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Gleichstellung einer Erwerbstätigkeit im EU-Ausland (hier: Deutschland) für den Anspruch auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld

KrisztinaJuhasz
§ 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG;
Art 5, 68 VO (EG) 883/2004

Gegenstand des Verfahrens war der Anspruch der Kl auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Die Kl übte im Beobachtungszeitraum zunächst in Deutschland und anschließend in Österreich eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit aus. Der Kindesvater war weder in Deutschland noch in Österreich erwerbstätig. Der Lebensmittelpunkt der Familie befindet sich seit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit der Kl in Österreich in Wien.

Im Revisionsverfahren war zu klären, unter welchen Voraussetzungen Zeiten einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG gelten.

Die Vorinstanzen verpflichteten die säumige bekl Österreichische Gesundheitskasse, der Kl das Kinderbetreuungsgeld zu zahlen. In ihrer außerordentlichen Revision zeigte die Bekl keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

Im Revisionsverfahren war nicht strittig, dass für die Kl aufgrund ihrer vormaligen Erwerbstätigkeit unter dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der persönliche Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 eröffnet ist. Unstrittig war ferner, dass Kinderbetreuungsgeld eine zu koordinierende Familienleistung ist. Nach Art 11 Abs 1 VO (EG) 883/2004 unterliegen Personen, für die die VO gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Für Personen, die in einem Mitgliedstaat eine „Beschäftigung“ ausüben, sind das die Rechtsvorschriften dieses Staats, und zwar unabhängig davon, wo sie ihren Wohnsitz haben. Da Art 1 lit a der VO (EG) 883/2004 für die Definition des Begriffs „Beschäftigung“ auf das Sozialrecht der Mitgliedstaaten verweist, ist für die kollisionsrechtliche Anknüpfung – sowohl des pauschalen als auch des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes – nach stRsp die Definition des Begriffs der „Beschäftigung“ in § 24 Abs 2 KBGG maßgeblich, wobei diese gleichzeitig der Festlegung der Anspruchsvoraussetzungen des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes dient. Unter einer Beschäftigung ist daher „die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen […] Erwerbstätigkeit“ zu verstehen. 317

Die Bekl stellte nicht in Abrede, dass der OGH die Beschränkung des § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG auf eine nur in Österreich und nicht auch in anderen Mitgliedstaaten ausgeübte sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit aufgrund der in Art 5 VO (EG) 883/2004 angeordneten Tatbestandsgleichstellung als unionsrechtswidrig qualifiziert. Sie meinte allerdings, dass zumindest ein Elternteil während des gesamten 182-Tage-Zeitraums des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG in Österreich erwerbstätig gewesen sein müsse. Dem war nicht zu folgen.

Zwar ist es richtig, dass der Wohnsitz des Kindes und seiner Eltern in Österreich für sich allein kein ausreichendes Anknüpfungskriterium für einen Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld darstellt, wenn beide Elternteile in einem anderen von der Koordinierung erfassten (Mitglied-)Staat beschäftigt sind. In so einem Fall sind Beschäftigungszeiten, die im Ausland zurückgelegt wurden – auch unter Bedachtnahme auf das Primärrecht –, nicht für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG heranzuziehen. Die von der Bekl daraus abgeleitete Konsequenz lässt sich daraus nicht ziehen.

Die Gleichstellung von Beschäftigungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat nach Art 5 VO (EG) 883/2004 kann für sich allein keine Leistungszuständigkeit Österreichs begründen. Eine Gleichstellung von in einem anderen EWR- oder Mitgliedstaat zurückgelegten Beschäftigungszeiten ist erst dann vorzunehmen, wenn zuvor die Zuständigkeit Österreichs nach der VO (EG) 883/2004 feststeht. Im hier vorliegenden Fall ist Österreich infolge der Erwerbstätigkeit der Kl im Inland nach Art 11 Abs 3 lit a VO (EG) 883/2004 zuständig. Für diese Situation ist geklärt, dass gem Art 5 VO (EG) 883/2004 eine (sozialversicherungspflichtige) Erwerbstätigkeit in einem anderen EWR- oder Mitgliedstaat einer in Österreich ausgeübten Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG gleichgestellt ist.