Kietaibl/Turrini (Hrsg)Alles compliant am Arbeitsplatz?

Verlag des ÖGB, Wien 2023, 104 Seiten, broschiert, € 36,–

JOHANNA HELENENADERHIRN (LINZ)

Ausweislich des Vorworts von Günther Goach (Präsident der AK Kärnten) war Zielsetzung des 48. Praktikerseminars an der Universität Klagenfurt am 2.12.2022, dessen schriftliche Fassung hier vorliegt, Grenzen von Compliancemaßnahmen und algorithmenbasierten Personalentscheidungen aufzuzeigen und die entsprechenden Mitwirkungsrechte der Belegschaft darzustellen. Diesen Zielsetzungen werden die AutorInnen Conrad Greiner (Universität Klagenfurt, nunmehr WU Wien), Erika Kovács (WU Wien) und Eva-Maria Sobej (AK Kärnten) jedenfalls gerecht.

Der Beitrag von Conrad Greiner widmet sich ausgewählten Fragestellungen zu betriebsverfassungsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Aspekten algorithmenbasierter Personalentscheidungen. Am Beginn steht eine Klarstellung der Begrifflichkeiten. Ein Algorithmus wird als Reihe von festgelegten Regeln zur Bewältigung bestimmter Aufgaben verstanden. Als algorithmische Personalentscheidungssysteme bezeichnet man häufig Computerprogramme, die AG durch den Einsatz von Algorithmen bei Personalentscheidungen unterstützen sollen. Der erste Hauptteil des Beitrags widmet sich betriebsverfassungsrechtlichen Aspekten. Wichtig ist dabei die Feststellung des Autors, dass sich mit den altbewährten Vorschriften – wie so oft – auch die Herausforderungen, die der Einsatz algorithmischer Personalentscheidungssysteme mit sich bringt, gut lösen lassen. Schwerpunktmäßig wendet sich Greiner § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG zu. Zutreffend ist die Feststellung, dass algorithmische Personalentscheidungssysteme grundsätzlich diesem Betriebsvereinbarungstatbestand unterstellt werden können. Breiten Raum nimmt die Frage ein, ob auch die Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Bewerberdaten unter diesen Tatbestand subsumiert werden kann. § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG spricht ja von Daten „des Arbeitnehmers“. Greiner kommt hier ua mit Verweis auf § 96 Abs 1 Z 2 ArbVG (der nach hA auch Einstellungsfragebögen erfasst, vgl dazu statt vieler mwN Geist, Zur Geltung von Betriebsvereinbarungen für Nicht-ArbeitnehmerInnen, in Felten/Trost [Hrsg], 50 Jahre Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Johannes Kepler Universität Linz [2017] 43) und historischen Argumenten zum Schluss, dass sich § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG auch auf entsprechende Bewerberdaten bezieht. Die Zustimmung des BR ist nur dann nach § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG erforderlich, wenn die betreffenden Systeme über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person und fachlichen Voraussetzungen hinausgehen. Zustimmungsfrei ist nach hA bloß die Ermittlung dieser Angaben, nicht aber deren Verarbeitung oder Übermittlung. Nach Ansicht von Greiner sprechen jedoch teleologische Erwägungen dafür, die Zustimmungsfreiheit zumindest auch auf einfache Verarbeitungsschritte, wie etwa das Abspeichern, zu erstrecken, da sonst für die Ausnahme des § 96a Abs 1 Z 1 S 1 HS 2 ArbVG kaum ein Anwendungsbereich verbleiben würde. Die Rezensentin hat bereits an anderer Stelle ausgeführt (in Strasser/Jabornegg/Resch407 [Hrsg], ArbVG § 96a Rz 16 und 30, Stand 1.12.2012, rdb.at), dass mit den heute gebräuchlichen technischen Systemen eine Datenermittlung ohne Erfassung und Speicherung der Daten nicht recht vorstellbar ist und es daher angezeigt erscheint, im Bereich des § 96a ArbVG unter „Ermittlung“ (und das gilt auch für die Ausnahmebestimmung des § 96a Abs 1 Z 1 S 1 HS 2 ArbVG) auch das Erfassen und Speichern der Daten zu verstehen, weshalb mit Greiner davon auszugehen ist, dass auch das Abspeichern der entsprechenden Daten zustimmungsfrei ist.

Am Schluss des betriebsverfassungsrechtlichen Teils geht der Autor der Frage nach, ob der BR durch Ausübung seiner Informations- und Überwachungsrechte insb nach §§ 89 und 91 ArbVG die Offenlegung des Algorithmus erreichen kann. Er kommt dabei zum Ergebnis, dass § 89 ArbVG dazu eher nicht geeignet ist. Der BR müsse nicht wissen, wie der Algorithmus funktioniert, um die datenschutzrechtliche Zulässigkeit des eingesetzten algorithmischen Personalentscheidungssys tems beurteilen zu können. Im Einzelfall wird es oft nicht leicht sein, zu beurteilen, ob die Kenntnis des Algorithmus dafür erforderlich ist. Zutreffend ist jedenfalls der Hinweis des Autors, dass die Offenlegung des Algorithmus notwendig sein kann, um die Einhaltung der Gleichbehandlungsvorschriften zu überwachen.

Einer Verpflichtung, den Algorithmus nach § 91 Abs 2 ArbVG offenzulegen, könnte nach Greiner entgegengehalten werden, dass dem BR durch diese Regelung bloß eine Beurteilung allfälliger Mitwirkungsrechte ermöglicht werden solle (wofür eine Kenntnis der Funktionsweise des Algorithmus nicht notwendig sei). Ein solcherart eingeschränkter Zweck des § 91 Abs 2 ArbVG geht jedoch zumindest aus den Gesetzesmaterialien nicht hervor, vielmehr ist dort nur davon die Rede, dass diesem Recht große Bedeutung gerade im Zusammenhang mit der Einführung neuer Technologien zukomme. Der BR solle auch das Recht der Überprüfung der Grundlagen für die Verarbeitung und Übermittlung haben. Dies könne auf verschiedene Weise erfolgen, insb durch Einsicht in die Programmdokumentation (IA 205/A 16. GP Erläut 2, 4). Der Zweck des § 91 ArbVG insgesamt wird darin gesehen, dem BR die für die Interessenvertretung der AN notwendigen Informationen über die von ihm vertretenen AN und deren Arbeitsbedingungen zu geben. Es soll ihm zudem gleichzeitig die Möglichkeit geboten werden, auf betriebliche Entwicklungen rechtzeitig zu reagieren, diesbezügliche Auswirkungen abzuklären und Vorschläge zu erstatten (vgl nur Drs in Strasser/Jabornegg/Resch [Hrsg], ArbVG § 91 Rz 3 mwN, Stand 1.9.2015, rdb.at).

Im datenschutzrechtlichen Teil des Beitrags widmet sich Greiner in erster Linie Art 22 DSGVO. Dieser wirft mannigfaltige Fragen auf. Gemäß dessen Abs 1 hat die betroffene Person „das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung [...] beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt“. Die von Greiner aufgeworfene Frage, ob damit vollautomatisierte Einzelentscheidungen von vornherein grundsätzlich verboten werden oder die betroffene Person einer solchen Entscheidungsfindung zuerst aktiv widersprechen muss, hat der EuGH nun in der Rs C-634/21 (OQ gegen Land Hessen, Beteiligte: SCHUFA Holding AG, ECLI:EU:C:2023:957, ecolex 2024, 191 [Kern]) im ersteren Sinne geklärt (Rz 52; vgl auch SA des GA Pikamäe Rz 31).

Greiner stellt dar, dass (algorithmenbasierte) Personalentscheidungen nur dann von Art 22 Abs 1 DSGVO erfasst sind, wenn sie ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhen. Er folgt mit Blick auf den Zweck der Bestimmung der Ansicht, dass nicht jedes menschliche Eingreifen iS einer bloß formalen Einbindung eines Menschen in den Entscheidungsprozess die Ausschließlichkeit zu beseitigen vermag. Vielmehr sei zu fordern, dass die getroffene Entscheidung auf eine natürliche Person und nicht auf eine Maschine zurückzuführen ist. Weiters wird auf die Ausnahmetatbestände des Art 22 Abs 2 DSGVO eingegangen. Nach diesen gibt es Fälle, in denen vollautomatisierte Personalentscheidungen ausnahmsweise zulässig sind. Hierbei kommt im gegenständlichen Kontext vor allem der Ausnahmetatbestand nach lit a in Betracht („wenn die Entscheidung für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen erforderlich ist“). Dies wird in erster Linie dann angenommen, wenn für eine ausgeschriebene Stelle sehr viele Bewerbungen eingehen. Nach dem Autor ist ausschlaggebend, ob die Bearbeitung durch natürliche Personen einen unvertretbaren Aufwand zur Folge hätte. Überlegungen zu den Informationsund Auskunftsrechten des betroffenen AN runden den informativen Beitrag von Greiner ab. Die E des EuGH in der Rs OQ gegen Land Hessen lässt erahnen, dass hier wohl der EuGH noch öfter am Wort sein wird. Der EuGH sah eine „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ iSd Art 22 DSGVO als vorliegend an, wenn ein auf personenbezogene Daten zu einer Person gestützter Wahrscheinlichkeitswert in Bezug auf deren Fähigkeit zur Erfüllung künftiger Zahlungsverpflichtungen durch eine Wirtschaftsauskunftei automatisiert erstellt wird, sofern von diesem Wahrscheinlichkeitswert maßgeblich abhängt, ob ein Dritter, dem dieser Wahrscheinlichkeitswert übermittelt wird, ein Vertragsverhältnis mit dieser Person begründet, durchführt oder beendet. Dieses Urteil kann durchaus auch arbeitsrechtliche Folgen haben. Wie der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit zu diesem Urteil darlegt (https://datenschutz-hamburg.de/news/auswirkungen-des-schufa-urteil-auf-ki-anwendungenhttps://datenschutz-hamburg.de/news/auswirkungen-des-schufa-urteil-auf-ki-anwendungen, abgefragt am 4.3.2024), werden auch KI-Systeme häufig eingesetzt, um vorbereitende Entscheidungsgrundlagen zu entwerfen. Diese computergenerierten Vorschläge (der Datenschutzbeauftragte nennt hier explizit die Vorsortierung von Bewerbungen durch KI [Künstliche Intelligenz]) könnten nach den Maßstäben des EuGH bereits als eigenständig einzustufen sein, wenn sie im Entscheidungsprozess eine maßgebliche Rolle spielen. Dem Urteil entsprechend müssten nach den Ausführungen des Datenschutzbeauftragten solche KI-basierten Bewertungen mit einer menschlichen Beurteilung verknüpft werden, was Anwendende jedoch vor einige Herausforderungen stelle. Um es mit dem Datenschutzbeauftragten auszudrücken: Das letzte Wort hat der Mensch! Zu ergänzen ist: Und das ist gut so!

Der Beitrag von Erika Kovács trägt den Titel „Auswirkung und Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie in Österreich“. Die Autorin hat sich mit diesem Themen 408

bereich bereits in mehreren Abhandlungen ausführlich beschäftigt und so enthält ihr Beitrag im vorliegenden Werk leicht überarbeitete Teile davon (FN 1). In Umsetzung der Whistleblowing-RL hat der österreichische Gesetzgeber mit BGBl I 2023/6 das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) erlassen, welches am 24.2.2023 kundgemacht wurde. Der Beitrag von Kovács bezieht sich naturgemäß noch auf den Ministerialentwurf zum HSchG bzw den Initiativantrag (IA) vom 15.12.2022. Die Autorin geht zunächst auf den vom HSchG erfassten Personenkreis ein. Wichtig ist der Hinweis, dass die Eigenschaft als Hinweisgeber nur besteht, wenn die Person die Information über eine Rechtsverletzung im beruflichen Kontext erlangt hat (vgl auch § 2 Abs 1 HSchG). Kovács nennt etwa das Beispiel einer Person, die bei einem Besuch am Arbeitsplatz eines Freundes von der Verwendung umweltschädlicher Produktionstechniken Kenntnis erlangt. Diese Person unterliegt nicht dem Schutz des HSchG, weil ihr die berufliche Verbindung fehlt. Es sind aber im Lichte des § 2 Abs 3 Z 1 und 2 HSchG Konstellationen denkbar, in denen auch eine solche Person Schutz genießen kann, etwa wenn sie die betreffenden Informationen beim Besuch am Arbeitsplatz des Freundes gemeinsam mit diesem mitgehört hat und den Freund in der Folge bei der Hinweisgebung unterstützt oder diesen zwar nicht unterstützt, jedoch sonst von nachteiligen Folgen der Hinweisgebung betroffen sein kann. Aus Sicht von Kovács (so zB auch Skorjanc, ecolex 2024, 7; Kühteubl/Komarek, ZAS 2023, 52 verweisen ua auf die Fürsorgepflicht des AG, die diesen auch in Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern bei Meldung eines Rechtsverstoßes durch AN zur unverzüglichen Aufklärung verpflichte) ist es unionsrechtlich problematisch, dass das HSchG den Anwendungsbereich auf Hinweisgeber einschränkt, die in Unternehmen oder in juristischen Personen des öffentlichen Sektors mit mindestens 50 AN oder Bediensteten eine Rechtsverletzung aufdecken wollen (§ 3 Abs 1 HSchG; unabhängig von der Zahl der AN bzw Bediensteten gilt das HSchG grundsätzlich nur für Rechtsverletzungen im Bereich der Vorschriften, die in den Teilen I.B und II des Anhangs zur Whistleblowing-RL aufgezählt sind, vgl Abs 2).

Zum sachlichen Geltungsbereich merkt die Autorin an, dass nach der RL nur Verstöße gegen bestimmte unionsrechtliche Vorschriften zwingend erfasst werden müssen. Somit werden lediglich Mindeststandards festgelegt, es liegt daher im Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten, auch Rechtsverstöße gegen weitere nationale Vorschriften in den sachlichen Geltungsbereich des HSchG einzubeziehen. Der Autorin ist zu folgen, dass die vom österreichischen Gesetzgeber gewählte Umsetzungstechnik (taxative Aufzählung der Bereiche in § 3 Abs 3 HSchG, aus denen die „angezeigte“ Rechtsverletzung vor allem stammen muss, damit der Schutz des HSchG gegeben ist) zu begrüßen ist. Für viele bedeutsame Rechtsverletzungen (auch aus dem Bereich des Arbeitsrechts) kommt das HSchG jedoch nicht zur Anwendung. Hier muss man sich mit anderen rechtlichen Instrumenten behelfen, um Hinweisgeber vor Repressalien zu schützen (Motivkündigungsschutz, Sittenwidrigkeit etc, vgl in diesem Zusammenhang Niksova in FS Pfeil [2022] 246 mwN sowie zur Rsp des EGMR zu Art 10 EMRK [vor allem Rs Guja] dies in FS Pfeil 241 ff mwN; jüngst Flatscher, DRdA 2024, 28 ffzur Rs Halet gegen Luxemburg). In der Folge setzt sich Kovács mit dem Begriff der Rechtsverletzung – welcher nunmehr in § 5 Z 12 HSchG definiert ist – und dessen Unschärfen auseinander. Danach widmet sie sich den internen Meldekanälen, die in Unternehmen und juristischen Personen des öffentlichen Sektors mit mindestens 50 AN oder Bediensteten einzurichten sind. Sie weist in diesem Zusammenhang auf diverse Problematiken des HSchG hin, etwa dass dieses Gesetz keine Sanktion für die Nichteinhaltung der Einrichtungspflicht vorsieht. Von wesentlicher Bedeutung sind die Ausführungen zum Verhältnis der internen und externen Meldekanäle. Die RL sieht die gleichrangige Verwendung der internen und externen Meldekanäle vor. Allerdings sollen die nationalen Regelungen so ausgestaltet werden, dass die Hinweisgeber vorwiegend die internen Hinweisgebersysteme in Anspruch nehmen (vgl näher Art 7 Abs 2 der RL). Im HSchG finden sich entsprechende Regelungen, die von der Autorin beleuchtet werden. Die von ihr zu Recht als problematisch angesehene Bestimmung des § 17 Abs 4 HSchG idF des Ministerialentwurfes (ME) (der externe Meldekanal soll ermitteln, inwieweit der Hinweisgeber den Hinweis einer internen Meldestelle gegeben hat oder hätte geben können; je nach Ergebnis dieser Ermittlung ist mit dem Hinweisgeber die Zweckmäßigkeit einer vorhergehenden Inanspruchnahme eines internen Hinweisgebersystems zu erörtern), findet sich – soweit ersichtlich – im Gesetz gewordenen HSchG nicht mehr.

Der – im ME noch anders vorgesehene – Begriff der „Veröffentlichung“ wird nunmehr in § 5 Z 15 als „Hinweisgebung durch öffentliches Zugänglichmachen eines Hinweises“ definiert. Zu Recht gilt die Veröffentlichung als Ultima-Ratio-Mittel, wobei die Voraussetzungen für eine zulässige Veröffentlichung in § 14 Abs 2 HSchG genannt sind.

Einen Kern der Thematik bildet der individualrechtliche Schutz der Hinweisgeber. Gem § 6 Abs 1 letzter Satz HSchG setzt der Schutz voraus, dass die Hinweisgeber zum Zeitpunkt des Hinweises auf Grundlage der tatsächlichen Umstände und der ihnen verfügbaren Informationen hinreichende Gründe dafür annehmen können, dass die von ihnen gegebenen Hinweise wahr sind und in den Geltungsbereich des HSchG fallen. Die AG sind natürlich vor offenkundig bzw wissentlich falsch gegebenen Hinweisen zu schützen, was (auch) durch § 6 Abs 4 und § 24 Z 4 HSchG erfolgt. Ein kleiner Fehler findet sich auf S 58, wenn dort ausgeführt wird, dass § 23 HSchG eine Maßnahme nur dann als Vergeltung definiere, wenn „bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes Motiv für die Maßnahme ausschlaggebend war“. Ist dies der Fall, ist diese Maßnahme – auch nach dem Wortlaut des § 23 Satz 2 – gerade nicht als Vergeltung zu werten. In § 20 HSchG findet sich eine demonstrative Liste verbotener Repressalien. Ausweislich der Materialien (AB 1921 BlgNR 27. GP 17) enthält Abs 1 reversible Vergeltungsmaßnahmen, die für rechtsunwirksam erklärt werden und gegebenenfalls Schadenersatzansprüche auslösen können. Abs 2 enthält dagegen Vergeltungsmaßnahmen, die zum Teil oder gänzlich nicht rückgängig gemacht werden können. Diese sollen in erster Linie Schadenersatzansprüche begründen. Die normierte Rechtsunwirksamkeit von Kündigungen ist – und das hätte man eventuell 409 klarstellen können – selbstredend so wie auch in allen anderen Fällen rechtsunwirksamer Kündigungen (§ 879 ABGB) eine bloß „relative“ Nichtigkeit, auf welche sich natürlich nur der AN und nicht auch der AG berufen kann. Jedenfalls sind – im Gegensatz zum ME – nunmehr in § 20 Abs 1 Satz 2 HSchG auch für die reversiblen Vergeltungsmaßnahmen Schadenersatzansprüche normiert. An der Beweislastregelung des § 23 HSchG wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren Kritik geübt und hegt auch die Lehre Zweifel an deren Richtlinienkonformität (Kovács 59 f, Kühteubl/Komarek, ZAS 2023, 56 f). In den Materialien (210/ME 27. GP Erläut 13; AB 1921 BlgNR 27. GP 18) ist vom Vollbeweis durch den Bekl die Rede und wird die Beweislastproblematik offenbar erkannt, was jedoch im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden hat (zur Möglichkeit einer richtlinienkonformen Interpretation vgl Kühteubl/Komarek, ZAS 2023, 57). Ausführungen zu anonymen Meldungen und ein Fazit runden den Beitrag ab, der vielfältige Fragestellungen und Probleme des HSchG aufzeigt, deren Betrachtung im Detail ein ganzes Buch füllen würde. Die von Kovács geäußerte Hoffnung, dass die endgültige Fassung des HSchG zumindest einige der im Beitrag aufgezeigten Schwächen und Probleme ausräumen wird, wurde zum Großteil nicht erfüllt. Mit Skorjanc (ecolex 2024, 9) darf aber die Hoffnung geäußert werden, dass spätestens im Rahmen der für das Jahr 2026 vorgesehenen Evaluierung des HSchG eine Anpassung der identifizierten Problembereiche erfolgen wird.

Im Beitrag von Eva-Maria Sobej geht es um Grenzen und Spannungsverhältnis zwischen unzulässiger Überwachung und zulässiger Kontrolle im Arbeitsverhältnis. Vorab ist anzumerken, dass in den Zitierungen gelegentlich Fehler vorkommen, zB „Neumayer“ statt „Neumayr“ (FN 18), „Kotschny“ statt „Kotschy“ (FN 39). Susanne Mayer (nunmehr: Auer-Mayer) wird in FN 32 richtig mit Mayer zitiert, in FN 48 mit derselben Abhandlung jedoch als S. Mayr. Das Lehrbuch von Löschnigg, Arbeitsrecht, wird teilweise in der aktuellen 13. Auflage zitiert, teilweise jedoch in der 11. Auflage (FN 48, 57), obwohl sich die zitierten Aussagen in der 13. Auflage unverändert finden. Das Lehrbuch Arbeitsrecht von Marhold/Friedrich ist in FN 49 mit derselben Fundstelle doppelt zitiert und überdies in einer alten Auflage (nunmehr Marhold/Brameshuber/Friedrich). In FN 21 ist ein Werk mit „Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG3 (2008)“ zitiert. Betrachtet man die Zitierungen dieses Werks inhaltlich, ist hier offenbar das Buch von Strasser/Jabornegg, Arbeitsverfassungsgesetz samt Durchführungsverordnungen, gemeint, welches allerdings aus dem Jahr 1999 stammt und überdies korrekt in FN 48 zitiert wird. Die umfangreiche Kommentierung von Jabornegg zu § 96 ArbVG in Strasser/Jabornegg/Resch [Hrsg], ArbVG (Stand 1.12.2012, rdb. at), wird – soweit überblickbar – nicht berücksichtigt. Die angesprochenen Punkte tun dem Umstand jedoch keinen Abbruch, dass die Abhandlung von Sobej einen guten Überblick über die Rechtslage zum genannten Themenbereich bietet. Zu Beginn setzt sich die Autorin mit dem Begriff „Compliance“ auseinander. Danach wird der Tatbestand des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG anhand von Judikatur und Lehre dargestellt. Auf den S 74 f grenzt die Autorin Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde nicht berühren, von jenen ab, die diese sogar verletzen.

In der Folge geht es um die Einführung von Personalfragebögen. Hier ist der Tatbestand des § 96 Abs 1 Z 2 ArbVG einschlägig. Wichtig ist der Hinweis der Autorin, dass Fragen, die nach allgemeinen Grundsätzen unzulässig sind, auch nicht durch BV zulässig, also zum Gegenstand einer Antwortpflicht des AN gemacht werden können. Als Beispiele für unzulässige Fragen nennt sie etwa die Frage nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft, der sexuellen Orientierung oder der Gewerkschaftszugehörigkeit. Die dazu in FN 59 als Belegstelle angeführte Abhandlung von Tomandl – hier hätte es im Übrigen einschlägigere Literatur gegeben – meint wohl richtigerweise „Bemerkungen zu den §§ 96a und 62a Arbeitsverfassungsgesetz“, in ZAS 1986, 181 ff und nicht jene über die Kündigungsentschädigung besonders kündigungsgeschützter AN. Als im Regelfall unzulässig werden auch Fragen nach dem Verwandten- oder Bekanntenkreis angeführt. Hierzu wäre durchaus eine genauere Untersuchung interessant (die an dieser Stelle nicht vorgenommen werden kann). Wäre es zB zulässig, dass Unternehmen – gerade wenn sie im Blick der öffentlichen Wahrnehmung stehen – für alle oder bestimmte Positionen den Grundsatz statuieren, dass – um jeden Anschein von „Vetternwirtschaft“ zu vermeiden – niemand eingestellt wird, der mit bereits im Unternehmen beschäftigten Personen verwandt ist? Wenn man eine Zulässigkeit bejahen würde, könnten dann vielleicht doch Fragen nach dem Bestehen eines Verwandtschaftsverhältnisses gestellt werden und wären vom Bewerber wahrheitsgemäß zu beantworten? Als regelmäßig unzulässige Fragen nennt die Autorin auch solche nach dem Freizeitverhalten oder sonstigen privaten Vorlieben und Lebensgewohnheiten (zB Trink- und Rauchgewohnheiten). Dem ist grundsätzlich sicher zuzustimmen. Könnte aber doch die Frage nach den Trinkgewohnheiten zulässig sein, wenn sich jemand als Betreuer in einer Wohngemeinschaft für trockene Alkoholiker oder als Mitarbeiter in einer Entzugsklinik bewirbt? Zutreffend ist mE die Feststellung von Sobej, dass die Frage nach der Muttersprache im Gegensatz zur Frage nach den Sprachkenntnissen als unzulässig zu beurteilen ist. Entscheidend kann in der Tat nur sein, ob und inwieweit der (potenzielle) AN die für die Tätigkeit bedeutsame Sprache beherrscht. Auffällig ist an manchen Stellen, dass dort zwar im Text auf die Literatur bzw (herrschende) Lehre hingewiesen wird, sich aber keine Belegstellen finden (S 81 f). Bei der Frage nach ungetilgten Vorstrafen folgt Sobej richtigerweise der hL und Judikatur, die eine Antwortpflicht insoweit annimmt, als die Vorstrafe für den vom AN geschuldeten Tätigkeitsbereich von unmittelbarer Bedeutung ist. Bezüglich Fragen nach Krankheiten oder körperlichen Einschränkungen ist mit der Autorin davon auszugehen, dass dafür in erster Linie relevant ist, welche gesundheitlichen Voraussetzungen die angestrebte Tätigkeit erfordert (vgl zu diesen Themenbereichen – auch zur Aufklärung über die Eigenschaft als begünstigt behinderte Person – zB ausführlich Naderhirn, Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen für die Personalplanung und die Einstellung von Arbeitnehmern: Ausgewählte Aspekte, in Reissner/Burger [Hrsg], Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeitsrecht und Sozialrecht 2020 [2020] 128 ff mvwN). Zur Problematik, ob die Frage nach bisherigen beruflichen Tätigkeiten 410 (wahrheitsgemäß) beantwortet werden muss, hätte die E OGH4 Ob 105/85 (

[Petrovic], die diese Thematik in ihrer Anmerkung ausführlich behandelt) angeführt werden können. In FN 96 wird eine falsche Entscheidung zitiert, richtigerweise handelt es sich um OGH9 ObA 75/04a (vom 23.6.2004). Nicht nachvollziehbar sind die Aussagen auf S 97 f. Die Autorin scheint von der unrichtigen Annahme auszugehen, dass einer im Verhältnis zur BV ungünstigeren arbeitsvertraglichen Vereinbarung (hier: in Bezug auf die Nutzung von Internet und E-Mail des AG) irgendeine Bedeutung zukomme und negiert damit § 31 Abs 3 ArbVG, der die Unwirksamkeit derartiger arbeitsvertraglicher Vereinbarungen normiert. Spekulationen über allfällige Konsequenzen eines „Zuwiderhandelns“ sind daher hinsichtlich einer unwirksamen Einzelvertragsregelung nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich, weil sie einen falschen Anschein erwecken könnten. Richtig führt Sobej aus, dass den einzelnen AN neben den arbeitsrechtlichen Konsequenzen auch schadenersatzrechtliche Folgen treffen können, wenn durch unsachgemäßes und unerlaubtes Nutzungsverhalten Vermögensschäden beim AG eintreten. Nicht klar ist allerdings der nächste Satz: „Eine Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers kann sich aus § 2 DHG oder aus den §§ 1293 ff ABGB ergeben.“ Zunächst muss hier wohl eine Schadenersatzpflicht des AN gemeint sein. Diese kann sich aber nicht aus § 2 Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) ergeben. § 2 DHG setzt vielmehr voraus, dass der AN dem AG gegenüber nach allgemeinen Regeln der Verschuldenshaftung, insb nach §§ 1293 ff ABGB, schadenersatzpflichtig ist und sieht dann eine Haftungsmilderung vor (vgl nur Kerschner, DHG3 § 2 Rz 1 und 6). Ausführungen betreffend Kontrolle der Internet- und E-Mail-Nutzung sowie ein Fazit beschließen den Beitrag, der bei der Rezensentin ein etwas zwiespältiges Gefühl hinterlässt.