28

Schadenersatzanspruch gegen wohnortnahen Krankenanstaltenträger wegen rechtswidriger Verweigerung einer medikamentösen Behandlung

STEPHANIEPRINZINGER (WIEN)
  1. Die Legalzession nach § 332 ASVG kann also nur solche Ansprüche erfassen, die der Deckung eines Schadens dienen, den auch die Sozialversicherungsleistung abdecken soll. Leistungen, die der Sozialversicherungsträger auch unabhängig vom schädigenden Ereignis zu erbringen hätte, mangelt es daher von vornherein an Kongruenz mit dem Schadenersatzanspruch des Geschädigten.

  2. Die von dritter Seite zugewendeten Spenden sind als Zuwendungen auf freiwilliger Basis im Rahmen einer Vorteilsausgleichung nicht zu berücksichtigen und mindern daher den entstandenen Schaden nicht, weil diese Zuwendungen bei teleologischer Betrachtungsweise nicht zu dem Zweck gemacht wurden, den Schädiger zu entlasten.

  3. Dem Kl kann keine Verletzung seiner Schadensminderungsobliegenheit zum Vorwurf gemacht werden, weil er einen nach § 56 Abs 7 Oö KAG 1997 möglichen Einspruch gegen die an ihn übermittelten Vorschreibungen über die Kosten der medikamentösen Behandlung unterlassen hat, da er einerseits erfolglos versucht hat, die rechtswidrig und schuldhaft abgelehnte Behandlung in einer anderen Krankenanstalt zu erhalten und andererseits Anfragen beim Sozialversicherungsträger nicht positiv beantwortet wurden.

  4. Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit eines im Inland Sozialversicherten, Anstaltspflege auch in einem anderen als seinem Wohnsitz-Bundesland in Anspruch zu nehmen.

Der Kl leidet an spinaler Muskelatrophie (SMA) Typ II, einer seltenen Erbkrankheit, die durch den fortschreitenden Untergang von die Muskeln steuernden Nervenzellen geprägt ist. Die Bekl ist Rechtsträgerin ua des Landeskrankenhauses* * (in der Folge: LKH *), einer öffentlichen, über einen Landesgesundheitsfonds finanzierten Krankenanstalt.

Der Vorstand der Bekl verweigerte dem in Österreich über die Eltern zweifach sozialversicherten minderjährigen Kl im Oktober 2017 die medizinisch indizierte, im LKH * grundsätzlich angebotene Behandlung mit dem Wirkstoff Nusinersen (Medikament Spinraza). [...]

In einem [...] Vorprozess wurde die Bekl rechtskräftig verurteilt, den Kl zur Anstaltspflege in das LKH * aufzunehmen und [...] eine Behandlung mit dem Wirkstoff Nusinersen [...] vorzunehmen. Zudem wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Bekl dem Kl für alle zukünftigen Schäden haftet, die ihm aus der Ablehnung der Behandlung [...] entstehen.

Die (damalige) Stmk Gebietskrankenkasse teilte dem Kl im April 2018 über Anfrage mit, dass die Entscheidung über die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen den behandelnden Ärzten bzw Krankenanstalten obliege, wenn – wie im Fall des Medikaments Spinraza – das Medikament nur im Rahmen eines stationären oder tagesklinischen Aufenthalts verabreicht werden könne. Sämtliche Leistungen der Bekl werden über das LKF-Finanzierungsmodell [...] abgerechnet. Voraussetzung für die Verrechnung einer Einzelleistung durch den Krankenanstaltenträger gegenüber dem Landesgesundheitsfonds ist eine Zuständigkeitserklärung des Sozialversicherungsträgers für diesen Fall.

Der Kl beantragte bei keinem Sozialversicherungsträger die Erlassung eines Bescheids über die Übernahme der Kosten für Spinraza.

Nachdem die Bekl die Behandlung des Kl abgelehnt hatte, versuchte dieser eine Behandlung mit Spinraza am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt * (AKH *) und in der Klinik * zu erreichen. In beiden Fällen wurde ihm die Behandlung mit der Begründung verweigert, dass Patienten mit Lebensmittelpunkt in einem anderen Bundesland zur Verhinderung eines „Patiententourismus“ nicht behandelt würden. Letztlich erklärte sich das Ordensklinikum * [...] dazu bereit, den Kl als Selbstzahler mit Spinraza zu behandeln. Letztlich zahlte der Kl im Jahr 2019 für die Behandlung [...] im Ordensklinikum * 210.000 €, wobei die Zahlungen mit Spendengeldern erfolgten. Zumindest ein Teil der eingesammelten Spenden diente ausdrücklich der Finanzierung des Medikaments Spinraza. Ein Großspender erklärte, dass der Kl die Spende von 77.000 € unabhängig von einer Rückforderbarkeit der Behandlungskosten behalten dürfe.

Der Kl begehrt die Zahlung von 210.000 € sA. [...] Hätte die Bekl die Behandlung nicht zu Unrecht verweigert, hätte sie für deren Kosten aufkommen müssen. Eine Legalzession nach § 332 ASVG liege nicht vor. Kein Sozialversicherungsträger habe Leistungen für die hier zu beurteilende Behandlung [...] erbracht, der Kl habe auch keinen diesbezüglichen Anspruch gegen einen Sozialversicherungsträger. Die Bekl bestreitet. Der Kl habe einen Anspruch auf Behandlung durch das Ordensklinikum *, eine fondsfinanzierte Krankenanstalt, gehabt [...]. Das Ordensklinikum * hätte sämtliche im Rahmen der stationären Behandlung erbrachten Leistungen über den Landesgesundheitsfonds abrechnen müssen [...]. Der Kl hätte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gegen die Vorschreibung der Behandlungskosten Einspruch erheben müssen. Er wäre weiters verpflichtet gewesen, die Rechnungen beim Sozialversicherungsträger einzureichen.

Dem Kl fehle aufgrund eingetretener Legalzession nach § 332 ASVG die Aktivlegitimation. Er habe einen Leistungsanspruch gegen die SV auf Behandlung mit Spinraza, die sachliche Kongruenz sei zu bejahen.

Da die Kosten für die Behandlung durch Spendengelder abgedeckt seien, fehle es dem Kl an einem Schaden. 347

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Kl fehle infolge eingetretener Legalzession die Aktivlegitimation. Die Erlassung eines Bescheids durch die SV habe der Kl [...] nicht beantragt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Hätte die Bekl den Kl lege artis bereits im Oktober 2017 behandelt, wären die gesamten Kosten der notwendigen Krankenbehandlung durch den Landesgesundheitsfonds getragen worden. Die rechtswidrige und schuldhafte Behandlungsverweigerung habe einen Schadenersatzanspruch des Kl ausgelöst, der auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei. Es sei unerheblich, ob der Kl einen Antrag an den Sozialversicherungsträger gestellt oder dessen Leistungen in Anspruch genommen habe.

Die ordentliche Revision sei wegen eines möglichen Abweichens von der E 2 Ob 67/20x zulässig, in der der OGH die Kongruenz einer Sozialversicherungsleistung mit dem Schadenersatzanspruch im Fall verneint habe, dass der Schädiger dem Sozialversicherungsträger eine unabhängig vom schädigenden Ereignis zu erbringende Leistung ersetzen müsste.

Dagegen richtet sich die Revision des Kl mit dem Antrag auf Abänderung iS einer gänzlichen Stattgebung der Klage; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Bekl beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und iSd gestellten Abänderungsantrags auch berechtigt.

Der Kl argumentiert, dass eine Legalzession nur insoweit in Betracht komme, als der Sozialversicherungsträger aufgrund des haftungsbegründenden Ereignisses Zahlungen zu leisten habe. Dies sei hier nicht der Fall, sodass es an Kongruenz fehle. Da Spinraza ausschließlich in einem stationären Setting im Krankenhaus verabreicht werden könne und die Behandlungskosten damit ausschließlich über den Landesgesundheitsfonds abgerechnet werden könnten, bestehe keine Möglichkeit zur nachträglichen Einreichung von durch den Patienten vorfinanzierten Behandlungskosten direkt beim Sozialversicherungsträger.

Dazu hat der Fachsenat erwogen:

1. Die Haftung der Bekl für alle zukünftigen Schäden, die dem Kl aus der Ablehnung der Behandlung mit dem Wirkstoff Nusinersen ab Oktober 2017 entstehen, steht rechtskräftig fest. „Zukünftig“ bezieht sich dabei auf den Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage (vgl RS0034771 [T8]), die im Vorprozess bereits 2018 – und damit vor Entstehen der nunmehr eingeklagten Heilbehandlungskosten – erfolgte. Die Haftung der Bekl für den geltend gemachten Schaden steht damit dem Grunde nach fest.

2. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist im vorliegenden Fall keine Legalzession nach § 332 ASVG erfolgt, sodass es dem Kl auch nicht an der Aktivlegitimation (vgl RS0035237) mangelt:

2.1. Nach § 332 Abs 1 ASVG geht der Anspruch auf den Versicherungsträger insoweit über, als dieser Leistungen zu erbringen hat, wenn Personen, denen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Leistungen zustehen, den Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Versicherungsfall erwachsen ist, aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften beanspruchen können. Der Anspruch umfasst auch die Aufwendungen des Landesgesundheitsfonds, die nach § 148 Z 2 ASVG von der Krankenanstalt in Rechnung gestellt werden.

2.2. Die Legalzession zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers verfolgt einerseits den Zweck, eine doppelte Befriedigung des Geschädigten (durch Kumulation der Leistungen), andererseits aber auch eine Entlastung des Schädigers (durch Anrechnung der Versicherungsleistung als Vorteil) zu verhindern (RS0085212; RS0122868). Voraussetzung für die Annahme einer Legalzession ist (ua) das Vorliegen sachlicher Kongruenz, die dann zu bejahen ist, wenn der Ausgleichszweck des Sozialversicherungsanspruchs und des Schadenersatzanspruchs identisch sind, wenn also beide Ansprüche darauf abzielen, denselben Schaden zu decken (RS0084987, RS0085343).

Die Legalzession kann also nur solche Ansprüche erfassen, die der Deckung eines Schadens dienen, den auch die Sozialversicherungsleistung abdecken soll. Leistungen, die der Sozialversicherungsträger auch unabhängig vom schädigenden Ereignis zu erbringen hätte, mangelt es daher von vornherein an Kongruenz mit dem Schadenersatzanspruch des Geschädigten (2 Ob 228/21z Rz 13 zu § 332 ASVG; 2 Ob 67/20x Rz 23 zur § 332 ASVG vergleichbaren [2 Ob 67/20x Rz 21 mwN] Regelung des § 16 BPGG).

2.3. Im vorliegenden Fall liegt das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Bekl darin, dass sie eine medizinisch gebotene Behandlung des Kl unterlassen hat, was dessen aufgrund der Erkrankung an SMA Typ II ohnehin sehr fragilen Gesundheitszustand gefährdete. Der mit dem Beginn der Krankheit anzusetzende Versicherungsfall in der KV (vgl Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek5 § 332 ASVG Rz 29) trat jedoch unabhängig von diesem rechtswidrig schuldhaften Verhalten der Bekl ein, weil der Kl bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Behandlungsvertrags mit der Bekl an SMA Typ II erkrankt war.

2.4. Andere Entscheidungen des Senats sprechen nicht gegen die Verneinung einer Legalzession im vorliegenden Fall:

2.4.1. In der E 2 Ob 121/16g sprach der Senat zwar aus, dass das zu einer Gesundheitsschädigung führende Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers in einer fondsfinanzierten Krankenanstalt (§ 148 ASVG) der Annahme einer Legalzession nach § 332 ASVG nicht entgegen steht (RS0130974). Da im dort zu beurteilenden Fall ein zu einem Versicherungsfall führendes schädigendes Ereignis vorlag, ist diese E für den vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig.

2.4.2. In der E 2 Ob 134/14s bejahte der Senat das Vorliegen einer Legalzession bei folgendem Sachverhalt: Der sozialversicherte Geschädigte hatte bereits 2004 einen Arbeitsunfall erlitten, aufgrund dessen ihm eine Versehrtenrente in Höhe von 50 % 348 der Vollrente zuerkannt wurde, ohne dass es tatsächlich zu einem Verdienstentgang beim Geschädigten gekommen wäre. 2007 erlitt er einen weiteren Arbeitsunfall, der zu einer dauernden Arbeitsunfähigkeit und zur Gewährung einer Versehrtenrente in vollem Ausmaß führte. Der Senat führte aus, dass in diesem Fall nach dem zweiten Unfall eine Legalzession in vollem Umfang eingetreten sei, weil der Geschädigte erst nach dem zweiten Arbeitsunfall erstmals Verdienstentgangsansprüche gegen einen Schädiger gehabt habe. Da der nach dem ersten Unfall gewährten Versehrtenrente kein schadenersatzrechtlicher Anspruch auf Verdienstentgang gegenüber gestanden sei, sei es nach dem ersten Unfall mangels sachlicher Kongruenz zwischen Versicherungsleistung und Schadenersatzanspruch zu keiner Legalzession gekommen.

Da in der E 2 Ob 134/14s die Erbringung der sozialversicherungsrechtlichen Leistung durch das rechtswidrig schuldhafte Verhalten des Schädigers verursacht wurde, unterscheidet sie sich auf Sachverhaltsebene maßgeblich vom hier zu beurteilenden Fall und ist damit nicht einschlägig.

2.5. An diesem Ergebnis ändern auch die (zutreffenden) Ausführungen der Bekl zur grundsätzlich bestehenden Möglichkeit eines im Inland Sozialversicherten nichts, Anstaltspflege auch in einem anderen als seinem Wohnsitz-Bundesland in Anspruch zu nehmen (vgl Stöger, Entscheidungsanmerkung zu 2 Ob 49/21a, RdM 2021/329, 190 [197]).

2.6. Das Vorliegen einer Legalzession nach § 332 Abs 1 ASVG ist damit insgesamt zu verneinen.

3. Dem Kl kann keine Verletzung seiner Schadensminderungsobliegenheit zum Vorwurf gemacht werden. Er hat nach den Feststellungen aufgrund der rechtswidrigen und schuldhaften Verweigerung der Behandlung durch die Bekl erfolglos versucht, in zwei anderen Bundesländern eine Behandlung mit Spinraza im Rahmen der Anstaltspflege (§ 144 ASVG) in einer fondsfinanzierten Krankenanstalt (§ 148 ASVG) zu erreichen. Bei dieser Sachlage kann dem Kl keine Verletzung seiner Schadensminderungsobliegenheit zum Vorwurf gemacht werden, weil er einen nach § 56 Abs 7 Oö KAG 1997 möglichen Einspruch gegen die an ihn übermittelten Vorschreibungen über die Kosten der medikamentösen Behandlung unterlassen hat. In der – dem Kl in erster Instanz ebenfalls zum Vorwurf gemachten – unterbliebenen Inanspruchnahme von Leistungen der SV liegt nach jüngerer Rsp ebenfalls keine Verletzung der Schadensminderungspflicht, weil die SV nicht den Schädiger, sondern nur den versicherten Geschädigten begünstigen soll (RS0031426 [insb T2]).

4. Der Bekl kann auch nicht zugestimmt werden, dass dem Kl aufgrund der bei ihm eingelangten Spenden kein Schaden entstanden wäre. Die von dritter Seite zugewendeten Spenden sind als Zuwendungen auf freiwilliger Basis im Rahmen einer Vorteilsausgleichung nicht zu berücksichtigen (RS0031449) [...], weil diese Zuwendungen bei teleologischer Betrachtungsweise nicht zu dem Zweck gemacht wurden, den Schädiger zu entlasten (RS0023600).

5. Die Berechnung eines Vermögensschadens erfolgt durch Vergleichung des Geldwertunterschieds zweier Zustände, nämlich des tatsächlichen Zustands vor und nach der Beschädigung. Es sind jene Vermögensbestandteile des Geschädigten in den Kreis der Betrachtung einzubeziehen, die durch die Beschädigung irgendwie beeinflusst wurden, aber auch Vermögensbestandteile (Aktiven oder Passiven), die erst durch das schädigende Ereignis gebildet wurden oder deren Bildung durch dasselbe verhindert wurde (RS0022834). Selbst wenn die Argumentation der Bekl zutreffen würde, wonach es dem Ordensklinikum * bei rechtskonformer Vorgehensweise verwehrt gewesen wäre, dem Kl die Kosten der Behandlung mit Spinraza als Selbstzahler in Rechnung zu stellen, änderte dies auf Grundlage der dargestellten Rsp nichts daran, dass der Kl tatsächlich Aufwendungen in Höhe des eingeklagten Betrags zur Abwehr gesundheitlicher Schädigung zu tragen hatte und insoweit ein Schadenseintritt jedenfalls zu bejahen ist.

6. Insgesamt war damit der Revision Folge zu geben und dem Klagebegehren stattzugeben. [...]

ANMERKUNG

1.
Einleitung
1.1.
Sachverhalt

Im gegenständlichen Fall leidet der minderjährige Kl an spinaler Muskelatrophie (SMA) Typ II, einer seltenen Erbkrankheit, die durch den fortschreitenden Untergang von die Muskeln steuernden Nervenzellen geprägt ist. Der Vorstand der Bekl verweigerte dem minderjährigen Kl im Oktober 2017 die medizinisch indizierte Behandlung mit dem Wirkstoff Nusinersen (Medikament Spinraza). In einem Vorprozess wurde die Bekl zum einen rechtskräftig verurteilt, den Kl zur Anstaltspflege aufzunehmen und mit dem Wirkstoff Nusinersen zu behandeln und zum anderen die Haftung der Bekl für alle künftigen Schäden, die dem Kl aus der Ablehnung der Behandlung ab Oktober 2017 entstanden sind, ausgesprochen. Nachdem auch zwei weitere Kliniken in anderen Bundesländern mit dem Argument, es handle sich um Patiententourismus, die Behandlung verweigert hatten, wurde die Behandlung schließlich in einem Ordensklinikum durchgeführt, wobei der Patient die Behandlung aus Spendengeldern finanzierte.

1.2.
Wesentliche Rechtsfragen

Der OGH setzte sich im Wesentlichen mit zwei Rechtsfragen auseinander, nämlich zum einen mit der Frage, ob eine Legalzession zugunsten des Sozialversicherungsträgers der Aktivlegitimation des Kl zur Geltendmachung seines Schadenersatzanspruches gegen den rechtswidrig handelnden bekl Krankenanstaltenträger entgegensteht. Zum anderen wird die Frage behandelt, ob durch die Finanzierung der Behandlung aus Spenden eine 349 Schadensminderung eingetreten ist. Weiters stellt sich aber auch die Frage, ob es nach den krankenanstaltenrechtlichen Bestimmungen zulässig ist, dass fondsfinanzierte Spitäler in Österreich sozialversicherte Patienten als Selbstzahler aufnehmen.

2.
Kernaussagen des OGH
2.1.
Keine Legalzession zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen verneint der OGH eine Legalzession zugunsten des Versicherungsträgers. Eine Legalzession nach § 332 ASVG verfolgt einerseits den Zweck, eine doppelte Befriedigung des Geschädigten (durch Kumulation der Leistungen), andererseits aber auch eine Entlastung des Schädigers (durch Anrechnung der Versicherungsleistung als Vorteil) zu verhindern (RS0085212; RS0122868). Die Legalzession kann also nur solche Ansprüche erfassen, die der Deckung eines Schadens dienen, den auch die Sozialversicherungsleistung abdecken soll. Leistungen, die der Sozialversicherungsträger auch unabhängig vom schädigenden Ereignis zu erbringen hätte, mangelt es daher von vornherein an Kongruenz mit dem Schadenersatzanspruch des Geschädigten.

Der Fall der Anstaltspflege wird in § 332 Abs 1 Satz 2 ASVG explizit geregelt, nämlich dahingehend, dass auch die Aufwendungen des Landesgesundheitsfonds umfasst sind, die nach § 148 Z 2 ASVG von der Krankenanstalt in Rechnung gestellt werden. Der Versicherungsträger hat dem Landesgesundheitsfonds jenen Teil der Regresseinnahmen zu ersetzen, die nicht durch Mittel der SV gedeckt sind. Die leistungsorientierten krankenanstaltenfinanzierungs-( LKF-)Gebührensätze sind als Kosten der Anstaltspflege aufzufassen, da sie denselben Ausgleichszweck verfolgen, wie der Schadenersatzanspruch des Geschädigten (Auer-Mayer in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 332 ASVG Rz 54-55). Grundsätzlich kann es auch dann zu einer Legalzession kommen, wenn eine Krankenanstalt, die Leistungen des Landesgesundheitsfonds erhält, aufgrund eines Behandlungsfehlers selbst für die den Behandlungen zugrunde liegenden Gesundheitsschäden verantwortlich ist. Bei Behandlungsfehlern in derartigen Krankenanstalten könnte daher eine Legalzession vorliegen. Ein Regress allein unter Berufung auf die Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht scheidet aber aus (Auer-Mayer in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 332 ASVG Rz 55/1).

Im vorliegenden Fall liegt das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Bekl darin, dass sie eine medizinisch gebotene Behandlung des Kl unterlassen hat, was dessen aufgrund der Erkrankung an SMA Typ II ohnehin sehr fragilen Gesundheitszustand gefährdete. Der mit dem Beginn der Krankheit anzusetzende Versicherungsfall in der KV trat jedoch unabhängig von diesem rechtswidrig schuldhaften Verhalten der Bekl ein, weil der Kl bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Behandlungsvertrags mit der Bekl an SMA Typ II erkrankt war. Eine Legalzession zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers wurde daher vom OGH verneint. Stöger/Kopetzki halten im Einklang mit den obigen Ausführungen fest, dass der OGH hätte anders entscheiden müssen, wäre durch die Unterlassung nicht nur eine Gefährdung, sondern eine zusätzliche Gesundheitsschädigung eingetreten (OGH2 Ob 125/23f RdM 2024/1, 22 [Stöger/Kopetzki]). Sie weisen kritisch darauf hin, dass SMA eine fortschreitende Erkrankung ist und auch Verzögerungen zu einer Verschlechterung führen können, weshalb die Abgrenzung ihrer Ansicht nach nicht zu überzeugen vermag.

Durch eine Legalzession wäre der zuständige Sozialversicherungsträger in die Rechtsposition des geschädigten minderjährigen Kl eingetreten und hätte einen Schadenersatzanspruch in weiterer Folge gegen den bekl Krankenanstaltenträger geltend machen können.

2.2.
Keine Verletzung der Schadensminderungspflicht

Eine Schadensminderungsobliegenheit des Kl, weil er einen nach § 56 Abs 7 Oö KAG 1997 möglichen Einspruch gegen die an ihn übermittelten Vorschreibungen über die Kosten der medikamentösen Behandlung unterlassen hat, verneint der OGH im vorliegenden Fall, da der Kl erfolglos versucht hat, die Behandlung in einer fondsfinanzierten Krankenanstalt in einem anderen Bundesland zu erhalten und überdies auch eine Anfrage beim zuständigen Sozialversicherungsträger ohne positives Ergebnis blieb. Auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Vorschreibung der Kosten durch das Ordensspital an den minderjährigen Kl gehen auch Stöger/Kopetzki in ihrer E-Besprechung näher ein und halten fest, dass „für selbst bezahlte Behandlungen zum nicht preisgeregelten Selbstkostenpreis [...] kein Raum [bliebe]“ (RdM 2024/1, 24 [Stöger/Kopetzki]; siehe dazu auch näher Pkt 3).

2.3.
Freiwillige Spenden mindern den Schaden nicht

Der OGH hält in Bezug auf die freiwilligen Spenden fest, dass der Kl, unabhängig von der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Kostenvorschreibung durch das Ordensklinikum, tatsächlich Aufwendungen in Höhe des eingeklagten Betrags zur Abwehr gesundheitlicher Schädigung zu tragen hatte und insoweit ein Schadenseintritt jedenfalls zu bejahen ist.

3.
Anspruch auf Anstaltspflege – wohnortnahe Versorgung?

Grundsätzlich haben Versicherte nach § 144 ASVG Anspruch auf Pflege in der allgemeinen Gebührenklasse einer Krankenanstalt, die über Landesgesundheitsfonds finanziert wird, in dem Bundesland, in dem die erkrankte Person ihren Wohnsitz oder Beschäftigungsort hat, solange es die Krankheit erfordert. Nachdem aber nicht in jedem Bundes 350

land höchste medizinische Versorgung angeboten wird, kann es in manchen Fällen auch erforderlich sein, dass Patienten in einer Fonds-Krankenanstalt außerhalb des Bundeslandes des Wohnsitzes oder Arbeitsortes betreut werden müssen (Stöger in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 144 ASVG Rz 15). Nach § 145 ASVG ist der Versicherte, wenn Anstaltspflege gewährt wird, in eine landesgesundheitsfondsfinanzierte Krankenanstalt einzuweisen.

Die Beziehungen zwischen den Versicherungsträgern und den Krankenanstalten werden durch § 148 ASVG näher geregelt. Die Versicherungsleistung der „Anstaltspflege“ wird grundsätzlich als Sachleistung gewährt. Alternativ besteht die Möglichkeit der Geltendmachung eines Pflegekostenzuschusses gem § 150 ASVG, wenn entweder keine Sachleistungsbereitstellung durch den Versicherungsträger vorliegt oder eine Wahlkrankenanstalt aufgesucht wird (Stöger in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 150 ASVG Rz 3). Aus § 148 Z 1 ASVG ergibt sich, dass Krankenanstalten verpflichtet sind, die Erkrankten in die allgemeine Gebührenklasse aufzunehmen. Neben den Bestimmungen im ASVG sieht auch das Krankenanstaltenrecht Bestimmungen hinsichtlich der Aufnahme von Pfleglingen vor. Eine Verpflichtung zur Aufnahme von sozialversicherten Patienten ergibt sich für öffentliche Krankenanstalten aus § 22 Abs 2 letzter Satz Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG). Als Kriterium für das Vorliegen der Gemeinnützigkeit wird ua in § 16 Abs 1 lit b KAKuG festgehalten, dass jeder Anstaltsbedürftige nach Maßgabe der Anstaltsordnung aufgenommen wird. In § 29 Abs 1a KAKuG wird der Landesgesetzgeber ermächtigt, außer bei Fällen der Unabweisbarkeit, Regelungen vorzusehen, die eine Ablehnung von Patienten ermöglichen, wenn durch die Aufnahme eine Krankenanstalt ihrem Versorgungsauftrag für Personen mit Wohnsitz im Bundesgebiet nicht mehr in angemessenem Zeitraum nachkommen könnte, wobei aber nicht auf das Wohnsitzbundesland abgestellt wird. Der OGH hält in der gegenständlichen E fest, dass sich der Patient trotz prinzipieller Anknüpfung an den Wohnort eine Fondskrankenanstalt aussuchen kann und die Aufnahmepflicht unabhängig vom Wohnsitz gilt, solange dieser im Inland gelegen ist. Für eine wohnortnahe Krankenanstalt hat der OGH in der gegenständlichen E aber entschieden, dass sich diese der Behandlungsverpflichtung nicht entziehen kann, sofern die Leistung in der Krankenanstalt grundsätzlich angeboten wird (siehe dazu näher auch RdM 2024/1, 24 [Stöger/Kopetzki]).

4.
Zur Zulässigkeit der Aufnahme als Selbstzahler

In dem gegenständlichen Fall hat der minderjährige Kl nach mehreren Anfragen eine fondsfinanzierte Ordenskrankenanstalt gefunden, die sich bereit erklärt hat, ihn als Selbstzahler aufzunehmen und die Behandlung mit Spinraza durchzuführen. Festgehalten wird zunächst, dass es sich bei der Anstaltspflege nach der Judikatur um eine einheitliche und unteilbare Gesamtleistung handelt, die mehrere Teilkomponenten umfasst, nämlich die Unterkunft, ärztliche Untersuchung und Behandlung, Beistellung von allen erforderlichen Heilmitteln, Arzneien, Pflege und Verköstigung (OGH10 ObS 28/01t SSV-NF 15/27 = ASoK 2001, 306 [Marhold]). Eine gesonderte Verrechnung einzelner Heilmittel oder Heilbehelfe kommt nicht in Betracht (RS0085800).

Darüber hinaus finden sich im Krankenanstaltenrecht Bestimmungen hinsichtlich der Abrechnung von Leistungen an sozialversicherten Patient:innen. Öffentliche Krankenanstalten dürfen ebenso wie private gemeinnützige Spitäler gem § 16 Abs 1 lit e iVm § 27 Abs 5 den Pfleglingen nur das gesetzlich vorgesehene Entgelt verrechnen (§ 40 Abs 1 lit d; Stöger in Neumayr/Resch/Wallner [Hrsg], §§ 27-32 KAKuG Rz 1). In § 27 Abs 1 KAKuG wird ferner normiert, dass „mit den LKFGebühren oder den Pflegegebühren der allgemeinen Gebührenklasse [...] alle Leistungen der Krankenanstalt abgegolten sind“. Weiters wird in § 27b Abs 1 KAKuG festgehalten, dass „die an sozialversicherten Pfleglingen in Fondskrankenanstalten erbrachten Leistungen [...] mit Ausnahme allfälliger Sondergebühren gemäß § 27 Abs 4 KAKuG über Landesgesundheitsfonds abzurechnen“ sind (§ 27b Abs 1 KAKuG). Zutreffenderweise brachte die Bekl vor, dass sämtliche vom Ordensklinikum im Rahmen der stationären Behandlung erbrachten Leistungen über den Landesgesundheitsfonds hätten abgerechnet werden müssen und dem Patienten die Behandlungskosten nicht hätten vorgeschrieben werden dürfen.

5.
Zum gebotenen Behandlungsniveau

Im Rahmen der Anstaltspflege ist dem Patienten – wie bei der ärztlichen Hilfe – die notwendige und erforderliche Behandlung zu gewähren. Das konkrete Behandlungsniveau ergibt sich nicht aus § 144 ASVG, sondern aus § 8 Abs 2 KAKuG, der die Bundesländer verpflichtet, den Krankenanstalten vorzuschreiben, ihre Patienten „nur nach Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft“ zu behandeln. Ist eine Krankenanstalt nicht in der Lage, die bei einer bestimmten Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gebotene medizinische Behandlung nach dem Stand der Wissenschaft zu erbringen, so hat sie den Patienten an eine Krankenanstalt zu verweisen, die diese Leistung erbringen kann (Stöger in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 144 ASVG Rz 12). Im gegenständlichen Fall handelt es sich bei der Behandlung mit Spinraza um eine Behandlung, die von der Bekl grundsätzlich angeboten wurde. Die Anstaltspflege hat ausreichend und zweckmäßig zu sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. In Bezug auf Arzneimittel normiert § 19 Abs 3 Z 2 KAKuG, dass die Auswahl und Anwendung der Arzneimittel nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft erfolgen darf. 351

Lienbacher/Lukan vertreten mE zutreffenderweise die Auffassung, dass im „Einzelfall [...] für das erforderliche Behandlungsniveau und die tatsächlich anzuwendende Behandlungsmethode auf den Gesundheitszustand des Patienten abzustellen“ ist. Weiters vertreten sie die Ansicht, dass der „Patient vor dem Hintergrund von § 8 Abs 2 KAKuG aus dem Behandlungsvertrag einen Anspruch auf Behandlungsmaßnahmen, die für das jeweilige Krankheitsbild erforderlich und adäquat sind“, hat. „§ 8 Abs 2 KAKuG bzw die landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen verlangen nicht die im internationalen Vergleich weltweit bestmögliche denkbare Behandlung, sondern legen für das bereitzustellende Behandlungsniveau einen Durchschnittsmaßstab für den Standard der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft fest, der eine zweckmäßige und ausreichende Krankenbehandlung sicherstellen muss.“ (RdM-ÖG 2022/2 [5-6]). Unterschieden wird je nach Spezialisierungsgrad der jeweiligen Krankenanstalt. Ist die erforderliche Behandlung nicht verfügbar, ist der Patient an eine andere Krankenanstalt zu überstellen. Im gegenständlichen Fall zählte die Behandlung mit Spinraza zum Leistungsangebot der bekl Krankenanstalt, sodass die Behandlung dem Kl, da sie auch medizinisch indiziert war, nicht hätte verweigert werden dürfen.

6.
Ausblick – nationales Bewertungsboard für hochpreisige und innovative Medikamente im stationären Bereich

Die Finanzierung der Behandlung seltener Erkrankungen ist generell – aber speziell vor dem Hintergrund der föderalen Strukturen im Spitalsbereich – eine immer größer werdende Herausforderung für das Gesundheitssystem. Beim Krankenanstaltenwesen handelt es sich kompetenzrechtlich um eine Art 12 B-VG Materie, dh der Bund ist für die Grundsatzgesetzgebung und die Länder sind für die Ausführungsgesetze zuständig. § 19a KAKuG legt fest, dass die Arzneimittelkommissionen der Krankenanstalten Arzneimittellisten zu erstellen haben, welche Arzneimittel in den Krankenanstalten Anwendung finden. Nachdem die Arzneimittellisten daher je nach Krankenanstalt unterschiedlich ausgestaltet sind, kommt es österreichweit zu Unterschieden hinsichtlich der Verfügbarkeit von Arzneimitteln in den einzelnen Krankenanstalten. Darüber hinaus macht auch der Anstaltstyp einen Unterschied dafür, ob eine bestimmte Therapie verfügbar ist oder nicht.

Durch das Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024 (VUG 2024), BGBl I 2024/3, wurde im KAKuG (§§ 62d-62i) die Einführung eines Medikamentenboards zur nationalen Bewertung von hochpreisigen und innovativen Arzneimitteln im intramuralen Bereich sowie im Schnittstellenbereich vorgesehen. In den Materialien zum VUG 2024 wird festgehalten, dass „[d]ie bedarfsgerechte Versorgung mit Arzneimitteln inklusive Sicherstellung von bundesweit einheitlich festgelegten Regelungen zum Einsatz von innovativen bzw. hochpreisigen Arzneimitteln unter Wahrung der nachhaltigen Finanzierbarkeit [...] zu gewährleisten [ist]. Hierfür ist ein bundesweit einheitlicher Bewertungsprozess sowie ein Bewertungsboard für ausgewählte Arzneispezialitäten im intramuralen Bereich und an der Schnittstelle zu etablieren [...]“ (ErläutRV 2310/27. GP 3).

In § 19a Abs 3 KAKuG wird nunmehr normiert, dass die Träger von Krankenanstalten verpflichtet werden sicherzustellen, dass die Arzneimittelkommissionen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe auch die Empfehlungen des Bewertungsboards gem § 62d KAKuG anwenden. Zu hoffen bleibt, dass künftig durch eine positive Empfehlung des Boards rascher ein bundesweit einheitlicher Zugang für Patient:innen sichergestellt wird, und so der Patient:innentourismus hintangehalten wird. Sieht man die Ursache für das – wie Stöger/Kopetzki es bezeichnen – „Patienten-Ping-Pong“ allerdings vor dem Hintergrund der derzeitigen Finanzierung von teuren Arzneimitteln im intramuralen Bereich, so ist mE die Einführung eines Bewertungsboards nicht ausreichend, um das Problem zu lösen (RdM 2024/1, 21 [Stöger/Kopetzki]). Vielmehr bräuchte es ein Finanzierungsmodell, zB aus einem Topf für innovative und hochpreisige Medikamente, um es für Krankenanstalten unattraktiv zu machen, Patient:innen an andere Krankenanstalten zu verweisen. Teure Medikamente sind, abgesehen von speziellen onkologischen Arzneimitteln, derzeit nicht im LKF-System abgebildet. Darüber hinaus wird der Betriebsabgang nicht für alle Krankenanstalten zu 100 % vom Land getragen, sodass es für manche fondsfinanzierte Krankenanstalten, dazu zählen vor allem private gemeinnützige Krankenanstalten, eine große Herausforderung darstellt, teure Medikamente zu finanzieren

Zusammenfassend zeigt der gegenständliche Fall, dass auf Grund der föderalen Strukturen im Spitalsbereich und der derzeit noch unzureichend gesicherten Finanzierung von teuren medikamentösen Therapien im intramuralen Bereich keine ausreichende Rechtssicherheit für Patient:innen besteht, rasch zu medizinisch indizierten Therapien zu gelangen. Der derzeit vorgesehene Rechtsschutz, über eine zivilrechtliche Klage aus dem Behandlungsvertrag, ist mit einem hohen Kostenrisiko und einer längeren Verfahrensdauer für betroffene Patient:innen verbunden. Zu hoffen bleibt, dass der einheitliche Bewertungsprozess über das Bewertungsboard zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit für die Versicherten führen wird. Essenziell ist dabei auch, dass im Einzelfall eine Verabreichung von innovativen Produkten auch unabhängig von einer Bewertung durch das Board stattfinden kann. 352