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Teuerungsprämie durch Insolvenz-Entgelt-Fonds gesichert

MargitMader

Die Kl ist seit 19.4.2022 bei der W* GmbH als Angestellte beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist der Angestellten-KollV für Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker anzuwenden. Im Dezember 2022 rechnete die AG bei allen ihren (insgesamt 46) AN eine Teuerungsprämie von je € 500,- ab. Am 9.1.2023 wurde über das Vermögen der AG das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Die Kl meldete ihre Forderungen – inklusive der streitgegenständlichen Teuerungsprämie – sowohl im Insolvenzverfahren als auch bei der bekl IEF-Service GmbH an.

Mit Bescheid vom 25.4.2023 lehnte die Bekl das von der Kl beantragte Insolvenz-Entgelt für die Teuerungsprämie ab. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass es sich bei der Teuerungsprämie nicht um Entgelt iSd § 1 Abs 2 IESG handle. Am 3.5.2023 erhielt die Kl die 5 % umfassende Barquote aus dem Insolvenzverfahren überwiesen. Die Kl brachte gegen den Bescheid Klage ein und brachte vor, dass es sich bei der Teuerungsprämie um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis gem § 1 Abs 2 IESG handle, der keinen ausgeschlossenen Anspruch iSd § 1 Abs 3 IESG darstelle. Die Bekl beantragte Klagsabweisung und brachte vor, dass die Kl keinen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis iSd § 1 Abs 2 IESG geltend mache. Vereinbarungen und Verhaltensweisen, durch die das Risiko im Insolvenzfall missbräuchlich auf den Insolvenz-Entgelt-Fonds überwälzt werden solle, seien nichtig. Es handle sich daher um einen ausgeschlossenen Anspruch iSd § 1 Abs 3 IESG. Es liege weder eine betriebsübliche Entlohnung vor noch sei diese freiwillige Leistung sachlich gerechtfertigt.

Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von € 475,- (€ 500,- abzüglich der von der Kl bezogenen Barquote von € 25,-) statt und wies ein Begehren von € 25,- (unangefochten) ab. Die hier gegenständliche Teuerungsprämie nach § 124b Z 408 lit a EStG 1988 habe ihren Entstehungsgrund im Arbeitsverhältnis und sei daher als Anspruch iSd § 1 Abs 2 IESG zu qualifizieren.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Die Teuerungsprämie stehe in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, weshalb sie als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis gem § 1 Abs 2 Z 1 IESG zu qualifizieren sei. Ein Ausschluss des Anspruchs nach § 1 Abs 3 Z 1 IESG komme nicht in Frage, weil die Bekl nicht einmal behauptet habe, dass die Kl von einer allfälligen Benachteiligungsabsicht ihres AG zulasten der Bekl gewusst habe oder wissen hätte müssen. Auf Grundlage des Vorbringens der Kl sei allerdings nicht erkennbar, ob eine sachliche Rechtfertigung für die Auszahlung der Teuerungsprämie iS von § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG vorliege. Gleichzeitig ließ das Berufungsgericht – mangels Rsp zur Frage der Qualifikation einer Teuerungsprämie als gesicherter Anspruch nach § 1 Abs 2 IESG – den Rekurs an den OGH zu.299

Der OGH befand den Rekurs für zulässig und teilweise berechtigt: Nach seiner Ansicht liege Entscheidungsreife vor. Der Umstand, dass der Rekurs von der Kl erhoben worden war, hindere nicht die Entscheidung in der Sache selbst zum Nachteil der Rekurswerberin, zumal der Grundsatz der Unzulässigkeit der reformatio in peius im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss nicht gilt.

Nach Ansicht der Bekl stellt die Teuerungsprämie keinen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis dar, zumal diese – anders als eine Bleibeprämie – nicht von einer tatsächlichen Arbeitsleistung abhänge und nur „wegen der Teuerung“ freiwillig gewährt werde. Sie sei auch nicht mit der nach dem IESG gesicherten Corona-Prämie (gemeint: der durch Art 11 3. COVID-19-G, BGBl I 2020/23BGBl I 2020/23, eingeführte § 124b Z 350 EStG 1988) zu vergleichen, weil die Corona-Prämie besondere Belastungen – wie die durch die Pandemie individuell erschwerten Arbeitsbedingungen – hätte ausgleichen sollen. Die Teuerungsprämie dagegen sehe einen solchen Ausgleich nicht vor und sei eine nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehende, rein steuer- und abgabenrechtliche Regelung.

§ 124b Z 408 lit a EStG 1988, der durch Art 1 Z 3 lit c Teuerungs-Entlastungspaket, BGBl I 2022/93, eingeführt wurde und die Gewährung von abgabenfreien Teuerungsprämien durch den AG ermöglicht, lautet:

„Zulagen und Bonuszahlungen, die der AG in den Kalenderjahren 2022 und 2023 aufgrund der Teuerung zusätzlich gewährt (Teuerungsprämie), sind
  • bis 2.000 Euro pro Jahr steuerfrei und zusätzlich
  • bis 1.000 Euro pro Jahr steuerfrei, wenn die Zahlung aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs 5 Z 1 bis 7 erfolgt.

Es muss sich dabei um zusätzliche Zahlungen handeln, die üblicherweise bisher nicht gewährt wurden. Sie erhöhen nicht das Jahressechstel gemäß § 67 Abs 2 und werden nicht auf das Jahressechstel angerechnet.“

Der Initiativantrag, auf den diese Bestimmung zurückgeht, wurde wie folgt begründet (IA 2662/A BlgNR 27. GP 11):

„Zahlt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer in den Jahren 2022 und 2023 auf Grund der gestiegenen Preise zusätzlichen Arbeitslohn, soll diese Maßnahme steuerlich entlastet werden: Derartige zusätzliche Zahlungen sollen als ‚Teuerungsprämie‘ in den Kalenderjahren 2022 und 2023 bis zu einem Betrag von insgesamt 3.000 Euro pro Jahr steuerfrei sein. Die Zahlungen dürfen üblicherweise bisher nicht gewährt worden sein; Belohnungen (sic!) die aufgrund von Leistungsvereinbarungen gezahlt werden, fallen daher nicht unter diese Befreiung. Im Lichte der bereits eingetretenen Preissteigerung setzt die Steuerbefreiung bis 2.000 Euro nur eine zusätzliche Zahlung in den Jahren 2022 und 2023 voraus, ist aber sonst an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Das volle Ausmaß der Befreiung von 3.000 Euro soll nur dann ausgeschöpft werden können, wenn die 2.000 Euro übersteigende Zahlung aufgrund einer lohngestaltendenden Vorschrift gemäß § 68 Abs 5 Z 1 bis 7 geleistet wird. […]“

Nach § 124b Z 408 lit a EStG 1988 handelt es sich bei der Teuerungszulage um zusätzliche, bisher nicht gewährte Zulagen oder Bonuszahlungen in den Jahren 2022 und 2023, die den AN im Hinblick darauf, dass die Geldentwertung eine unverhältnismäßige Minderung des Arbeitslohnes bewirkte, vom AG gewährt wurden. Nach den Gesetzesmaterialien soll damit eine steuerliche Entlastung für einen aufgrund der gestiegenen Preise in den Jahren 2022 und 2023 zusätzlich gewährten Arbeitslohn bewirkt werden.

Der OGH teilt die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach eine solche Teuerungsprämie in untrennbarem Konnex mit Arbeitsverhältnis und -leistung steht und den Kernbereich des durch das IESG versicherten Risikos betrifft. Sie soll gerade vor dem Hintergrund der Geldentwertung die Bestreitung des Lebensunterhalts der AN trotz Insolvenz des AG sicherstellen. Die Teuerungsprämie nach § 124b Z 408 lit a EStG 1988 ist daher als laufendes Entgelt iSd § 1 Abs 2 IESG anzusehen.

Tatsächlich wurde die Prämie hier aufgrund von schlüssig zustande gekommen Einzelvereinbarungen im Dezember 2022 abgerechnet, bevor der AG im Jänner 2023 insolvent wurde. Dass die Kl oder andere AN zu diesem Zeitpunkt schon länger offene Entgeltansprüche gehabt hätten, hat die Bekl nicht vorgebracht und ist auch nicht hervorgekommen. Dasselbe gilt für Umstände dahin, dass die Kl eine besondere Nahebeziehung zum AG oder sonst konkretes Wissen über dessen Insolvenz gehabt und deshalb die Vereinbarung über die Teuerungsprämie getroffen hätte. Es wurde auch nicht behauptet, dass die Höhe der gewährten Teuerungsprämie in einem auffälligen Missverhältnis zu Arbeitsausmaß oder Lohnhöhe der Kl gestanden wäre. Ein konkreter Missbrauchsvorsatz oder gar Missbrauchsabsicht der Kl wurde nicht behauptet, sodass ein Ausschlussgrund iSd § 1 Abs 3 Z 1 IESG nicht in Betracht kommt.

Zusammengefasst ist eine sachliche Rechtfertigung der Gewährung der Teuerungsprämie hier nicht weiter erörterungsbedürftig und inhaltlich zu bejahen. Der Anspruch der Kl besteht damit zu Recht, ohne dass auf die – in den Rechtsmittelschriften der Parteien auch nicht mehr angesprochene – Frage der Betriebsüblichkeit eingegangen werden muss.300