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Keine Heimopferrente bei freiwilligem Aufenthalt in einem Wocheninternat trotz Schulpflicht

JOHANNARACHBAUER

Der 1977 geborene Kl gelangte im Alter von zwölf Jahren aufgrund einer Empfehlung eines Psychologen auf Wunsch seiner Mutter in eine Einrichtung, in der er die Schule besuchte und die gesamte Woche samt Übernachtung verbrachte. Während des Aufenthalts wurde der Kl Opfer vorsätzlicher Gewaltdelikte durch Lehrer und Erzieher dieser Einrichtung. Die bekl Pensionsversicherungsanstalt lehnte den Antrag des Kl auf Zuerkennung einer Heimopferrente mit Bescheid ab.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt. Das Berufungsgericht wies die Klage ab, da keine Unterbringung iSd Heimopferrentengesetzes (HOG) vorliege, weil der Kl nicht in Fremdpflege, der er sich nicht entziehen habe können, gewesen sei.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück. Inhaltlich bestätigte der OGH die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes unter Verweis auf den geschützten Personenkreis gem § 1 Abs 1 HOG (Hervorhebung durch den Senat): „§ 1. (1) Personen, die eine Entschädigungsleistung wegen nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 erlittener Gewaltim Rahmen einer Unterbringungin Kinder oder Jugendheimen, […] erhalten haben, haben […] Anspruch auf eine monatliche Rentenleistung nach diesem Bundesgesetz.“

Der OGH verweist – wie zuvor in 10 ObS 22/24v vom 12.3.2024 – auf die Rsp des VfGH, nach der der Gesetzgeber den Kreis der nach § 1 Abs 1 HOG anspruchsberechtigten Personen eng umschrieben und als spezifische Reaktion auf ein Unrecht geschaffen hat, das typischerweise und in besonderer Intensität sogenannten „Heimkindern“ bzw „Pflegekindern“ widerfahren ist. Er stellt daher auf kindliche und jugendliche Opfer von Gewalt ab, die solcher Gewalt im Rahmen einer regelmäßig länger dauernden Unterbringung in Fremdpflege, der sie sich nicht entziehen konnten, ausgesetzt waren (VfGH 28.2.2019, G 226/2018). Beruhend darauf hat der OGH schon in 10 ObS 148/20t vom 19.1.2021 entschieden, dass der Tatbestand der „Unterbringung“ iSd § 1 Abs 1 HOG im Fall einer Kl nicht erfüllt ist, die als „Lehrling“ in einem Kloster beschäftigt und untergebracht war. Denn es bestand zumindest rein rechtlich die Möglichkeit, dass das Autoritätsverhältnis durch die Kl selbst oder durch ihre gesetzlichen Vertreter beendet wird.

Die außerordentliche Gewalt, die der Kl im vorliegenden Fall erleben und erleiden musste, erfolgte nicht während einer Unterbringung in Fremdpflege, der sich der Kl nicht entziehen konnte, weil zumindest rein rechtlich die Möglichkeit bestand, dass das Autoritätsverhältnis durch seinen (ihm zurechenbaren und von den in § 1 Abs 1 HOG genannten Rechtsträgern bzw Personen verschiedenen) gesetzlichen Vertreter beendet wird. Dem Kl ist zwar zuzustimmen, dass er der Schulpflicht unterlag, diese forderte aber nicht den (weiteren) Besuch einer bestimmten (oder der konkreten) Einrichtung.