16Freigestellten Personalvertretern nach dem W-PVG ist das Entgelt nach dem Ausfallsprinzip fortzuzahlen
Freigestellten Personalvertretern nach dem W-PVG ist das Entgelt nach dem Ausfallsprinzip fortzuzahlen
Der Kl ist seit 1992 als Vertragsbediensteter bei der Bekl beschäftigt und seit 2000 als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger tätig. Von 2010 bis 2014 war er zu 50 % freigestellter Personalvertreter, seit 2014 ist er als Personalvertreter zur Gänze vom Dienst freigestellt. Er absolvierte im Juni 2019 erfolgreich die Sonderausbildung „Basales und mittleres Pflegemanagement“. Vor seiner Freistellung war der Kl in die Verwendungsgruppe P3 als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger eingestuft. Mit Schreiben vom 11.2.2020 beantragte er die Überreihung in die Verwendungsgruppe P4 samt Chargenzulage 28 für einen Stationsleiter Pflege zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dem wurde seitens der Bekl nicht entsprochen.
Der Kl begehrt € 20.780,30 brutto sA sowie die Feststellung, dass die Bekl verpflichtet sei, auch weiterhin Bezüge in jener Höhe zu zahlen, die sich aus einer Einstufung in die Verwendungsgruppe P4 Gehaltsstufe 15 mit nächster Vorrückung am 1.12.2022 samt Chargenzulage iSd Anlage 3 Z 10 lit c der Besoldungsordnung 1994 ergäben. Das Leistungsbegehren errechne sich aus der monatlichen Differenz zwischen der Einstufung in P3 und der begehrten Einstufung in P4 laut Gehaltstabelle unter Berücksichtigung der Chargenzulage für den Zeitraum Juli 2019 bis Februar 2022.
Die überwiegende Mehrheit jener Bediensteten, die in einer mit ihm vergleichbaren Situation stünden, die aufgrund ihrer Personalvertretertätigkeit zur Gänze freigestellt und um eine Beförderung bemüht gewesen seien, seien in P4 überreiht worden. Vergleichsmaßstab sei nicht die Gruppe der diplomierten Krankenpfleger mit der Prüfung für das basale und mittlere Pflegemanagement, unabhängig von deren Tätigkeit als Personalvertreter, sondern die Gruppe der voll freigestellten Personalvertreter.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Bekl verpflichtet sei, dem Kl ab 1.4.2023 Bezüge in jener Höhe zu bezahlen, die sich aus einer Einstufung in die Verwendungsgruppe P4, Gehaltsstufe 16 samt Chargenzulage iSd Anlage 3 Z 10 lit c der Besoldungsordnung 1994 ergäben. Das Leistungsbegehren wies es ab, da es sich auf einen Zeitraum beziehe, in dem der Kl noch keinen Anspruch auf Überreihung gehabt habe. Dem Feststellungsbegehren sei ab 1.4.2023 mit der Modifikation stattzugeben gewesen, dass zu diesem Zeitpunkt die Vorrückung in die 16. Gehaltsstufe bereits erfolgt sei.
Den Berufungen des Kl gegen den klagsabweisenden Teil dieses Urteils und der Bekl gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils gab das Berufungsgericht Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies es zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück an das Erstgericht.
Der Rekurs an den OGH wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil es keine Rsp des OGH zu § 35 W-PVG und dazu gebe, ob die zu §§ 115 ff ArbVG ergangene höchstgerichtliche Rsp auch auf Personalvertreter nach dem W-PVG Anwendung finden könne.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Rekurs des Kl mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben wird, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Rekurs ist laut OGH aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Nach § 35 Abs 1 zweiter Satz W-PVG dürfen die Personalvertreterinnen und Personalvertreter in der Ausübung ihrer Funktion nicht eingeschränkt und wegen dieser nicht benachteiligt werden. Weiters ist nach § 35 Abs 4 W-PVG den Personalvertreterinnen und Personalvertretern (…) unter Fortzahlung ihres Diensteinkommens mit Ausnahme der Aufwandsentschädigungen, Tagesgelder, Auslagenersätze bzw Kostenersätze und Fehlgeldentschädigungen die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten notwendige freie Zeit zu gewähren.
Diese Regelung entspricht inhaltlich, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, in ihren wesentlichen Punkten § 25 PVG und § 115 ArbVG. Dementsprechend ist bereits das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diesen Bestimmungen dieselben gesetzgeberischen Wertungen zugrunde liegen, weshalb die zu § 115 ArbVG ergangene Rsp und die sich mit der Auslegung dieser Bestimmung befassenden Lehrmeinungen auch für die Auslegung des § 35 W-PVG nutzbar gemacht werden können.
Durch das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot des § 115 Abs 1 ArbVG soll einerseits verhindert werden, dass der Betriebsinhaber Mitglieder des BR in der Ausübung ihrer Tätigkeit einschränkt und damit die Interessenvertretungsaufgabe erschwert oder unmöglich macht. Andererseits wird dem Betriebsinhaber untersagt, jene AN, die ein Betriebsratsmandat haben, hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen zu benachteiligen, um sie dadurch für ihr Eintreten für die Interessen der AN des Betriebs zu „bestrafen“ bzw andere AN davon abzuhalten, in Hinkunft die Aufgaben eines Betriebsratsmitglieds zu übernehmen.
Dieselbe Wertung lässt sich dem Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot des § 35 W-PVG bzw des § 25 PVG entnehmen, die nicht nur dem Wortlaut der Bestimmungen nach, sondern auch von der ihnen immanenten Bedeutung dieses Schutzes für die unabhängige Ausübung der Vertretungstätigkeit dem ArbVG entsprechen.
Gem § 117 Abs 1 ArbVG ist den freigestellten Betriebsratsmitgliedern das Entgelt fortzuzahlen. Die Höhe dieses Entgelts richtet sich danach, was das Betriebsratsmitglied verdient hätte, wenn es während dieser Zeit gearbeitet hätte. Es gilt daher das Ausfallsprinzip. Zu ersetzen ist nur der mutmaßliche Verdienst. Dieser umfasst das, was der betreffende AN, hätte er nicht eine die Freistellung erfordernde Betriebsratsfunktion bekleidet, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge – also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – weiterhin bezogen hätte.
Vergleichsgruppe sind daher nicht andere freigestellte Betriebsräte, sondern AN ohne Freistellung. Verglichen wird mit dem durchschnittlichen Karriereverlauf von Nichtbetriebsratsmitgliedern. Betriebsratsmitglieder dürfen hinsichtlich des Entgelts und der Aufstiegsmöglichkeiten nicht benachteiligt werden. 29 Andererseits ist aber auch eine höhere bzw günstigere Entgeltfortzahlung für die Betriebsratstätigkeit im Hinblick darauf unzulässig, dass die Zuwendung jeglicher materieller Vorteile aus dem Anlass der Betriebsratstätigkeit rechtswidrig ist.
Dass § 35 W-PVG eine von §§ 115 ff ArbVG abweichende Interessenlage zugrunde liegt, wird im Rekurs nicht aufgezeigt und ist davon auch nicht auszugehen. Laut OGH ist das Berufungsgericht daher zu Recht davon ausgegangen, dass das Verfahren hinsichtlich des fiktiven durchschnittlichen Karriereverlaufs, zu dem das Erstgericht keine Feststellungen getroffen hat, ergänzungsbedürftig ist.