Verwaltungspraxis zur Arbeitslosenversicherungspflicht bei mehrfach geringfügigen Beschäftigungen ohne Gesetzesgrundlage rechtswidrig
Verwaltungspraxis zur Arbeitslosenversicherungspflicht bei mehrfach geringfügigen Beschäftigungen ohne Gesetzesgrundlage rechtswidrig
Aufgrund der E des VfGH vom 6.3.2023, G 296/2022, unterliegen ab 1.4.2024 zwei oder mehrfach geringfügig Beschäftigte, die infolge des Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 ASVG) der Pflichtversicherung in der KV unterliegen, auch der Pflichtversicherung in der AlV. Der VfGH hat mit seiner E die Wort- und Zeichenfolge „Abs 2“ in § 1 Abs 4 erster Satz AlVG als verfassungswidrig aufgehoben, da ein Ausschluss der Arbeitslosenversicherungspflicht bei mehrfach geringfügigen Beschäftigungen sachlich nicht gerechtfertigt ist, wenn diese die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. Damit der Gesetzgeber die dafür notwendigen gesetzlichen Regelungen treffen konnte, hat der VfGH eine Umsetzungsfrist von mehr als einem Jahr festgelegt. Dennoch erfolgte die Umsetzung ausschließlich auf Basis der bestehenden Regelungen im ASVG und mit der Durchführungsweisung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) die folgenden Titel trägt: „Durchführungsweisung zu den Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichthofes vom 6.3.2023, G 296/2022, wonach ab 1.4.2024 mehrfach geringfügig Beschäftigte von der Arbeitslosenversicherungspflicht umfasst werden.
“* Mit der Durchführungsweisung wird die Verwaltungspraxis ab 1.4.2024 in Bezug auf Beginn und Ende der Pflichtversicherung, Arbeitslosigkeit, Anwartschaft, Bemessung, Anrechnung, Ruhen der Leistung wegen Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung, Anrechnung gem § 21a AlVG, sowie die Nachsicht gem § 10 Abs 3 AlVG geregelt. Die in der Durchführungsweisung getroffenen Auslegungen führen dazu, dass betroffene Personen weiterhin einer sachlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlung unterliegen und die Umsetzung bis auf die nun vorliegende Arbeitslosenversicherungspflicht zu keiner Verbesserung oder Gleichstellung von mehrfach geringfügig beschäftigen Personen führt. Insb die getroffenen Auslegungen zur Arbeitslosigkeit zu § 12 Abs 3 lit h AlVG und zum Ruhen der Leistung gem § 16 AlVG führen zu einer Verschlechterung der Rechtsposition der Arbeitslosen und finden keine Deckung im AlVG. Dieser Beitrag soll nun einen Überblick über die in der Durchführungsweisung getroffenen Regelungen geben, in dem die geltende gesetzliche Regelung und die bisherige Verwaltungspraxis, die dazu getroffenen Auslegungen in der Durchführungsweisung und die seit 1.4.2024 sich daraus ergebenden Auswirkungen dargestellt werden.
Die ASVG-Regelungen sehen bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze aus mehrfach geringfügigen Beschäftigungen bereits Regelungen zur KV vor. Diese finden sich in § 471f (Geltungsbereich), § 471g (Besondere Formalversicherung) und § 471h (Beginn und Ende der Pflichtversicherung). Auch die Regelungen zur täglichen Höchstbeitragsgrundlage in § 108 ASVG sind für die Pflichtversicherung ausschlaggebend. Aber auch § 53 Abs 3 ASVG spielt eine wesentliche Rolle.
Übersicht über die geltenden gesetzlichen Regelungen im ASVG:
§ 471f ASVG legt den Geltungsbereich der Pflichtversicherung für mehrfach geringfügig Beschäftigte fest. Davon erfasst ist der Personenkreis der DN und ihnen gem § 4 Abs 4 ASVG gleichgestellte Personen, ferner Heimarbeiter und ihnen gleichgestellte Personen sowie für die im § 4 Abs 1 Z 6 ASVG genannte Personen, wenn deren monatliche allgemeine Beitragsgrundlagen (§ 44 Abs 2 ASVG) aus zwei oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz den im § 5 Abs 2 ASVG angeführten Betrag übersteigen bzw voraussichtlich übersteigen werden (§ 471g ASVG). Der Geltungsbereich umfasst auch geringfügige Beschäftigungen nach dem Dienstleistungsscheckgesetz, sofern die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird.
§ 471 g ASVG regelt die besondere Formalversicherung. Hat eine nicht der Vollversicherung unterliegende Person dem Versicherungsträger glaubhaft mitgeteilt, dass ihre monatlichen allgemeinen Beitragsgrundlagen aus zwei oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz 334 den im § 5 Abs 2 ASVG angeführten Betrag im monatlichen Durchschnitt voraussichtlich übersteigen werden, so besteht ab dem Zeitpunkt, für den erstmals die Beiträge entrichtet worden sind, eine besondere Formalversicherung und endet erst, wenn die Person die im ersten Satz genannte Mitteilung widerruft. Für Personen, die mit Dienstleistungsscheck entlohnt werden, endet die besondere Formalversicherung mit Ablauf des ersten Kalendermonates, wenn für zwei aufeinander folgende Kalendermonate kein Dienstleistungsscheck eingelöst wird.
§ 471h ASVG regelt den Beginn und das Ende der Pflichtversicherung. Danach beginnt die Pflichtversicherung in dem Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, und zwar rückwirkend mit jenem Tag, an dem in diesem Kalendermonat erstmalig eine geringfügige Beschäftigung nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz aufgenommen worden ist und endet mit dem Ablauf des Kalendermonates, in dem die Voraussetzungen hierfür wegfallen.
Versicherungspflicht ist mit der täglichen Höchstbeitragsgrundlage begrenzt, da die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) für die Feststellung, ob die Einkommen aus mehreren geringfügigen Beschäftigungen den Wert der Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, als höchstes Einkommen pro Tag und Beschäftigung den Betrag der täglichen Höchstbeitragsgrundlage berücksichtigt. Dieser beträgt im Jahr 2024 € 202,-. Das Einkommen aus geringfügigen Beschäftigungen wird als mit € 202,- pro Tag und Beschäftigung begrenzt, selbst wenn es tatsächlich höher ist. Dieselbe Vorgehensweise wendet die ÖGK bei (nicht von vornherein vollversicherten) fallweisen Beschäftigungen an.
§ 53a Abs 3 ASVG regelt, dass Vollversicherte, die in einem oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz stehen, hinsichtlich dieser geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse einen Pauschalbeitrag zu leisten haben.
Seit 1.4.2024 ergibt sich bei zwei- oder mehrfach geringfügigen Beschäftigten bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze die Pflichtversicherung in der AlV, da diese der Pflichtversicherung in der KV folgt. Die ASVG-Regelungen dafür leiten sich laut Durchführungsweisung aus den bereits geltenden Gesetzen §§ 471f bis 471m ASVG ab. Ab 1.4.2024 kommt es laut Durchführungsweisung auch bei einer geringfügigen Beschäftigung, die neben einer vollversicherten Beschäftigung ausgeübt wird, zu einer Pflichtversicherung in der AlV. Die geringfügige Beschäftigung ist für den Zeitraum der Überschneidung mit der vollversicherten Beschäftigung auch arbeitslosenversichert. Die Pflichtversicherung gem § 471h ASVG beginnt rückwirkend mit jenem Tag, an dem in diesem Kalendermonat erstmalig eine geringfügige Beschäftigung nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz aufgenommen worden ist. Die Pflichtversicherung endet auch, wenn die Beschäftigung bereits vorher beendet wurde, erst mit dem Monatsende. Somit fallen auch Zeiträume, in denen keine Beschäftigung vorliegt, in die Pflichtversicherung und gilt dies nun auch für die AlV, was bisher nicht der Fall war. Die besondere Formalversicherung gem § 471g ASVG wird vom Dachverband der Sozialversicherung eingespielt. Die arbeitslose Person muss von sich aus das Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze aufgrund der Meldepflicht bekanntgeben, sodass Arbeitslosenversicherungspflicht vorliegt und Arbeitslosigkeit damit ausgeschlossen ist.
Sowohl bei der Pflichtversicherung gem § 471h ASVG als auch bei der besonderen Formalversicherung gem § 471g ASVG wird die Pflichtversicherung durch den Dachverband erst einige Monate später festgestellt. Weshalb eine Feststellung der Pflichtversicherung erst Monate später erfolgt, ist aufgrund der Fristen gem § 34 Abs 2 ASVG für die Meldung der Beitragsgrundlagen durch den DG nicht nachvollziehbar. Bei der Formalversicherung bleibt die Pflichtversicherung bzw AlV auch bestehen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Geringfügigkeitsgrenze gar nicht überschritten wurde. Ab der Meldung liegt keine Arbeitslosigkeit mehr vor. Erst bei Rücknahme der Meldung und der Stornierung oder Beendigung der Formalversicherung liegt wieder Arbeitslosigkeit vor, sodass erst dann wieder ein Leistungsbezug möglich ist. Eine Formalversicherung ist daher nur bei einer dauerhaften wesentlichen Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze zu empfehlen.
Der Krankenversicherungsträger berücksichtigt als höchstes Einkommen pro Tag und Beschäftigung bei einer geringfügigen Beschäftigung eine tägliche Höchstbeitragsgrundlage. Diese beträgt im Jahr 2024 € 202,-, selbst wenn das Einkommen tatsächlich höher ist. Diese Vorgehensweise wird bei nicht von vornherein vollversicherten fallweisen Beschäftigungen angewendet. Das Arbeitsmarktservice (AMS) hingegen stellt bei der Prüfung der Arbeitslosigkeit an den Tagen der Beschäftigung und einer allfälligen Anrechnung nach § 21a AlVG nicht auf die tägliche Höchstbeitragsgrundlage ab, sondern wie bisher laut Durchführungsweisung auf das tatsächliche heranzuziehende Entgelt.
Gänzlich unberücksichtigt gelassen wurde aber § 53a ASVG. Ab 1.4.2024 soll laut Durchführungsweisung die Regelungen der Arbeitslosenversicherungspflicht 335 auch für eine geringfügige Beschäftigung, die neben einer vollversicherten Beschäftigung ausgeübt wird, gelten. Der Wortlaut des § 53a Abs 3 ASVG verweist ausdrücklich auf Vollversicherte mit einer oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen.* Diese gesetzliche Regelung hat mit 1.4.2024 keine Änderung erfahren, sodass der festgelegte und zu leistende Pauschalbetrag gegen eine Versicherungspflicht in der AlV spricht.
Auch finden sich in der Durchführungsweisung keine Informationen zur Vorschreibung der Beiträge.
Die Meldepflicht ergibt sich aus der geltenden gesetzlichen Regelung in § 50 AlVG.
Gem § 50 AlVG ist, wer Leistungen aus der AlV bezieht, verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gem § 12 Abs 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Arbeitslose Personen sind somit gem § 50 AlVG zur Meldung von geringfügigen Beschäftigungen verpflichtet und müssen sämtliche relevante Einzelheiten ihrer Beschäftigungen (Dauer, Arbeitszeit, Entgelt, etc) vorab bekanntgeben.
Da die Einspielung der Vollversicherung bei mehrfach geringfügig Beschäftigten vier bis sieben Monate in Anspruch nimmt, ist laut Durchführungsweisung die rechtzeitige Meldung durch die arbeitslose Person wesentlich und zwingend erforderlich. Da die arbeitslose Person sämtliche relevante Einzelheiten ihrer Beschäftigungen (Dauer, Arbeitszeit, Entgelt, etc) vorab bekannt geben muss, erfolgt eine Vorabprüfung durch das AMS nach Meldung durch die arbeitslose Person. Überschreitet das Entgelt sämtlicher geringfügiger Beschäftigungen im Monat die Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 ASVG) und führt so zu einer Vollversicherung, ist die Leistung für den Zeitraum der gem § 471h ASVG zu erwartenden Vollversicherung einzustellen. Stellt sich die vom AMS vorweggenommene Prüfung der Pflichtversicherung als falsch heraus und liegt keine Vollversicherung vor, ist die Leistung laut Durchführungsweisung rückwirkend zu gewähren. Bei Verstößen gegen die Meldepflicht oder Falschinformationen seitens der arbeitslosen Person ist die Leistung entsprechend der Regelung des § 25 AlVG zurückzufordern.
Diese Vorprüfung der Arbeitslosigkeit verlangt von den AMS-Mitarbeiter:innen sozialversicherungsrechtliche Kenntnisse, da bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze nicht immer auch eine Vollversicherung eintritt. Auch ist damit zu rechnen, dass die betroffenen Personen nicht immer über die notwendigen Nachweise verfügen. Dies wird dazu führen, dass vom AMS getroffene Entscheidungen zur Arbeitslosenversicherungspflicht erst Monate später, wenn die tatsächlichen Versicherungszeiten beim Dachverband eingespielt werden, korrigiert werden können. Wie die betroffenen Personen rückwirkend zu einer Leistung kommen, ist der Durchführungsweisung nicht zu entnehmen.
Um als arbeitslos zu gelten, muss gem § 12 Abs 1 AlVG eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit beendet sein und darf nicht mehr der Pflichtversicherung in der PV unterliegen. Es darf gem Abs 3 leg cit keine neue oder weitere Erwerbstätigkeit ausübt werden. Weiters gilt aufgrund der derzeit geltenden gesetzlichen Regelung nicht als arbeitslos, wer beim selben DG eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.
Bis zum 31.3.2024 wurde die laut Gesetz geforderte notwendige Unterbrechung von einem Monat nur bei Vorliegen eines davor vollversicherten Beschäftigungsverhältnisses beim selben DG angewendet. Somit lag bisher nur bei einem unmittelbaren Wechsel von einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis auf ein geringfügiges beim selben DG keine Arbeitslosigkeit vor und es gebührte daher keine Leistung. Bisher fand diese Regelung auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse keine Anwendung, wenn die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wurde, auch wenn dieses neben einem vollversicherten Dienstverhältnis bestand.
Laut Durchführungsweisung ist § 12 Abs 1 Z 1 und 3 AlVG Voraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit. 336 Darüber hinaus darf keine weitere Beschäftigung ausgeübt werden, es müssen daher alle Beschäftigungen beendet werden. § 12 Abs 3 AlVG ist grundsätzlich auch auf bestehende geringfügige Dienstverhältnisse anwendbar. Daher soll laut Durchführungsweisung diese gesetzliche Regelung nun auch auf mehrfach geringfügige Beschäftigungen, die der Pflichtversicherung in der AlV unterliegen, Anwendung finden. Begründet wird dies in der Durchführungsweisung damit, dass der Systematik des § 12 AlVG, also der Verknüpfung von Abs 1 und Abs 3 leg cit und der nunmehrigen Zusammenrechnung aller Beitragsgrundlagen für die Frage der Geringfügigkeit relevant ist. Laut Durchführungsweisung ist davon auszugehen, dass Abs 1 leg cit die Beendigung sämtlicher Dienstverhältnisse, die der AlV unterliegen, für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit verlangt und § 12 Abs 3 lit h AlVG anwendbar sein. Erst nach einer Unterbrechung von einem Monat kann beim jeweiligen (ehemaligen) AG wiederum eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen werden. Als Beginn der Monatsfrist wird auf die Beendigung des der Vollversicherung unterlegenen geringfügigen Dienstverhältnis bzw auf das Ende der Vollversicherung bei einem fortlaufenden geringfügigen Dienstverhältnis abgestellt. Die Monatsfrist wird für jeden DG eigens bewertet, da § 12 Abs 3 lit h AlVG auf die Aufnahme der Beschäftigung beim selben DG abstellt. Bei Beendigung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses durch den DN ist laut Durchführungsweisung keine Sperrfrist gem § 11 AlVG zu verhängen, da die Beendigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen zur Erlangung des Arbeitslosengeldes als Existenzsicherung geschieht.
Die in der Durchführungsweisung getroffenen Auslegungen zur mehrfach geringfügigen Beschäftigung und § 12 Abs 3 lit h AlVG finden keine Deckung im Gesetz. Eine solche Verwaltungspraxis des BMAW wurde vor kurzem auch schon in Bezug auf Sanktionen im Arbeitslosenversicherungsrecht eingeführt. Diese Vorgehensweise stellt jedenfalls die Rechtsstaatlichkeit in Frage.
Was bedeutet diese rechtswidrige Durchführungsweisung nunmehr? Bei jedem einzeln betrachteten Dienstverhältnis handelt es sich ausschließlich um ein geringfügiges Dienstverhältnis, sodass es beim selben DG immer nur geringfügig war und geringfügig weitergeführt wird. Die Anwendung des § 12 Abs 3 lit h AlVG setzt voraus, dass vor der geringfügigen Beschäftigung eine die Arbeitslosigkeit ausschließende vollversicherungspflichtige Beschäftigung beim selben DG vorgelegen ist.* Zweck des § 12 Abs 3 lit h AlVG ist es, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen aus der AlV auszuschließen, indem ein vollversichertes Dienstverhältnis nur zum Schein beendet, aber tatsächlich (mit verringerter Stundenanzahl) als geringfügiges Dienstverhältnis weitergeführt wird.* Dies trifft aber auf die Fälle der mehrfach geringfügigen Beschäftigungen, die der Pflichtversicherung in der AlV unterliegen, nicht zu. Auch wird jedes einzeln für sich betrachtete Dienstverhältnis unverändert als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis weitergeführt.
Die zu § 12 Abs 3 lit h AlVG getroffenen Regelungen gelten laut Durchführungsweisung auch für das Zusammentreffen einer geringfügigen Beschäftigung mit einer vollversicherten Beschäftigung. Für das geringfügige arbeitslosenversicherte Beschäftigungsverhältnis bedeutet dies, dass es infolge § 12 Abs 3 lit h AlVG zu beenden ist und frühestens einen Monat später wieder begonnen werden kann. Diese einmonatige Frist beginnt laut Durchführungsweisung ab dem Ende der Arbeitslosenversicherungspflicht. Die gesetzliche Regelung in § 53a Abs 3 ASVG bleibt gänzlich unberücksichtigt. Übersehen wird dabei auch, dass eine Vielzahl an geringfügigen Beschäftigungen neben einer vollversicherten Teilzeitbeschäftigung zur Existenzsicherung aufgenommen werden, sodass eine Beendigung der geringfügigen Beschäftigungen einen Antrag auf Sozialhilfe bzw Mindestsicherung zur Folge haben wird.
Damit man aufgrund der nunmehrigen Verwaltungspraxis als arbeitslos gilt, muss das geringfügige Dienstverhältnis, welches der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlag oder neben einem vollversicherten Dienstverhältnis bestanden hat, beendet werden. Eine § 11 AlVG-Sperre soll bei der DN-Kündigung des geringfügigen Dienstverhältnisses nicht zu einer 28-tägigen Sperre führen, jedoch führt eine Urlaubsersatzleistung für einen nicht verbrauchten Urlaub aus einem geringfügigen Dienstverhältnis zum Ruhen der Leistung, wie weiter unten in Pkt 5.2. thematisiert wird.
Damit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, müssen gem § 14 AlVG arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten nachgewiesen werden. Für die Bemessung der Leistung können gem § 21 AlVG nur arbeitslosenversicherungspflichtige Beitragszeiten herangezogen werden.
Um die notwendige Anwartschaft an Versicherungszeiten für das Arbeitslosengeld zu erfüllen, ist es gem § 14 AlVG notwendig, arbeitslosenversicherungspflichtige 337 Beschäftigungszeiten vorzuweisen. Für den erstmaligen Bezug innerhalb von 24 Monaten 52 Wochen und bei einer weiteren Inanspruchnahme 28 Wochen innerhalb von 12 Monaten.
Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes ist gem § 21 AlVG das Entgelt der letzten zwölf zum Zeitpunkt der Geltendmachung nach Ablauf der Berichtigungsfrist gem § 34 Abs 4 ASVG liegenden Kalendermonate aus den beim Dachverband der Sozialversicherungsträger (Dachverband) gespeicherten Beitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem laufendem Entgelt, mangels solcher aus anderen gespeicherten Beitragsgrundlagen heranzuziehen.
Die Pflichtversicherung in der AlV von mehrfach geringfügig Beschäftigten führt zu Anwartschaftszeiten in der AlV. Dabei sind die Tage der Pflichtversicherung wesentlich und nicht, ob an diesen Tagen auch konkret eine Beschäftigung stattfand. Hinsichtlich der Bemessung des Arbeitslosengeldes sind bei einem unvollständigen Kalendermonat aufgrund des Wortlautes des § 21 Abs 2 AlVG wie bisher nur die Versicherungstage mit laufendem Entgelt heranzuziehen.
Eine andere als die in der Durchführungsweisung getroffene Auslegung zur Anwartschaft wäre auch nicht gerechtfertigt, da an den Versicherungstagen keine Arbeitslosigkeit vorliegt und die gesetzlichen Regelungen im AlVG keine andere Auslegung zulässt. Hinsichtlich der Bemessung des Arbeitslosengeldes sind laut Durchführungsweisung bei einem unvollständigen Kalendermonat aufgrund des Wortlautes des § 21 Abs 2 AlVG wie bisher nur die Versicherungstage mit laufendem Entgelt heranzuziehen. Auch bei der Bemessung können nur die laut Durchführungsweisung heranzuziehenden Tage mit laufendem Entgelt berücksichtigt werden, da das AlVG nur diese gesetzliche Regelung vorsieht. In diesem Zusammenhang ist aber zu erwähnen, dass Teile von Kalendermonaten gem § 21 Abs 2 AlVG ohnehin nur zu berücksichtigen sind, wenn keine anderen monatlichen Beitragsgrundlagen von vollständigen Monaten vorliegen. Daher ist davon auszugehen, dass ein unvollständiger Kalendermonat aus einer Pflichtversicherung wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze bei mehrfacher geringfügiger Beschäftigung wohl selten bis gar nicht herangezogen wird.
Gem § 16 Abs 1 lit k und lit l AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Zeitraumes einer Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung.
Die bisherige Verwaltungspraxis sah ein Ruhen der Leistung bisher nur bei Entschädigungs- und Ersatzleistungen aus einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis vor. Weder eine geringfügige Kündigungsentschädigung noch eine Urlaubsersatzleitung führten zum Ruhen der Leistung.
Bei Überschneidungen der Entschädigungsleistungen:
Nach § 11 Abs 2 ASVG besteht die Pflichtversicherung für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) sowie für die Zeit des Bezuges einer Kündigungsentschädigung. Laut VwGH ist die Urlaubsersatzleistung für die Beurteilung zu berücksichtigen, ob die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG – allenfalls bereits allein durch die Beschäftigung bei einem bzw aufgrund mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse – überschritten wurde.* Trotz dieser Entscheidung hält die ÖGK an der bisherigen Vorgangsweise, dass allein aufgrund einer Urlaubsersatzleistung aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis dieses geringfügige Beschäftigungsverhältnis nicht zu einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis werden kann, fest. Liegen allerdings im selben Monat zwei oder mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältniss vor, wird die Höhe einer Urlaubsersatzleistung aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis für die Beurteilung der Vollversicherung sehr wohl mit einbezogen. Überschneidungszeiträume einer geringfügigen Kündigungsentschädigung oder Urlaubsersatzleistung mit einem vollversicherten oder mehrerer geringfügigen Kündigungsentschädigungen oder Urlaubsersatzleistungen, wenn diese in Summe die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, führen zu einer Vollversicherung.
Bei geringfügiger Urlaubsersatzleistung:
Um der Problematik, ob eine Kündigungsentschädigung oder Urlaubsersatzleistung zur Vollversicherung der geringfügigen Beschäftigung führt, zu umgehen, wurde nun laut Durchführungsweisung festgelegt, dass eine Urlaubsersatzleistung aus einem geringfügigen Dienstverhältnis allgemein zum Ruhen 338 der Leistung führt. Nach § 16 Abs 1 lit l AlVG ruht der Leistungsanspruch während einer Urlaubsersatzleistung. Laut Durchführungsweisung gilt dies nach dem Wortlaut auch bei einer Urlaubsersatzleistung aus einer geringfügigen Beschäftigung. Dies wird damit begründet, dass der Gesetzgeber die Frage des Leistungsbezuges, während eine Urlaubsersatzleistung auch über die Definition von Arbeitslosigkeit gem § 12 AlVG lösen könne, also generell an der Dauer der Pflichtversicherung anknüpfen könne. In diesem Fall wäre eine Urlaubsersatzleistung aus geringfügiger Beschäftigung unschädlich. Das ist aber laut Durchführungsweisung eben nicht der Fall, somit ist in der Gesamtsystematik bei Urlaubsersatzleistung immer ein Ruhen angeordnet. Die Durchführungsweisung verweist auf den Ausschluss einer Doppelversorgung, die der Gesetzgeber für die Zeiträume der Urlaubsersatzleistung verhindern wollte. Auch schließt die Durchführungsweisung gleichheitsrechtliche Erwägungen aus, da diese aufgrund des Fehlerkalküls der Rechtsordnung in diesem Zusammenhang nur dort berücksichtigt werden können, wo das Gesetz keine eindeutigen Rückschlüsse zulässt. Dazu wird weiters ausgeführt, dass selbst wenn man argumentieren würde, dass das Gesetz vergleichbare Sachverhalte (Urlaubsverbrauch versus „Urlaubsauszahlung“) ungleich behandelt, zu berücksichtigen ist, dass eine aufrechte geringfügige Beschäftigung als typisiertes Verfügbarkeitskriterium ein Spezifikum im Arbeitslosenversicherungsrecht darstellt, das nicht mit der „Auszahlung des Urlaubs“ oder anderen Entgeltformen unmittelbar vergleichbar ist. Eine Verfassungswidrigkeit der geltenden Bestimmungen wird daher laut Durchführungsweisung ausgeschlossen.
Dass eine geringfügige Urlaubsersatzleistung und Kündigungsentschädigung zum Ruhen der Leistung führen, stellt eine der gravierendsten Verschlechterungen der bisherigen Verwaltungspraxis dar. Die Urlaubsersatzleistung führt nach der Durchführungsweisung in jedem Fall zum Ruhen der Leistung, auch wenn diese aus einem Dienstverhältnis stammt, das zu keinem Zeitpunkt arbeitslosenversicherungspflichtig war. Hinzu kommt, dass dies laut Verwaltungspraxis des AMS auch für die Kündigungsentschädigung gilt. Dabei wird übersehen, dass § 12 AlVG sehr wohl zu berücksichtigen ist und es sich um Entgeltansprüche gem § 49 ASVG handelt. Auch sieht die Durchführungsweisung für das Ruhen der Leistung aufgrund einer Kündigungsentschädigung oder Urlaubsersatzleistung gem § 16 Abs 2 und Abs 4 AlVG keine Regelung für den Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung und die Urlaubsersatzleistung vor, wenn der Anspruch strittig ist. Der Vorschuss gebührt aufgrund der Bestimmungen im AlVG in der Höhe des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe. Ein Rückersatz erfolgt auf die fällige Kündigungsentschädigung oder Urlaubsersatzleitung für denselben Zeitraum auf den Bund zugunsten der AlV. Daher wird auch nur die für den Zeitraum gebührende geringfügige Kündigungsentschädigung und geringfügige Urlaubsersatzleistung zurückzuerstatten sein und nicht der Vorschuss in der tatsächlich ausbezahlten Höhe.
Gem § 21a AlVG ist das aus vorübergehender Erwerbstätigkeit erzielte Nettoeinkommen in einem Kalendermonat auf das an den verbleibenden Anspruchstagen gebührende Arbeitslosengeld in diesem Kalendermonat anzurechnen. Als vorübergehende Erwerbstätigkeit gelten Beschäftigungen, die für weniger als vier Wochen vereinbart wurden, und selbständige Erwerbstätigkeiten, die weniger als vier Wochen lang ausgeübt werden.
Bisher erfolgte die Umsetzung der Anrechnung bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen dahingehend, dass bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze an den Tagen der Beschäftigung keine Leistung gebührt und an den restlichen Tagen das Einkommen auf die Leistung angerechnet wurde und sich diese dadurch entsprechend verringert.
Bei vorübergehender (unselbständiger) Erwerbstätigkeit gilt laut Durchführungsweisung § 21a AlVG unverändert, solange keine Pflichtversicherung in der AlV an den verbleibenden Tagen des Monats entsteht. Entsteht eine Pflichtversicherung in der AlV, liegt an den Tagen der bestehenden Arbeitslosenversicherungspflicht kein Anspruch vor, sodass die Anrechnung nur auf die verbleibenden Tage ohne Pflichtversicherung in der AlV erfolgen kann. Für die Beurteilung, ob vorübergehende Erwerbstätigkeit vorliegt, wird nicht der Zeitraum der eintretenden Pflichtversicherung in der AlV, sondern auf die vereinbarte Beschäftigungsdauer abgestellt. Dennoch führen die veränderten Regelungen zur mehrfach geringfügigen Beschäftigung bei Pflichtversicherung in der AlV dazu, dass die verbleibenden Tage sich durch den Beginn und das Ende der Pflichtversicherung verringern. Denn die Pflichtversicherung beginnt mit jenem Tag, an dem in diesem Kalendermonat erstmalig eine geringfügige Beschäftigung nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz aufgenommen worden ist. Die Pflichtversicherung 339 endet auch, wenn die Beschäftigung bereits vorher beendet wurde, erst mit dem Monatsende. Somit erfolgt eine Anrechnung nur an den vor dem ersten Tag der Beschäftigung liegenden arbeitslosenversicherungsfreien Tagen.
Da eine Feststellung der Pflichtversicherung durch den Krankenversicherungsträger immer erst Monate später erfolgt, wird das AMS die Vorfrage der Pflichtversicherung und die damit verbundenen Auswirkungen zunächst selbst klären und keine bzw eine Anrechnung nur an den selbst festgestellten arbeitslosenversicherungsfreien Tagen vornehmen. Erst wenn tatsächlich festgestellt wird, dass keine Pflichtversicherung vorliegt, wird es zu einer Anrechnung wie bisher kommen. Es stellt sich daher auch die Frage, welche Auswirkungen eine spätere Feststellung über Arbeitslosenversicherungspflicht auf die Anrechnung und damit verbundene Auszahlung hat und ob das AMS eine nachträgliche Korrektur und Auszahlung amtswegig vornimmt. Für eine Formalversicherung ist eine vorübergehende Auszahlung ohnehin aufgrund der vorliegenden Arbeitslosenversicherungspflicht ausgeschlossen, da auch bei einer späteren Feststellung, dass die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wird, die Pflichtversicherung aufrecht bleibt.
Für den Weiterbildungsgeldbezug und den Bildungsteilzeitgeldbezug ergeben sich aufgrund der Durchführungsweisung keine Änderungen zur bisherigen Verwaltungspraxis. Hier ist ein Zuverdienst bis gem § 26 Abs 3 bzw § 26a Abs 3 AlVG bei Vorliegen einer Beschäftigung nur bis zur Geringfügigkeitsgrenze möglich. Übersteigt der Zuverdienst die Geringfügigkeitsgrenze, gebührt kein Weiterbildungsgeld bzw Bildungsteilzeitgeld. Und wer auf Grund einer Ausbildung oder mehrerer Ausbildungen Einkünfte erzielt, deren Höhe das Eineinhalbfache der Geringfügigkeitsgrenze gem § 5 Abs 2 ASVG übersteigt, hat keinen Anspruch auf Weiterbildungsgeld bzw Bildungsteilzeitgeld und es wird nicht auf die Pflichtversicherung in der KV oder AlV abgestellt, zu der es ohnehin nur bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze kommen kann.
Gem § 10 Abs 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates, ganz oder teilweise nachzusehen.
Derzeit berücksichtigt das AMS die Nachsicht ausschließlich bei einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis. Eine Unterscheidung ist bis zum 31.3.2024 nicht notwendig gewesen, da nur eine Beschäftigung, welche die Arbeitslosigkeit beendet, zu berücksichtigen war und auch an allen Tagen eine Beschäftigung vorgelegen ist. Bisher war daher nur der Beginn der Beschäftigung und die Dauer ausschlaggebend, ob gänzliche oder teilweise Nachsicht zu gewähren war.
Hinsichtlich der Nachsicht vom Anspruchsverlust wird laut Durchführungsweisung bei mehrfach geringfügiger Beschäftigung ab 1.4.2024 auf die Beschäftigungstage abgestellt. Bloße Versicherungszeiten in der AlV infolge von zwei oder mehreren geringfügigen Beschäftigungen gem § 471h AlVG werden nicht in die Dauer der vorübergehenden Beschäftigung eingerechnet und sind bei der Nachsicht nicht zu berücksichtigen.
Die Durchführungsweisung verweist zur Nachsicht gem § 10 Abs 3 AlVG ausdrücklich auf § 471h AlVG. Daher ist davon auszugehen, dass eine Formalversicherung ab Beginn zu Nachsicht führt und nicht auf die Beschäftigungstage abgestellt wird. Dennoch erscheint dies sachlich nicht gerechtfertigt, da Arbeitslosigkeit auch bei bloßen Versicherungszeiten nicht vorliegt und ein Leistungsbezug wegen Beschäftigung und Arbeitslosenversicherungspflicht ausgeschlossen ist, sodass bei der Prüfung der Nachsicht nicht ausschließlich auf die Beschäftigungstage abgestellt werden darf und auch das Gesetz dazu nur auf die Aufnahme einer Beschäftigung verweist und damit wohl die Beendigung der Arbeitslosigkeit gemeint ist.
Nachdem der Inhalt der Durchführungsweisung erläutert und die wesentlichen Regelungen, die den gesetzlichen Regelungen widersprechen, aufgezeigt wurden, findet die in der Durchführungsweisung 340 festgelegte Verwaltungspraxis in wesentlichen Punkten keine ausdrückliche Deckung im AlVG und ist daher rechtswidrig. Auch bei dieser Durchführungsweisung des Arbeitsministeriums handelt es sich um eine Weisung iSd Art 20 Abs 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG). Solche Weisungen wirken nur im Innenverhältnis, da es sich dabei um eine Anordnung an eine untergeordnete Behörde handelt.* Wie bereits im Beitrag „Sanktionen im Arbeitslosenversicherungsrecht – Verwaltungspraxis ohne gesetzliche Grundlage“ ausführlich dargelegt,* stellt eine Durchführungsweisung keine taugliche Rechtsgrundlage dar.
Die Durchführungsweisung des BMAW aufgrund des Erkenntnisses des VfGH vom 6.6.2023, G 296/2022, wonach ab 1.4.2024 mehrfach geringfügig Beschäftigte von der Arbeitslosenversicherungspflicht erfasst sind, verstößt in wesentlichen Punkten gegen das AlVG, aber auch gegen das ASVG und führt daher zur Rechtswidrigkeit von AMS-Bescheiden, die sich darauf stützen. Folglich ist die derzeitige Verwaltungspraxis des AMS – basierend auf der Durchführungsweisung – in vielen Punkten rechtswidrig und erfolgt ohne gesetzliche Grundlage. Diese Ansicht wird bereits in einer E des BVwG bestätigt* und bleibt abzuwarten, ob und wie sich der VwGH dazu äußern wird. 341