7Schichtzulagen für Mehrleistungen nach dem Metallindustrie-KollV
Schichtzulagen für Mehrleistungen nach dem Metallindustrie-KollV
Die verfahrensgegenständliche Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG wurde vom BR des bekl Unternehmens eingebracht, da zumindest drei Arbeitsverhältnisse betroffen sind. Die Arbeitsverhältnisse unterliegen dem Anwendungsbereich des KollV für Arbeiter in der eisen- und metallerzeugenden und -verarbeitenden Industrie.
Im Betrieb wird in drei Wechselschichten gearbeitet, wobei die erste von 06:00 bis 14:00 Uhr, die zweite von 14:00 bis 22:00 Uhr und die dritte von 22:00 bis 06:00 Uhr dauert. AN arbeiten zeitweise auch in zusätzlichen Schichten, die im Dienstplan nicht vorgesehen sind. Ebenso kommt es vor, dass AN bereits vor Beginn ihrer Schicht arbeiten oder nach Ende 16dieser noch Arbeit verrichten, was als „Hineinarbeiten in die“ bzw „Hinausarbeiten aus der“ Schicht bezeichnet wird. Aufgrund der zusätzlichen Schichten sowie des „Hinein-“ bzw „Herausarbeitens“ fallen Mehr- und Überstunden an, wobei die AG die laut KollV vorgesehene Schichtzulage nur für Normalarbeitsstunden, nicht jedoch für Mehr- und Überstunden, bezahlt.
Der BR begehrt die Feststellungen, dass der klagsgegenständliche KollV dahingehend auszulegen sei, dass für Mehr- und Überstunden, die vor (Hinein- und Herausarbeiten) oder während einer zweiten oder dritten Schicht geleistet werden, Schichtzulagen für die jeweilige Schicht zu zahlen seien. Weiters begehrt er die Feststellungen, dass die dreijährige Verjährungsfrist für Schichtzulagen für Mehr- und Überstunden sowie für Differenzansprüche bei Einbeziehung der Schichtzulagen in die Sonderzahlungen und Entgeltschnitte (anstelle der für bestimmte Vergütungen kollektivvertraglich normierten sechsmonatigen Verfallsfrist) Anwendung finde. Außerdem begehrt er die Feststellungen, dass Schichtzulagen während Mehr- und Überstundenarbeit nicht unter den Begriff der Überstundenvergütung gemäß KollV fallen und eventualiter, dass die AN drei Jahre rückwirkend Anspruch auf Zahlung der Schichtzulagen für Mehr- und Überstundenarbeit haben.
Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt und stellte fest, dass die Bestimmungen des KollV in der von der kl Partei begehrten Weise auszulegen seien. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass der KollV dahingehend auszulegen sei, dass der Überstundenzuschlag die Schichtzulage verdränge und die Zahlung „schichtfremder“ Zulagen nicht zulässig sei. In Ermangelung eines Anspruches auf Schichtzulagen für Mehr- und Überstunden fehle es folglich auch am rechtlichen Interesse hinsichtlich des Feststellungsbegehrens betreffend die Verfallsbestimmungen.
Der OGH ließ die außerordentliche Revision zu und gab ihr teilweise Folge. Er sprach aus, dass
„[…] für Mehr- oder Überstunden, die bei Arbeiten in Wechselschichten in Form von Zusatzschichten oder Einspringschichten in einer zweiten Schicht geleistet werden, Schichtzulagen für die zweite Schicht (gemäß Abschnitt XIV Punkt 6 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie) zu zahlen sind, und für Überstunden, die bei Arbeiten in Wechselschichten in Form von Zusatzschichten oder Einspringschichten in einer dritten Schicht geleistet werden, Schichtzulagen für die dritte Schicht (gemäß Abschnitt XIV Punkt 6 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie) zu zahlen sind, und […] für Schichtzulagen bei Wechselschichten während Mehrarbeit die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist, wie in Abschnitt XX Punkt 1 des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie geregelt, Anwendung findet. […]“
Das restliche Mehrbegehren wurde abgewiesen.
Aus einer systematischen Zusammenschau von Pkt 6 (Schichtzulage) mit den Pkten 5 (Nachtzulage), 9 (Überstundenzuschläge) und 13 (Berechnung der Überstundenzuschläge) des Abschnitts XIV des KollV leitet der OGH ab, dass eine Schichtzulage grundsätzlich für alle geleisteten Arbeitsstunden in der zweiten und dritten Schicht, unabhängig von deren arbeitsrechtlicher Qualifikation als Normalarbeitszeit, Mehr- oder Überstunden zusteht. Von diesem Grundsatz ausgenommen sind Normalarbeitsstunden und Mehrarbeitsstunden in der dritten Schicht, da für diese laut Abschnitt XIV Pkt 5 des KollV eine Nachtarbeitszulage zusteht und bei Anspruch auf Nachtarbeitszulage kein Anspruch auf Schichtzulage besteht. Im Entfall der Schichtzulage für diese Fälle erblickt der OGH aufgrund derselben Höhe beider Zulagen keine finanziellen Nachteile für die AN.
Überstunden nimmt der KollV in Abschnitt XIV Pkt 5 vom Anspruch auf Nachtzulagen aus. Der OGH leitet den Entfall der Nachtzulagen für Überstunden daraus ab, dass laut Abschnitt XIV Pkt 9 des KollV für Überstunden zwischen 20:00 und 06:00 Uhr – somit für die gesamte Zeit, in der theoretisch Nachtarbeitszuschläge zustehen könnten – eine im Vergleich zur gesetzlichen Regelung günstigere „andere Berechnungsart“ für die Berechnung der Überstundenzuschläge iSd § 10 Abs 3 S 3 AZG zusteht. Aufgrund der vorteilhaften Berechnungsart für die Überstundenzuschläge entfalle im Gegenzug die Nachtzulage.
Eine Bestimmung, die das Verhältnis von Überstunden zu Schichtzulagen vergleichbar der Regelung zum Verhältnis von Überstunden zu Nachtzulagen regelt, somit einen Entfall der Zulage zugunsten der vorteilhaften Berechnung der Überstundenzuschläge normiert, ist dem KollV laut OGH hingegen nicht zu entnehmen. Der Anspruch auf Schichtzulagen besteht also – abgesehen vom oben skizzierten Fall des Anspruchs auf Nachtzulage – unabhängig davon, ob es sich um Normalarbeits-, Mehr- oder Überstunden handelt, sowohl für die zweite als auch dritte Schicht in der jeweiligen Höhe.
In Bezug auf die begehrten Feststellungen zum „Hinein-“ bzw „Herausarbeiten“ aus Schichten kann der OGH dem KollV sowie Vorbringen keine Hinweise entnehmen, dass die betreffenden Zulagen nicht nach der Zeitspanne (Schicht), in der sie anfallen, sondern entsprechend der im Dienstplan eingeteilten Schicht vergütet würden.
Betreffend den Verfall des Anspruchs auf Schichtzulage verweist der OGH erneut auf den Wortlaut des KollV. Dieser stellt in Abschnitt XX Pkt 2 für die Anwendung der sechsmonatigen Verfallsfrist auf die „Überstundenvergütung“ ab, worunter laut OGH 17das gesamte Entgelt, somit auch allfällige Schichtzulagen für Überstunden, zu verstehen sind. Daher gilt auch für diese Zulagen die sechsmonatige Verfallsfrist, die diese Bestimmung vorsieht. Da dieser Punkt des KollV sich allerdings nicht auf Mehrarbeit bezieht, gilt für Mehrstunden laut OGH die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren iSd Abschnitts XX Pkt 1 des KollV.