Möglichkeit der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit im Lehrverhältnis

BARBARAHUBER

Mit BGBl I 2017/30 wurde die Möglichkeit der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit geschaffen. Die Rechtsgrundlage zur Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit findet sich im § 13a AVRAG. Die Anspruchsberechtigung des Wiedereingliederungsgeldes und dessen Höhe ist im § 143d ASVG normiert. Im gegenständlichen Beitrag wird dargelegt, warum die Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit auch im Lehrverhältnis möglich sein muss.

1.
Allgemeines zur Wiedereingliederungsteilzeit

Den Bemerkungen zur Regierungsvorlage (RV) ist zu entnehmen, dass die Wiedereingliederungsteilzeit der Erleichterung der Wiedereingliederung von AN nach langer Krankheit dient.* Für die Inanspruchnahme bzw Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit muss gem § 13a AVRAG mindestens ein sechswöchiger ununterbrochener Krankenstand und ein Arbeitsverhältnis vorliegen, welches vor dem Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit mindestens drei Monate angedauert hat. In den Erläuternden Bemerkungen der RV wird ausgeführt, dass betreffend die Voraussetzung für die Dauer des Arbeitsverhältnisses auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abzustellen ist und demgemäß auch allfällige Karenzzeiten sowie alle Zeiten des Krankenstandes auf die Mindestbeschäftigungsdauer anzurechnen sind.*

Die Rahmenfrist für eine erneute Inanspruchnahme einer Wiedereingliederungsteilzeit beträgt mindestens 18 Monate; zudem muss eine ärztliche Bestätigung über die Arbeitsfähigkeit des:der in Anspruch nehmenden AN vorliegen,* auch muss sich der:die AN und der:die AG über die Gestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit beraten lassen und erstreckt sich diese Beratung auch auf den zu vereinbarenden Wiedereingliederungsteilzeitplan.* Die Beratung kann gem § 13a Abs 1 Z 2 AVRAG entfallen, wenn AN, AG und der Arbeitsmediziner oder die Arbeitsmedizinerin oder das arbeitsmedizinische Zentrum nachweislich der Wiedereingliederungsvereinbarung und dem Wiedereingliederungsplan zustimmen. Die schriftliche Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit hat gem § 13a Abs 2 AVRAG den Beginn, die Dauer, das Ausmaß und die Arbeitszeiten zu regeln.* Gem Abs 2 des § 13a AVRAG ist in Betrieben, in denen ein für den:die AN zuständiger BR 68eingerichtet ist, dieser den Verhandlungen beizuziehen. Bei jugendlichen AN und Lehrlingen ist mE auch zusätzlich zum zuständigen BR der Jugendvertrauensrat – sofern ein solcher eingerichtet ist – beizuziehen. Im Rahmen einer BV können begleitende betriebliche Regelungen geschaffen werden.* Zu den weiteren Bestimmungen bzw Voraussetzungen siehe § 13a AVRAG, § 143d ASVG.

Betreffend die Anspruchsberechtigung der Wiedereingliederungsteilzeit bei Vertragsbediensteten und Beamten kann ua auf § 143d Abs 7 ASVG verwiesen werden. Gem § 143d Abs 7 ASVG gelten die Abs 1 bis 6 des § 143d ASVG entsprechend für eine Wiedereingliederungsteilzeit, die nach landes- oder bundesgesetzlichen Regelungen vereinbart wurde. Dies gilt nach Abs 7 des § 143d ASVG auch für sonstige Bestimmungen, in denen auf den § 13a AVRAG verwiesen wird.*

In Bezug auf die Frage, ob bei Lehrverhältnissen die Möglichkeit besteht, eine Wiedereingliederungsteilzeit zu vereinbaren, ist einerseits die Rechtsnatur des Lehrvertrages bzw des Lehrverhältnisses zu beleuchten und andererseits der Geltungsbereich des AVRAG (§ 1 AVRAG) und somit die Anwendbarkeit des AVRAG auf Lehrverhältnisse zu prüfen.

2.
Rechtsnatur des Lehrverhältnisses

Zur Rechtsnatur des Lehrverhältnisses wird ausgeführt, dass der Lehrvertrag einen Vertrag des Privatrechts darstellt. Durch dessen Abschluss werden jedoch nicht nur privatrechtliche, sondern auch öffentlich-rechtliche Beziehungen und Folgen, und zwar insb solche des Verwaltungs- bzw Schulrechts, hergestellt.* Nach Judikatur und hL ist das Lehrverhältnis ausdrücklich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Der Lehrvertrag ist somit die rechtliche Grundlage für das Lehrverhältnis und stellt das Lehrverhältnis kraft Gesetzes ein befristetes Arbeitsverhältnis dar, dies trotz seines Ausbildungszweckes.* Lehrlinge sind somit ausnahmslos AN iSd Arbeitsvertragsrechts.*

Gem § 34 Abs 2 BAG finden die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts subsidiär Anwendung, so auch das AVRAG.* Der OGH führt in seiner E 9 ObA 193/98t vom 7.10.1998 mE zutreffend aus, dass § 34 Abs 2 BAG ein wichtiges Indiz dafür darstellt, dass das BAG selbst davon ausgeht, dass das Lehrverhältnis als Arbeitsverhältnis zu beurteilen ist.*

Da der Lehrvertrag ein Vertrag des Privatrechts ist, kann in jenen Fällen, in denen gem § 2 Abs 5 lit e BAG eine Gebietskörperschaft Lehrberechtigte ist, der Lehrvertrag nicht rechtsgültig in Form eines Hoheitsaktes, also durch einen öffentlich-rechtlichen Vorgang, begründet werden. Aber auch die privatrechtlichen Vorschriften des VBG finden gem dessen § 1 Abs 3 Z 10 auf Lehrlinge keine Anwendung. Auf die Lehrverhältnisse zu Gebietskörperschaften kommen daher – in Ergänzung zum BAG – subsidiär nicht die Vorschriften des sogenannten öffentlichen Dienstrechts, sondern gem § 34 Abs 2 BAG die Vorschriften des allgemeinen Arbeitsrechts – insb jene des ABGB – zur Anwendung.*

3.
Anwendung des AVRAG auf Lehrverhältnisse

Nach § 1 Abs 1 AVRAG gilt das AVRAG nur für Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Das bedeutet, es muss Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet werden, indem die Arbeitszeit, der Arbeitsort und die Arbeitsfolge vom AG bestimmt werden. Der AN muss seiner Arbeitsverpflichtung persönlich nachkommen.* Ausgenommen vom Geltungsbereich des AVRAG sind gem § 1 Abs 2 AVRAG Arbeitsverhältnisse zu Ländern, Gemeindeverbänden und Gemeinden (Z 1 des § 1 Abs 2 AVRAG); der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter iSd Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl Nr 287 (Z 2 des § 1 Abs 2 AVRAG); zum Bund, auf die dienstrechtliche Vorschriften anzuwenden sind, welche den Inhalt der Arbeitsverhältnisse zwingend regeln (Z 3 des § 1 Abs 2 AVRAG); zu Stiftungen, Anstalten oder Fonds, auf die das Vertragsbedienstetengesetz 1984 (VBG), BGBl Nr 86, gem § 1 Abs 2 VBG sinngemäß anzuwenden ist (Z 4 des § 1 Abs 2 AVRAG). Ebenfalls gilt gem § 1 Abs 3 AVRAG dieses Bundesgesetz nicht für Beschäftigungsverhältnisse, auf die das Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl 1961/105, anzuwenden ist. Auf Arbeitsverhältnisse, für die das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz (HGHAG), BGBl 1962/235, gilt, finden die §§ 2, 2c, 2d, 11, 11a, 12 bis 14b, für Hausgehilfen und Hausangestellte von physischen Personen finden auch die §§ 3 bis 6 des AVRAG keine Anwendung.

In der Literatur und Judikatur wurde die Frage der Anwendbarkeit des AVRAG bereits im Zuge der Eintrittsautomatik des § 3 AVRAG bei Lehrverhältnissen thematisiert. Diese wurde in der hL und in der Judikatur bejaht. Da Lehrlinge AN sind, werden sie von den Rechtsfolgen des § 3 Abs 1 AVRAG er69fasst.* Das AVRAG ist somit auf Lehrverhältnisse zweifelslos anzuwenden.*

4.
Fazit und rechtliche Fragestellungen

Da das Lehrverhältnis ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis mit einem besonderen Ausbildungszweck darstellt (siehe Ausführungen zu Pkt 2) und Lehrlinge nicht aus dem Geltungsbereich des AVRAG ausgenommen sind (siehe Ausführungen zu Pkt 3), ist – auch unter Zugrundelegung der in diesem Beitrag angeführten Literatur und Judikatur – die Möglichkeit der Vereinbarung von Wiedereingliederungsteilzeit im Lehrverhältnis eindeutig zu bejahen.

Betreffend die im § 13a Abs 1 AVRAG normierte Anwartschaftszeit im Zusammenhang mit der Wiedereingliederungsteilzeit im Lehrverhältnis ist auch auf § 13 Abs 3 und Abs 7 BAG näher einzugehen. ME sind bei der Beurteilung der Anwartschaftszeit Fehlzeiten des Lehrlings gem § 13 Abs 3 BAG betreffend die Dauer des Lehrverhältnisses mitzuberücksichtigen bzw für die Dauer der Anwartschaftszeit miteinzurechnen, da es sich um keine Beendigung des Lehrverhältnisses, sondern um ein „vorübergehendes Aussetzen“ der Lehrausbildung in Bezug auf die Dauer der Lehrzeit handelt und somit das Lehrverhältnis unverändert weiterbesteht.* Dies kann mE auch aus den Bemerkungen bzw Erläuterungen zur RV abgeleitet werden. Diesen zu entnehmen zielt die Anwartschaftszeit betreffend die Dauer des Lehrverhältnisses auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ab und sind demgemäß auch allfällige Karenzzeiten sowie alle Zeiten des Krankenstandes auf die Mindestbeschäftigungsdauer anzurechnen,* ebenso sind nach Drs und Pfeil auch Zeiten eines Urlaubes oder einer Pflegefreistellung, etc einzurechnen.*Drs führt zudem zutreffend aus, dass die notwendige Dauer des Arbeitsverhältnisses vor Beginn des Krankenstandes sehr kurz sein kann, sodass sich die Frage stellt, wozu diese Anspruchsvoraussetzung überhaupt notwendig sein soll.*Födermayr führt auch richtig aus, dass für die Erfüllung dieser Voraussetzung es daher nicht notwendig ist, dass der AN in den gegenständlichen drei Monaten auch tatsächlich gearbeitet hat.* Aus den Erläuterungen zur RV ergibt sich auch, dass eine Wiedereingliederungsteilzeit bereits vor Ablauf der drei Monate abgeschlossen werden kann, da es auf den Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit ankommt.* Ergänzend wird an dieser Stelle auch noch ausgeführt, dass die Möglichkeit der Aussetzung gem § 13 Abs 3 BAG lediglich der Ausbildung bzw des Ausbildungszieles dient, da die einzelnen Ausbildungsordnungen betreffend die Lehrberufe den Inhalt der Lehrausbildungen regeln und auch die Lehrzeitdauer in den einzelnen Lehrberufen ihre Zweckmäßigkeit in Bezug auf die Ausbildung zu erfüllen haben.* Die Verhinderung des Lehrlings aus in seiner Person gelegenen Gründen ist meiner Ansicht nach im Regelfall auf Dienstverhinderungen bzw Krankenstände zurückzuführen.

Wenn einer der beiden in Abs 3 des § 13 BAG genannten Fälle einer über vier Monate hinausgehenden Ausbildungs- bzw Arbeitsverhinderung des Lehrlings eintritt, so verlängert sich der bestehende Lehrvertrag nicht ipso iure um die auf die Lehrzeit nicht anrechenbaren Verhinderungszeiten.* In Bezug auf die in § 13 Abs 3 BAG genannten Fälle sind mehrere Konstellationen denkbar. Zum einen, dass zwischen den Parteien des Lehrvertrages von vornherein eine Vereinbarung getroffen wurde, dass sich das Lehrverhältnis um die nicht anrechenbare Zeitspanne verlängert, wobei das Verbot des Abs 4 des § 13 BAG hier nicht gilt. Zum anderen, dass es zwischen den Lehrvertragsparteien rechtzeitig zu einer Abänderung des bestehenden Lehrvertrages betreffend die Dauer des Lehrvertrages kommt. Wenn keiner der beiden zuvor genannten Fälle vorliegt, dann endet das Lehrverhältnis zum ursprünglich vereinbarten Zeitpunkt. Diesfalls hat der Lehrling die für den betreffenden Lehrberuf festgesetzte Lehrzeit nicht zur Gänze absolviert. Ein sogenannter Ergänzungslehrvertrag (auch Folgelehrvertrag oder Zusatzlehrvertrag genannt) ist abzuschließen.*

Betreffend die bei der Wiedereingliederungsteilzeit vorgesehene Bandbreitenmöglichkeit in Bezug auf die Arbeitszeitreduktion kann auf Abs 2 des § 13a AVRAG verwiesen werden. Zur Reduktion der Ausbildungszeit bei Inanspruchnahme der Wiedereingliederungsteilzeit im Lehrverhältnis ist ua auch auf § 13 Abs 7 BAG zu verweisen. In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, dass das Lehrverhältnis iSd BAG auf dem Konzept einer Voll(zeit)beschäftigung basiert,*70dies aus dem Grunde, dass eine ordnungsgemäße Lehrlingsausbildung unter Erfüllung der vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte in der jeweils festgesetzten Dauer der Lehrzeit nur bei Vollbeschäftigung des Lehrlings möglich ist.* Eine Verkürzung der täglichen bzw wöchentlichen Arbeitszeit iS einer Teilzeitbeschäftigung ist bei Lehrverträgen gem § 1 BAG und § 8b Abs 1 BAG sowie bei Ausbildungsverträgen gem § 8b Abs 2 BAG in den Fällen des § 13 Abs 7 BAG möglich.* Demnach ist diese Reduktion gem § 13 Abs 7 BAG nur im Falle von Kinderbetreuungspflichten (siehe ausführlich Z 1 des § 13 Abs 7 BAG)* oder bei Vorliegen gesundheitlicher Gründe in der Person des Lehrlings bzw des:der Auszubildenden (Z 2 des § 13 Abs 7 BAG) möglich. Betreffend die Kurzarbeit bei Lehrlingen iSd § 13 Abs 7 Z 3 BAG wird ausgeführt, dass diese – nach mehrfacher Verlängerung – bis 31.12.2022 möglich war.* Im Zusammenhang betreffend die Vereinbarung von Wiedereingliederungsteilzeit im Lehrverhältnis wird hier lediglich die Z 2 des § 13 Abs 7 BAG näher ausgeführt. Nach § 13 Abs 7 Z 2 BAG ist bei Vorliegen gesundheitlicher Gründe in der Person des Lehrlings bzw des:der Auszubildenden eine Teilzeitvereinbarung für die Dauer der gesundheitlichen Beeinträchtigung möglich. In den Fällen des § 13 Abs 7 BAG darf die tägliche bzw wöchentliche Ausbildungszeit höchstens bis auf die Hälfte der gesetzlichen bzw kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit reduziert werden.* Die Reduktionsmöglichkeit und deren Ausmaß gem § 13 Abs 7 BAG ist mE auch in Bezug auf die Wiedereingliederungsteilzeit im Lehrverhältnis anzuwenden. MaW: Die Regelung der Bandbreitenmöglichkeit betreffend die Arbeitszeitreduktion gem § 13 Abs 7 BAG ist auch in Bezug auf die Wiedereingliederungsteilzeit im Lehrverhältnis als lex specialis zu § 13a Abs 2 AVRAG anzusehen. Das bedeutet auch, dass eine Durchrechnung unter der im § 13 Abs 7 BAG vorgesehenen Grenzen der Arbeitszeitreduktion nicht möglich ist. Dh maW: Unter die Hälfte der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit ist eine Reduktion der Arbeitszeit auch im Rahmen der Wiedereingliederungsteilzeit im Lehrverhältnis mE nicht möglich. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Reduktion der Ausbildungszeit gem § 13 Abs 7 BAG ist, dass das jeweilige Ausbildungsziel und damit die erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlussprüfung auch im Rahmen der reduzierten Ausbildungszeit erreicht wird.* Dem Wortlaut des Abs 7 des § 13 BAG zufolge („darf … verlängert werden“) muss eine Reduktion der Normalarbeitszeit nicht zwingend mit einer Verlängerung der in der Lehrberufsliste festgelegten Lehrzeitdauer ausgeglichen werden. Die Lehrzeit wird im Umkehrschluss aber jedenfalls dann verlängert werden müssen, wenn das Ausbildungsziel mit der reduzierten Ausbildungszeit nicht erreicht werden kann.* Dies bedarf immer einer Prüfung des Einzelfalles, dies auch abgestellt auf die einzelnen Ausbildungsinhalte gemäß den Ausbildungsordnungen. Nach Brokes ist das Lehrlingseinkommen in Ermangelung einer kollektivvertraglichen Regelung entsprechend der reduzierten Arbeitszeit anzupassen.* In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung gem § 13a Abs 1 AVRAG im Rahmen einer Wiedereingliederungsteilzeit das gebührende Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze liegen muss.