BleckmannArbeitspflicht und Vergütungsrisiko in Zeiten der Pandemie

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2023 524 Seiten, gebunden, € 119,90

DAPHNEAICHBERGER-BEIG

Durch die Coronapandemie waren weltweit Rechtsordnungen mit neuen Fragestellungen konfrontiert. Im Arbeitsrecht stellte sich insb die Frage, welche Rechtsfolgen es nach sich zieht, wenn die vereinbarte Arbeitsleistung pandemiebedingt nicht erbracht werden kann.

Bestimmte Verhinderungsgründe auf AN-Seite, die in der Pandemie zum Unterbleiben der Arbeitsleistung führten, untersucht Lena Bleckmann in ihrer Dissertation. Sie betrachtet im deutsch-französischen Rechtsvergleich die „Folgen von Infektion, Infektionsverdacht und erhöhter Gesundheitsgefahr für Arbeitspflicht und Lohnanspruch“ (siehe den Untertitel des Werks). Bleckmann erörtert nicht nur diese Dienstverhinderungsgründe selbst, sondern auch damit zusammenhängende Themen, wie zB die Erkenntnismöglichkeiten des AG über den Gesundheitszustand der AN und Fragen der Beschäftigungspflicht. Ausführlich behandelt werden auch Recht und Pflicht von AN, im Homeoffice zu arbeiten. Zu den beiden Schwerpunktthemen der Arbeit (nämlich die Tragung des Vergütungsrisikos bei Infektion, Infektionsverdacht und erhöhter Gesundheitsgefährdung und die Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Homeoffice) geht die Autorin am Ende der Arbeit auch der Frage nach, ob sich aus dem Rechtsvergleich mit Frankreich ein Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber ergibt.

Die Autorin beleuchtet die deutsche und französische Rechtsordnung von der Anfangszeit der Pandemie (2020) bis zum Mai 2022, als sie ihre Dissertation abgab. Sie zeigt eindrucksvoll, dass die Länder sich unterschiedlicher Rechtsinstitute zur Bewältigung der pandemiebedingten Herausforderungen bedienten. Wie Bleckmann erkenntnisreich darlegt, ist allerdings bereits die Ausgangslage in den beiden Ländern verschieden. Aufgrund der völlig unterschiedlichen Konzeption der finanziellen Absicherung im Krankheitsfall in Frankreich kommt Bleckmann in ihrer Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis, dass sich aus dem französischen Beispiel in Bezug auf Dienstverhinderungen kein Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber ergibt (siehe näher sogleich unten 1.); hingegen hält Bleckmann die französische Regelung, die in Zeiten der Pandemie das Recht des AG vorsieht, die Arbeit im Homeoffice anzuordnen, aufgrund der dadurch geschaffenen Rechtssicherheit für vorbildhaft (siehe näher 2.).

1. Dienstverhinderungen

In Frankreich war die behördlich angeordnete Absonderung in den Jahren 2020 und 2021 die Ausnahme (abgesehen von Fällen der Einreise aus Risikogebieten). Bleckmann schildert, dass es stattdessen zu einer weitgehenden Zuordnung der untersuchten Dienstverhinderungsgründe zum Krankenstand kam.

Bleckmann zeigt, dass das System der finanziellen Absicherung im Krankheitsfall in Frankreich sich von jenem in Deutschland erheblich unterscheidet. In Frankreich erhalten AN im Krankenstand (sofern nicht vertraglich bessere Bedingungen vereinbart wurden) erst nach einer dreitägigen Karenzzeit und somit ab dem vierten Krankenstandstag eine teilweise Lohnausgleichsleistung vom AG und einen teilweisen Lohnersatz von der KV, die (zunächst) insgesamt 90 % des Lohns ausmachen.

In der Pandemie wurden in Frankreich ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbestätigungen für alle infizierten AN ausgestellt, unabhängig davon, ob die Infektion zur Arbeitsunfähigkeit führte. Auch vulnerable Personen und Kontaktpersonen von Infizierten konnten Arbeitsunfähigkeitsbestätigungen erhalten. Die AN wurden in der Pandemie allerdings insofern entlastet, als sowohl für die AG-Leistungen als auch für die Leistungen der Krankenkasse die dreitägige Karenzzeit außer Kraft gesetzt wurde (von Beginn der Pandemie an für Kontaktpersonen von Infizierten und ab 2021 auch für Infizierte selbst). Nicht Gegenstand des Buchs ist und interessant zu wissen wäre, ob und inwieweit französische AG staatliche Leistungen zum Ausgleich für die zusätzlichen Lasten durch verstärkte Arbeitsausfälle und für den Entfall der Karenzzeit erhielten.

In Deutschland hingegen spielten – ebenso wie in Österreich – behördlich angeordnete Absonderungen während der Coronazeit eine große Rolle. Bezüglich des Vergütungsrisikos bei Dienstverhinderungen kommt Bleckmann zu dem Ergebnis, dass der Vergleich mit Frankreich keinen Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber zeigt. Bleckmann hält die Tragung des Vergütungsrisikos durch die Allgemeinheit, wie sie in § 56 des deutschen Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vorgesehen ist, deshalb für angemessen, weil der Infektionsschutz allgemeinen Interessen dient.

2. Homeoffice

Wie Bleckmann zutreffend betont, ist die Verpflichtung zur Arbeit im Homeoffice in Zeiten der Pandemie logisch der Frage vorgelagert, wer das Vergütungsrisiko trägt. Denn soweit die Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice möglich ist, tritt kein Arbeitsausfall ein.

Zum Thema Homeoffice gelangt die Autorin bei ihrer abschließenden Würdigung zu dem Ergebnis, dass Frankreich für Deutschland vorbildhaft sei. In Frankreich gab es bereits vor der Covid-19-Pandemie ein Anordnungsrecht zur Arbeit im Homeoffice in Zeiten einer Pandemie. Bleckmann kritisiert, dass es in Deutschland während der Pandemie nur zeitlich begrenzte Verpflichtungen zum Homeoffice gab, die nun ausgelaufen seien. Da in Deutschland eine allgemeine Regelung fehle, besteht laut Bleckmann in dieser Frage Rechtsunsicherheit.

Bleckmanns Befund, dass eine gesetzliche Regelung über Homeoffice in Ausnahmesituationen fehlt, trifft auch für Österreich zu. Inzwischen haben zwar viele Unternehmen mit ihren AN Homeoffice-Vereinbarungen geschlossen und dadurch konkrete Homeoffice-Regelungen geschaffen. Die im Gefolge der Coronapandemie eingefügte gesetzliche Regelung zum Homeoffice 487 (§ 2h AVRAG) lässt allerdings offen, ob und unter welchen Umständen der AN ohne ausdrückliche Vereinbarung unter außergewöhnlichen Umständen wie jener einer Pandemie verpflichtet ist, im Homeoffice zu arbeiten. Die Frage ist daher auch in Österreich nicht abschließend geklärt (siehe dazu zB Resch, Homeoffice im Kontext „außergewöhnlicher Verhältnisse“, ZAS 2023/2, 3). Durch den rezenten Entwurf zum Telearbeitsgesetz soll § 2h AVRAG zwar ausgeweitet werden, indem nicht nur Homeoffice, sondern auch ortsungebundene Telearbeit außerhalb der Wohnung erfasst wird (Telearbeitsgesetz, 337/ME NR 27. GP). Auch durch die vorgeschlagene Novelle ändert sich allerdings nichts hinsichtlich der offenen Frage, ob in besonderen Fällen auch ohne dahingehende Vereinbarung eine Pflicht des AN zur Arbeit im Homeoffice bestehen kann.