38Der OGH klärt einige wichtige Fragen rund um das Homeoffice
Der OGH klärt einige wichtige Fragen rund um das Homeoffice
Im Homeoffice haben AN gegen AG auch Anspruch auf Abgeltung anteiliger Strom- und Heizkosten sowie anteiliger Mietkosten.
Die Höhe des konkreten Aufwandersatzes richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Für Zeiten eines Krankenstands im Homeoffice gebührt grundsätzlich kein Aufwandersatz. Besserstellungen können allerdings in kollektiven Rechtsquellen sowie im Dienstvertrag erfolgen.
[1] Die Kl ist seit 2006 als Angestellte bei der Bekl im Ausmaß von 30 Stunden pro Woche beschäftigt und Mitglied des BR. Im Dienstvertrag wurde „W*“ als Dienstort festgelegt, die Bekl behielt sich nicht das Recht vor, den Dienstort einseitig ändern zu können. Bis zum Beginn des ersten Lockdowns der COVID-19-Krise war die Kl für die Bekl in deren Büroräumlichkeiten in W* tätig.
[2] Seit dem 16.3.2020 arbeitete die Kl über Anweisung der Bekl von zu Hause aus, dies zunächst vorübergehend für die Zeit des „Lockdowns“. Die Wohnung der Kl ist etwa 108 m2 groß, sie umfasst 4 Zimmer, darunter das 36,50 m2 große Wohnzimmer. Die Tätigkeit im Homeoffice musste die Kl im Wohnzimmer verrichten, weil sich dort die beste WLAN-Verbindung befindet und sie kein eigenes Arbeitszimmer hat. Auch der Ehemann der Kl ist immer wieder im Homeoffice tätig. Der Sohn der Kl ist Schüler. Seine „PS 4“ befindet sich im Wohnzimmer, wo er diese auch zum Spielen nutzt. Der Sohn übt und spielt auch auf seiner E-Gitarre im Wohnzimmer. Wenn die Kl im Wohnzimmer arbeitet, müssen die anderen Familienmitglieder meist das Zimmer verlassen, damit sie in Ruhe arbeiten kann.
[3] Aufgrund konzernweiter Vorgaben musste die Bekl den Standort in W* schließen. In einer online durchgeführten Besprechung im April 2020 wurde sämtlichen AN mitgeteilt, dass sie von nun an dauerhaft im Homeoffice arbeiten müssen. Bei Weigerung wurde eine Änderungskündigung in Aussicht gestellt. Die Bekl bot (auch) der Kl den Abschluss einer „Work from Home“-Vereinbarung mit Zahlung eines monatlichen Aufwandersatzes von 250 € brutto für das dauerhafte Arbeiten im Homeoffice an. Die Kl nahm dieses Angebot nicht an und teilte dem Geschäftsführer der Bekl mit, dass für sie aufgrund ihrer häuslichen Gegebenheiten eine dauerhafte Arbeit im Homeoffice nicht möglich sei.
[4] Die Bekl stellte der Kl für die Tätigkeit im Homeoffice einen Laptop, ein Firmenhandy und einen Bürosessel zur Verfügung. Die Kl arbeitete vom 16.3.2020 bis 15.8.2021 durchgehend im Homeoffice, sie erhielt dafür bisher keinen Aufwandersatz. Seit 15.8.2021 befindet sich die Kl im Krankenstand.
[5] Die Kl begehrt nach Ausdehnung die Zahlung von 5.000 € netto, gestützt auf alle erdenklichen Rechtsgründe, insb auf Aufwandersatz, Bereicherung und Schadenersatz. Sie begehrt weiters die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, ihre privaten Wohnräumlichkeiten für die Bekl zur Verfügung zu stellen und dort Arbeitsleistungen für die Bekl zu verrichten. Obwohl sie weder vertraglich zur Arbeit im Homeoffice verpflichtet und ihr diese auf Dauer auch nicht zumutbar sei, sei sie stets arbeitsbereit gewesen und habe ihren privaten Wohnbereich für Betriebszwecke zur Verfügung gestellt, weshalb ihr ein Aufwandersatz von 250 € netto monatlich zustehe. Aufwandersatz in dieser Höhe sei vor dem Hintergrund der Mietpreise für Büromieten an ihrem Wohnort angemessen.
[6] Die Bekl wandte ua ein, dass der Kl kein vertraglicher Anspruch auf Aufwandersatz zustehe, weil sie die entsprechende Vereinbarung nicht unterzeichnet habe. Aufwandersatz in der von der Kl begehrten Höhe bilde nicht ihre tatsächlichen Aufwendungen ab. Seit 15.8.2021 befinde sich die Kl im Krankenstand und verrichte keine Homeoffice- Tätigkeiten, sodass ihr kein Anspruch auf Aufwandersatz zustehe.
[7] Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit 2.092,50 € netto sA sowie dem Feststellungsbegehren statt. Im Umfang der Stattgebung erwuchs sein Urteil unangefochten in Rechtskraft. Das Mehrbegehren von 2.907,50 € netto wies es hingegen ab. Die Kl habe im Zeitraum 16.3.2020 bis 15.8.2021 Arbeitsleistungen für die Bekl im Homeoffice geleis tet. Sie habe Teile ihres Wohnraums und Mobiliars zur Verfügung gestellt, sodass die Bekl – ungeachtet der Beistellung von Betriebsmitteln wie Laptop, Firmenhandy und Bürosessel – analog § 1014 ABGB Aufwandersatz zu leisten habe. Die Festsetzung der Höhe des Aufwandersatzes könne gem § 273 ZPO erfolgen und sei aufgrund der konkreten Situation mit monatlich 135 € netto angemessen. Da sich die Kl seit 15.8.2021 im Krankenstand befinde, gebühre ab diesem Zeitpunkt kein Aufwandersatz.
[8] Das nur von der Kl angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es der Kl 2.227,50 € sA zuerkannte und das Mehrbegehren von 2.772,50 € sA abwies. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass der Kl ein Aufwandersatz von 135 € netto monatlich unter Anwendung des § 273 ZPO als angemessen zustehe. Die Kl begehre die Zuerkennung von Aufwandersatz ab 1.4.2020. Dieser Anspruch stehe ihr bis 15.8.2021 zu, daher 16,5 Monate, sodass sich ein Zuspruch von 2.227,50 € ergebe (16,5 x 135). Die Voraussetzungen für einen Verwendungsanspruch gem § 1041 ABGB lägen nicht vor, weil der der Bekl durch die Arbeit der Kl im Homeoffice entstandene Vorteil weder ohne Zutun noch durch eine versehentliche Handlung der Kl bewirkt worden sei. Die Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rsp zur Bemessung des vom AG dem AN bei Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice zu leistenden Aufwandersatzes fehle.
[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Bekl beantwortete Revision der Kl, mit der 397 sie die gänzliche Stattgebung ihres Begehrens anstrebt.
[10] Die Revision der Kl ist [...] nicht zulässig.
[11] 1.1 Grundsätzlich hat der AG die für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlichen Arbeitsmittel bereitzustellen (Risak, Home Office I – Arbeitsrecht, ZAS 2016/36 [206]; Schrank, Betriebsrisiko und arbeitsrechtliche Wertordnung, ZAS 1985, 8).
[12] 1.2 Stellt der AN selbst Betriebsmittel zur Verfügung, hat er für diesen Aufwand gem § 1014 ABGB einen (Aufwand-)ersatzanspruch gegen den AG (9 ObA 260/92; Auer-Mayer/Dullinger in Köck, Homeoffice § 2h AVRAG [Stand 1.6.2021, rdb. at] Rz 58, Felten, Home-Office und Arbeitsrecht, DRdA 2020, 511 [513]).
[13] 1.3 Für diesen Anspruch ist charakteristisch, dass eine Leistung des AG nicht für die Bereitstellung der Arbeitskraft, sondern zur Abdeckung eines mit der Arbeitsleistung zusammenhängenden finanziellen Aufwands des AN erbracht wird (RS0058475). Er dient grundsätzlich dazu, dem AN einen durch das Arbeitsverhältnis tatsächlich verursachten Mehraufwand auszugleichen (9 ObA 191/90).
[14] 1.4 Die Vorinstanzen sind ohnedies davon ausgegangen, dass beim Homeoffice der Aufwandersatz nicht allein auf die durch das Homeoffice verursachten Mehrkosten beschränkt ist, sondern auch anteilige Strom- und Heizkosten sowie einen Anteil an der Miete umfasst (Auer-Mayer/Dullinger in Köck, Homeoffice § 2h AVRAG [Stand 1.6.2021 rdb.at] Rz 58 mwN Mathy/Trost in Felten/Trost, Homeoffice [2021] 251).
[15] 2.1 Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob es bei der Bemessung eines Anspruchs (hier des Aufwandersatzanspruchs) § 273 ZPO anwenden darf, ist eine verfahrensrechtliche. Wurde zu Unrecht die Anwendbarkeit des § 273 ZPO bejaht oder verneint, muss dies mit Mängelrüge bekämpft werden (RS0040282). Die Kl hat die Anwendung des § 273 ZPO durch das Erstgericht in der Berufung nicht gerügt. Sie wendet sich in der Revision nicht gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ihr ein Anspruch auf Aufwandersatz (analog) § 1014 ABGB zuzubilligen sei, der nach § 273 ZPO ausgemittelt werden könne. Davon hat daher auch der OGH auszugehen (RS0040364 [T5, T7]).
[16] 2.2 Dem Gericht kommt bei Anwendung des § 273 ZPO die Befugnis zu, die Höhe des Anspruchs nach freier Überzeugung festzusetzen (RS0040459). Für die Ausübung des richterlichen Ermessens sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (vgl RS0040494; RS0121220). Es können daher nur gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler der Ermessensentscheidung auch noch in dritter Instanz an den OGH herangetragen werden (RS0007104). Dass die Vorinstanzen bei ihrer Ausmittlung die Grenzen des gebundenen Ermessens überschritten hätten, zeigt die Revision aber nicht auf.
[17] 2.3 Die Revisionswerberin übergeht mit ihrer Argumentation, das Berufungsgericht lasse die anteilige Miete für Bad und WC samt Instandhaltungs- und Reinigungsaufwand außer Acht, dass sie ein Vorbringen zu der von ihr tatsächlich zu bezahlenden Miete nicht erstattet hat (worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat). Sie stellt auch in der Revision eine Berechnung ausgehend von einem „durchschnittlichen“ Mietpreis für eine Wohnung in ihrem Wohnbezirk „inkl. Betriebskosten“ an und setzt sich nicht mit der Argumentation des Berufungsgerichts auseinander, dass bei Heranziehung eines Bruttomietzinses nicht zusätzlich (noch einmal) Betriebskosten herangezogen werden können. Die in diesem Zusammenhang behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens, es fehlten konkrete Feststellungen zu den der Kl konkret auflaufenden Kosten, das Berufungsgericht habe Zahlen „verwendet“, die weder festgestellt noch vorgebracht worden seien, liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der behauptete Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens wegen Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens für Immobilienbewertung wurde in der Berufung nicht geltend gemacht und kann daher in der Revision nicht nachgetragen werden (RS0043111).
[18] 3.1 Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der der Kl gebührende Aufwandersatz entsprechend der vereinbarten Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche zu aliquotieren sei, begegnet die Kl in ihrer Revision mit den Argumenten, sie habe vor Beginn des Lockdowns ein Büro ohne zeitliche Einschränkung zur Verfügung gehabt, sie habe darüber hinaus unabhängig von ihrem Stundenausmaß einen Homeofficebereich für den hier gegenständlichen Zeitraum einzurichten und aufrecht zu erhalten gehabt. Abgesehen davon, dass diese Behauptungen in den oben wiedergegebenen Feststellungen nur teilweise Deckung finden, wird damit keine Unrichtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts aufgezeigt. Auch die weitere Behauptung der Kl, das „provisorisch“ gestaltete Büro im Wohnzimmer sei „dauerhaft eingerichtet“, findet im festgestellten Sachverhalt keine Grundlage, sodass die Revision insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.
[19] 3.2 Eine Benachteiligung hinsichtlich der Entgelt- und Arbeitsbedingungen – die § 19d Abs 6 AZG grundsätzlich erfasst (RS0129111) – hat die Kl nicht behauptet, sodass sie auch mit ihrem Hinweis auf diese Bestimmung keine Unrichtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts aufzeigt.
[20] 4. Aufwandersatz ist kein Entgelt und daher bei der Entgeltfortzahlungspflicht im Krankheitsfall nicht zu berücksichtigen (Karner in Gruber-Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar [41. Lfg] VI.7.1 Rz 30). Die Frage, inwieweit Aufwandsentschädigungen während der Krankheit weiterlaufen, ist der Regelung durch KollV oder Arbeitsvertrag vorbehalten (9 ObA 191/90 mwN). Darauf, dass in dem auf ihr Dienstverhältnis zur Anwendung gelangenden KollV (für Angestellte in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik) ein Anspruch auf Aufwandersatz des AN für Homeoffice im Krankheitsfall vorgesehen wäre, beruft sich die Kl nicht. Zutreffend hat das Berufungsgericht daher einen Aufwandersatzanspruch ab Beginn ihres Krankenstands im konkreten Fall verneint. Zwar mussten auch 398 während des Krankenstands Miete und Betriebskosten weiter bezahlt werden, nach den Feststellungen konnte das Wohnzimmer aber außerhalb der Arbeitstätigkeit der Kl von deren Familie privat genutzt werden. Dass die private Nutzung des Wohnzimmers beeinträchtigt gewesen wäre, weil sich dort auch während des Krankenstands Arbeitsunterlagen und Arbeitsgeräte (Laptop; Firmenhandy) der Kl befunden hätten, wurde nicht vorgebracht und steht nicht fest, sodass auch der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangel des Berufungsverfahrens nicht vorliegt.
[21] 5. Die Kl hat ihr Klagebegehren im Verfahren erster Instanz weiters auf Schadenersatz mit der Begründung gestützt, die Benützung ihres Wohnzimmers als Wohnraum sei infolge der Homeoffice- Nutzung nicht möglich gewesen. Das Erstgericht hat einen Schadenersatzanspruch nicht bejaht. In der Berufung wurde die Anspruchsgrundlage des Schadenersatzes nicht thematisiert, sodass bereits das Berufungsgericht diese Anspruchsgrundlage nicht mehr zu prüfen hatte (RS0043338 [T7, T20, T32]). Für die Überprüfung der Berufungsentscheidung kann nichts anderes gelten, sodass auf den in der Revision behaupteten Schadenersatzanspruch wegen sittenwidriger Überwälzung des AG-Risikos nicht einzugehen ist.
[22] 6.1 Soweit die Revisionswerberin an der Rechtsansicht festhält, § 1041 ABGB könne ihr zur Bemessung eines höheren Aufwandersatzes verhelfen, weil beim Verwendungsanspruch zu berücksichtigen sei, welchen Aufwand an Büroraummiete und Infrastrukturkosten sich der AG erspart habe, ist auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen, wonach § 1041 ABGB nur ergänzende Funktion hat (RS0028050). Er ist im zweipersonalen Verhältnis dann nicht anzuwenden, wenn eine Leistung zur Bereicherung geführt hat, weil in diesem Fall die Bestimmungen über die Leistungskondiktionen nach den §§ 1431 ff ABGB als leges speciales eingreifen (RS0019922; RS0028179 [T9]). Mit diesem Argument setzt sich die Revisionswerberin nicht auseinander.
[23] 6.2 Auf einen Anspruch auf Bereicherung hat sich die Kl zwar im Verfahren erster Instanz gestützt. In der Berufung – und ebenso in der Revision – hat sie aber neben der Anspruchsgrundlage des § 1014 ABGB (Aufwandersatz) ausschließlich einen Verwendungsanspruch gem § 1041 ABGB geltend gemacht, sodass schon aus diesem Grund auf die Frage eines allfälligen Leistungskondiktionsanspruchs nicht weiter einzugehen ist.
[24] Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
[...]
Der OGH und die unterinstanzlichen Gerichte haben in diesem Verfahren durch ihre Entscheidungen zu einigen wichtigen Fragestellungen rund um das Thema Homeoffice „Licht ins Dunkel“ bringen können. Neben vielen verfahrensrechtlichen Themen, auf die in dieser Entscheidungsbesprechung lediglich in untergeordnetem Ausmaß eingegangen wird, wurde Stellung zu den Fragen, ob ohne vertragliche Verpflichtung überhaupt Arbeit im Homeoffice zu leisten ist (2.), in welcher Höhe Aufwandersatz im Homeoffice angemessen ist (3.), ob der gebührende Aufwandersatz bei einer Teilzeitbeschäftigung zu aliquotieren ist (4.) und wie sich Aufwandersatz für das Homeoffice zum Krankenstand verhält (5.), bezogen.
Im gegenständlichen Fall erbrachte die Kl vor Beginn des Krankenstandes von 16.3.2020 bis 15.8.2021 Arbeit im Homeoffice. Soweit ersichtlich, wurde über das Homeoffice zwischen der Kl und der Bekl keine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen. Im Dienstvertrag behielt sich die Bekl nicht das Recht vor, den Dienstort einseitig ändern zu können und wurde vor dem Homeoffice die Arbeitsleistung in den Büroräumlichkeiten der Bekl erbracht. Die Kl teilte der Bekl sogar mit, dass für sie aufgrund ihrer häuslichen Gegebenheiten eine dauerhafte Arbeit im Homeoffice nicht möglich sei. Während die Kl von 16.3.2020 über Anweisung der Bekl von zu Hause aus arbeitete, erfolgte in weiterer Folge die Arbeit im Homeoffice – aufgrund der in Aussicht gestellten Änderungskündigung (vgl Rz 1 bis 4 der E).
Das Erstgericht gab – soweit ersichtlich – dem Feststellungsbegehren statt, wonach die Kl nicht verpflichtet ist, ihre privaten Wohnräumlichkeiten für die Bekl zur Verfügung zu stellen und dort Arbeitsleistungen für die Bekl zu verrichten (vgl Rz 5 und 7 der E).
Diese Feststellung ist insb deshalb interessant, weil sie sich offenbar auf den gesamten Zeitraum von 16.3.2020 bis 15.8.2021 bezieht und weil sich dieser Zeitraum allerdings auf zwei Phasen mit unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen aufteilt. Für den Zeitraum von 16.3.2020 bis 31.3.2021 waren im AVRAG keine expliziten Homeofficeregelungen statuiert. Im Zeitraum von 1.4. bis 15.8.2021 gab es aufgrund des Inkrafttretens des „Homeofficegesetzes“ sehr wohl einschlägige Vorschriften im AVRAG (vgl § 2h AVRAG, welcher gem § 19 Abs 1 Z 49 idF BGBl I 2021/61 mit 1.4.2021 in Kraft getreten ist).
Der Zeitraum von 16.3.2020 bis 31.3.2021 wird im Kontext des Homeoffice in der Literatur aufgrund der damalig herrschenden COVID-19-Krise oftmals auch als „Homeoffice light“ bezeichnet und wird angemerkt, dass – freilich je nach vertraglicher Vereinbarung – auch aus Vernunftgründen eine Arbeitsleistung im Homeoffice selbst bei schlüssiger Vereinbarung zustande kommen konnte (Bremm/Mayr in Resch [Hrsg], Corona-HB Kap 7 Rz 3 mwN). Doch selbst unter Berücksichtigung von „Homeoffice light“ hat das Erstgericht festgestellt, dass keine Homeofficeverpflichtung für die Kl bestand. 399
Für den Zeitraum ab 1.4.2021 legt § 2h Abs 2 AVRAG fest, dass Arbeit im Homeoffice zwischen AN und AG aus Beweisgründen schriftlich zu vereinbaren ist. Die diesbezüglichen Materialien gehen davon aus, dass es sich dabei um kein strenges Schriftformgebot iSv Unterschriftlichkeit handelt und dass die fehlende Schriftlichkeit nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung führt (IA 1301/A 27. GP 4; Auer-Mayer/T. Dullinger in Köck [Hrsg], Homeoffice § 2h AVRAG Rz 109 [Stand 1.6.2021, rdb.at]; Blumencron in Anzenberger/Radner/Rauscher-Kalod [Hrsg], COVID-19 in der Arbeitswelt [2022] 77). Ungeachtet dessen wird von der hL (zB Felten in Felten/Trost [Hrsg], Homeoffice Rz 4.16; Auer-Mayer/T. Dullinger in Köck [Hrsg], Homeoffice § 2h AVRAG Rz 109 [Stand 1.6.2021, rdb.at]) bei fehlender schriftlicher Vereinbarung die relative Nichtigkeit der Homeofficevereinbarung ins Treffen geführt. Gegenständlich wurde zwischen der Kl und der Bekl auch ab dem 1.4.2021 keine schriftliche Homeofficevereinbarung abgeschlossen. Fakt war aber, dass Homeoffice praktiziert wurde. Aus dem Umstand, dass dem Feststellungsbegehren der Kl auf mangelnde Homeofficeverpflichtung vom Erstgericht auch ab dem 1.4.2021 stattgegeben wurde, lässt sich mE schließen, dass dem in § 2h Abs 2 AVRAG festgelegten Schriftformgebot doch eine strengere Bedeutung zukommt, als lediglich jene der Beweisfunktion.
Bereits vor der gegenständlichen E war in der Literatur anerkannt, dass AN im Homeoffice auch ein Aufwandersatz für nicht digitale Arbeitsmittel gebührt. Dazu gehören Aufwendungen für Strom, Heizung, Büroutensilien und insb für die Miete (Blumencron in Anzenberger/Radner/Rauscher- Kalod [Hrsg], COVID-19 in der Arbeitswelt 81). Dass ein Aufwandersatz für die durch das Homeoffice verursachten Mehrkosten – gegenständlich für Strom- und Heizkosten sowie einen Anteil der Miete – tatsächlich gebührt, wurde nunmehr auch im gegenständlichen Verfahren festgehalten (vgl Rz 14 der E).
In welcher Höhe ein derartiger Aufwandersatz gebührt, darüber lässt sich – wie der E zu entnehmen ist – trefflich streiten und kommt es dafür letztlich auf die Umstände des Einzelfalls an. Gegenständlich ging die Bekl ursprünglich davon aus, dass ein monatlicher Aufwandersatz von € 250,– brutto angemessen ist (vgl Rz 3 der E). Dadurch sollten Leistungen wie zB Raumbereitstellung, erhöhte Energiekosten und sonstige Raumnutzung, Beeinträchtigung des privaten Lebensbereichs, ua, pauschal abgegolten werden. Die Kl ging davon aus, dass ihr ein monatlicher Aufwandersatz von € 250,– netto zustehe, dies unter Berücksichtigung, dass sie Homeoffice im 36,5m2 großen Wohnzimmer erbrachte. In der Kalkulation wurden die Strom-, Gas- und Internetkosten der Kl, nicht aber die von ihr zu zahlenden Mietpreise, sondern aktuelle Mietpreise für Büros bzw Wohnungen zugrunde gelegt (OLG Wien8 Ra 47/22y ARD 6852/8/2023).
Ein Sprichwort besagt: „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte.“ Der Dritte war in diesem Fall das Erstgericht, das den der Kl gebührenden Aufwandersatz letztlich unter Berücksichtigung des § 273 ZPO durch die freie richterliche Betragsschätzung mit einer monatlichen Höhe von € 135,– als angemessen festsetzte.
ME ist der gegenständliche Zuspruch von Aufwandersatz dem Grunde nach verallgemeinerungsfähig (aA Hitz, Homeoffice: Aufwandersatz, Arbeitszeiterfassung und Versetzung, ASoK 2024, 47 [48]). Selbst wenn sich der Anspruch auf § 1014 ABGB stützen sollte, also auf eine grundsätzlich dispositive Norm, unterliegt die Abbedingung einer Sittenwidrigkeitskontrolle (Blumencron in Anzenberger/Radner/Rauscher-Kalod [Hrsg], COVID-19 in der Arbeitswelt 81) und wäre mE eine Abbedingung unzulässig, zumal dadurch primäre Pflichten des AG (wie zB die Beistellung von geeigneten Arbeitsplätzen, etc) und das wirtschaftliche Risiko des AG in unzulässiger Weise auf den AN überwälzt werden würden.
Im zugesprochenen Betrag blieb allerdings letztlich unberücksichtigt, dass auch der Ehemann der Kl und der Sohn der Kl Nachteile durch das Homeoffice erlitten haben. Immerhin mussten diese Familienmitglieder meist das Wohnzimmer verlassen, wenn die Kl Homeoffice verrichtete. Damit konnte der Sohn der Kl seltener seinen ansonsten im Wohnzimmer ausgeübten Hobbies, wie Computer spielen und E-Gitarre spielen, nachgehen (vgl Rz 2 der E).
Mangels einschlägigen Vorbringens wurde auch die Frage, ob auch anteilige Miete für Badezimmer und Toilette samt Instandhaltungs- und Reinigungsaufwand zum Aufwandersatz für Arbeiten im Homeoffice gebührt, offen gelassen (vgl Rz 17 der E). Letztlich sollten aber auch derartige Aufwendungen einen Anspruch auf Aufwandersatz mit sich bringen, zumal es sich dabei um Aufwendungen handelt, die mit der Erbringung der Arbeitsleistung untrennbar verbunden sind.
Ebenso ist anzudenken, ob auch Kosten für Trinkwasser oder für alkoholfreie Getränke im Homeoffice als Aufwandersatz beansprucht werden können. Verrichtet der AN im Betrieb des AG seine Arbeitsleistung, ist der AG gem § 27 Abs 9 ASchG für deren Zurverfügungstellung verantwortlich (Schneeberger in Heider/Schneeberger, ArbeitnehmerInnenschutzgesetz7 [2017] § 27 ASchG Rz 1).
Im gegenständlichen Fall war die Kl Teilzeit im Ausmaß von 30 Stunden pro Woche bei der Bekl beschäftigt (vgl Rz 1 der E). Der der Kl gebührende Aufwandersatz wurde entsprechend der vereinbarten Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche aliquotiert. Den Argumenten, der Kl zur Durchsetzung des Aufwandersatzes auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung wurde nicht gefolgt. Dies aber – soweit ersichtlich – weniger aus inhaltlichen Gründen als mehr aus prozessualen Gründen. Die Behauptungen der Kl, sie habe vor Beginn des Lockdowns ein 400 Büro ohne zeitliche Einschränkung zur Verfügung gehabt, sie habe darüber hinaus unabhängig von ihrem Stundenausmaß einen Homeofficebereich für den hier gegenständlichen Zeitraum einzurichten und aufrecht zu erhalten gehabt und die weitere Behauptung, das „provisorisch“ gestaltete Büro im Wohnzimmer sei „dauerhaft eingerichtet“, fanden in den Sachverhaltsfeststellungen nicht oder nur zum Teil eine Deckung. § 19d Abs 6 AZG wurde als Anspruchsgrundlage von der Kl gar nicht bemüht (vgl Rz 18 und 19 der E).
Gem § 19d Abs 6 AZG dürfen teilzeitbeschäftigte AN wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten AN nicht benachteiligt werden, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Im Arbeitsrecht wird dem Sachlichkeitsgebot idR dann entsprochen, wenn dem Teilzeitbeschäftigten Leistungen nach dem Grundsatz pro rata temporis berechnet und zugestanden werden (Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein [Hrsg], Arbeitszeitgesetz7 [2021] § 19d Rz 111). Prima vista war daher die Aliquotierung des der Kl zustehenden Aufwandersatzes entsprechend der vereinbarten Arbeitszeit auf 30 Stunden in Ordnung (zur Berechnung vgl OLG Wien 8 Ra 47/22y ARD 6852/8/2023). Wäre allerdings tatsächlich der Beweis gelungen, dass das Homeoffice über die 30 Stunden hinaus eingerichtet war, wäre die Aliquotierung meiner Meinung nach nicht berechtigt. Für andere Verfahren gilt daher: Umso mehr Arbeitsunterlagen, elektronisches Equipment und Büroausstattung für das Homeoffice benötigt werden und zu einer dauerhaften Einrichtung des Homeoffice führen, umso weniger wird es dem AN zumutbar sein, die Räumlichkeiten privat zu nutzen und umso eher lässt sich dann die Aliquotierung hintanhalten.
Während der fortdauernden Homeofficesituation erkrankte die Kl und war ab 15.8.2021 im Krankenstand (vgl Rz 4 der E). Es stellte sich sohin die Frage, ob auch für die Dauer des Krankenstands ein Aufwandersatz gebührt. Im Ergebnis entschied der OGH, dass der Aufwandersatz kein Entgelt darstellt und daher bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht zu berücksichtigen ist (vgl Rz 20 der E).
Unberücksichtigt blieb, weil dies nicht vorgebracht wurde, dass der anwendbare IT-KollV offenbar einen Anspruch auf Aufwandersatz der Kl für Homeoffice im Krankheitsfall vorgesehen hat (vgl Rz 20 der E).
Die Entscheidung kann in diesem Punkt jedenfalls als Aufruf an die Kollektivvertragspartner verstanden werden, im KollV zu regeln, wie sich der Aufwandersatzanspruch für das Homeoffice im Krankheitsfall verhält. Gem § 97 Abs 1 Z 21 iVm § 97 Abs 2 Z 27 ArbVG könnten einen derartigen Aufwandersatzanspruch im Krankheitsfall auch die Betriebspartner in einer freiwilligen BV regeln. 401