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Anfechtungsklage gemäß §§ 105 f ArbVG unterbricht Verjährungs- bzw Verfallsfrist für arbeitsrechtliche Ansprüche

MANFREDTINHOF

Der beim bekl Kreditinstitut seit 1.9.2008 in der zweiten Hierarchieebene als „Head of Strategy“ beschäftigt gewesene Kl wurde am 30.3.2020 entlassen, weil er an die Bekl ein Schreiben mit dem Hinweis „Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, behalten wir uns weitere Schritte in enger Abstimmung mit der Finanzmarktaufsicht zur Vorbereitung einer gerichtlichen Durchsetzung vor.“ gerichtet hatte.

Mit Urteil des ASG Wien vom 10.9.2021 wurde das wegen eines verpönten Motivs erhobene Entlassungsanfechtungsbegehren des Kl abgewiesen. Das bestätigende Urteil des OLG Wien vom 26.4.2022 wurde der Klagevertretung am 11.5.2022 mittels elektronischer Übermittlung bereitgestellt. Dieses vertrat die Rechtsauffassung, dass der Kl zwar keinen Entlassungsgrund gesetzt habe, aber ein verpöntes Beendigungsmotiv nicht nachweisen habe können. Am 7.10.2022 brachte der Kl die gegenständliche Klage mit mehreren Zahlungs-, Leistungs- und Feststellungsbegehren ein. Die Bekl wendete Verfall der Kündigungsentschädigung ein und stützte sich auf § 34 Abs 1 AngG, nach dem Ersatzansprüche ua wegen vorzeitiger Entlassung iSd § 29 AngG bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Nach Abs 2 leg cit beginnt die Frist mit dem Ablauf des Tages, an dem die Entlassung stattfand.

Das Erstgericht sprach dem Kl die Kündigungsentschädigung samt Urlaubsersatzleistung zu. Die Entlassung des Kl sei unberechtigt erfolgt, die entlassungsabhängigen Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und Ersatzleistung bestünden daher zu Recht. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl zurück.

Es entspricht der herrschenden Rsp, dass eine Anfechtungsklage nach §§ 105 f ArbVG die Verjährungsfrist sowie die Ausschluss- bzw Verfallsfrist für die aus dem Arbeitsverhältnis abgeleiteten Ansprüche einschließlich der Beendigungsansprüche unterbricht. Diese Unterbrechungswirkung iSd § 1497 ABGB dauert bis zum Abschluss des Anfechtungsprozesses an und gilt auch für den Fall der Klagsabweisung und für eine Klagszurückziehung, zumal durch diese die Unterbrechungswirkung lediglich verkürzt wird. Die Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB vernichtet die Wirkung des bisherigen Zeitablaufs zur Gänze. Nach Abschluss des Anfechtungsprozesses, also nach rechtskräftiger Abweisung der Entlassungsanfechtungsklage, beginnt daher die sechsmonatige Verfallsfrist infolge der Unterbrechungswirkung neu zu laufen. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die mit Klage vom 7.10.2022 geltend gemachten Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung sind nicht verfallen, ist daher im Ergebnis zutreffend.

Die angefochtene E, wonach das Aufforderungsschreiben des Kl an die Bekl aus Sicht eines redlichen und objektiven Erklärungsempfängers nicht als Drohung mit dem Involvieren der Aufsichtsbehörde und schon gar nicht als versuchte Erpressung zu verstehen gewesen sei, bewegt sich im Rahmen der Grundsätze der Rsp zur Auslegung von Willenserklärungen. Die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen der Entlassungsgründe der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 letzter Fall AngG oder der beharrlichen Verletzung der dienstvertraglichen Pflichten nach § 27 Z 4 zweiter Fall AngG liegen daher nicht vor. 8