Zu spät, zu wenig und teilweise zahnlos – Umsetzung der Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in Österreich
Zu spät, zu wenig und teilweise zahnlos – Umsetzung der Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in Österreich
Zweck der RL (EU) 2019/1152 vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen ist es ua, „die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert [...] wird“.* Die RL stärkt die Rechte von AN beim Dienstzettel und legt zusätzlich vereinzelte Mindeststandards für Arbeitsbedingungen 71 fest (bspw Mehrfachbeschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung).
Österreich war mit der Umsetzung dieser RL seit 1.8.2022 für die Dauer von eineinhalb Jahren säumig. Die Änderungen wurden schließlich, allerdings nicht nur verspätet, sondern auch ohne Einbindung der Öffentlichkeit, dh ohne Abhaltung eines vorparlamentarischen Begutachtungsverfahrens, mittels Initiativantrags* der im Parlament vertretenen Regierungsparteien, in den parlamentarischen Prozess eingebracht.
Der Initiativantrag wurde letztlich mittels der Stimmen der Regierungsparteien beschlossen. Die Änderungen traten mit 28.3.2024 in Kraft.* Österreich ist hier einer etwaigen Klage der Europäischen Kommission wegen (gänzlicher) Nichtumsetzung der RL zuvorgekommen.*
AN sollen gemäß der RL „umfassend über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen“ und dies „zeitnah und schriftlich in einer für Arbeitnehmer leicht zugänglichen Form“ informiert werden.* Die Praxis der Arbeitswelt zeigt regelmäßig, wie wichtig es ist, dass AN ihre Rechte kennen, um sie auch geltend machen zu können, und welche erheblichen Nachteile Rechtsunkenntnis mit sich bringen kann.*, *
Aber schon die Regeln zum Inkrafttreten der neuen Bestimmungen stehen in Widerspruch zu Art 22 der RL. Dieser legt fest, dass die „in dieser Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten“ spätestens am 1.8.2022 für alle Arbeitsverhältnisse gelten. Für zu diesem Zeitpunkt aufrechte Arbeitsverhältnisse sieht die RL die Möglichkeit vor, dass ein:e AG einen Dienstzettel, dessen Änderung oder zusätzliche Informationen für in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland geschickte AN, nur auf Aufforderung des/der AN bereitstellen oder ergänzen muss.
Die neuen österreichischen inhaltlichen Vorgaben für Dienstzettel (§ 2 Abs 2 bis 6 Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz, AVRAG), wie bspw Angaben zum Sitz des Unternehmens nach Abs 2 Z 6 oder der Hinweis auf das einzuhaltende Kündigungsverfahren nach Z 5 (wie bspw auf § 105 ArbVG*), gelten jedoch ausnahmslos nur für neu abgeschlossene Dienstverträge (siehe § 19 AVRAG). Die Begründung zu § 19 Abs 2 Z 57 AVRAG im Initiativantrag – Erläuterungen liegen ja mangels Regierungsvorlage keine vor – gibt nur lapidar an, dass die „Änderung sämtlicher ausgestellter Dienstzettel nach In-Kraft-Treten der neuen Vorgaben [...] einen erheblichen und in Relation zum Nutzen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand darstellen“ würde.*
Eine Ergänzung für bestehende Arbeitsverhältnisse ist also nicht vorgesehen, würde jedoch dem Gedanken der RL, „transparente“ Arbeitsbedingungen zu schaffen, eindeutig besser Rechnung tragen (siehe bspw § 5 deutsches Nachweisgesetz, das Übergangsvorschriften für Altverträge vorsieht*). Auch AN in bestehenden Arbeitsverhältnissen haben Anspruch darauf, über ihre Rechte informiert zu sein. Die Festsetzung einer Übergangsfrist wäre praktikabel und umsetzbar gewesen – wie auch die damalige Übergangsregelung in § 2 Abs 7 AVRAG für aufrechte Arbeitsverhältnisse im Zuge der Umsetzung der Nachweis-RL Anfang der 1990er-Jahre zeigt, die den Anspruch auf einen Dienstzettel auf alle AN-Gruppen ausgedehnt hat.*
Art 19 der RL verlangt von den Mitgliedstaaten, wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen vorzusehen. Der Erwägungsgrund 45 der RL führt als Beispiele für mögliche Sanktionen „administrative und finanzielle Sanktionen, wie Geldbußen oder Entschädigungszahlungen sowie andere Arten von Sanktionen“ an. Zudem wird in ErwGr 39 ausgeführt, „dass es notwendig ist, die Durchsetzung des Arbeitsrechts der Union zu stärken, um dessen Wirksamkeit sicherzustellen“. Ferner wird in ErwGr 39 dargelegt, „dass Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses nur selten Rechtsbehelfe einlegen“* und damit bspw das Ziel eines Dienstzettels, die AN über die wesentlichen Merkmale des Arbeitsverhältnisses zu informieren, ohne Schaffung eines entsprechenden Sanktionsmechanismus gefährdet ist. 72
Die AN haben nach § 2 Abs 1 AVRAG ein Wahlrecht, ob sie den Dienstzettel ausgehändigt oder in elektronischer Form erhalten wollen. In der Praxis muss jedoch sichergestellt sein, dass „die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält“, wie es Art 3 der RL normiert. Eine Übermittlung von Unterlagen über Instant-Messaging-Dienste (zB WhatsApp) entspricht somit nicht dem § 2 Abs 1 AVRAG.
In Bezug auf die Nichtaushändigung von Dienstzetteln wurden in § 7a Verwaltungsstrafen eingeführt,*,* was aus Sicht der Arbeitsrechtspraxis grundsätzlich zu begrüßen ist. Die Beratungserfahrung der Arbeiterkammern zeigt, dass nur die zivilrechtliche Durchsetzbarkeit in der Praxis oft nicht ausreicht, um einen Anspruch auch effektiv durchsetzen zu können und AN aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses im aufrechten Arbeitsverhältnis selten ihre Rechte durchsetzen (können). Aus diesem Grund ist auch die Normierung in § 7a als allgemeines Anzeigerecht, und nicht nur als Recht des/der einzelnen AN, zu befürworten.
In der Literatur geht Hitz davon aus, dass die Aushändigung eines unvollständigen oder punktuell nicht rechtskonform ausgestellten Dienstzettels nicht nach § 7a strafbar ist, sondern erst dann, wenn es sich bloß um ein „Zerrbild“ eines Dienstzettels handelt.*Schrank sieht „bloß inhaltliche Angabefehler“ ebenso ausgenommen.* Dem ist entgegenzuhalten, dass sich § 7a lediglich auf einen Dienstzettel nach § 2 Abs 1 bis 4 bezieht, dh bspw Änderungen nach Abs 6 sowie die Verweise auf Gesetze, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung etc nach Abs 5 ausgenommen sind. Dies wäre jedoch nicht notwendig gewesen, wenn der Gesetzgeber grundsätzlich von der Irrelevanz eines korrekten und vollständigen Inhalts für die Strafbarkeit ausgegangen wäre. Es besteht zudem ein Spielraum bei der Festlegung des Strafausmaßes durch die Behörde, um der Schwere des Verstoßes Rechnung tragen zu können. Eine klare, sprachlich ausdifferenzierte Regelung findet sich bspw in § 4 des deutschen Nachweisgesetzes* zu den neu festgelegten Bußgeldern, wenn Dienstzettel „nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig“ ausgehändigt werden.
Die konkrete Ausgestaltung der Strafhöhen und des Verfahrens in § 7a AVRAG schwächt die potentielle Effektivität dieser Neuregelung leider wieder massiv ab. Die Festlegung von Mindeststrafen ist mE zwar sinnvoll, zu kritisieren ist allerdings, dass diese äußerst niedrig ausfallen: € 100,- bzw € 500,- im Wiederholungsfall bzw bei mehr als fünf betroffenen AN. Im Hinblick auf die Vorgabe von abschreckenden Sanktionen ist zudem die Festlegung von Höchststrafen (€ 436,- bzw € 2.000,-) kritisch zu betrachten.
Keinesfalls nachvollziehbar ist, weshalb ab einer Anzahl von sechs betroffenen AN (und nur in diesem Fall – dieser Umstand ergibt sich jedoch nur aus der Begründung des Initiativantrags und nicht aus dem Gesetzestext selbst*) der Verstoß gegen die Aushändigungspflicht des Dienstzettels nur als eine einzige Verwaltungsübertretung gezählt werden soll.
Hier geht es um die Aushändigung eines Dienstzettels, damit die betroffenen AN ihre grundlegenden Rechte kennen. Der Unrechtsgehalt der Vorenthaltung dieses Rechts nimmt nicht mit der Zahl der betroffenen AN ab, sondern im Gegenteil zu, da doch der unrechtmäßige Vorteil, den der/die AG aus dem Unwissen ziehen kann, damit größer und nicht kleiner wird. Laut der Begründung des Initiativantrags sei der erhöhte Unrechtsgehalt durch den höheren Strafrahmen berücksichtigt, was jedoch bei einer Höchstgrenze von € 2.000,- Strafe bei weitem nicht ausreichend erscheint. Ein deutlich höherer Strafrahmen oder die Möglichkeit der Kumulation bei gleichzeitiger Einführung einer Deckelung der Höchststrafe würde mE die Vorgaben der RL eher erfüllen. Gerade die fehlende Kumulation hat schon bei vergleichbaren Normen, wie zB im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, gezeigt, dass die geforderte abschreckende Wirkung der Sanktionsnorm ausbleibt. Es sei an dieser Stelle betont, dass der EuGH etwa in der Rs (MaksimovicC-64/18) das Kumulationsprinzip grundsätzlich als unionsrechtskonform angesehen hat.
Ein Wiederholungsfall ist nicht nachvollziehbarerweise gem § 7a davon abhängig, dass der/die AG innerhalb der letzten drei Jahre vor der neuerlichen Übertretung rechtskräftig bestraft wurde. Dies würde aber bedeuten, dass alle wiederholten Begehungen während eines laufenden Verfahrens nicht als Wiederholungen gelten und für den/die AG ergäbe sich daraus ein Anreiz, das Verfahren möglichst lange hinauszuzögern.
Die Strafen sind zudem nur bei § 2 Abs 1 bis 4, jedoch nicht bei Verstoß gegen die Pflicht, auch Änderungen der Angaben nach Abs 6 schriftlich mitzuteilen, vorgesehen, was nicht erklärlich ist. Sanktionen dürfen sich mE jedoch nicht nur auf das erstmalige Nichtausstellen eines Dienstzettels beschränken, sondern müssen auch dann folgen, wenn die gesetz73lich vorgesehene Information über wesentliche Änderungen nicht übermittelt wird.
Die Bezirksverwaltungsbehörde hat, wenn sie nach Einleitung des Strafverfahrens feststellt, dass der/die AG der/dem AN inzwischen nachweislich einen Dienstzettel ausgehändigt hat und das Verschulden des/der AG gering ist, von der Verhängung einer Geldstrafe abzusehen. Vollkommen unverständlich ist, dass die Ausstellung eines oder bspw gar hunderter Dienstzettel selbst nach Einleitung eines Strafverfahrens zwingend zur Verfahrenseinstellung führen soll, wenn das Verschulden des/der AG „gering“ ist. Diese Regelung scheint den Vorgaben einer effektiven Sanktionierung nicht zu entsprechen, da die generalpräventive Wirkung weitgehend verloren geht.
Zusammenfassend betrachtet sind die vorgesehenen Strafen nicht ausreichend wirksam, angemessen und abschreckend iSd Art 19 der RL.
Die Begründung des Initiativantrags zu § 7a sieht vor, dass der/die Bundesminister:in für Arbeit und Wirtschaft „nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes eine Evaluierung der Bestimmungen vorzunehmen und dem Nationalrat über die Ergebnisse zu berichten“ hat. Spätestens dann wird man überprüfen müssen, ob die Regelung tatsächlich effektiv und in der Praxis angekommen ist oder nicht.
Art 7 verpflichtet, den in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland geschickten AN vor deren Abreise zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen.
Zudem legt Art 7 einen Anspruch auf Bereitstellung fest, dh der/die AN muss auch tatsächlich Zugang zu der Information erhalten. Gem § 2 Abs 4 Z 2 AVRAG besteht keine Pflicht zur Aushändigung eines Dienstzettels, wenn die zusätzlichen Informationen bei Auslandstätigkeit in anderen schriftlichen Unterlagen „enthalten sind“. Die Formulierung wird dem Recht auf Bereitstellung bzw Aushändigung nicht gerecht.
Die Verpflichtung besteht laut § 2 Abs 3 AVRAG zudem nur, wenn die Tätigkeit im Ausland länger als einen Monat dauert. Die RL stellt in Art 7 hingegen auf vier aufeinanderfolgende Wochen und nicht auf einen Monat ab.
Die Mitgliedstaaten müssen die AN (und auch AN-Vertreter:innen, bspw Betriebsräte) gem Art 17 vor Benachteiligung durch den/die AG bzw vor jedweden negativen Konsequenzen schützen, „weil sie Beschwerde beim Arbeitgeber eingereicht oder ein Verfahren angestrengt haben, mit dem Ziel, die Einhaltung der im Rahmen dieser Richtlinie gewährten Rechte durchzusetzen“. ErwGr 45 besagt zudem, dass die wirksame Durchführung der RL „einen angemessenen gerichtlichen und administrativen Schutz vor Benachteiligungen“ erfordert.
In Österreich wurde diese Vorgabe großteils ohne Konkretisierung umgesetzt. § 7 AVRAG besagt mit der Z 2 allgemein, dass AN, die die sich aus den §§ 2 (Dienstzettel), 2i (Mehrfachbeschäftigung) und 11b (Aus-, Fort- und Weiterbildung) ergebenden Rechte geltend machen, als Reaktion darauf weder gekündigt noch entlassen* oder auf andere Weise benachteiligt werden dürfen. Dies wird, bis auf die – nicht vollständigen – Bestimmungen zum Schutz vor Kündigungen* nicht weiter konkretisiert und auch nicht mit expliziten Rechtsfolgen verknüpft.* Schon in Bezug auf die damalige – gleichsam lapidare – Festschreibung des Benachteiligungsverbots in Hinblick auf die Rechte aus der AN-Freizügigkeit* attestiert ein Teil der Lehre der Regelung des § 7 AVRAG „ein nur vom Gesetzgeber zu behebendes Umsetzungsdefizit“.*
Benachteiligungen wären laut Reissner* bspw bei Einstellung, Entgelt, freiwilligen Sozialleistungen, beruflichem Aufstieg, sonstigen Arbeitsbedingungen und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses denkbar. In Betracht kommen mE etwa auch benachteiligende Versetzungen.* Die Sanktionen richten sich laut Literatur* nach Art der Benachteiligung, dh Anspruch auf Erfüllung, wie etwa Entgeltdifferenzen, oder Zugang zu einer Ausbildung, Anspruch auf Unterlassung oder Schadenersatzansprüche nach den bürgerlich-rechtlichen Regelungen der §§ 1293 ff ABGB, wobei letztere laut Reissner keine effektiven Sanktionen darstellen.*74
Wenn jedoch schon die Literatur mit anderem Zugang zu Wissensressourcen als der/die durchschnittliche AN nur allgemeine Ausführungen zu den möglichen Sanktionen bzw Rechtsfolgen tätigt, kann an der potentiellen Effektivität von Sanktionen gezweifelt werden, wenn nicht transparent gestaltet und ohne detektivische Juristerei eruierbar ist, was dies konkret überhaupt alles erfassen kann.
Zudem müsste sich ein Benachteiligungsverbot wohl auch auf Verfahren gem § 7a AVRAG wegen Nichtaushändigung eines Dienstzettels beziehen, also insb, wenn der/die AN eine Anzeige bei der Bezirksverwaltungsbehörde erstattet, dort als Zeug:in oder Partei aussagt oder ein Vorbringen erstattet. In § 7 AVRAG ist jedoch § 7a nicht explizit erwähnt. Eine Subsumierung des in § 7a normierten Rechts unter die „die sich aus den Bestimmungen der §§ 2 [...] ergebenden Rechte“ des § 7 Z 2 erscheint mE notwendig, um diesbezüglich den Vorgaben des Art 17 zu entsprechen. Die gleichen Überlegungen sind in Bezug auf § 15 Abs 1 AVRAG anzustellen, wenn etwa ein/e AN gekündigt wird, weil er/sie als Zeuge gegen den/die AG im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens ausgesagt hat.*
Letztlich ist zu monieren, dass der Gesetzgeber für – die in Österreich rechtswidrige – Arbeit auf Abruf kein Benachteiligungsverbot in § 7 AVRAG vorgesehen hat, wenn AN ihre Rechte bei Verstoß geltend machen. Die Möglichkeiten, sich in der Praxis gegen Benachteiligungen in dem Zusammenhang zur Wehr zu setzen, sind daher weiterhin sehr schlecht.*
Art 18 der RL verbietet Kündigungen, „Maßnahmen mit gleicher Wirkung sowie jegliche Vorbereitung auf eine Kündigung“ von AN wegen der Inanspruchnahme der Rechte aus der RL. In § 15 AVRAG, der die Möglichkeit der Kündigungsanfechtung* vorsieht, wurde der Schutz vor Kündigung, die wegen des Verlangens des/der AN nach Ausstellung eines Dienstzettels nach § 2, einer zulässigen Mehrfachbeschäftigung nach § 2i oder wegen einer tatsächlich in Anspruch genommenen Maßnahme nach § 11b (Aus-, Fort- und Weiterbildung) ausgesprochen wird, neu aufgenommen. Wenn der/die AN die Beendigung gegen sich gelten lässt, besteht gem Abs 2 ein Schadenersatzanspruch iSd § 29 AngG oder des § 1162b ABGB.
Der/die AN muss den Zusammenhang zwischen der AG-Kündigung und dem Motiv glaubhaft machen (§ 15 Abs 1 verweist auf § 105 Abs 5 ArbVG). Art 18 Abs 3 der RL normiert jedoch, dass die Beweislast bei den AG liegen soll.* Die Glaubhaftmachung eines anderen für die Kündigung ausschlaggebenden Motivs durch den/die AG bleibt wohl hinter den europarechtlichen Vorgaben zurück. Eine echte Beweislastumkehr würde den geforderten Schutz eher gewährleisten.
§ 7 AVRAG* verbietet in Z 2 ebenfalls eine Kündigung und Entlassung als Reaktion auf die Geltendmachung der sich aus den Bestimmungen der §§ 2, 2i und 11b ergebenden Rechte. So stellt sich nun die Frage des Verhältnisses zu § 15. Die Literatur* geht – dies allerdings noch vor Inkrafttreten des neuen § 15 Abs 1 AVRAG – in Bezug auf die Beendigung von Nichtigkeit und nicht bloß Anfechtbarkeit aus. Der/die AN habe eine Aufgriffsobliegenheit innerhalb einer angemessenen, nicht zu kurzen Frist und ein Wahlrecht, die Auflösung gegen sich gelten zu lassen und Beendigungsansprüche geltend zu machen. Hier müsste mE eine Anwendungsmöglichkeit des § 7 für benachteiligende Beendigungen bestehen, die nicht nach § 15 Abs 1 AVRAG anfechtbar sind, wie bspw die Lösung in der Probezeit und Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses.*
Neu ist das in Art 18 Abs 3 verbriefte Recht der AN, die der Ansicht sind, dass sie aufgrund der Inanspruchnahme der in der RL vorgesehenen Rechte gekündigt wurden (oder Maßnahmen gleicher Wirkung ausgesetzt sind), vom AG eine schriftliche Begründung („hinreichend genau bezeichnete Gründe für die Kündigung“) zu verlangen und diese auch zu erhalten. In § 15 Abs 1 AVRAG ist geregelt, dass der/die AN dieses Recht binnen fünf Kalendertagen ab dem Zugang der Kündigung verlangen und der/die AG die Begründung binnen fünf Kalendertagen ab dem Zugang des Verlangens ausstellen muss. Für die Rechtswirksamkeit der Beendigung ist die Nichtübermittlung der Begründung nach dieser Bestimmung jedoch irrelevant. Ohne jegliche Rechtsfolgen bzw Sanktion erscheint die Umsetzung im Hinblick auf Art 19 nicht ausreichend und deren allfällige Sinnhaftigkeit für die Praxis wird sich erst (nicht) weisen. Unklar ist zudem, welche inhaltlichen Erfordernisse im Hinblick auf die Begründung zu erfüllen sind. Ein Pauschalverweis auf „betriebliche“ oder „personenbezogene“ Gründe wird wohl jedenfalls ungenügend sein.*75
Im Zusammenhang mit dem Benachteiligungs- und Kündigungsverbot sind, ob nun explizit (wie in § 15 die Anfechtungsmöglichkeit der Kündigung) oder nur oberflächlich allgemein bzw im Interpretationswege erschließbar (wie beim Benachteiligungsverbot in § 7) geregelt, lediglich Rechtsfolgen vorgesehen, die auf Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gerichtet sind (bspw Wiedereinstellung). Was hier mE aber gänzlich fehlt, sind wirksame, angemessene und vor allem abschreckende Sanktionen.
Zusammenfassend hat Österreich somit mE den Schutz gegen Vergeltung unzureichend umgesetzt – nicht konkretisiert, ohne klare Rechtsfolgen und ohne wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen wird der notwendige Schutz im realen Arbeitsleben nicht ankommen.
ErwGr 36 besagt, dass es gefördert werden sollte, wenn AG die Möglichkeit haben, AN in atypischen Arbeitsverhältnissen Vollzeitarbeitsverträge oder unbefristete Arbeitsverträge anzubieten. Art 12 der RL sieht vor, dass AN nach sechs Monaten ihre/n AG „um eine Arbeitsform mit vorhersehbaren und sichereren Arbeitsbedingungen, falls verfügbar, ersuchen dürfen und eine begründete schriftliche Antwort erhalten“. Dieses Recht ist auch vom Benachteiligungsverbot des Art 17 erfasst.
In Österreich bestehen zwar Informationspflichten des/der AG über frei werdende Stellen gegenüber Teilzeitbeschäftigten (§ 19d AZG*), befristet beschäftigten AN (§ 2b AVRAG*) und Leih-AN (§ 12 Abs 4 AÜG*). All diese Informationen sind in Form von allgemeinen Bekanntmachungen vorgesehen. Ein Recht des/der AN auf eine begründete schriftliche Antwort auf seine/ihre diesbezügliche Frage wurde gesetzlich jedoch nicht verankert.
Österreich hat es leider verabsäumt, die in der RL verankerten Rechte sowie den darin vorgesehenen Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen bei Inanspruchnahme dieser Rechte ausreichend ins nationale Recht umzusetzen und mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen abzusichern. Ein effektives Ankommen dieser Rechte in der Praxis ist somit zu bezweifeln.