl Österreichischen Gesundheitskasse steht, abends (außerhalb der Ordinationszeiten) dessen Ordination auf, weil sie tagsüber gehustet und einen schlechten Geschmack im Mund gehabt hatte. In einem [...] vor der Ordination aufgestellten Container erhob Dr. S* zunächst den Lymphknotenstatus der Kl und stellte eine Rötung des Gaumenbogens im Rachen fest [...]. Aufgrund der erhöhten Temperatur (37,4 Grad) war für ihn – auch wegen der angegebenen Veränderungen des Geschmackssinns – ein viraler Infekt naheliegend. Er nahm daher einen Nasenabstrich für einen Antigen-Schnelltest und im gleichen Arbeitsschritt auch einen Rachenabstrich für einen PCR-Test zum direkten Erregernachweis ab. Trotz des negativen Ergebnisses des Antigentests hielt Dr. S* zur genauen Abklärung der klinischen Verdachtslage zusätzlich die Auswertung des PCR-Tests für angebracht und schickte die Kl bis zum Vorliegen des Ergebnisses in Selbstisolation. Am 29.10.2020 langte das negative Ergebnis des PCR-Tests bei Dr. S* ein, der die Kl daraufhin (aufgrund eines „banalen“ viralen Infekts) krank schrieb.

[2] Für die erbrachten Leistungen zahlte die Kl insgesamt 107,50 € an Dr. S*.

[3] Mit Bescheid vom 25.3.2021 stellte die Bekl fest, dass der Kl für die von Dr. S* am 27.10.2020 und 29.10.2020 erbrachten ärztlichen Leistungen eine Kostenerstattung im Ausmaß von 19,41 € gebühre und wies das auf Erstattung weiterer 88,09 € (für den Antigen- und den PCR-Test) gerichtete Mehrbegehren ab.

[4] Mit ihrer Klage begehrt die Kl den Ersatz auch der Kosten des Antigentests und des PCR-Tests von 52 € sA (80 % des in § 3 Abs 1 Z 1 der Verordnung betreffend nähere Bestimmungen über die Durchführung von COVID-19-Tests im niedergelassenen Bereich, BGBl I 2020/453BGBl I 2020/453 [künftig: TestV] vorgesehenen Pauschalbetrags von 65 €). [...]

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[7] Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren [...] statt. [...]

[8] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil höchstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, ob ein Versicherter Anspruch auf Kostenersatz für einen bei einem Wahlarzt durchgeführten COVID-19-Test habe. [...]

[12] In ihrer Revision hält die Bekl an ihrer Ansicht fest, dass COVID-19-Tests keine Krankenbehandlung iSd ASVG seien, sie nur im Auftrag des Bundes tätig werde und der Gesetzgeber Wahlärzte in § 742 ASVG bewusst nicht erwähnt habe. Außerdem seien die Tests für die Erstellung einer Diagnose und die (weitere) Therapie der Kl gar nicht notwendig gewesen, weil die Behandlung mit oder ohne die Testungen ident gewesen wäre. Selbst wenn man dem Standpunkt der Kl folge, enthalte § 742 ASVG eine zulässige Beschränkung der freien 285 Arztwahl. Zudem habe das Berufungsgericht zu Unrecht § 131 ASVG angewandt, weil die in Rede stehende Leistung kein Gegenstand eines Vertragsverhältnisses sei. [...]

[14] 1. Nach dem – seit seiner Einführung mit dem am 1.10.2020 in Kraft getretenen Bundesgesetz BGBl I 2020/105BGBl I 2020/105 in den hier relevanten Passagen unveränderten – § 742 Abs 1 ASVG sind die im niedergelassenen Bereich tätigen Vertragsärztinnen und Vertragsärzte bzw Vertragsgruppenpraxen sowie die selbständigen Vertragsambulatorien für Labormedizin unter den in der TestV genannten Voraussetzungen berechtigt, Tests für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit SARSCoV-2 (COVID-19-Test) durchzuführen.

[15] Die Gesetzesmaterialien (Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses vom 21.9.2020, AB 371 BlgNR 27. GP 2) zu § 742 ASVG führen dazu – auszugsweise – aus:

„Die Bestimmungen der §§ 742 ASVG, 380 GSVG, 374 BSVG und 261 B-KUVG sehen vor, dass die im niedergelassenen Bereich tätigen Vertragsärztinnen und Vertragsärzte bzw. Vertragsgruppenpraxen sowie die selbständigen Ambulatorien für Labormedizin unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sind, Tests für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit SARS-CoV-2 (COVID-19- Test) durchzuführen. [...]Der Krankenversicherungsträger hat für die Durchführung eines COVID-19-Tests für die Probenentnahme sowie für die Dokumentation bzw. für die Auswertung der Probe ein pauschales Honorar zu bezahlen. [...]Auch für die COVID-19-Tests wird gesetzlich vorgesehen, dass der Bund dem jeweiligen Krankenversicherungsträger die ausgewiesenen tatsächlichen Kosten für die zu leistenden Honorare aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds zu ersetzen hat. [...]Ferner beschloss der Gesundheitsausschuss [...] folgende Feststellung:In § 742 ASVG (und Parallelbestimmungen) wird die Verrechenbarkeit von Covid-19-Tests im niedergelassenen Bereich im Wege der Krankenversicherungsträger im übertragenen Wirkungsbereich gegen Kostenersatz durch den Bund und zu einem durch Verordnung festgesetzten Pauschaltarif eingeführt.“

[16] 2. Darauf aufbauend ist der Bekl zuzustimmen, dass § 742 ASVG nicht zuletzt deshalb einen epidemiologischen Hintergrund hat, weil die Bestimmung auf Beratungen des parlamentarischen Gesundheitsausschusses über einen Antrag auf Änderung des EpiG 1950, des TuberkuloseG und des COVID-19-MaßnahmenG zurückgeht (AB 371 BlgNR 27. GP 1). Zu den 2021 in Kraft getretenen §§ 742a und 742b ASVG verweisen die Materialien (Bericht des Gesundheitsausschusses vom 22.2.2021) auch ausdrücklich auf die (damit fortgesetzte) umfassende Teststrategie zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie (AB 673 BlgNR 27. GP 1). Für die darauf basierende Ansicht der Bekl, aus § 742 ASVG folge e contrario, dass COVID-19-Tests niemals Teil einer Krankenbehandlung sein könnten, weil es der Regelung andernfalls nicht bedurft hätte, fehlt jedoch eine Grundlage.

[17] 2.1. Ihr Standpunkt unterstellt zunächst, dass bei den von § 742 ASVG, § 1 Abs 1 TestV erfassten Personen, bei denen wegen Symptomen ein Infektionsverdacht besteht, stets auch eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn vorliegt. Wie sie an anderer Stelle der Revision aber selbst betont, bedarf es für die Erfüllung des Begriffs der Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn neben der Regelwidrigkeit auch der Notwendigkeit ihrer Behandlung [...]. Diese liegt vor, wenn der regelwidrige Zustand ohne ärztliche Hilfe nicht mit Aussicht auf Erfolg behoben, zumindest aber gebessert oder vor einer Verschlimmerung bewahrt werden kann oder wenn die Behandlung erforderlich ist, um Schmerzen oder sonstige Beschwerden zu lindern [...]. Äußert ein Versicherter wegen (subjektiv) als störend empfundener Symptome das Bedürfnis nach ärztlicher Behandlung, obliegt es dem Arzt, festzustellen, wann diese ein Ausmaß erreicht haben, dass Behandlungsbedürftigkeit medizinisch geboten ist (10 ObS 57/16d mwN). Ist das bei Personen, die Symptome einer möglichen Erkrankung an COVID-19 aufweisen, (noch) nicht der Fall, besteht zwar aus epidemiologischer Sicht ein Interesse an einer Testung und der Verhinderung einer weiteren Übertragung des Virus, es liegt aber (noch) keine Krankheit iSd § 120 Z 1 ASVG vor. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass der Krankheitsbegriff des ASVG nicht unbedingt auf alle jene (symptomatischen) Personen zutrifft, die von der verfolgten Teststrategie erfasst werden sollten. Dass der Gesetzgeber mit § 742 ASVG eine überflüssige Regelung geschaffen hätte, wenn ohnedies schon im Rahmen der Krankenbehandlung ein Anspruch auf einen solchen Test bestünde, trifft daher nicht zu.

[18] 2.2. Zudem ist weder aus dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien ableitbar, dass COVID-19-Tests nicht auch von § 133 ASVG erfasst sein können. Erklärtermaßen sollten mit § 742 ASVG die niedergelassenen Vertragsärzte nämlich nur ermächtigt werden, die vom Bund verfolgte Teststrategie für ihn im übertragenen Wirkungsbereich gegen Kostenersatz im Wege der Krankenversicherungsträger umzusetzen (AB 371 BlgNR 27. GP 3). Für die Annahme, dass durch die Schaffung der kostenlosen Testmöglichkeit Leistungsansprüche aus der gesetzlichen KV verdrängt oder abgeändert werden sollten, finden sich keine Anhaltspunkte. Sowohl nach dem keine Einschränkungen und keinen Bezug zur Krankenbehandlung aufweisenden Wortlaut, dem erklärten Ziel der Bestimmung und ihrer systematischen Stellung in den Schlussbestimmungen (Zehnter Teil, Abschnitt II) des ASVG ist § 742 ASVG keine Regelung, die zwingend den Leistungen der KV zuzuordnen wäre. Die mit § 742 ASVG etablierte Testmöglichkeit besteht vielmehr unabhängig bzw losgelöst von einer etwaigen Leistungspflicht der Krankenversicherungsträger. Dass diese im Ergebnis insoweit von ihrer Leis tungspflicht befreit werden, weil im Rahmen des § 742 ASVG erfolgte Testungen häufig auch Teil einer Krankenbehandlung sind, ändert daran nichts. [...] 286

[19] 2.3. Aus denselben Erwägungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, § 742 Abs 1 ASVG schränke den Grundsatz der freien Arztwahl ein. Auch dafür geben weder der Gesetzeswortlaut, die systematische Stellung der Regelung oder die Gesetzesmaterialien tragfähige Hinweise. Aus letzteren lässt sich vielmehr ableiten, dass der Bund durch die Einschränkung auf die Vertragspartner der Krankenversicherungsträger bloß deren bereits vorhandene Verrechnungsstruktur nutzen wollte.

[...]

[21] 3. Nicht zu folgen ist der Bekl auch, wenn sie die Notwendigkeit der Testungen mit dem Argument bestreitet, es gebe weder eine Therapie noch ein wirksames Medikament zur Behandlung einer SARS-CoV-2-Infektion, sodass die Tests bzw deren Ergebnisse von vornherein nicht geeignet gewesen seien, sich auf die konkrete Behandlung der Kl auszuwirken. Sie übergeht dabei, dass auch der Krankheitsverdacht dem Versicherungsfall der Krankheit zuzurechnen ist, unabhängig davon, ob er sich bewahrheitet oder nicht (RS0124982; 10 ObS 67/11t SSV-NF 25/81 ua). Bestehen objektiv diagnostizierbare Symptome, hat der Versicherte somit Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der Klärung des Verdachts [...]. Bei Unklarheit über die Behandlungsbedürftigkeit besteht zunächst ein Anspruch auf die entsprechende Diagnostik (10 ObS 99/08v SSV-NF 23/2 ua). Mit diesen, schon vom Berufungsgericht dargelegten Grundsätzen setzt sich die Revision nicht näher auseinander. Ebenso wenig klärt sie (nachvollziehbar) auf, warum der Ausschluss einer von mehreren möglichen Erkrankungen keinen Einfluss auf die weitere Therapie haben sollte. Eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt sie damit nicht auf.

[22] 4.1. Richtig ist, dass Kosten eines Wahlarztes nicht nach § 131 Abs 1 ASVG ersetzt werden können, wenn die Leistungen nicht Gegenstand eines Vertragsverhältnisses sind [...]. Auf § 131 ASVG hat sich das Berufungsgericht aber nicht gestützt, sondern ausgeführt, dass sich der begehrte Ersatz an den für vergleichbare Pflichtleistungen festgelegten Tarifen zu orientieren habe. Dass der Versicherte insoweit einen Anspruch auf einen Kostenzuschuss hat, wenn eine (neuartige) ärztliche Leistung vertraglich (noch) nicht erfasst ist und daher ein anwendbarer Tarif und [...] auch eine einschlägige Satzungsregelung fehlen, entspricht der stRsp (10 ObS 100/22m; 10 ObS 43/15v SSV-NF 29/35; RS0113972). [...]

[23] 4.2. Gegen die vom Kl angestrebte und vom Berufungsgericht als sachgerecht erachtete Bemessung der Höhe des Ersatzbetrags anhand der Honorarpositionen des § 3 Abs 1 TestV hat sich die Bekl nicht unmittelbar ausgesprochen, sondern auf das degressive Entlohnungsschema der TestV verwiesen. Sie behauptet(e) auch nicht, dass eine Orientierung anhand eines bestehenden Tarifs für vergleichbare Pflichtleistungen für sie günstiger wäre.

[24] 5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht daher der Rechtslage, weshalb der Revision der Bekl nicht Folge zu geben ist.

ANMERKUNG

1.
Einleitung

Der OGH hatte sich in der vorliegenden E mit drei Fragen zu befassen:

  1. Ergibt sich aus der im Zuge der COVID-19-Pandemie eingeführten Sonderregelung des § 742 ASVG, worin (nur) Vertragspartner*innen der Krankenversicherungsträger zur Durchführung von COVID-19-Tests gegen ein durch Verordnung festgesetztes und vom Bund finanziertes Pauschalhonorar berechtigt wurden, dass diese Testungen nicht Teil des Anspruchs der Versicherten auf Krankenbehandlung sein können, sodass keine Kostenerstattung bei Testung durch einen Wahlarzt bzw eine Wahlärztin gebührt?

  2. Kann unter der Prämisse, dass COVID-19-Tests entgegen der Rechtsansicht der Bekl doch vom Krankenbehandlungsanspruch umfasst sein können, die Notwendigkeit der Testung im Einzelfall mit dem Argument verneint werden, dass deren Ergebnis für die konkrete Behandlung der versicherten Person irrelevant war?

  3. Wonach richtet sich im Falle der Bejahung eines krankenversicherungsrechtlichen Anspruchs die Höhe des Kostenzuschusses bei Fehlen einschlägiger Tarifpositionen im Gesamtvertrag?

Inhalt und Begründung der Antworten des OGH in Bezug auf Frage 1 und 3 können grundsätzlich überzeugen; weniger befriedigend sind dagegen die (sehr knappen) Ausführungen zu Frage 2, auf die deshalb im Folgenden besonderes Augenmerk gelegt werden soll.

2.
Keine Ausschlusswirkung des § 742 ASVG

Die Frage der Exklusivität der Sonderregelung des § 742 ASVG hat die österreichische Gerichtsbarkeit – jedenfalls implizit – bereits einmal beschäftigt, und zwar in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Der VwGH hatte in der E Ra 2021/11/0160 vom 22.9.2022 (RdM 2023/16, 67 [Strahberger]) darüber zu entscheiden, ob eine ohne Bedarfsprüfung vorgenommene Bewilligung eines selbständigen Ambulatoriums zur Auswertung von COVID-19-Tests rechtskonform ist. Der VwGH bejahte diese Frage mit der Begründung, dass es sich beim Leistungsangebot des Ambulatoriums aufgrund der in den §§ 742 f ASVG vorgesehenen Finanzierung aus Bundesmitteln (und nicht aus Mitteln der SV) ausschließlich um „sozialversicherungsrechtlich nicht erstattungsfähige Leistungen“ gehandelt habe, für die nach dem Krankenanstaltenrecht keine Bedarfsprüfung erforderlich ist (vgl auf grundsatzgesetzlicher Ebene § 3a Abs 4 Z 2 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz [KAKuG]); ob die Durchführung der Tests ohne diese Sonderregelungen nach § 131 ASVG erstattungsfähig wären, sei nicht relevant. Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass der VwGH jedenfalls für die Geltungsdauer der §§ 742 f ASVG von einer Verdrängungswirkung 287 dieser Regelungen ausgeht, die keinen Raum für eine ergänzende Finanzierung derselben Leistung durch die KV – zB im Wege einer Kostenerstattung bei Testung durch einen nach § 742 ASVG nicht zur Durchführung der Gratistests ermächtigten Wahlarzt – lässt. „Sozialversicherungsrechtlich nicht erstattungsfähige Leistungen“ iSd § 3a Abs 4 Z 2 KAKuG sind nämlich nach herrschender Lehre und Rsp nur solche, die generell nicht auf Kosten der KV – also weder als Sachleistung noch im Wege einer Wahlarztkostenerstattung oder eines Kostenzuschusses – in Anspruch genommen werden können (ausführlich dazu zuletzt mwN Stöger, Bedarfsprüfung für selbständige Ambulatorien: Zur Ausnahme für „sozialversicherungsrechtlich nicht erstattungsfähige Leistungen“, RdM 2023/50, 245). Wäre der VwGH davon ausgegangen, dass die durch § 742 ASVG ermöglichte Testung auf Kosten des Bundes die Option zur Inanspruchnahme derselben Leistung bei einem Wahlarzt gegen Kostenersatz durch die KV unberührt lässt, so hätte er die Notwendigkeit einer Bedarfsprüfung bejahen müssen.

Der OGH kommt im vorliegenden Fall nun aber zum genau gegenteiligen Ergebnis. Die These, dass schon aus der Sonderregelung des § 742 ASVG darauf zu schließen sei, dass COVID-19-Tests nicht zugleich auch Teil der Krankenbehandlung iSd § 133 ASVG sein können, lehnt er mit letztlich überzeugenden Argumenten ab. So weist er zum einen darauf hin, dass der von § 742 ASVG erfasste Personenkreis (symptomatische Personen) weiter ist als jener, der auf Basis des Krankheitsbegriffs des § 120 Z 1 ASVG einen Anspruch auf Krankenbehandlung geltend machen könnte. Das Vorliegen von Symptomen iSe regelwidrigen Körper- oder Geisteszustands ist dafür bekanntlich nicht ausreichend, solange es an der Behandlungsbedürftigkeit fehlt (zB bei bloßem Geschmacksverlust). § 742 ASVG ist also selbst dann nicht überflüssig, wenn für einen Teil der Anspruchsberechtigten alternativ auch eine Testung im Rahmen der Krankenbehandlung in Betracht kommen sollte.

Dazu kommt, dass mit dem kostenlosen Testangebot iSd §§ 742 f ASVG erkennbar ein anderer Zweck verfolgt wurde als jener, der den krankenversicherungsrechtlichen Regelungen zum Krankenbehandlungsanspruch zugrunde liegt. Es ging primär um das epidemiologische Interesse an der Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Krankheit – eine Zielsetzung, die es für die Dauer der Pandemie rechtfertigte, entgegen dem üblicherweise in der KV bestehenden Interesse an einer Vermeidung einer angebotsinduzierten Nachfrage durch den niederschwelligen Zugang zur Testung eine eben solche zu schaffen (idS auch Stöger, RdM 2023/50, 245 [251]).

Und schließlich ist dem OGH auch dahingehend zuzustimmen, dass die konkrete Ausgestaltung des § 742 ASVG ebenso wenig wie die systematische Einbettung dieser Regelung in die Schlussbestimmungen des ASVG für die Annahme spricht, dass der Gesetzgeber in diesem Kontext vom ansonsten in der KV geltenden Grundsatz der freien Arztwahl abgehen wollte – auch wenn eine einfachgesetzliche Beschränkung der freien Arztwahl, die nach § 135 Abs 2 Satz 1 ASVG nur „in der Regel“ gewährleistet sein muss, grundsätzlich möglich ist (vgl mwN Felten in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 135 ASVG Rz 19).

Somit spitzt sich im Ergebnis alles auf die Frage zu, ob bzw unter welchen Voraussetzungen COVID- 19-Tests überhaupt vom Krankenbehandlungsanspruch nach § 133 ASVG umfasst sind. Die praktische Bedeutung dieser Frage ist mit dem Auslaufen der pandemiebedingten Sonderregelungen noch einmal deutlich gestiegen, geht es doch für die KV spätestens mit der Beendigung der Bundesfinanzierung (auch) für die Testung symptomatischer Personen nicht mehr, wie im vorliegenden Fall, um vereinzelte Fälle einer Wahlarztkostenerstattung, sondern um die generelle Finanzierung dieser Tests und damit potenziell um viel Geld. Nach jahrelanger niederschwelliger und vor allem kostenfreier Zugänglichkeit wird sich vermutlich zumindest ein Teil der Patient*innen weiterhin COVID-Tests bei Auftreten einschlägiger Symptome erwarten, auch wenn für die meisten Menschen von einer Infektion mit SARS-CoV-2 mittlerweile keine größere Gesundheitsgefahr mehr ausgeht als von anderen banalen Virusinfekten. Wie weit die Leistungszuständigkeit der KV für diagnostische Leistungen reicht, ist zudem nicht nur bei Verdacht auf COVID- 19, sondern auch bei anderen Erkrankungen von Bedeutung, deren Vorliegen sich durch spezielle Test- und Diagnoseverfahren nachweisen lässt.

3.
COVID-19-Tests als Teil der Krankenbehandlung?

Es besteht in Lehre und Rsp weithin Einigkeit darüber, dass die Erstellung einer Diagnose iSd Abklärung eines objektivierbaren Krankheitsverdachts grundsätzlich vom Krankenbehandlungsanspruch umfasst ist; sie ist Voraussetzung einer jeden den Grundsätzen der ärztlichen Wissenschaft entsprechenden, zielgerichteten und deshalb erfolgversprechenden Behandlung. Der OGH sieht in der „diagnoseabhängigen“ Behandlung folgerichtig ein „Wesensmerkmal der sozialversicherungsrechtlich gedeckten Krankenbehandlung“ (vgl OGH10 ObS 99/08v ZAS 2010/15, 87 [Firlei] = DRdA 2010/45, 482 [Binder]; ebenso bereits OGH10 ObS 145/03aDRdA 2004/41, 456 [Spitzl]). Die Schwelle für einen „Einstieg“ in den Krankenbehandlungsanspruch ist dabei nach zutreffender Lehre und Rsp niedrig anzusetzen; es reicht im Regelfall aus, dass die versicherte Person glaubhaft Symptome benennt, die auf eine behandlungsbedürftige Erkrankung hinweisen (vgl mit zahlreichen Literaturnachweisen OGH 27.1.2009, 10 ObS 99/08v; ebenso OGH10 ObS 72/14gDRdA 2014, 599). Die Notwendigkeit der Krankenbehandlung ist dabei nach stRsp ex ante zu beurteilen (grundlegend OGH10 ObS 14/08v SSV-NF 22/16; zuletzt etwa OGH10 ObS 57/16d SVSlg 65.426; OGH 15.7.2014, 10 ObS 72/14g); die Kosten der Diagnostik sind somit prinzipiell auch dann von der KV zu tragen, wenn sich der Krankheitsverdacht letzten Endes nicht bestätigt, sondern die 288 Untersuchung ergibt, dass (etwa mangels Behandlungsbedürftigkeit) keine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn vorliegt (vgl nur mwN Felten/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 27).

Die Einordnung der Abklärung einer Verdachtsdiagnose auf COVID-19 mittels PCR- oder Antigen- Tests als Teil des Krankenbehandlungsanspruchs scheint somit auf den ersten Blick eine logische Konsequenz dieser Grundsätze zu sein. Etwas mehr Beachtung hätte aber mE der Einwand der bekl Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) verdient, dass dies uU anders zu beurteilen ist, wenn der Test im gegebenen Fall für die Festlegung der weiteren Therapie gar nicht erforderlich ist, weil die Behandlung unabhängig vom Testergebnis dieselbe wäre. Der OGH widmet diesem Argument nur wenige Zeilen und fertigt es unter Berufung auf den Grundsatz, dass bei Unklarheit über die Behandlungsbedürftigkeit ein Anspruch auf die entsprechende Diagnostik bestehe, als nicht geeignet ab, die Beurteilung durch das Berufungsgericht in Frage zu stellen.

Mit dem Einwand der fehlenden Relevanz des Testergebnisses für die weitere Behandlung wird aber mE zu Recht eine wesentliche Grenze des Krankenbehandlungsanspruchs angesprochen. Die in § 133 Abs 2 ASVG normierte Beschränkung der Krankenbehandlung auf das Maß des Notwendigen ist Ausdruck des in der KV zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgebots; unnötige Maßnahmen sollen vermieden werden, um die finanzielle Belastung der Versichertengemeinschaft in Grenzen zu halten und die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung im Rahmen der verfügbaren Mittel zu gewährleisten. „Notwendig“ sind dem OGH zufolge aber nur solche Maßnahmen, die zur Erreichung des Zweckes unentbehrlich oder unvermeidbar sind (zuletzt etwa OGH10 ObS 55/21t ZfG 2021, 101; OGH10 ObS 78/22aDRdA 2023/13, 140 [Engelhart]). Das muss dann aber auch für die der eigentlichen Behandlung vorgelagerte Diagnostik gelten. Diese ist ja nicht Selbstzweck, sondern fällt nur dann als Teil des sozialversicherungsrechtlichen Krankenbehandlungsanspruchs in die Leistungszuständigkeit der KV, wenn sie notwendige Voraussetzung für eine fachgerechte Entscheidung über die im konkreten Fall indizierte Behandlung ist. Eine zB nur zu Präventionszwecken durchgeführte Diagnostik wird im Regelfall nicht von der Leistungspflicht der KV umfasst sein (vgl dazu Firlei, Diagnosekosten und Behandlungsbedürftigkeit der Ausnüchterung bei Alkoholintoxikation, ZAS 2010/15, 87 [91]; Windisch-Graetz, Gynäkologischer Ultraschall auf Kassenkosten? RdM 2019/125, 264). Aber selbst dann, wenn unbestritten ein regelwidriger und behandlungsbedürftiger Zustand vorliegt, ist mE unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht jedes theoretisch mögliche Diagnoseverfahren von der KV zu finanzieren. Eine Diagnostik, deren Ergebnis keinerlei Auswirkungen auf die ärztliche Entscheidung über die nachfolgende Krankenbehandlung hat, kann nicht als „notwendig“ iSd § 133 Abs 2 ASVG angesehen werden. Dies lässt sich am fiktiven Beispiel des Vorliegens zweier unterschiedlicher Verfahren zum Nachweis einer bestimmten Viruserkrankung verdeutlichen, von denen mit der einen nur das Vorliegen bzw Nichtvorliegen einer Infektion überprüft werden kann, während der andere, teurere Test genauere Auskunft über die im konkreten Fall vorliegende Virusvariante liefert. Dabei mag es sich um eine aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht durchaus interessante Zusatzinformation handeln – wenn jedoch kein Unterschied in der Behandlung von Erkrankten mit unterschiedlichen Virusvarianten besteht, übersteigt die Anwendung der kostenintensiveren Testmöglichkeit das Maß des Notwendigen. Anders würde sich die Sachlage darstellen, wenn je nach Virusvariante unterschiedliche Behandlungspfade einzuschlagen wären.

Im gegebenen Fall war nun ohnehin nicht strittig, dass die Kl grundsätzlich einen krankenversicherungsrechtlichen Anspruch auf Abklärung ihrer Krankheitssymptome hatte: Kostenerstattung für die ärztliche Untersuchung wurde seitens der ÖGK ja ohne Weiteres gewährt. Es ging also eigentlich nicht darum, ob die Abklärung des Krankheitsverdachts an sich, sondern ob ein ganz bestimmtes Diagnoseverfahren (noch) vom Krankenbehandlungsanspruch gedeckt ist. Damit setzt sich der OGH aber nicht näher auseinander. Er moniert lediglich, es werde in der Revision nicht nachvollziehbar dargelegt, warum der Ausschluss einer von mehreren möglichen Erkrankungen keinen Einfluss auf die weitere Therapie haben soll. Die bekl ÖGK hatte aber damit argumentiert, dass es zum gegebenen Zeitpunkt ohnehin keine spezielle medikamentöse oder andersgeartete Therapie für COVID-Erkrankte gegeben habe; somit hätte sich die Behandlung bei Vorliegen eines positiven Testergebnisses (jedenfalls bis zum Auftreten etwaiger Komplikationen) nicht von jener im Falle des letztlich diagnostizierten „banalen“ Virusinfekts unterschieden. Insofern stellt sich aber umgekehrt die Frage, was konkret für die Therapierelevanz der Erstellung der Diagnose COVID-19 zum gegebenen Zeitpunkt sprechen soll.

Dass der über spezielle Diagnoseverfahren ermöglichte Ausschluss bestimmter Krankheiten per se von Bedeutung für die Festlegung der weiteren Krankenbehandlung und damit immer von der Leistungspflicht der KV erfasst sein soll, ist in dieser Pauschalität nicht überzeugend. Krankenversicherungsrechtlich relevant ist er klarerweise, wenn je nach Ergebnis unterschiedliche Therapien angezeigt sind. Und das wird ohnehin in den allermeisten Konstellationen der Fall sein. Kann zB aufgrund der Symptome der versicherten Person weder eine bakterielle noch eine virale Erkrankung ausgeschlossen werden, so ist eine Blutuntersuchung zum Ausschluss einer bakteriellen Infektion klarerweise vom Krankenbehandlungsanspruch umfasst, da eine Behandlung mittels Antibiotika nur bei einer bakteriellen Infektion angezeigt, im Falle einer Viruserkrankung dagegen wirkungslos (wenn nicht aufgrund der Problematik zunehmender Antibiotika-Resistenzen aufgrund eines übermäßigen Einsatzes dieser Arzneimittel sogar kontraindiziert) wäre. Für eine „Differentialdiagnose“ 289 bei mehreren in Betracht kommenden Virusarten (handelt es sich bei der fieberhaften Erkältung zB um eine Infektion mit Rhino- oder Adenoviren?) wäre die Leistungspflicht der KV dagegen mE abzulehnen, wenn die Therapie unabhängig vom Ergebnis ohnehin immer gleich ausfallen wird.

Das bedeutet, um dies noch einmal klarzustellen, natürlich nicht, dass es zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Sachverhalts nicht sehr wohl ein berechtigtes Interesse am Ausschluss des COVIDKrankheitsverdachts gegeben hat. Dieses Interesse war aber nicht dem Ziel der Auswahl geeigneter therapeutischer Maßnahmen, sondern primär der Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Krankheit (mit der Gefahr der Ansteckung auch vulnerabler Personen mit hohem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs bei gleichzeitigem Fehlen adäquater Behandlungsmöglichkeiten) und damit einer Zwecksetzung geschuldet, die außerhalb des Aufgabenbereichs der KV liegt. Sofern aus medizinisch-ärztlicher Perspektive nicht doch valide Gründe für die Therapierelevanz des Ausschlusses der COVID-19-Verdachtsdiagnose zum damaligen Zeitpunkt sprechen, erscheint der Einwand der ÖGK somit durchaus berechtigt; zu überlegen wäre allenfalls, ob schon die Tatsache, dass es sich damals noch um eine meldepflichtige Krankheit handelte, eine Zurechnung der Diagnoseerstellung zur Krankenbehandlung rechtfertigt. Dieses Argument wäre dann aber jedenfalls seit dem Wegfall der Meldepflicht wieder obsolet.

Man könnte nun noch ergänzend die Frage stellen, ob die Durchführung von „Corona-Tests“ nicht jedenfalls seit der Verfügbarkeit spezieller COVIDMedikamente vom Krankenbehandlungsanspruch der Versicherten umfasst ist. Die für medizinische Laien öffentlich verfügbaren Informationen zur Behandlung von COVID-19 lassen aber daran zweifeln, dass es darauf eine pauschale Antwort gibt. Auf dem vom BM für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betriebenen öffentlichen Gesundheitsportal gesundheit.gv.atgesundheit.gv.at findet sich zum Stichwort Coronavirus (vgl https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/immunsystem/covid-19-coronavirus.html#wie-erfolgt-die-behandlung-von-covid-19https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/immunsystem/covid-19-coronavirus.html#wie-erfolgt-die-behandlung-von-covid-19, abgerufen am 28.1.2024) die Information, dass sich die „Behandlung“ einer mild verlaufenden COVID-19-Erkrankung im Regelfall – ebenso wie bei anderen „banalen“ Virusinfekten – auf den Rat beschränkt, zuhause zu bleiben und sich zu schonen bzw im Bedarfsfall auf fiebersenkende oder schmerzstillende Medikamente zurückzugreifen. Zwar gibt es mittlerweile speziell für Infektionen mit SARS-CoV-2 entwickelte antivirale Arzneimittel (zB Paxlovid), die einem schweren Krankheitsverlauf vorbeugen können; dass sie nur dann wirksam sind, wenn sie so rasch wie möglich nach Beginn der Infektion verabreicht werden, spricht prima vista für die Notwendigkeit einer frühzeitigen Abklärung von COVID-19-Verdachtsfällen. Allerdings sind die betreffenden Arzneimittel nicht für alle Patient*innen geeignet, sondern nur für die Behandlung bestimmter Risikogruppen indiziert (zB ältere Menschen, Personen mit bestimmten chronischen Erkrankungen, mit einer

Immunschwäche oder mit Übergewicht). Somit ist die sofortige Abklärung des Verdachts einer COVID-Infektion auch nur für diese Patientengruppen von unmittelbarer Bedeutung für die weitere Behandlung und folglich als notwendig iSd § 133 Abs 2 ASVG anzusehen.

Dass die ÖGK offenkundig von ähnlichen Überlegungen ausgeht, ergibt sich aus der im Rahmen der 8. Satzungsänderung (avsv 2023/91) in Anhang 7 aufgenommenen und seit 1.1.2024 wirksamen Kostenzuschussregelung, die den neu eingefügten (gegenüber sonstigen Leistungsansprüchen subsidiären) Anspruch auf Kostenzuschuss für COVID-19-Antigentests in der Höhe von € 5,– pro Versicherungsfall auf jene Versicherten bzw Anspruchsberechtigten einschränkt, die „medizinisch/wissenschaftlich anerkannte Risikofaktoren für die Entwicklung eines schweren Krankheitsverlaufs aufweisen“, sodass „eine Therapie mit dafür zugelassenen Heilmitteln [...] grundsätzlich in Frage kommt“. Die Regelung wäre in dieser Form nicht zulässig, wenn, wie das Urteil des OGH suggeriert, der diagnostische Ausschluss einer COVID-19-Infektion schon für sich genommen als therapierelevant einzustufen wäre.

4.
Zur Höhe der Kostenerstattung bei Fehlen von Vertragstarifen

Basierend auf der These, dass der COVID-19-Test im vorliegenden Fall vom Anspruch der Versicherten auf Krankenbehandlung erfasst war, hatte sich der OGH zuletzt noch mit der Frage der Bemessung des Kostenersatzes für eine Wahlarztleistung zu befassen, für die weder eine explizite Position in der ärztlichen Honorarordnung noch eine Kostenzuschussregelung in der Satzung des zuständigen Krankenversicherungsträgers existiert. Die vom OGH bestätigte Orientierung an der in der TestV festgesetzten Pauschale entspricht der stRsp, wonach sich die Bemessung des Kostenzuschusses für sogenannte „außervertragliche“ Leistungen an den für vergleichbare Pflichtleistungen festgelegten Tarifen zu orientieren hat; hinsichtlich der im Einzelfall zu klärenden Frage, welche Pflichtleistung mit der im konkreten Fall erbrachten Behandlung oder Untersuchung vergleichbar ist, ist dem OGH zufolge auf die Art der Leistungen an sich, also auf Methode und Zweck sowie auf den im Einzelfall erforderlichen Sach- und Personalaufwand abzustellen (grundlegend OGH10 ObS 123/00mDRdA 2001/18, 247 [Resch]). Dabei ist der Vergleich nicht auf Pflichtleistungen desselben Gesamtvertrags beschränkt; so hat der OGH zB schon mehrmals auch eine Orientierung an vergleichbaren Tarifpositionen im Gesamtvertrag eines anderen Krankenversicherungsträgers als zulässig angesehen (zB OGH 26.4.2005, 10 ObS 35/05b; OGH 22.11.2022, 10 ObS 100/22m; OGH 22.6.2023, 10 ObS 65/23s). Im vorliegenden Fall ging es nun zwar um einen Tarif, der überhaupt nicht gesamtvertraglich verhandelt, sondern per Verordnung festgesetzt wurde. Im Hinblick auf die Art der Leistung sowie den Sach- und Personalaufwand erscheint jedoch die Heranziehung der Tarife der TestV – insb mangels 290 Hinweises der bekl ÖGK auf eine geeignetere Alternative – durchaus sachgerecht.

Zukünftig ist vermutlich ohnehin damit zu rechnen, dass auch die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) und die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) dem Vorbild der ÖGK folgen und eigene Kostenzuschussregelungen in ihre Satzungen aufnehmen werden, zumal ab dem Außerkrafttreten des § 742 ASVG (der nach dem Außerkrafttreten der TestV am 30.6.2023 unmittelbar den Honoraranspruch der Vertragspartner für die Vornahme von COVID-19-Tests geregelt hat) ab 1.4.2024 kein unmittelbar einschlägiger Vergleichstarif mehr ersichtlich ist. Strittig könnte dann in Zukunft allenfalls die Rechtskonformität der Höhe des Kostenzuschusses sein, die nach § 131b ASVG unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Krankenversicherungsträgers und auf das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen ist. Wählt man den zuletzt nach § 742 ASVG normierten Pauschalbetrag von € 25,– pro Testung als Referenzwert, so ist im Lichte der einschlägigen Judikatur wohl eher nicht davon auszugehen, dass OGH oder VfGH den derzeit in der Satzung der ÖGK vorgesehenen Zuschuss in der Höhe von € 5,– (bzw 20 % des Referenzwertes) für eine nur fallweise erforderliche und absolut betrachtet nicht besonders teure Leistung beanstanden würden (ausführlich zum Gestaltungsspielraum der Krankenversicherungsträger bei der Festlegung von Kostenzuschüssen nach § 131b ASVG Felten in Mosler [Hrsg], Ärztliches und nichtärztliches Vertragspartnerrecht [2023] 424 f).