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Kein zulässiges Rechtmittel gegen Entscheidung des Gerichts über Rückzahlungspflicht

FabianGamper

Mit Bescheid vom 17.11.2022 sprach die Bekl aus, dass der Kl zu Unrecht Krankengeld in der Höhe von € 8.647,73 erhalten habe und verpflichtete ihn zur Rückzahlung dieses Betrags.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab und verpflichtete den Kl zur Rückzahlung des gesamten Betrags in monatlichen Raten von je € 100,-. Gründe, die eine Rückersatzpflicht ganz oder zum Teil entfallen lassen, lägen nicht vor.

Mit der Berufung wandte sich der Kl ausschließlich gegen die Entscheidung des Erstgerichts, ihm die Rückzahlungspflicht nicht ganz oder zumindest teilweise zu erlassen. Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück, da trotz des Wortlauts des § 90 Abs 1 Z 1 ASGG der Rechtsmittelausschluss auch den Ausspruch über den Entfall der Rückersatzpflicht umfasse.

Der Rekurs ist ohne Vorliegen einer erheblichen Rechtfrage zulässig, weil das Berufungsgericht die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Dazu führt der OGH aus: Bei Streitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 2 ASGG ist zunächst zu klären, ob die jeweilige Leistung zu Unrecht erbracht wurde und ob ein Rückforderungsrecht nach § 107 ASVG besteht. Erst wenn der Rückersatzanspruch bejaht wird, stellt sich in einem zweiten Schritt die in § 89 Abs 4 Satz 2 ASGG angesprochene Frage, ob der Rückersatz nur in Raten zu erfolgen hat oder gänzlich oder teilweise nachgesehen wird. Dieser zweite Schritt ist eine „nur“ der Hauptfrage nachgelagerte, amtswegig zu treffende „Annexentscheidung“ über die Modalitäten der Rückzahlung. Gem § 90 Abs 1 Z 1 ASGG ist „die ausschließliche Anfechtung des Ausspruchs über die Leistungsfrist sowie die Ratenanordnung (§ 89 Abs 3 und 4) nicht zulässig“. Betrachtet man den Wortlaut dieser Bestimmung, bezieht sich dieser zunächst nur auf die Leistungsfrist und die Ratenordnung. Durch den nicht eingeschränkten Klammerverweis auf § 89 Abs 3 und 4 ASGG ist jedoch nicht definitiv klar, ob nicht alle in § 89 Abs 4 ASGG vorgesehenen Zahlungserleichterungen und damit auch der Entfall der Rückersatzpflicht mitumfasst sind.

Historisch betrachtet blieb der gegenständliche § 90 Abs 1 Z 1 ASGG seit der Stammfassung des ASGG unverändert. Mit Erkenntnis des VfGH vom 11.12.2020, G 264/2019, wurde die Regelung des § 89 Abs 4 ASGG mit Ablauf des 31.12.2021 als verfassungswidrig aufgehoben, da den Sozialgerichten – anders als den Versicherungsträgern – nicht das Recht zustand, eine gänzliche oder teilweise Nachsicht der Rückzahlungspflicht einzuräumen. Im Zuge der Novellierung 306 durch die Zivilverfahrens-Novelle (ZVN) 2022 wurde § 89 Abs 4 ASGG entsprechend des Erkenntnisses angepasst. Auf eine mögliche Auswirkung der Novellierung auf § 90 Abs 1 Z 1 ASGG gehen die Materialien jedoch nicht ein.

Der OGH führt weiters aus, dass Ausnahmevorschriften, vor allem Rechtsmittelbeschränkungen, grundsätzlich nicht ausdehnend auszulegen sind. Eine Analogie ist jedoch dann möglich und geboten, wenn der nicht besonders angeführte Fall alle motivierenden Merkmale des geregelten Falls enthält und das Prinzip der Norm auch in einem ihren Tatbeständen ähnlichen Fall Beachtung fordert. Dies liegt hier vor. Der vom Gesetzgeber klar formulierte Zweck des § 90 Abs 1 Z 1 ASGG und die ihm zugrundeliegende Wertung legen nahe, dass bei der Novellierung des § 89 ASGG durch die ZVN 2022 schlicht übersehen wurde, § 90 Abs 1 Z 1 ASGG entsprechend anzupassen. Die planwidrige Regelungslücke ist dadurch zu schließen, dass die in § 90 Abs 1 Z 1 ASGG normierte Rechtsmittelbeschränkung auch auf den dort nicht genannten Ausspruch über den Entfall der Rückersatzpflicht nach § 89 Abs 4 ASGG analog anzuwenden ist.