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Kündigung nach dem Kollektivvertrag für die Universitäten bedarf eines schriftlich angegebenen Kündigungsgrundes

KLAUSBACHHOFER
§§ 21, 22 KollV für die Arbeitnehmer:innen der Universitäten

Die Kl ist seit 17.2.2004 im Ausmaß von 20,4 Wochenstunden bei der Bekl beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist der KollV für die AN der Universitäten (idF: KollV) anzuwenden. Es wurde von der Bekl mit folgendem Schreiben vom 24.5.2022 aufgekündigt:

„(…) Wir sehen uns leider dazu veranlasst, das zwischen Ihnen und der Universität * ab * 2004 eingegangene Dienstverhältnis unter Einhaltung der kollektivvertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zum 30.9.2022 aufzukündigen. Das Dienstverhältnis endet daher am 30.9.2022. Wir ersuchen Sie, Ihren offenen Resturlaub während der Kündigungsfrist zu konsumieren. Die aliquoten Sonderzahlungen werden mit der Endabrechnung ausbezahlt. Ihre Arbeitspapiere und die Endabrechnung erhalten Sie nach Beendigung des Dienstverhältnisses im Postweg übermittelt.

Im Sinne des § 105 ArbVG wurde der Betriebsrat von der Kündigung ordnungsgemäß verständigt. (…)“

Die Kl begehrt die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis zur Bekl über den 30.9.2022 hinaus aufrecht fortbestehe, in eventu, die mit Schreiben vom 24.5.2022 ausgesprochene Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses für rechtsunwirksam zu erklären. Sie bringt vor, sie unterliege dem besonderen Kündigungsschutz nach § 22 KollV, wonach das Arbeitsverhältnis nur unter Angabe eines Grundes gekündigt werden dürfe. Da ein solcher im Kündigungsschreiben nicht genannt sei, sei die Kündigung rechtsunwirksam. Darüber hinaus sei sie auch sozialwidrig.

Die Bekl bestreitet und wendet ein, dass aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit die Kündigung der Kl zwar begründet sein müsse, das Unterbleiben der Nennung des Kündigungsgrundes im Kündigungsschreiben die Kündigung jedoch nicht per se rechtsunwirksam mache. § 21 KollV normiere zwar ein Schriftlichkeitserfordernis für die Kündigung, nicht jedoch für die Angabe des Kündigungsgrundes. Es reiche aus, wenn der Kündigungsgrund spätestens im gerichtlichen Verfahren objektiviert werde.

Das Erstgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30.9.2022 hinaus aufrecht fortbesteht. Die Kündigung sei nur schriftlich zulässig und müsse der angegebene Kündigungsgrund iSd § 22 Abs 2 KollV vorliegen. Daher führe die Nichtangabe des Grundes im Kündigungsschreiben zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dies stimme auch damit überein, dass der KollV im Zuge der Ausgliederung der Universitäten entstanden sei und die Kollektivvertragsparteien offensichtlich ein Surrogat für den Kündigungsschutz der Vertragsbediensteten schaffen wollten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl gegen diese Entscheidung nicht Folge. Die Kündigung der Kl sei mangels Angabe von Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben rechtsunwirksam.

Die Revision der Bekl wurde vom OGH als zulässig, aber nicht berechtigt erkannt.

Der Gerichtshof begründet dies wie folgend: Gem § 21 Abs 1 KollV kann ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis nach den folgenden Bestimmungen durch Kündigung aufgelöst werden. Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

§ 22 KollV lautet auszugsweise wie folgt:

Abs 1: ArbeitnehmerInnen, die seit 20 Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, oder die das 45. Lebensjahr vollendet haben und seit 15 Jahren27bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, oder die das 50. Lebensjahr vollendet haben und seit zehn Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, dürfen nur mit Angabe eines Grundes gekündigt werden. (...)

Abs 2: Ein Grund, der die Universität zur Kündigung nach Abs 1 berechtigt liegt vor, wenn (…).

Abs 5: Weigert sich der/die ArbeitnehmerIn, den Verpflichtungen nach Abs 4 nachzukommen, kann das Arbeitsverhältnis von der Universität nach § 21 gekündigt werden.

Abs 6: Eine entgegen Abs 2 und Abs 5 ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam. (...)

Der normative Teil eines KollV ist nicht nach §§ 914, 915 ABGB, sondern nach §§ 6, 7 ABGB auszulegen. In erster Linie ist bei der Auslegung der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Bei der Auslegung einer kollektivvertraglichen Norm darf den Kollektivvertragsparteien zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten.

Ausgehend vom Wortlaut der relevanten Bestimmungen ergibt sich zunächst aus § 21 Abs 1 KollV, dass jede Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. § 22 Abs 1 KollV sieht zusätzlich für bestimmte AN, zu denen unstrittig auch die Kl zählt, einen erweiterten Kündigungsschutz vor. Diese dürfen nur „mit Angabe eines Grundes“ gekündigt werden. In der Folge werden in Abs 2 die Gründe, die zu einer Kündigung berechtigen, taxativ aufgezählt.

Der KollV verlangt daher im Rahmen des erweiterten Kündigungsschutzes nicht nur das Vorliegen eines Kündigungsgrundes, sondern ausdrücklich auch, dass die Kündigung nur unter Angabe des Grundes erfolgen darf. Richtig ist zwar, dass § 22 Abs 1 KollV dafür nicht ausdrücklich die Schriftform vorsieht, diese Bestimmung macht aber die Angabe des Kündigungsgrundes zum notwendigen Inhalt der Kündigung, die nach § 21 Abs 1 KollV in jedem Fall schriftlich zu erfolgen hat. Entgegen der Revision ist dabei nicht zwischen (schriftlicher) Kündigungserklärung und (formloser) Begründung zu unterscheiden, vielmehr hat die (in jedem Fall) schriftlich zu erfolgende Kündigung auch eine Begründung durch Angabe des Kündigungsgrundes zu enthalten.

Insoweit entspricht diese Regelung § 32 Abs 1 VBG 1948, der vorsieht, dass die Kündigung schriftlich und mit Angabe eines Grundes zu erfolgen hat. Dass sich im VBG 1948 beide Voraussetzungen in derselben Bestimmung finden, im KollV dagegen in unterschiedlichen Paragrafen, ergibt sich aus der Regelungssystematik, ändert aber nichts am identen Inhalt beider Normen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Bestimmung des KollV dem VBG 1948 nachgebildet wurde. Die im Wesentlichen übereinstimmende Regelung und der übereinstimmende Regelungszweck sprechen für eine gleichlautende Auslegung.

Daraus, dass der KollV ausdrücklich die Angabe des Kündigungsgrundes, nicht nur dessen Vorliegen verlangt, lässt sich ableiten, dass es in den Fällen des erweiterten Kündigungsschutzes nicht nur darauf ankommt, dass ein Kündigungsgrund vorliegt, sondern der DG den von ihm herangezogenen Kündigungsgrund auch dem DN mit der Kündigung bekanntzugeben hat. Sinn einer solchen Regelung kann aber nur sein, dass der DG sich nicht nachträglich auf andere als die bekanntgegebenen Kündigungsgründe berufen kann bzw dass andere als in der schriftlichen Kündigung geltend gemachte Kündigungsgründe nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden dürfen.

Hat daher eine Kündigung begründet und schriftlich zu erfolgen, entspricht es dem Zweck der Regelung, dass die Angabe des Kündigungsgrundes als Teil der Kündigungserklärung schriftlich zu erfolgen hat und so den vom DG herangezogenen Kündigungsgrund objektiv belegbar macht.

Die schriftliche Kündigung der Kl enthielt keine Angabe eines Kündigungsgrundes. Mangels Einhaltung der kollektivvertraglichen Formvorschrift ist die Kündigung daher unwirksam. Auf mündliche Erklärungen anlässlich der Kündigung kommt es nicht an.