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Bloß vorübergehendes Zusammenleben: Eltern sind dennoch als getrennt lebend iSd § 2 Abs 7 KBGG zu behandeln

JOHANNARACHBAUER

Der Kl ist der Vater des am * Jänner 2022 geborenen J*. Er lebt von der Mutter des Kindes getrennt. Kindesmutter und Kindesvater haben getrennte Hauptwohnsitze und jeweils auch Nebenwohnsitze am Hauptwohnsitz des anderen Elternteils. Der Kl bezog im Anschluss an die Mutter von 22.11.2022 bis 21.1.2023 einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Um J* nicht aus der gewohnten Umgebung her58auszureißen, betreute der Kl ihn in der Wohnung der Mutter, wo er währenddessen auch hauptwohnsitzlich gemeldet war. Familienbeihilfe bezog seit Jänner 2022 jedoch immer die Kindesmutter. Die bekl Österreichische Gesundheitskasse widerrief bescheidmäßig die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes an den Kl und verpflichtete ihn zur Rückzahlung der zu Unrecht bezogenen Leistung.

Das Erstgericht wies die auf Feststellung des Nichtbestehens des Rückforderungsanspruchs der Bekl gerichtete Klage ab und verurteilte den Kl zur Rückzahlung. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Der OGH führt zunächst – dem Kl zustimmend – aus, dass § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG insb im Kontext der Bezugsvariante „365 Tage + 61 Tage“ des § 24b Abs 2 KBGG teleologisch dahin zu reduzieren ist, dass bei getrennt lebenden Eltern, die sich für einen abwechselnden Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld entscheiden, eine „dauerhafte“ Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft iSd § 2 Abs 6 KBGG an derselben Wohnadresse auch dann als erfüllt anzusehen ist, wenn diese nur von 61-tägiger Dauer ist und das Kind anschließend wieder in den Haushalt des anderen Elternteils zurückkehrt. Denn die kürzere Mindestbezugsdauer soll die Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung fördern, indem ihr Zugang zum Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und damit der abwechselnde Bezug erleichtert werden. Nach der stRsp muss jedoch in diesem Fall der antragstellende Elternteil gem § 2 Abs 7 KBGG die Voraussetzung des Bezugs der Familienbeihilfe selbst („in eigener Person“) erfüllen. Es bedarf demnach der Personenidentität zwischen dem Familienbeihilfe- und dem Kinderbetreuungsgeldbezieher.

Diese Grundsätze hat der OGH auch in einer Konstellation angewandt, in der nicht nur das Kind, sondern auch die (bis dahin) vom Vater getrennt lebende Mutter für die Dauer von zwei Monaten zum Vater gezogen und danach wieder an ihren eigenen Wohnsitz zurückgekehrt waren (OGH 26.3.2019, 10 ObS 17/19a). Obwohl die Eltern für die Dauer des Kinderbetreuungsgeldbezugs durch den Vater somit – zumindest faktisch – gemeinsam lebten, wurde an der Voraussetzung des Bezugs der Familienbeihilfe durch den Vater grundsätzlich festgehalten. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass nicht schon deshalb nicht (mehr) von getrennt lebenden Eltern auszugehen ist, weil sie im Interesse des Kindes bloß für die Dauer eines kurzzeitigen Bezugswechsels vorübergehend zusammenziehen. Ein solches, von Haus aus nur auf beschränkte Zeit angelegtes Zusammenleben unterliegt daher weiterhin dem Regime des § 2 Abs 7 KBGG. Der vorliegende Sachverhalt gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

Auch sah der OGH keine planwidrige Lücke, um eine teleologische Reduktion des § 2 Abs 7 KBGG nur auf jene Fälle zu begründen, die vom Zweck der Bestimmung, Missbrauch zu verhindern, gedeckt sind.59