29Kein Kostenzuschuss für Parodontalbehandlung der Prophylaxeassistentin
Kein Kostenzuschuss für Parodontalbehandlung der Prophylaxeassistentin
Nach ständiger höchstgerichtlicher Rsp besteht ein weitgehender Gleichklang zwischen dem Umfang des sozialversicherungsrechtlichen Krankenbehandlungsanspruchs und den berufsrechtlichen Vorgaben des ÄrzteG. Der Gesetzgeber des ASVG ging bei der Honorierung ärztlicher Leistungen davon aus, dass ausschließlich in zulässiger Weise erbrachte Leistungen von der KV abzugelten sind.
Die Prophylaxeassistentin hätte die Parodontalbehandlung nicht vornehmen dürfen. Sie hat damit ihre Kompetenz überschritten, sodass keine Kostenzuschusspflicht besteht. Die zum Schutz der Patient:innen erlassenen berufsrechtlichen Vorschriften sollen nicht dadurch unterlaufen werden, dass sie für die Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers als unerheblich angesehen werden.
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Bekl dem Kl einen Kostenzuschuss für eine von der Prophylaxeassistentin des behandelnden Zahnarztes durchgeführte Parodontalbehandlung zu leisten hat. Der Kl leidet an Parodontitis Grad 3 und 4, bei denen eine therapeutische Intervention iS einer Parodontaluntersuchung und -therapie notwendig ist. Bei Grad 3 und 4 ist der Zahnhalteapparat bereits angegriffen. Die therapeutische Konsequenz war, dass die Zahntaschen gereinigt werden mussten. Der Zahnarzt nahm den klinischen Befund auf. Die Behandlung des Kl dauerte ca eine Stunde und wurde durch die Prophylaxeassistentin des Zahnarztes durchgeführt.
Mit Bescheid vom 28.12.2022 lehnte die Bekl den Antrag des Kl auf Kostenzuschuss für die am 22.8.2022 durchgeführte Parodontalbehandlung ab. Mit seiner Klage begehrte der Kl die Gewährung eines Zuschusses im höchstmöglichen Umfang für die in Anspruch genommene Parodontalbehandlung. Das Erstgericht verpflichtete die Bekl, dem Kl einen Kostenzuschuss „im gesetzlichen Ausmaß entsprechend dem Anhang 2 Teil A Zahl 5 lit a der Satzung 2020 der Österreichischen Gesundheitskasse nach der 4. Änderung“ zu gewähren. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass die Bekl dem Kl einen Kostenzuschuss iHv € 55,58 zu leisten habe. Die Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass zur Frage, ob das Unterbleiben der Einholung einer Vorabgenehmigung für eine Parodontalbehandlung (laut Satzung der Bekl) oder ob der Umstand, dass die Behandlung von einer Prophylaxeassistentin durchgeführt wurde, zum Entfall der Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers führe, höchstgerichtliche Rsp fehle. Dagegen richtet sich die ordentliche Revision der Bekl, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
„[…] 1. Die Bekl wendet sich nur noch gegen die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass selbst bei Überschreiten der Kompetenzen einer Prophylaxeassistentin deren durchgeführte Parodontalbehandlung zu einer Leistungspflicht der Bekl führt. Die Frage, ob das Unterbleiben der Einholung einer Vorabbewilligung für eine Parodontalbehandlung (laut Satzung der Beklagten) zu einem Entfall der Leistungspflicht der Bekl führt, wird von dieser in ihrer Revision nicht mehr releviert und ist somit nicht zu prüfen.
2.1. Wie der OGH bereits in den Entscheidungen 10 ObS 260/92 und 10 ObS 48/94 unter Bezugnahme auf Mazal (Krankheitsbegriff und Risikobegrenzung. Eine Untersuchung zum Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung [1992] 260 f mwN) ausführte, kann auf der Basis der Bestimmungen über das ärztliche Berufsrecht ein System der Zurechnung der Tätigkeiten von Ärzten und von Nichtärzten zur objektiven Dimension von ärztlicher Hilfe als krankenversicherungsrechtliche Leistung erstellt werden.
2.1.1. Das innerste Feld bilden dabei jene Tätigkeiten, deren Verrichtung ausschließlich Ärzten vorbehalten ist. Es handelt sich dabei um jene diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten, die ein umfassendes, mit wissenschaftlichen Methoden erarbeitetes Wissen über den menschlichen Körper und über deren mögliche Veränderungen sowie über die Möglichkeiten, dies zu erkennen und darauf Einfluss zu nehmen, voraussetzen. In diesem Bereich decken sich der sachliche und personelle Aspekt der ärztlichen Berufsausübung.
2.1.2. In einem weiteren Kreis finden sich jene Tätigkeiten, die zwar in methodischer Hinsicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, die aber materiell nur einen Detailbereich jener für das medizinisch-wissenschaftliche Wissen maßgeblichen Gesamtschau betreffen. Diese Tätigkeiten sind, was ihre Verrichtung betrifft, nicht zwangsläufig mit der Person des Arztes verknüpft; sie sind jedoch Teil der ärztlichen Berufsausübung, wenn sie von einem Arzt verrichtet werden und können daher jedenfalls dann in die objektive Dimension der Krankenbehandlung einfließen, wenn ein Arzt einschreitet. Soweit diese Tätigkeiten auch Nichtärzten offenstehen, können sie der ärztlichen Berufsausübung – und damit der Dimension von ärztlicher Hilfe als Kassenleistung – nur zugerechnet werden, wenn der Nichtarzt zu einem Arzt in einer qualifizierten Verantwortungsbeziehung steht, die sicherstellt, dass die Nichtärzte unter Aufsicht und Anleitung durch den Arzt tätig werden.48
2.1.3. Diese Grundsätze haben in gleicher Weise für die Zahnbehandlung und den Zahnersatz nach § 153 ASVG Gültigkeit (10 ObS 260/92).
2.2. Zahnbehandlung und Zahnersatz werden gemäß § 153 Abs 3 ASVG als Sachleistungen durch Vertragsärzte, Wahlärzte (§ 131 Abs 1 ASVG), durch Vertragsdentisten, Wahldentisten (§ 131 Abs 1 ASVG), in eigens hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Ambulatorien) der Versicherungsträger (des Hauptverbandes) oder in Vertragseinrichtungen gewährt.
2.3.1. Grundsätzlich ist die Ausübung der Zahnmedizin und des im ZÄG umschriebenen Tätigkeitsbereichs nur Zahnärzten erlaubt, die die entsprechenden berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Tätigkeit erfüllen (§ 4 Abs 1, § 6 ZÄG).
2.3.2. Der den Angehörigen des zahnärztlichen Berufs vorbehaltene Tätigkeitsbereich umfasst insbesondere die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Krankheiten und Anomalien der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe, die Behandlung sowie die Vornahme operativer Eingriffe im Zusammenhang mit diesen Zuständen (§ 4 Abs 3 Z 1, 3 und 4 ZÄG).
2.4. Zweck des Zahnarztvorbehalts nach § 4 Abs 3 ZÄG ist es, dass die dieser Berufsgruppe abverlangten qualifizierten Leistungen nur durch Personen erbracht werden sollen, welche die erforderliche Ausbildung absolviert und die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben haben. Dabei steht der Gesundheitsschutz des Patienten im Vordergrund (Krauskopf in Neumayr/Resch/Wallner [Hrsg], GmundKomm2 § 4 ZÄG [Stand 1.1.2022, rdb.at] Rz 13 f unter Bezugnahme auf Wallner, Der Arztvorbehalt und seine Grenzen, RdM 2011, 145).
2.5.1. Gemäß § 24 Abs 1 ZÄG haben Angehörige des zahnärztlichen Berufs ihren Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, insbesondere in Form von Ordinations- und Apparategemeinschaften (§ 25 ZÄG) oder Gruppenpraxen (§ 26 ZÄG), auszuüben. Sie dürfen sich aber nach Abs 2 leg cit im Rahmen ihrer Berufsausübung der Mithilfe von Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach ihren genauen Anordnungen und unter ihrer ständigen Aufsicht handeln.
2.5.2. Um als zahnärztlicher Laie, das heißt als jemand, der die zahnärztlichen Berufsvoraussetzungen des ZÄG nicht erfüllt, zahnärztliche Tätigkeiten ausüben zu dürfen, bedarf es einer lex specialis. Eine solche stellt zB § 24 Abs 3 ZÄG dar (Krauskopf in Neumayr/Resch/Wallner [Hrsg], GmundKomm2 § 4 ZÄG [Stand 1.1.2022, rdb.at] Rz 14), wonach Angehörige des zahnärztlichen Berufs zahnärztliche Tätigkeiten an Angehörige anderer Gesundheitsberufe übertragen dürfen, sofern diese vom Tätigkeitsbereich des entsprechenden Gesundheitsberufs umfasst sind. Derartige Gesundheitsberufe sind die Zahnärztliche Assistenz (§§ 72 ff ZÄG) sowie die weitere Spezialqualifikation der Prophylaxeassistenz (§§ 84 ff ZÄG).
3. Es stellt sich somit die Frage, ob eine Parodontalbehandlung bei einer Parodontitis von Grad 3 und 4 nur durch einen Zahnarzt oder auch durch einen Prophylaxeassistenten durchgeführt werden darf.
3.1.1. Der Tätigkeitsbereich der Zahnärztlichen Assistenz umfasst gemäß § 73 Abs 1 ZÄG die Assistenz bei der konservierenden Behandlung einschließlich Polieren von Füllungen und Desensibilisierung von Zahnhälsen (Z 1), die Assistenz bei der chirurgischen Behandlung (Z 2), die Assistenz bei der prothetischen Behandlung sowie einfache Labortätigkeiten (Z 3), die Assistenz bei der parodontologischen Behandlung (Z 4), die Assistenz bei der kieferorthopädischen Behandlung (Z 5), die Assistenz bei prophylaktischen Maßnahmen einschließlich Statuserhebung, Information und Demonstration von Mundhygiene, Anfärben, Putzübungen, zahnbezogene Ernährungsberatung und Fluoridierung (Z 6), die Anfertigung, Entwicklung und Archivierung von Röntgenaufnahmen (Z 7) sowie die Praxishygiene, Reinigung, Desinfektion, Sterilisation und Wartung der Medizinprodukte und sonstiger Geräte und Behelfe sowie die Abfallentsorgung (Z 8). Sämtliche Tätigkeiten nach Abs 1 leg cit dürfen gemäß Abs 2 leg cit nur nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Dentistenberufs oder von Fachärzten/Fachärztinnen für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie durchgeführt werden. Eine (bloße) Assistenztätigkeit iSd § 73 ZÄG liegt nicht vor.
3.1.2. Gemäß § 84 Abs 1 ZÄG umfasst die Spezialqualifikation der Prophylaxeassistenz über die Tätigkeiten der Zahnärztlichen Assistenz (§ 73 ZÄG) hinaus die Durchführung von prophylaktischen Maßnahmen zur Vorbeugung der Erkrankung der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs.
3.1.3. Nach Anlage 4 Punkt III der ZASS-Ausbildungsverordnung (BGBl II 2013/283) ist als Qualifikationsprofil der Prophylaxeassistenz die Durchführung folgender präventiver und therapeutischer Maßnahmen vorgesehen: die professionelle Zahnreinigung (bedarfsorientierte Arbeitssystematik), das Herstellen von sauberen Verhältnissen in der Mundhöhle, prophylaktische Maßnahmen (zB Ernährungsfragen, Anleitung zur Interdentalraumreinigung) sowie die lokale Anwendung von zahnhalsdesensibilisierenden Mitteln.
3.2. Es ergibt sich somit bereits aus dem Wortlaut des § 84 Abs 1 ZÄG, dass die Prophylaxeassistenz zum einen stets nur nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs tätig werden darf und, wie sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Berufsbezeichnung deutlich ausdrücken, sie nur prophylaktische Maßnahmen ausüben darf. Die einzige in der ZASS-Ausbildungsverordnung genannte allenfalls als therapeutisch anzusehende Maßnahme ist die lokale Anwendung von zahnhalsdesensibilisierenden Mitteln.
3.3.1. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aus den erstgerichtlichen Feststellungen nicht 49 ergibt, dass der behandelnde Zahnarzt die Durchführung der „therapeutischen Intervention“ an seine Prophylaxeassistentin übertragen habe. Es existieren auch keine Feststellungen dazu, ob er sie dabei beaufsichtigte oder zumindest während der Behandlung in der Nähe gewesen war, somit eine entsprechende Kontrolle oder Aufsicht ausgeübt hätte. Die erstgerichtliche „Feststellung“, dass der Zahnarzt diese Tätigkeit an die Prophylaxeassistentin delegieren dürfe, ist eine (den OGH nicht bindende) rechtliche Beurteilung.
3.3.2. Tatsächlich kommt es darauf, ob die Prophylaxeassistentin nach Anordnung und unter Aufsicht des Zahnarztes tätig geworden war, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen gar nicht an, liegt doch unabhängig davon eine Verletzung des Zahnarztvorbehalts iSd § 4 Abs 3 ZÄG iVm § 24 Abs 3 ZÄG vor:
3.3.3. Wie oben bereits ausgeführt, beschränkt sich die erlaubte Tätigkeit einer Prophylaxeassistenz über die Tätigkeiten gemäß § 73 ZÄG hinsichtlich der Zahnärztlichen (bloßen) Assistenz hinaus auf die Durchführung von prophylaktischen Maßnahmen.
3.3.4. Bei der Behandlung der Parodontitis Grad 3 und 4, bei der eine therapeutische Intervention im Sinn einer Parodontaluntersuchung und -therapie notwendig ist, handelt es sich nicht um eine prophylaktische Maßnahme, sondern um eine zahnärztliche – allenfalls sogar von einem Spezialisten für Parodontologie durchzuführende – Behandlung des erkrankten Zahnhalteapparats, die von der (bloßen) professionellen Zahnreinigung abzugrenzen ist (siehe dazu auch Sparl, [Medizin-]rechtliche Fragen der Zahnmedizin [2009] 41). Die Behandlung des Kl fällt somit nicht in das Tätigkeitsfeld der Prophylaxeassistenz und darf daher auch nicht von dieser durchgeführt werden, auch nicht nach Anordnung und unter Aufsicht einer Zahnärztin oder eines Zahnarztes.
4. Diese Kompetenzüberschreitung führt zu einem Entfall der Zuschusspflicht der Beklagten.
4.1. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rsp besteht ein weitgehender Gleichklang zwischen dem Umfang des sozialversicherungsrechtlichen Krankenbehandlungsanspruchs und den berufsrechtlichen Vorgaben des ÄrzteG […]. Der Gesetzgeber des ASVG ging bei der Honorierung ärztlicher Leistungen davon aus, dass ausschließlich in zulässiger Weise erbrachte Leistungen von der Krankenversicherung abzugelten sind (10 ObS 109/16a [ErwGr 3.1]; zustimmend Wallner, Anm zu 10 ObS 109/16a, JAS 2017, 305 [309 f] unter Hinweis darauf, dass der Begriff der „ärztlichen Hilfe“ nach § 135 Abs 1 ASVG als eine der in § 133 ASVG vorgesehenen Pflichtleistungen aus der Krankenbehandlung ärztliche Leistung nach Maßgabe der im ÄrzteG vorgesehenen Voraussetzungen meint). Ausgehend davon hat der Senat bisher eine Kostenerstattung gemäß § 131 Abs 1 ASVG nicht nur im Fall einer den berufsrechtlichen Vorgaben widersprechenden Fachgebietsüberschreitung des behandelnden Arztes (10 ObS 340/98t) oder bei selbständig durch andere Personen als Ärzte durchgeführten Krankenbehandlungen abgelehnt (10 ObS 260/92 [Leistungen eines Zahntechnikers]; 10 ObS 2303/96s [psychotherapeutische Behandlung vor Inkrafttreten der 50. ASVG-Novelle am 1.1.1992, BGBl 1991/676]), sondern einen Kostenersatz auch im Fall eines Verstoßes gegen das Verbot der freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufs ohne bestimmten Berufssitz („Wanderpraxis“) nach § 45 Abs 4 ÄrzteG unter Hinweis darauf verneint, dass die Erbringung ärztlicher Leistungen außerhalb von Ordinationen oder Krankenanstalten nur in Frage komme, wenn dies gesetzlich ausdrücklich gestattet sei (siehe auch jüngst 10 ObS 21/24x; vgl RS0131108, RS0111593).
4.2. Im vorliegenden Fall hätte die Prophylaxeassistentin jedenfalls nicht eigenständig die Parodontalbehandlung vornehmen dürfen und hat damit ihre Kompetenz überschritten. Die zum Schutz der Patienten erlassenen berufsrechtlichen Vorschriften sollen nicht dadurch unterlaufen werden, dass sie für die Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers als unerheblich angesehen werden (10 ObS 21/24x Rz 15 unter Verweis auf Wallner, JAS 2017, 310 sowie Schrattbauer, DRdA 2017/29, 291, die zu Recht darauf verweist, dass es für die Frage der Kostenerstattung keine Rolle spielt, ob im Einzelfall tatsächlich Patienteninteressen unmittelbar gefährdet waren). Nach den vorstehenden Erwägungen ist daher eine Kostenzuschusspflicht der Beklagten zu verneinen. […]“
Der OGH hatte sich in der gegenständlichen E mit der Frage zu befassen, ob die Prophylaxeassistentin des behandelnden Zahnarztes bei der von ihr vorgenommenen Parodontalbehandlung ihre Kompetenz überschritten hat. Weiters musste der OGH beurteilen, ob im Falle der Kompetenzüberschreitung dies auch zu einem Verlust des Anspruches des Versicherten auf Kostenzuschuss gegenüber dem Versicherungsträger führt. Während das Berufungsgericht bei Vorliegen der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung die Zuschusspflicht des Versicherungsträgers bejahte, kam der OGH im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, dass zum einen eine Kompetenzüberschreitung der Prophylaxeassistentin vorliegt und zum anderen dies auch zum Entfall der Kostenzuschusspflicht führt.
Zahnbehandlung und Zahnersatz werden gem § 153 Abs 3 ZÄG als Sachleistung erbracht. Grundsätzlich ist die Ausübung der Zahnmedizin nur Zahnärzten erlaubt. Zweck des Zahnärztevorbehalts nach § 4 Abs 3 ZÄG ist es, dass die dieser Berufsgruppe vorbehaltenen Leistungen nur durch Personen erbracht werden, die über die dafür erforderliche Ausbildung verfügen. Diese Bestimmung dient dem Schutz der Gesundheit der Patient:innen. Nach § 24 ZÄG müssen Zahnärzt:innen ihren Bezug persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Angehörigen anderer Gesundheitsberufe ausüben. Sie dürfen sich Hilfspersonen bedienen, 50 wenn diese unter ihrer genauen Anordnung und ständigen Aufsicht tätig werden. Nach § 24 Abs 3 ZÄG ist die Übertragung von speziellen Tätigkeiten an andere Gesundheitsberufe, wie die Zahnärztliche Assistenz sowie die Prophylaxeassistenz, grundsätzlich zulässig. Im vorliegenden Fall musste der OGH beurteilen, ob eine Parodontalbehandlung bei einer Parodontitis von Grad 3 und 4 nur durch einen Zahnarzt oder auch durch eine Prophylaxeassistentin durchgeführt werden darf.
Der OGH stützt sich in seiner E auf den Wortlaut des § 84 ZÄG, wonach die Prophylaxeassistenz nur nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs tätig werden darf. Die einzige in der Zahnärztlichen Assistenz-(ZASS-)Ausbildungsverordnung genannte als therapeutisch anzusehende Maßnahme ist die lokale Anwendung von zahnhalsdesensibilisierenden Mitteln. Der OGH betont zudem, dass sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen nicht ergäbe, dass der behandelnde Zahnarzt die Durchführung der „therapeutischen Intervention“ an seine Prophylaxeassistentin übertragen habe. Es existieren auch keine Feststellungen darüber, dass er die Tätigkeit beaufsichtigt hätte oder zumindest in der Nähe gewesen wäre. Der OGH führt weiters aus, dass es sich bei der Behandlung der Paradontitis Grad 3 und 4 nicht um eine prophylaktische Maßnahme handelt, sondern um eine zahnärztliche Tätigkeit und diese möglicherweise sogar von einem Spezialisten für Parodontologie hätte durchgeführt werden müssen.
Diese Kompetenzüberschreitung führt – wie der OGH in der gegenständlichen E festhält – zu einem Entfall der Zuschusspflicht des Versicherungsträgers.
Nach stRsp besteht ein weitgehender Gleichklang zwischen dem Umfang des sozialversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruchs und den berufsrechtlichen Vorgaben des ÄrzteG (OGH 23.7.2013, 10 ObS 63/13g; OGH 11.10.2016, 10 ObS 109/16a; OGH 16.4.2024, 10 ObS 21/24x Rz 11; Felten/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 18 sowie § 135 Rz 5 [Stand 1.1.2020, rdb.at] mwN). In der jüngsten E zu diesem Thema ging es um die Durchführung eines operativen Eingriffs in einer fremden Ordination durch den behandelnden Arzt (weder als Erfüllungsgehilfe noch als selbstständiger Vertreter des Ordinationsinhabers) und den damit verbundenen Verstoß gegen die Berufsbestimmung des § 45 Abs 2 und 3 ÄrzteG, der dem Ersatz der Operationskosten entgegengestanden ist (OGH10 ObS 21/24xDRdA 4/2024, 255 [Prinzinger]).
Der Gesetzgeber ging bei der Honorierung ärztlicher Leistungen davon aus, dass ausschließlich in zulässiger Weise erbrachte Leistungen von der KV abzugelten sind (OGH 11.10.2016, 10 ObS 109/16a). Schließlich führt der OGH ins Treffen, dass die zum Schutz der Patient:innen erlassenen berufsrechtlichen Vorschriften nicht dadurch unterlaufen werden sollen, indem sie für die Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers als entbehrlich angesehen werden (OGH 16.4.2024, 10 ObS 21/24x Rz 15).