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Recht auf Berichtigung des Geburtsdatums richtet sich nach § 358 ASVG, nicht nach Art 16 DSGVO

MaximilianWielander
Art 16 und 23 DSGVO;
§ 21 DVO

Der Revisionswerber stellte am 7.11.2008 einen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension/Berufsunfähigkeitspension und gab dabei den 4.2.1960 als sein Geburtsdatum an. Dieses Datum war auch auf den damals vorgelegten Urkunden (türkischer Personalausweis bzw Heiratsurkunde) angeführt. Mit Urteil eines türkischen Amtsgerichts vom 16.6.2020 wurde sein Geburtsdatum auf den 4.2.1954 korrigiert – dieses Datum scheint auch auf dem türkischen Reisepass, ausgestellt am 17.6.2020, auf.

Mit Datenschutzbeschwerde vom 29.9.2020 machte der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, eine Verletzung im Recht auf Berichtigung gem Art 16 DSGVO geltend, weil seinem Antrag auf Berichtigung des Geburtsdatums nicht entsprochen wurde.

Mit Bescheid vom 30.9.2021 wies die Datenschutzbehörde (DSB) die Datenschutzbeschwerde ab. Das BVwG wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 22.12.2021 als unbegründet ab. Das BVwG verwies dabei auf die Regelung in § 358 ASVG, welche Art 16 DSGVO vorgehe, wonach eine Korrektur des Geburtsdatums im Verfahren nur in den taxativ aufgezählten Fällen möglich sei. Dies beispielsweise nur bei offensichtlichen Schreibfehlern oder wenn sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger ausgestellt wurde, ein anderes Geburtsdatum ergibt. § 21 Abs 1 der Durchführungsverordnung (DVO) sehe für die gesetzliche SV vor, dass das Recht auf Berichtigung nach Art 16 DSGVO nur insoweit bestehe, als nicht andere gesetzliche Vorschriften wie etwa § 358 ASVG entgegenstünden. Auch sehe Art 23 DSGVO vor, dass Mitgliedstaaten Beschränkungen vorsehen können.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber eine außerordentliche Revision. Der VwGH verweist in seiner Entscheidung darauf, dass § 358 ASVG nach den Gesetzesmaterialien an die in Deutschland maßgebliche Bestimmung des § 33a SGB I angelehnt ist und der OGH zu dieser Regelung bereits festgehalten hat, dass der deutsche Gesetzgeber damit die unbedingte Anknüpfung an das „wahre“ Geburtsdatum aufgegeben habe und für den Geltungsbereich des SGB das maßgebliche Geburtsdatum eigenständig definiert habe (OGH 12.5.2009, 10 ObS 76/09p, mwN). Er verwies auch auf die Rsp des VfGH zu einer vergleichbaren Konstellation, wonach das datenschutzrechtliche Berichtigungsrecht den Gesetzgeber weder daran hindere, ein vom biologischen Geburtsdatum abweichendes Datum als Stichtag zur Beurteilung (ua) altersbezogener Leistungsansprüche aus der SV heranzuziehen, noch dazu geeignet sei, das biologische Geburtsdatum an die Stelle des „sozialversicherungsrechtlichen Geburtsdatums“ (§ 358 ASVG) zu setzen, weil es sich um unterschiedliche Datenkategorien handle.

Laut VwGH kann jedoch die Frage nach einem möglichen Anwendungsfall des Art 16 DSGVO dem Grunde nach dahingestellt bleiben, weil der Argumentation des BVwG dahingehend zu folgen ist, dass die Regelung des § 358 ASVG eine zulässige Beschränkung gem Art 23 DSGVO darstelle. Der Revisionswerber bringt in seiner Revision nichts Konkretes gegen diese Auffassung vor. Es wird somit 313 nicht aufgezeigt (und ist auch nicht ersichtlich), warum die Regelung des § 358 ASVG nicht der Sicherstellung eines wichtigen Ziels des allgemeinen öffentlichen Interesses (iSd Art 23 Abs 1 lit e DSGVO) diene und der damit verbundene Eingriff in das Recht auf Berichtigung nicht zur Erreichung dieses Ziels notwendig, geeignet und auch verhältnismäßig sei. In diesem Zusammenhang verweist der VwGH auch auf die Rsp des OGH, nach diesem § 358 ASVG erkennbar den Zweck verfolgt, der Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen mittels nachträglicher Änderung des Geburtsdatums zu begegnen. Zum in der Revision vorgebrachten Verfahrensmangel führte der VwGH aus, dass die Ermittlungstätigkeit des BVwG auf die Anwendung von § 358 ASVG beschränkt ist und ein Vorhandensein einer Urkunde mit anderslautendem Geburtsdatum, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger ausgestellt worden ist, vom Revisionswerber auch selbst nicht behauptet wurde.

Die Revision wirft demnach keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG auf und war daher zurückzuweisen.