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Zulässigkeit einer rückwirkenden Korrektur der Leistungsbemessung nach Leistungsmitteilung im Anschluss an Wiedermeldung nach Unterbrechung des Arbeitslosengeldanspruchs?

ThorstenBerk

Der Beschwerdeführer beantragte am 2.9.2022 die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes. Mittels Zuerkennungsmitteilung vom 12.9.2022 informierte ihn das Arbeitsmarktservice (AMS) über den Leistungsanspruch. Vom 13.9. bis 13.11.2022 ruhte der Arbeitslosengeldanspruch wegen eines Auslandsaufenthaltes. Nach der Wiedermeldung am 14.11.2022 erhielt der Beschwerdeführer am selben Tag erneut eine Mitteilung über den Leistungsanspruch. Die Bemessungsgrundlage, der Tagsatz und die Zahl der Familienzuschläge waren unverändert zur Mitteilung vom 12.9.2022. Am 8.2.2023 beantragte der Beschwerdeführer die Erlassung eines Bescheides über den Leistungsanspruch ab dem 3.9.2022, weil er mit der Leistungshöhe nicht einverstanden war. Das AMS wies den Antrag mit Bescheid vom 8.2.2023 wegen entschiedener Sache gem § 47 Abs 1 AlVG zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass ein bescheidmäßiger Abspruch über die Mitteilung vom 12.9.2022 nur binnen drei Monaten nach dessen Zustellung möglich gewesen sei. Die Antragstellung mit 8.2.2023 wäre nicht binnen dieser Frist erfolgt.

Der Beschwerdeführer brachte in der dagegen eingebrachten Beschwerde vor, dass sein Bescheidantrag der Mitteilung vom 14.11.2022 gegolten hätte und dieser innerhalb der dreimonatigen Frist gestellt worden sei. Mit Erkenntnis vom 2.8.2023 gab das BVwG der Beschwerde statt, behob den Bescheid des AMS und wies das AMS an, das Verfahren unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund fortzusetzen. Die Revision ist für zulässig erklärt worden, weil Rsp des VwGH zur Auslegung des § 47 AlVG fehlen würde. Aus Sicht des BVwG sei insb die Frage zu klären, ob eine spätere Leistungsmitteilung eine neuerliche Eröffnung des Rechtszugs betreffend den Leistungsanspruch auch dann bewirke, wenn die Bemessungsgrundlage und die Höhe des Anspruches bereits in einer früheren, unbekämpft gebliebenen Leistungsmitteilung identisch enthalten gewesen seien.

Die vom AMS erhobene Amtsrevision war im Wesentlichen damit begründet, dass das BVwG die Rechtsfrage falsch gelöst hätte, da zB mittels eines tageweisen Anspruchsverzichts und anschließenden Fortbezuges eine (neue) Leistungsmitteilung zu erhalten wäre, über welche binnen drei Monaten ein Bescheid verlangt werden könne, was im Ergebnis dazu führen würde, dass ein neuer Rechtszug gegen eine rechtskräftig entschiedene Sache (Zuerkennungsmitteilung) eröffnet wäre. Dies würde im Widerspruch zu § 47 Abs 1 AlVG stehen, da hier die Unanfechtbarkeit der Zuerkennungsmitteilung nach drei Monaten normiert sei. Die vom AMS erhobene Amtsrevision wurde vom VwGH zur Klärung der Rechtsfrage für zulässig erklärt. Sie ist aber nicht berechtigt.

Begründend verweist der VwGH zunächst auf die Gesetzesmaterialien (1474 BlgNR 25. GP 4) zu § 47 Abs 1 AlVG. Dort ist erwähnt, dass nach Ablauf dieser Frist (gemeint drei Monate) eine entschiedene Sache vorliegen soll. Der VwGH geht davon aus, dass mit der Wortfolge „entschiedene Sache“ die Rechtskraftwirkungen des § 68 AVG gemeint sind. Das Wiederholungsverbot in derselben Angelegenheit ist Ausfluss der materiellen Rechtskraft und gilt für beantragte und amtswegige Bescheide und Leistungsmitteilungen. Daher war zunächst für den VwGH zu klären, inwieweit die erste Mitteilung über den Leistungsanspruch der Erlassung einer neuen, in Bezug auf die Leistungshöhe identen Mitteilung nach der Wiedermeldung des Mitbeteiligten entgegenstand.

Die Wiedermeldung gem § 46 Abs 5 AlVG dient der neuerlichen Geltendmachung des Anspruches. Aus § 46 Abs 5 bis 7 AlVG geht hervor, dass es als zweckmäßig 305 erscheint, dass nach einem Unterbrechungs- und Ruhenszeitraum eine Entscheidung ergehen muss, weil sich durch die Unterbrechung oder das Ruhen das Ende des Anspruchszeitraumes verschiebt und auch das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes strittig sein kann. Zudem ist es möglich, dass es durch die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses notwendig wird, die Anspruchsvoraussetzungen neu zu prüfen. Zwar ist, solange keine neue Anwartschaft erfüllt ist, keine neue Bemessungsgrundlage heranzuziehen, es kann sich aber der Anspruch auf Familienzuschläge geändert haben. Daher ist es verständlich, dass aufgrund von § 46 AlVG eine umfassende Entscheidung ergeht und sich diese nicht nur auf neue Aspekte beschränkt. Diese Entscheidung kann aber nur pro futuro für den Zeitraum ab der neuen Geltendmachung oder Wiedermeldung gelten. Ein Ausspruch über den schon vergangenen Bezugszeitraum müsste sich – ebenso wie eine Korrektur der Bemessung ohne Sachverhaltsänderung – auf § 24 Abs 2 AlVG stützen.

Das AMS hat insoweit gegen das Wiederholungsverbot der Mitteilung vom 12.9.2022 verstoßen, als es mit Mitteilung vom 14.11.2022 über den bereits konsumierten Anspruch im Zeitraum bis zum Ruhen entschieden hat. Es entspricht aber dem Gesetz, dass über die Bemessung des Bezuges abgesprochen wurde, wobei die Rechtskraftwirkung der Mitteilung vom 12.9.2022 zu beachten wäre. Es dürfte also weder über den Zeitraum vor dem Ruhen abgesprochen noch ohne Sachverhaltsänderung eine neue Bemessung vorgenommen werden. Um eine (rückwirkende) Korrektur der Bemessung erreichen zu können, müsste der Beschwerdeführer einen Antrag auf Berichtigung nach § 24 Abs 2 AlVG stellen. Das AMS wird im fortzusetzenden Verfahren zu klären haben, ob der Bescheidantrag des Beschwerdeführers so (Anmerkung: als Antrag auf Berichtigung gem § 24 Abs 2 AlVG) zu verstehen war. Die Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache war jedenfalls unzulässig.