Versicherungsfalle Krankenstand und Karenzierung – Eine arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Analyse
Versicherungsfalle Krankenstand und Karenzierung – Eine arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Analyse
Karenzierte Dienstverhältnisse sind gängige Praxis und können unterschiedlichste Gründe haben. Auf bestimmte Karenzierungen – wie die Elternkarenz – besteht ein Rechtsanspruch, andere beruhen auf privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen AG und AN. Ein karenziertes Dienstverhältnis bedeutet jedoch immer, dass die wechselseitigen Hauptleistungspflichten (Arbeits- und Entgeltpflicht) zwischen AG und AN ausgesetzt sind. Erkrankt der:die AN während der Karenzierung oder wird während eines Krankenstands eine Karenzierung vereinbart, kann dies nach jüngster höchstgerichtlicher Rsp über die arbeitsrechtlichen Folgen hinaus zu Problemen beim Krankengeld aus der KV führen.
Zu Beginn des Jahres 2024 hat der OGH entschieden, dass während eines karenzierten Dienstverhältnisses keine sozialrechtliche Arbeitsunfähigkeit eintreten bzw weiterbestehen kann. Dies betrifft jede Form der Karenz und kann für alle AN bedeuten, dass kein Krankengeldgeldanspruch besteht und damit auch der Versicherungsschutz wegfällt. Eingangs werden die für das Verständnis notwendigen arbeits- und sozialrechtlichen Grundlagen skizziert. Danach folgt eine kritische Auseinandersetzung mit der jüngsten sozialrechtlichen Rsp und es werden die unterschiedlichen Folgen der jeweiligen Fallkonstellationen dargestellt.
Nach § 8 Abs 1 AngG bzw § 2 Abs 1 EFZG liegt eine entgeltfortzahlungspflichtige Dienstverhinderung dann vor, wenn es sich um eine Krankheit, einen Unglücksfall, eine Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall handelt.
Der arbeitsrechtliche Krankheitsbegriff ist in gesetzlichen Bestimmungen nicht definiert.* Aus der arbeitsrechtlichen Judikatur und der hL hat sich jedoch die Definition herausgebildet, dass eine (arbeitsrechtliche) Dienstverhinderung infolge Krankheit dann vorliegt, wenn ein:e AN aus gesundheitlichen Gründen nicht bzw nur unter Gefahr einer weiteren Verschlechterung seines:ihres Gesundheitszustandes in der Lage ist, seiner:ihrer Arbeitspflicht nachzukommen.* Als Krankheit iSd arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsbestimmungen kann jede Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens verstanden werden. Auf die Notwendigkeit einer Krankenbehandlung kommt es dabei nicht an.* Sofern der:die AN infolge Krankheit auch an der Leistung seiner:ihrer Dienste verhindert ist, liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor.* Die Arbeitsunfähigkeit bzw Dienstverhinderung hängt dabei von der konkret geschuldeten Arbeitsleistung ab, also ob die konkrete Tätigkeit noch ausgeführt werden kann. Die Feststellung obliegt dabei dem:der behandelnden Amts- oder Gemeindearzt:ärztin. Alternativ kann eine Bestätigung des zuständigen Krankenversicherungsträgers vorgelegt werden. Kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, wenn die Dienstverhinderung von dem:der AN vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde.*
Auch für den Unglücksfall gibt es keine Legaldefinition. Es wird darunter aber nach hA ein plötzliches oder zeitlich begrenztes, von außen einwirkendes Ereignis verstanden, welches eine körperliche oder geistige Gesundheitsschädigung bewirkt. Dieser Unglücksfall kann sich auch im privaten Bereich ereignen, führt aber dennoch zu einer Entgeltfortzahlungspflicht, sofern dies nicht durch Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des:der AN zustande gekommen ist.*
Die arbeitsrechtlichen Bestimmungen über Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit gem § 8 Abs 2a AngG sowie § 2 Abs 5 EFZG verweisen auf die entsprechenden Bestimmungen der gesetzlichen UV.* Arbeitsunfälle sind demnach Unfälle, die sich bei der Ausübung der Arbeit bzw im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Arbeit ereignen.* Als Berufskrankheiten gelten überwiegend die in Anlage 1 zum ASVG aufgezählten Krankheiten unter den dort genannten Voraussetzungen. Weitere Krankheiten können nur im Einzel- bzw Ausnahmefall darunterfallen, wenn vom Träger der Unfallversicherungen unter Zustimmung 60 des:der zuständigen Bundesministers:in eine entsprechende Feststellung erfolgt.*
Gem § 120 Z 2 ASVG liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der:die Erkrankte – aufgrund der Krankheit iSd Z 1 leg cit – nicht oder nur mit Gefahr, seinen:ihren Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seine:ihre bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit auszuüben.* Die Arbeitsunfähigkeit ist daher individuell nach dem konkret vorliegenden Krankheitsbild und der jeweiligen arbeitsvertraglich geschuldeten Erwerbstätigkeit zu beurteilen. Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit beginnt mit Eintritt und endet mit Wegfall der Arbeitsunfähigkeit. Oftmals wird dies mit dem Zeitpunkt zusammenfallen, in dem auch die Krankheit auftritt bzw wegfällt. Dies ist aber keine Voraussetzung, somit ist es nicht hinderlich, falls die Krankheit bereits früher eingetreten ist oder länger besteht.* Als Krankheit wird ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand verstanden, der eine Krankenbehandlung notwendig macht. Wenn eine Behandlung – iS von Heilung, Besserung oder Verhütung von Verschlimmerung – nicht mehr möglich ist, liegt keine Krankheit, sondern ein Gebrechen vor. Dies würde auch ein Ende der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bedeuten.
Nach stRsp kann die Arbeitsunfähigkeit nur eintreten, wenn sie nicht schon bei Beginn der versicherungspflichtigen Beschäftigung bestanden hat.* Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit muss somit während des aufrechten Bestands des Versicherungsverhältnisses eingetreten sein.* Wenn ein:e Versicherte:r eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, zu der er:sie objektiv nicht fähig war und auch während der Ausübung zu dieser nicht fähig wurde, bedeutet dies, dass der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nur bei einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintreten kann. In einem solchen Fall besteht daher nur bei einer weiteren Verschlechterung während aufrechter Versicherung ein Anspruch auf Krankengeld.*
Gem § 8 Abs 1 AngG bzw § 2 Abs 1 EFZG (für Arbeiter:innen) besteht bei Dienstverhinderung infolge Krankheit oder Unglücksfall ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.* Der:Die AN hat für die Dauer der Entgeltfortzahlung einen Anspruch auf jenes Entgelt seitens des:der AG, welches er:sie erhalten hätte, wenn es nicht zu einem Krankenstand gekommen wäre.* Die Anspruchsdauer bezieht sich im Krankheitsfall immer auf ein Arbeitsjahr (Kontingentprinzip).* Sobald ein neues Arbeitsjahr beginnt, entsteht grundsätzlich ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung unabhängig davon, ob der:die AN wieder Arbeitsfähigkeit erlangt hat.
Bei einem Arbeitsunfall oder bei einer Berufskrankheit beläuft sich gem § 8 Abs 2a AngG und § 2 Abs 5 EFZG der Anspruch auf Entgeltfortzahlung pro Anlassfall. Dies bedeutet, dass mit einem neuen Arbeitsjahr kein neuer Anspruch erworben wird und bei unmittelbar ursächlichem Zusammenhang einer neuerlichen Erkrankung mit dem Arbeitsunfall oder Berufskrankheit nur mehr der Restanspruch des noch nicht verbrauchten Teils der Entgeltfortzahlung besteht.*
Zudem führt auch nicht jede Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmittelbar zu einem Verlust der Entgeltfortzahlung. Wird ein:e AN während eines Krankenstandes gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen, trifft den:die AG ein Verschulden am vorzeitigen Austritt oder wird eine einvernehmliche Lösung während des Krankenstandes vereinbart, so bleibt gem § 9 AngG bzw § 5 EFZG der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts im Ausmaß des oben beschriebenen Kontingents bestehen, wenngleich das Dienstverhältnis früher endet.
Krankengeld ist die Geldleistung der KV aus dem Versicherungsfall der „Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit“ und erfüllt eine Einkommensersatzfunktion.*
Das Krankengeld dient der zumindest teilweisen finanziellen Absicherung* einer vorübergehenden 61 Arbeitsfähigkeit, wenn der:dem Versicherten nicht eine andere Geldleistung aufgrund der Arbeitsunfähigkeit zusteht. Solange der Versicherte aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen Anspruch auf Weiterleistung von mehr als 50 % des Entgelts vom DG hat, ruht das Krankengeld zur Gänze. Besteht Anspruch auf das halbe Entgelt, ruht das Krankengeld zur Hälfte. Bei Entgeltansprüchen unter 50 % besteht Anspruch auf das volle Krankengeld. Anspruch auf Krankengeld besteht für ein und denselben Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit grundsätzlich für 26 Wochen. Wenn die:der Versicherte innerhalb der letzten zwölf Monate vor Eintritt des Versicherungsfalls bereits mindestens sechs Monate krankenversichert war, verlängert sich die Dauer auf 52 Wochen.* Gem § 29 Abs 3 der Satzung der Österreichischen Gesundheitskasse kann die Höchstdauer auf 78 Wochen erstreckt werden, wenn aufgrund einer ärztlichen Begutachtung durch den medizinischen Dienst das Erreichen der Arbeitsfähigkeit des:der Versicherten bzw dessen:deren Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess innerhalb dieses Zeitraumes zu erwarten sein wird.*
Karenz bedeutet, dass die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis, also die Arbeits- und Entgeltpflicht, vorübergehend ausgesetzt werden. Das Arbeitsverhältnis wird nicht beendet oder unterbrochen und auch die Nebenleistungspflichten (Treue- und Fürsorgepflichten) sind weiterhin einzuhalten. Abgesehen von ausdrücklich normierten Karenzen (wie die Elternkarenz im MSchG bzw VKG oder auch die Bildungskarenz im AVRAG) können solche Freistellungen gegen Entfall des Entgelts auch vertraglich vereinbart werden.
Bei der Elternkarenz wird der Entfall der Hauptleistungspflichten durch den Bezug von Kinderbetreuungsgeld flankiert. Dieser Leistungsbezug wird durch eine Erkrankung nicht berührt. Gem § 138 Abs 2 lit g ASVG besteht jedoch auch kein Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit während des Kinderbetreuungsgeldbezugs eintritt. Falls die Arbeitsunfähigkeit über die Dauer des Kinderbetreuungsgeldbezugs weiterbesteht oder falls eine anschließend an die Elternkarenz hinausdauernde vertragliche Karenzierung vereinbart wurde, kann dies aber zu sozialversicherungsrechtlichen Leistungs- und Versicherungslücken führen.
Bei der Bildungskarenz wird grundsätzlich Weiterbildungsgeld gem § 26 AlVG bezogen. Tritt während des Bezugs von Weiterbildungsgeld eine Krankheit auf, besteht gem § 41 AlVG Anspruch auf Krankengeld. Dieser gilt unabhängig von der Karenzierung des Dienstverhältnisses.
Im Folgenden sollen vor allem zwei Konstellationen von Karenzen arbeitsrechtlich näher beleuchtet werden, da diese in weiterer Folge von besonderer sozialversicherungsrechtlicher Brisanz sind. Zum einen die freiwillig vereinbarte Karenz und zum anderen die Ex-lege-Karenz nach § 15b AVRAG während Rehabilitations- bzw Umschulungsgeldbezuges.
Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist es möglich, bei laufendem Arbeitsverhältnis eine (vorübergehende) Karenzierung oder einen unbezahlten Urlaub zu vereinbaren. Wie bei jeder Vertragsvereinbarung ist dafür eine Einigung iS einer übereinstimmenden und mängelfreien Willenserklärung zu treffen.*
Sofern eine Karenzierung bzw ein unbezahlter Urlaub bis zu maximal einem Monat vereinbart wird, besteht die Pflichtversicherung weiter. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Beschäftigungsverhältnis in dieser Zeit nicht beendet wird. Wird die Karenzierung oder der unbezahlte Urlaub für länger als einen Monat vereinbart oder wird die Beschäftigung nach Ablauf dieses Monates nicht fortgesetzt, wird der:die AN mit dem Tag vor Beginn des unbezahlten Urlaubs von der Versicherung abgemeldet. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass bei einer solchen Karenzierung bzw eines unbezahlten Urlaubs sämtliche Sozialversicherungsbeiträge (auch die AG-Beiträge) zur Gänze von dem:der AN zu tragen sind und trotz Fortbestehen der Pflichtversicherung während der Karenzierung kein Krankengeldanspruch bestehen kann.*
Freiwillige Karenzvereinbarungen kommen häufig im Elternrecht vor, wenn der gesetzliche Karenzanspruch aus § 15 MSchG bzw § 2 VKG bereits erschöpft ist und die Eltern noch weitere Zeit für die Kinderbetreuung oder zB für die Kindergarteneingewöhnung benötigen. In einer solchen Konstellation besteht jedoch sehr häufig kein Leistungsanspruch auf Kinderbetreuungsgeld mehr. Tritt in dieser Situation eine Krankheit auf, welche der Ausübung der vorher ausgeübten Tätigkeit entgegensteht, kann dies zu gravierenden sozialrechtlichen Leistungs- und Versicherungslücken führen (siehe 6.). Im Mittelpunkt der Vereinbarungen zwischen AN oder AG steht meist die Möglichkeit, von arbeitsrechtlichen Pflichten befreit zu sein und die Kinderbetreuungszeit zu verlängern, ohne auf die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen und den Versicherungsschutz Bedacht zu nehmen. 62
Andere in der arbeitsrechtlichen Praxis vorkommende Konstellationen, in denen eine freiwillige Karenzierung von Seiten des:der AG an den:die AN herangetragen wird, sind jene bei längeren Krankenständen. Wenn sich ein:e AN bereits länger im Krankenstand befindet und befürchtet, gekündigt zu werden, könnte hier auf eine (mehr oder weniger) freiwillige vereinbarte Karenzierung des Arbeitsverhältnisses gedrängt werden. Kommt eine solche Vereinbarung zustande, könnte sich ein:e AG einem Wiederaufleben der Entgeltfortzahlungspflicht in einem neu beginnenden Arbeitsjahr entbinden. Die mitunter für den:die AN prekären sozialversicherungsrechtlichen Folgen einer solchen Vereinbarung und der daraus folgende Wegfall des Krankengeldes sind für die meisten AN dabei wohl kaum bekannt bzw vorhersehbar.
Eine Besonderheit im Arbeitsrecht stellt die Ex-lege-Karenzierung nach § 15b AVRAG dar, welche eintritt, sobald ein:e AN aufgrund einer von einem Versicherungsträger festgestellten Invalidität oder Berufsunfähigkeit Rehabilitationsgeld nach § 143a ASVG (bei medizinischer Rehabilitation) oder Umschulungsgeld nach § 39b AlVG (bei beruflicher Rehabilitation) bezieht. Für die Dauer des Geldbezuges kommt es zu einer automatischen Aussetzung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis.
Da sozialversicherungsrechtlich für den Rehabilitationsgeldbezug keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gefordert wird und das Arbeitsverhältnis weiterhin aufrecht bestehen kann, war es vor der Novelle, mit der § 15b AVRAG eingeführt wurde,* so, dass während des Bezugs des Rehabilitationsgeldes ein:e AG auch zur Entgeltfortzahlung verpflichtet gewesen wäre. Dies wurde mit der Ex-lege-Karenzierung nun geändert.*
Umschulungsgeld als Leistung des AMS gebührt einem:einer Versicherten dann, wenn eine mindestens sechs Monate andauernde Invalidität bzw Berufsunfähigkeit festgestellt wurde und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind.*
Problematisch bei Rehabilitations- oder Umschulungsgeldbezieher:innen sind jene Fälle, in denen zusätzlich zur Ex-lege-Karenzierung von den Vertragsparteien eine freiwillige Karenzierung vereinbart wird. Dies kommt in der Praxis immer wieder vor, oftmals aufgrund der Unkenntnis der Ex-lege-Karenzierung. Wird nach Ende des Rehabilitations- bzw Umschulungsgeldbezuges eine solche freiwillige Karenzierung nicht sofort einvernehmlich aufgehoben oder für den bestimmbaren Zeitraum des Leistungsbezuges befristet, droht eine Leistungslücke für den:die AN, insb wenn die Arbeitsunfähigkeit über den Rehabilitations- oder Umschulungsgeldbezug hinaus weiterbesteht. Nach jüngster Judikatur steht in einem solchen Fall trotz fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht nur keine Entgeltfortzahlung, sondern auch kein Krankengeld zu, da während der Zeit der Karenzierung mangels Arbeitsverpflichtung keine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit iSd ASVG vorliegen kann.
Um einen Entgeltfortzahlungs- oder Krankengeldbezug sicherzustellen, müsste daher die Karenzierungsvereinbarung aufgehoben werden. Aus arbeitsrechtlicher Sicht sollte in einem solchen Fall auf die Auslegung der Karenzvereinbarung selbst abgestellt werden. Karenzvereinbarungen sind, wie auch Verträge im Allgemeinen, im Einzelfall mit den üblichen Auslegungsmethoden zu interpretieren und ebenso am Maßstab des konkreten hypothetischen Parteiwillens zu messen. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob eine Beendigung der vereinbarten Karenz mit Ende des Rehabilitations- bzw Umschulungsbezuges vereinbart und beiderseitig gewollt wurde; damit würde die freiwillige Karenz gleichzeitig mit der Ex-lege-Karenzierung enden. Ist dies nicht gegeben, besteht natürlich die Möglichkeit einer einvernehmlichen Beendigung der Karenzierungsvereinbarung. Wenn diese nicht zustande kommt, bestehen für den:die AN nur beschränkte, höchstgerichtlich nicht gesicherte Möglichkeiten, die Karenzierungsvereinbarung aufheben zu lassen.* Diese rechtliche Unsicherheit wirkt sich zudem auf den Krankengeldanspruch und damit auch den Versicherungsschutz aus.
Arbeitsrechtliche Entscheidungen zu diesem Themenkreis sind nur sehr dürftig zu finden, da sich die Auswirkungen der freiwilligen Karenz vor allem in der sozialversicherungsrechtlichen Leistungspflicht niederschlägt. Die wenigen Entscheidungen zeigen jedoch, dass hinsichtlich freiwilliger Karenzierungen weitgehende Vertragsfreiheit von den Gerichten zugestanden wird.
So wurde bereits von Seiten des OGH* entschieden, dass bei einer freiwillig vereinbarten Karenz und einer währenddessen erfolgten neuerlichen Schwangerschaft kein Anspruch auf Wochengeld besteht, da zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der Mutterschaft keine aufrechte Pflichtversicherung der AN bestand. 63
In einem Fall vor dem OLG Wien* wurde entschieden, dass für die Dauer einer freiwilligen Karenz (ebenfalls in Anschluss an die Elternkarenz zum Zwecke der längeren Kinderbetreuung) ein Ausschluss der Anrechnung der Zeiten der freiwilligen Karenz auf dienstzeitabhängige Ansprüche, insb den Abfertigungsanspruch, aber auch für die Dauer der Entgeltfortzahlung, zulässig vereinbart werden kann.
Die Lehre hat die Problematik der freiwillig vereinbarten Karenz im Zusammenhang mit Krankenständen jedoch bereits mehrfach aufgegriffen. So wird mitunter argumentiert, dass § 9 AngG bzw § 5 EFZG in solchen Fällen analog heranzuziehen ist, um die für AN prekäre Situation des Wegfalls der Entgeltfortzahlung (bzw in weiterer Folge auch des Krankengeldes) zu vermeiden. Diese Rechtsansicht ist überaus begrüßenswert und würde hier vor allem AN schützen, die eine Karenzvereinbarung unter besonderem Druck oder auf Wunsch des:der AG geschlossen haben. Insb würde dies zu dem Ergebnis führen, dass AG sich der zwingenden Entgeltfortzahlungspflicht nicht durch eine Karenzvereinbarung entziehen können.*
So wurde von der Lehre bereits mehrfach argumentiert, dass solche Karenzvereinbarungen während der krankheitsbedingten Dienstverhinderung wegen Verstoßes gegen § 40 AngG bzw § 7 EFZG als nichtig zu erachten sind. Dies stellt eine rechtlich stimmige Möglichkeit dar, AN vor einer solchen Übervorteilung durch AG zu schützen. Insb bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen einer Karenzvereinbarung und einer Erkrankung ist die Nichtigkeitssanktion des § 40 AngG bzw § 7 EFZG denkbar. Wird eine Karenzvereinbarung im Vorfeld oder „prophylaktisch“ für den Fall einer Erkrankung getroffen, wodurch der Entgeltfortzahlungsanspruch durch den:die AG vereitelt wird, kann nach Ansicht der hL die Nichtigkeit mit guten Gründen geltend gemacht werden. Erkrankt der:die AN hingegen erst nach Abschluss der Karenzvereinbarung und war der Zweck der Vereinbarung eben gerade nicht das Umgehen der zwingenden Vorschriften über die Entgeltfortzahlung, wird nach diesen allgemeinen Bestimmungen wohl eher kein weiterer Entgeltfortzahlungsanspruch geltend gemacht werden können.* Wie so oft kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.
Welchen Einfluss eine Karenzierung des Dienstverhältnisses auf den sozialversicherungsrechtlichen Krankengeldanspruch hat, wurde vom OGH erst jüngst in mehreren Judikaten entschieden.* Hinsichtlich der inhaltlichen Begründung nimmt die OGH-E vom 16.1.2024, 10 ObS 23/23i, die maßgebliche Rolle ein. Zur leichteren Nachvollziehbarkeit wird der Sachverhalt der E wiedergegeben:
„Die Klägerin stand bis 30.4.2022 in einem aufrechten Dienstverhältnis. Da sie für die Zeit des Betriebsurlaubs keinen offenen Urlaubsanspruch mehr hatte, vereinbarte sie mit ihrem Arbeitgeber unbezahlten Urlaub für den Zeitraum von 22.12.2021 bis 31.12.2021. Am 22.12.2021 rutschte sie aus und erlitt dadurch eine Verletzung, aufgrund derer die behandelnde Krankenanstalt die Klägerin bis 23.1.2022 für arbeitsunfähig befand.“
Im Ergebnis wurde der Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum der Karenzierung abgelehnt. Argumentativ hat sich der OGH der Meinung der Literatur* angeschlossen, dass, unabhängig davon, ob nach § 11 Abs 3 ASVG die Pflichtversicherung weiterbesteht, während einer Karenzierung keine Arbeitsunfähigkeit bestehen kann. Zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist der Inhalt der konkreten arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit maßgeblich und während der Karenzierung besteht keine Arbeitsverpflichtung bzw Berufsarbeit.* Das Krankengeld soll den durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Entgeltverlust (zumindest teilweise) ersetzen und den Unterhalt des Versicherten während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit sicherstellen. Bei einer Karenzierung liegt dieser krankheitsbedingte Entgeltverlust nicht vor. Das Krankengeld steht nur für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zu und diese kann während einer Karenz nicht vorliegen.*
In den OGH-Entscheidungen 10 ObS 131/23x und 10 ObS 1/24f vom 13.2.2024 wurde ein Sachverhalt behandelt, bei dem der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vor der Karenzierung eingetreten ist.* Der OGH hat auch in dieser Fallkonstellation entschieden, dass ab der rückwirkend vereinbarten Karenzierung kein Krankengeldanspruch besteht: „Richtig ist, dass Krankengeld gemäß § 122 Abs 1 Satz 3 ASVG über das Ende der Versicherung hinaus weiter zu gewähren ist. Der Kläger übergeht allerdings, dass das nur solange gilt, als weiterhin die Voraussetzungen für den Anspruch gegeben sind.“*
Da die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit Voraussetzung für den Krankengeldanspruch ist und diese 64bei einer Karenzierung wegfällt, endet auch der Krankengeldanspruch. Aus den zitierten Entscheidungen geht somit klar hervor, dass während der Karenzierung einerseits keine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eintreten kann und andererseits ein bereits bestehender Versicherungsfall mit Eintritt der Karenzierung mangels Arbeitsunfähigkeit beendet wird. Da mit diesem Ergebnis massive Nachteile für die AN bzw Versicherten einhergehen, werden abschließend in Pkt 6. die rechtlichen Folgen je nach Sachverhaltskonstellation beleuchtet.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass dieses prekäre Ergebnis vor allem bei freiwillig vereinbarten Karenzen auftritt. Jedoch können auch langandauernde Krankheiten, die bspw während einer Elternkarenz eintreten und einen Wiederantritt der Erwerbstätigkeit entgegenstehen, zu einer Leistungs- oder Versicherungslücke führen.
Wie oben ausgeführt, haben die Entscheidungen des OGH weitreichende Bedeutung. Die jeweils kurze Begründung der Entscheidungen und die fehlende Auseinandersetzung mit der bisherigen Judikatur werden der Bedeutung der mit ihnen verbundenen Rechtsfolgen nicht gerecht.
In der E vom 16.3.2004, 10 ObS 264/02z, hat der OGH ausgesprochen: „Der Krankengeldanspruch aus der Sozialversicherung ist vom Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses nicht abhängig.“ In den jüngsten Entscheidungen hat der OGH – widersprüchlich hierzu – die zentrale Rolle der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit sowohl für den Eintritt als auch für den Fortbestand des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit hervorgestrichen.* Nach Ansicht der Autor:innen widerspricht dies dem oben zitierten Satz, da auch eine Beendigung des Dienstverhältnisses die Arbeitsverpflichtung und im Regelfall die Entgeltverpflichtung beendet. Wenn das konkrete (Weiter-)Bestehen einer Arbeitsverpflichtung eine so zentrale Rolle in der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einnimmt, müsste dies bei konsequentem Weiterdenken auch bei Beendigung des Dienstverhältnisses gelten. Diese – im Ergebnis wohl von niemanden gewünschte, aber wohl stringente – Rechtsansicht wird auch von der bereits angeführten Literatur nicht behauptet.* Selbst bei „Schutzfristfällen“ gem § 122 ASVG bleibt nach Rsp des OGH – trotz Aufgabe des Dienstverhältnisses und Ende der Pflichtversicherung – die davor ausgeübte Tätigkeit für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich.*
Noch 2018 hat der OGH in der E 10 ObS 84/18b (vom 20.11.2018) ausgesprochen, dass auch bei Karenzierung ein aufrechtes Dienstverhältnis iSd § 139 Abs 2a ASVG vorliegt und damit Anspruch auf Sonderkrankengeld bestehen kann, wenn die Voraussetzungen gem § 138 ASVG für den Krankengeldbezug vorliegen. Zur Frage, ob die Voraussetzungen vorliegen, wurde die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen. Im Lichte der gegenständlichen Rsp zur Karenzierung erscheint diese Rückverweisung nicht schlüssig. Es wurden Feststellungen zum Vorliegen einer Karenzierung getroffen und diese würde der – auch für das Sonderkrankengeld notwendigen – Arbeitsunfähigkeit entgegenstehen.
Darüber hinaus wird durch die nunmehrige Rsp dem § 143 Abs 3 Satz 2 ASVG bei aufrechtem Dienstverhältnis jeglicher Anwendungsbereich entzogen. Gem § 15b Abs 1 AVRAG wird während der Dauer eines Rehabilitationsgeldbezugs das Dienstverhältnis ex-lege-karenziert. Wenn während dieser Karenzierung mangels Arbeitsverpflichtung nun keine Arbeitsunfähigkeit eintreten oder weiterbestehen könne, gibt es – zumindest solange das Dienstverhältnis aufrecht ist – auch keinen denkmöglichen Anwendungsfall, in dem Kranken- und Rehabilitationsgeld zusammentreffen können. Der intendierte Zweck des Gesetzgebers, den Krankengeldanspruch zu wahren, wird durch die Rsp konterkariert, da der Krankengeldanspruch wegfällt.*
Trotz dieser offensichtlichen und aufklärungsbedürftigen Widersprüche hat in den jüngsten Entscheidungen keine Auseinandersetzung damit stattgefunden. Nach Ansicht der Autor:innen liegt eine Abkehr bzw nicht unerhebliche Modifikation der bisherigen Rsp vor, die einer umfassenderen höchstgerichtlichen Begründung bedurft hätte.
Wie bereits mehrmals ausgeführt, muss für den Bezug des Krankengeldes die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht nur zum Eintritt des Versicherungsfalls, sondern auch laufend vorliegen. Die nunmehrige Rsp hat zum Ergebnis, dass jede Karenzierung zum einen den Eintritt des Versicherungsfalls verhindert und zum anderen laufende Versicherungsfälle beendet.
In der Praxis ist bei längeren Krankenständen die Karenzierung des Dienstverhältnisses oftmals die einzige Option, welche den DG von der Beendigung des Dienstverhältnisses Abstand nehmen lässt. Durch die nunmehrige Rsp hat der OGH diese praxisrelevante Lösung* de facto abgeschafft. Es können wohl die wenigsten im Krankenstand befindlichen Personen auf die finanzielle Absicherung des Krankengeldes verzichten und die wegfallende kranken- 65und pensionsversicherungsrechtliche Absicherung im Wege einer Selbst- oder Weiterversicherung kompensieren. Als Konsequenz der jüngsten Rsp des OGH kann dies wohl zur Folge haben, dass Arbeitsverhältnisse eher beendet als karenziert werden.
Gesamtheitlich verfolgte der Sozialrechtsgesetzgeber das Ziel, (auch) durch Leistungen der KV einen möglichst langen Verbleib im Dienstverhältnis zu fördern.* Diese systematischen Überlegungen werden durch die jüngste Entscheidung konterkariert.
Aus all den angeführten Entscheidungen, Rechtssätzen und der Literatur ergeben sich mehrere problematische Fallkonstellationen. Die nachfolgenden Sachverhalte wurden unter folgenden Prämissen beurteilt:
Damit ein Anspruch auf Krankengeld bestehen kann, muss der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eintreten und laufend vorliegen. Dieser Versicherungsfall kann grundsätzlich – abgesehen von Schutzfristfällen oder Leistungsbezug vom AMS – nur während aufrechter Pflichtversicherung aus einem Dienstverhältnis eintreten. Die Pflichtversicherung ist grundsätzlich an den Entgeltanspruch gebunden. Weiters kann nach stRsp des OGH* der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nur eintreten, wenn im Zeitpunkt des Beginns der Versicherung, die der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegende Krankheit noch nicht vorgelegen ist oder wenn diese zwar vorgelegen ist, es aber weiters zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommt. Es wird damit eine Minderung der ursprünglich vorhandenen Arbeitsfähigkeit verlangt.
Diese Voraussetzungen können in Zusammenschau mit der jüngsten OGH-Rsp zu unterschiedlichen Problemlagen führen, je nachdem, ob die Krankheit bzw Arbeitsunfähigkeit während aufrechtem Dienstverhältnis oder Karenzierung eingetreten ist oder die Dauer der Karenzierung über oder unter einem Kalendermonat beträgt. Weiters ist eine Differenzierung vorzunehmen, je nachdem, ob nach der Karenzierung ein Entgeltfortzahlungsanspruch zusteht oder nicht.
Arbeitsrechtlich ist in jedem Einzelfall und jeder einzelnen unten genannten Fallkonstellation zu prüfen, ob die Karenzierungsvereinbarung im Hinblick auf oder prophylaktisch wegen einem zu erwartenden Krankenstand geschlossen wurde. In einem solchen Fall könnte die Vereinbarung wegen Verstoß gegen zwingende Vorschriften für nichtig erklärt werden (analog zu § 9 AngG bzw § 5 EFZG iVm § 40 AngG bzw § 7 EFZG). Folglich könnte ein Entgeltfortzahlungsanspruch unter Umständen geltend gemacht werden und im Anschluss auch der Krankengeldanspruch wieder bestehen. Derzeit gibt es zu einem solchen Anwendungsfall jedoch noch keine gesicherte Rsp.
Wird das Dienstverhältnis für einen Kalendermonat oder weniger karenziert, besteht die Pflichtversicherung gem § 11 Abs 3 lit a ASVG weiter. Tritt in diesem Zeitraum nun eine Krankheit auf, die eigentlich Arbeitsunfähigkeit begründen würde, kann nach Rsp des OGH trotz Pflichtversicherung keine Arbeitsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn vorliegen. Erst nach Ende der Karenzierung kann Arbeitsunfähigkeit bzw der entsprechende Versicherungsfall eintreten und es besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Krankengeld, dies obwohl die Pflichtversicherung weiter bestanden hat.*
Wird das Dienstverhältnis für länger als ein Kalendermonat karenziert, endet die Pflichtversicherung mit dem ersten Tag der Karenzierung. Zwar besteht uU die Schutzfrist gem § 122 Abs 2 Z 2 ASVG, jedoch kann, wie oben unter 6.1.1. geschildert, der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit aufgrund der Karenzierung nach jüngster Judikatur nicht eintreten. Besteht nach Ende der Karenz arbeitsrechtliche Arbeitsunfähigkeit, kann ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung (falls dieser noch nicht erschöpft ist) zustehen. Über den Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht wieder die Pflichtversicherung. Besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch, kann mangels Pflichtversicherung auch kein Krankengeldanspruch entstehen. Selbes gilt, wenn sich der Gesundheitszustand nicht weiter verschlechtert hat, da bei Beginn des Versicherungsfalls eine Minderung der ursprünglichen Arbeits(un)fähigkeit verlangt wird. Ein anschließender Anspruch auf Krankengeld kann nur entstehen, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustands seit dem Beginn der Versicherung/Entgeltfortzahlung eingetreten ist.* Liegt dies nicht vor, verliert der:die AN den sozialrechtlichen Leistungsanspruch und (eigenständigen) Versicherungsschutz.
Tritt die Arbeitsunfähigkeit während aufrechtem Dienstverhältnis ein, besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Wird während diesem Anspruch eine 66Karenzierung für einen Kalendermonat oder weniger vereinbart, führt dies zum Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Die Pflichtversicherung besteht nach § 11 Abs 3 lit a ASVG weiter. Ein Krankengeldanspruch kann aus den in 6.1.1. genannten Gründen nicht eintreten. Nach Ende der Karenzierung und weiterer Arbeitsunfähigkeit besteht entweder Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Krankengeld.
Tritt die Arbeitsunfähigkeit während aufrechtem Dienstverhältnis ein, besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Wird während diesem Anspruch eine Karenzierung über einem Kalendermonat vereinbart, führt dies zum Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs und der Pflichtversicherung. Ein Krankengeldanspruch kann aus den in 6.1.2. genannten Gründen nicht eintreten. Besteht nach Ende der Karenzierung arbeitsrechtliche Arbeitsunfähigkeit, kann ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung (falls dieser noch nicht erschöpft ist) zustehen. Über den Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht wieder die Pflichtversicherung. Aber auch dann kann ein anschließender Anspruch auf Krankengeld nur entstehen, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustands seit dem Beginn der Versicherung/Entgeltfortzahlung eingetreten ist. Besteht nach Rückkehr aus der Karenzierung kein Entgeltfortzahlungsanspruch, kann mangels Pflichtversicherung auch kein Krankengeldanspruch entstehen. Selbes gilt, wenn sich der Gesundheitszustand nicht weiter verschlechtert hat. In diesen Fällen verliert der:die AN den sozialrechtlichen Leistungsanspruch und (eigenständigen) Versicherungsschutz.
Tritt die Arbeitsunfähigkeit während aufrechtem Dienstverhältnis ein, besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung, soweit dieser noch nicht erschöpft ist (Kontingentprinzip). Wenn dieser endet, endet auch die Pflichtversicherung und es besteht nur mehr Anspruch auf Krankengeld. Über den Krankengeldanspruch besteht gem § 122 Abs 2 Z 1 lit b ASVG eine Anspruchsberechtigung für Leistungen aus der KV. Wird während diesem Krankengeldbezug nun eine Karenzierung vereinbart, führt dies zu einem sofortigen Ende der Arbeitsunfähigkeit und damit dem Krankengeldbezug. Zu einer Verlängerung der Pflichtversicherung gem § 11 Abs 3 lit a ASVG kann es mangels einer solchen nicht kommen. In diesem Fall ist daher die Dauer der Karenzierung für die Beurteilung der Pflichtversicherung irrelevant. Mit dem Ende des Krankengeldanspruchs beginnt die sechswöchige Schutzfrist gem § 122 Abs 2 Z 2 ASVG. Wird die Karenzierung beendet, bestehen zwei Möglichkeiten:
Besteht nach Ende der Karenzierung ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung, entsteht auch wieder die Pflichtversicherung. Ein anschließender Anspruch auf Krankengeld kann jedoch wiederum nur entstehen, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustands seit dem Beginn der Versicherung/Entgeltfortzahlung eingetreten ist.
Besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch nach einer Karenzierung (bspw da kein neues Arbeitsjahr begonnen hat und der Entgeltfortzahlungsanspruch bereits erschöpft ist oder nach AN-Kündigung des Dienstverhältnisses), kann mangels Pflichtversicherung auch kein Krankengeldanspruch entstehen. In diesen Fällen verliert der:die AN jeglichen Leistungs- und (eigenständigen) Versicherungsschutz. Auch bei einer AG-Kündigung nach geleisteter Entgeltfortzahlungsverpflichtung kommt man zu diesem Ergebnis, was besonders nachteilig für den:die betroffene:n AN ist, da der Versicherungsschutz dann in den Händen des:der AG liegt. Dies stellt jedenfalls eine unzureichende Versicherungslücke für Beschäftigte dar.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass durch die jüngsten Entscheidungen des OGH die Karenzierung eines Dienstverhältnisses im Zuge oder zeitlichen Zusammenhangs mit einem Krankheitsfall ein immenses finanzielles Risiko erzeugt, welches – selbst bei aufrechter Versicherung – nicht durch die gesetzliche KV gedeckt ist. In Zusammenschau mit der bisherigen stRsp führt dies zu gravierenden Unsicherheiten und es eröffnen sich nach Ansicht der Autor:innen mehr Rechtsfragen als beantwortet werden.
Auch wenn oben angeführte Beispiele sehr theoretisch abgehandelt wurden, liegt definitiv nicht ein rein „akademisches“ Problem vor. Die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Beratungserfahrung der Autor:innen zeigt, dass aufgrund der hohen Zahl von Elternkarenzen insb junge Mütter von den geschilderten Situationen betroffen sind. Tritt während der Elternkarenz eine langwierige Krankheit auf, können – wie aufgezeigt je nach Sachverhalt – weitere Leistungsansprüche fraglich sein. Da der eigenständige Versicherungsschutz an einen Leistungs- oder Entgeltbezug gekoppelt ist, hat der Verlust eines solchen nicht nur unmittelbare finanzielle Folgen, sondern bedingt auch einen Ausfall des gesetzlichen Versicherungsschutzes. Besonders prekär ist dies bei Alleinerzieher:innen, da die Mitversicherung des Kindes (vorrangig) an dem Versicherungsschutz der Alleinerzieher:innen geknüpft ist.
Wenn keine arbeitsrechtliche Auflösung der Karenzierung möglich ist, bleibt dem:der AN in letzter Konsequenz nur die Beendigung des Dienstverhältnisses,*67 damit ein etwaiger Anspruch gegenüber dem AMS und damit auch wieder ein Versicherungsschutz zusteht. Bei langwieriger Krankheit könnte ein Antrag auf Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension angedacht werden, wobei hier aufgrund einer „strengeren“ Arbeitsunfähigkeitsdefinition ein restriktiver Zugang besteht. Besteht kein Anspruch auf Leistungen vom AMS, müsste im äußersten Fall – bei Vorliegen der Voraussetzungen – Mindestsicherung beantragt werden, um einen Krankenversicherungsschutz* zu wahren. Im Extremfall könnte daher ein:e Versicherte:r ohne Verschulden durch mehrere Lücken des Versicherungsnetzes fallen.
Von freiwilligen Karenzierungen ist im Regelfall abzuraten, insb wenn schon eine gesetzliche Karenzierung oder eine Krankheit vorliegt oder wenn auch nur ein stationärer Aufenthalt geplant ist. Ob solche im Zuge eines Krankenstandes geschlossenen Karenzvereinbarungen mitunter analog gem zu § 9 AngG bzw § 5 EFZG iVm § 40 AngG bzw § 7 EFZG als nichtig erachtet werden, bleibt noch zu entscheiden – wäre aus rechtlicher Sicht zum Schutz der AN jedenfalls begrüßenswert und auch systematisch kohärent. Wenn sogar bei gewissen Beendigungsarten des Arbeitsverhältnisses der Entgeltfortzahlungsanspruch weiterbesteht, warum nicht auch bei einem Aussetzen der Hauptleistungspflichten, wenn das Arbeitsverhältnis sogar weiterbesteht.*
Aufgrund der aufgeworfenen rechtlichen Unsicherheiten ist die dürftige Begründung des OGH jedenfalls zu kritisieren. Bis durch weitere höchstgerichtliche Entscheidungen entsprechende Klarstellungen erfolgen, muss sich der Gesetzgeber die Frage gefallen lassen, ob er diese Rechtsunsicherheit für eine Vielzahl von AN und Versicherten als zumutbar erachtet. In diese Abwägung muss auch der Gedanke einfließen, ob die durch die Rsp verursachten Lücken im Versicherungsschutz überhaupt gewünscht sind.
Jedenfalls sollte aufgrund der Rechtsunsicherheit im Einzelfall fachkundige arbeits- und sozialrechtliche Rechtsberatung eingeholt werden.