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Kein Anspruch auf Pflegegeld für italienische Pensionistin bei gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich

ELISABETHBISCHOFREITER

Die Kl ist italienische Staatsbürgerin und bezieht seit 1992 eine Pension vom italienischen Träger Nationalinstitut für Soziale Fürsorge. Sie ist mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, der selbst Pensionist ist und ua eine ASVG-Pension bezieht und hält sich seit spätestens 2007 in Wien auf, wo sich ihr Hauptwohnsitz befindet.

Mit Bescheid vom 4.8.2023 lehnte die Bekl den Antrag der Kl vom 28.7.2023 auf Zuerkennung eines Pflegegeldes ab. Die Vorinstanzen wiesen das dagegen gerichtete Klagebegehren ab.

Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück. Er führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass Unterhaltsansprüche gegenüber Ehegatten sowie bloße Anwartschaften auf Grundleistungen (Witwenpension) keine Grundleistung iSd § 3 Abs 1 BPGG darstellen, die einen Anspruch auf Pflegegeld vermitteln könnten. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Unterhaltsansprüche gegenüber Ehegatten bei der Regelung des § 3 Abs 1 BPGG übersehen hätte.

Gem § 3a Abs 1 BPGG besteht Anspruch auf Pflegegeld auch ohne Grundleistung gem § 3 Abs 1 und 2 BPGG für österreichische und diesen nach § 3a Abs 2 BPGG gleichgestellte Staatsbürger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, sofern nach der VO 883/2004 nicht ein anderer Mitgliedstaat für Pflegeleistungen zuständig ist. Diesbezüglich verweist der OGH auf Art 29 Abs 1 iVm Art 21 VO 883/2004, wonach für Pensionisten mit einer Pension eines anderen Mitgliedstaats in der Regel der pensionsauszahlende Staat und nicht der Wohnsitzstaat zuständig ist. Die Zuständigkeit des rentenzahlenden Mitgliedstaates ergibt sich immer dann, wenn aufgrund des Rentenanspruchs eine Einbeziehung in die KV des rentenzahlenden Mitgliedstaats besteht oder eine solche Einbeziehung unter Zugrundelegung einer Wohnsitzfiktion in diesem Mitgliedstaat bestünde. Da die Kl der Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der rentenzahlende Mitgliedstaat Italien bei einem Wohnsitz in Italien sachleistungspflichtig wäre, nicht entgegentritt, schlussfolgert der OGH, dass gegenständlich Italien für Geldleistungen bei Krankheit (worunter das österreichische Pflegegeld fällt) leistungszuständig ist.

Auch aus der Mitversicherung in der (österreichischen) KV des Ehegatten kann die Kl kein für sich günstigeres Ergebnis ableiten, weil ein aufgrund des Rentenbezugs bestehender Sachleistungsanspruch nach der Rangfolge des Art 32 Abs 1 VO 883/2004 gegenüber dem abgeleiteten Anspruch als Familienangehöriger vorrangig ist. Anderes hätte nach Art 32 Abs 1 Satz 2 VO 883/2004 nur in dem Fall zu gelten, dass der eigenständige Anspruch im Wohnmitgliedstaat unmittelbar und ausschließlich aufgrund des Wohnorts der betreffenden Person besteht. Die Mitversicherung begründet auch nach nationalem Recht keinen Anspruch auf Pflegegeld. Das BPGG stellt für den Anspruch auf Pflegegeld nicht auf eine Einbeziehung in die KV ab.

Da die Beurteilung von der Staatsangehörigkeit der Kl unabhängig ist, erblickt der OGH auch keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Die von der Kl aufgezeigten Rechtsfragen des Unionsrechts sind vom EuGH entweder bereits geklärt oder ihre Beantwortung ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der VO 883/2004, sodass der OGH auch keine Veranlassung sah, der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens zu folgen. 55