141Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit: Berufliche Qualifikation nach dem oö Chancengleichheitsgesetz bewirkt keinen „Eintritt in das Erwerbsleben“
Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit: Berufliche Qualifikation nach dem oö Chancengleichheitsgesetz bewirkt keinen „Eintritt in das Erwerbsleben“
Die Kl leidet bereits seit dem Kleinkindalter an verschiedenen Krankheitszuständen. Von 1.9.2015 bis 31.8.2019 absolvierte sie beim Verein * eine berufliche Qualifikation nach § 11 Abs 2 Z 1 Oö. Chancengleichheitsgesetz (ChG) im Bereich Bürokauffrau. Dabei war sie als Angestellte nach dem ASVG pflichtversichert und erwarb Versicherungszeiten im Umfang von 48 Monaten. Außerhalb dieses Zeitraums erwarb sie keine Beitragszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit. Mit Bescheid vom 13.1.2023 lehnte die bekl Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Kl auf Berufsunfähigkeitspension mangels dauerhafter Berufsunfähigkeit ab. Auch ein Anspruch auf Rehabilitationsgeld sowie medizinische und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation bestehe nicht.
Das Erstgericht wies die Klage gegen den Bescheid vom 13.1.2023 ab, da kein Eintritt ins Erwerbsleben erfolgt sei und es sich um eingebrachte Leiden handle. 314 Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, ließ jedoch die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob eine berufliche Qualifikation iSd § 11 Abs 2 Z 1 Oö. ChG einen Eintritt in das Erwerbsleben ausschließt, keine höchstgerichtliche Rsp existiere.
Der OGH entschied, dass die Revision mangels aufgezeigter Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig ist. Inhaltlich begründete der OGH dies mit Verweis auf seine stRsp zum Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit. Dieser Versicherungsfall setzt voraus, dass sich der körperliche und geistige Zustand des Versicherten nach dem Beginn einer Erwerbstätigkeit in einem für die Arbeitsfähigkeit wesentlichen Ausmaß verschlechtert hat. Maßgebend für den Zeitpunkt des Eintritts in das Erwerbsleben ist die erstmalige Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung. Für die Beurteilung des maßgeblichen Vergleichszeitpunkts am Beginn der Erwerbskarriere ist auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und den Eintritt in die Pflichtversicherung kombiniert abzustellen. Ist der Versicherte dementsprechend noch nicht in das Erwerbsleben eingetreten, kann ein Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit somit nicht eingetreten sein.
Auf die Frage, ob die Aufnahme einer bestimmten Arbeitstätigkeit durch den Versicherten nach den Umständen des konkreten Falls bereits als Eintritt in das Erwerbsleben zu qualifizieren ist, ist der OGH bereits in mehreren Entscheidungen eingegangen und hat dabei wiederholt darauf abgestellt, ob mit der aufgenommenen Tätigkeit die Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts verbunden war oder nicht. Ausgehend von diesen Kriterien wurden zwar ua Ferialtätigkeiten von nur sehr kurzer Dauer und der Beginn der Zivildienstleistung sowie eines (regulären) Lehrverhältnisses als Eintritt in das Erwerbsleben gewertet, nicht aber etwa die bloße Teilnahme an Schulungsmaßnahmen, auch wenn damit die Begründung einer Pflichtversicherung verbunden ist.
Letztlich ist die Frage, ob tatsächlich eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichtet wurde, stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig und wirft damit grundsätzlich keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. Wenn nun das Berufungsgericht im vorliegenden Fall zum Ergebnis gelangt, dass die von der Kl in der Zeit vom 1.9.2015 bis zum 31.8.2019 absolvierte berufliche Qualifikation iSd § 11 Abs 2 Z 1 Oö. ChG schon deshalb keinen Eintritt in das Erwerbsleben im zuvor dargestellten Sinn bewirkte, weil diese Maßnahme von vornherein nur Menschen offensteht, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung nachweislich nicht die Möglichkeit haben, eine Lehre oder eine andere adäquate Ausbildung am allgemeinen Arbeitsmarkt zu absolvieren, so hält sich diese Beurteilung im Rahmen der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze.