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Kein Ausbildungskostenrückersatz bei Austritt wegen Mutterschaft

MICHAELRÜCK (INNSBRUCK)
  1. § 2d Abs 4 AVRAG enthält eine taxaktive Aufzählung zu jenen Fällen, in denen keine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der Ausbildungskosten für den AN besteht. Auf besondere, also in sondergesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Austrittsrechte, wurde vom Gesetzgeber offenkundig nicht Bedacht genommen.

  2. Auch wenn § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG einen ausdrücklichen Verweis auf den Austrittskatalog des § 26 AngG bzw § 82a GewO 1859 nicht enthält, kann der Begriff „begründeter vorzeitiger Austritt“ nur iS dieser Austrittskataloge verstanden werden.

  3. § 2d Abs 4 Z 1 AVRAG nennt für den Ausschluss der Rückzahlungsverpflichtung auch einen Fall der Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Initiative des AN, nämlich bei Auflösung während der Probezeit iSd § 19 Abs 2 AngG oder gleichlautender sonstiger gesetzlicher Regelungen. Daraus lässt sich im Prinzip die Zielsetzung des Abs 4 leg cit ableiten, dass eine Rückzahlungsverpflichtung dann ausgeschlossen sein soll, wenn nach einer sondergesetzlichen Bestimmung in einer besonders schutzwürdigen Sonderkonstellation ein besonderes Auflösungsrecht für den AN vorgesehen ist.

  4. Überträgt man die dargestellte Zielsetzung und Wertung des § 2d Abs 4 AVRAG auf den sondergesetzlich berechtigten Austritt iSd § 15r MSchG, so ergibt sich, dass der Gesetzgeber, hätte er an dieses besondere Auflösungsrecht gedacht, auch dazu die Rückzahlungsverpflichtung ausgeschlossen hätte. Insgesamt ist damit der Analogieschluss gerechtfertigt und § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG um das sondergesetzlich vorgesehene Auflösungsrecht nach § 15r MSchG zu erweitern.

Die Kl war von 2.3.2009 bis 28.11.2012 als Angestellte bei der Bekl beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Austritt der Kl aus Gründen der Mutterschaft. Sie nahm an der Ausbildung „Fachweiterbildung für FrühförderInnen von Kindern mit Sehbehinderung oder Blindheit“ teil. Diese Ausbildung besteht aus zwölf Modulen jeweils im Umfang von drei bis fünf Tagen. Ein Abschluss kann nur bei einer durchgehenden Teilnahme an allen Seminaren erzielt werden. Zudem ist das Verfassen einer schriftlichen Arbeit im Ausmaß von mindestens 30 Seiten und eine kommissionelle Prüfung für einen Abschluss erforderlich. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung wird ein Diplom ausgestellt. [...] Bis zu ihrem vorzeitigen Austritt absolvierte die Kl zehn Module des genannten Lehrgangs. Das elfte Modul absolvierte sie nach ihrem Austritt. Zum erfolgreichen Abschluss des Lehrgangs fehlt der Kl das letzte Modul, weiters eine unbekannte Anzahl von Praxisstunden sowie die Abschlussarbeit. Grundsätzlich konnte sich die Kl durch ihre Teilnahme am Lehrgang Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art aneignen, die sie auch bei anderen AG verwerten kann. Im Verhältnis zu einer allgemeinen Frühförderin hat die Kl einen Vorteil bei Jobangeboten.

Im Jahr 2011 unterschrieb die Kl eine Vereinbarung zum Ausbildungskostenrückersatz. Darin findet sich folgende Bestimmung: „Die/Der Dienstnehmer/in verpflichtet sich für den Fall, dass er innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Ausbildung aus dem Dienst der Firma ausscheidet – und zwar durch Selbstkündigung, unberechtigten vorzeitigen Austritt oder begründete Entlassung – die oben genannte Summe mit dem Tag des Ausscheidens in einem zurückzuzahlen. Der zurückerstattete Betrag vermindert sich vom Zeitpunkt des Endes der Ausbildung um 1/36 für jeden Monat.260

Die Kl begehrte von der Bekl die Bezahlung von Mehrstunden und Urlaubsersatzleistung. Diese Forderungen sind unstrittig. Zu dem von der Bekl begehrten Ausbildungskostenrückersatz brachte die Kl vor, dass sie über keine erfolgreich absolvierte Ausbildung verfüge, die sie bei einem anderen AG verwerten könne, zumal sie das zwölfte Modul nicht absolviert, die Diplomarbeit nicht verfasst und die kommissionelle Prüfung nicht abgelegt habe. Außerdem bestehe bei begründetem vorzeitigen Austritt kein Rückersatzanspruch.

Die Bekl machte gegenüber der Kl – als Gegenforderung – den der Höhe nach unstrittigen Rückersatz von Ausbildungskosten geltend. Dazu führte sie aus, dass die Kl den größten Teil des Lehrgangs erfolgreich abgeschlossen habe. Ihre erworbenen Kenntnisse seien jedenfalls bei anderen AG verwertbar. Ein Anspruch des AG auf Ausbildungskostenrückersatz bestehe auch bei einem Austritt aus Gründen der Mutterschaft gem § 15r MSchG.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung [...] als zu Recht bestehend, die von der Bekl eingewendete Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Bekl daher zur Zahlung. Ein begründeter vorzeitiger Austritt iSd § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG setze einen wichtigen Grund voraus, der dem AN die Weiterbeschäftigung für die Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar mache. Diese Voraussetzungen seien bei einem Mutterschaftsaustritt nicht gegeben. Vielmehr liege ein solcher Austritt in der Nähe einer Selbstkündigung. Es sei daher zu klären, ob die Kl eine Ausbildung erfolgreich absolviert habe. Dafür sei maßgebend, ob für die konkrete Ausbildung eine Qualifikationsprüfung vorgesehen sei oder nicht. Im Anlassfall sei dies zu bejahen, zumal für den Abschluss des Lehrgangs eine Diplomarbeit und eine kommissionelle Prüfung erforderlich seien. Aus diesem Grund könne nicht von einem erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung der Kl gesprochen werden. Eine Verpflichtung zum Ausbildungskostenrückersatz bestehe daher nicht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese E im Ergebnis. Für das erfolgreiche Absolvieren einer Ausbildung komme es darauf an, ob die Ausbildung für den AN auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbar sei. Der Erfolg der Ausbildung müsse nicht durch eine Prüfung oder ein Zeugnis belegt sein. Außerdem sei es in der Sphäre der Kl gelegen, dass sie die Ausbildung nicht abgeschlossen habe. Allerdings liege entgegen der Ansicht des Erstgerichts ein berechtigter vorzeitiger Austritt der Kl vor. Mit Reissner (in ZellKomm2 § 2d AVRAG Rz 34) sei davon auszugehen, dass auch der Elternschaftsaustritt rückforderungsschädlich sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob ein Austritt nach § 15r MSchG den Ausbildungskostenrückersatzanspruch des AG gem § 2d Abs 4 AVRAG verhindere, höchstgerichtliche Rsp fehle.

Gegen diese E richtet sich die Revision der Bekl, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens (unter Berücksichtigung der Gegenforderung) abzielt. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist [...] zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Die Bekl steht auf dem Standpunkt, dass bei einem Austritt aus Gründen der Mutterschaft gem § 15r MSchG ein Anspruch des AG auf Ausbildungskostenrückersatz nach § 2d AVRAG bestehe. Ein begründeter vorzeitiger Austritt nach § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG setze einen wichtigen Grund iSd § 26 AngG, § 82a GewO 1859 bzw § 1162 ABGB voraus. Der Mutterschaftsaustritt gem § 15r MSchG sei der Sphäre der AN zuzurechnen.

Damit ist die Bekl nicht im Recht.

2.1 Die Bestimmung des § 2d AVRAG wurde mit BGBl I 2006/36geschaffen. Sie geht auf einen Initiativantrag (IA 605/A BlgNR 22. GP) zurück. In den Erläuterungen zu diesem Initiativantrag wird ausgeführt: [...]

Das Entstehen der Rückzahlungsverpflichtung ist an bestimmte Formen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebunden; so besteht eine Rückzahlungsverpflichtung etwa bei Arbeitnehmerkündigung, bei begründeter Entlassung und unbegründeten vorzeitigen Austritt. Jedenfalls unvereinbar ist eine Rückzahlungsverpflichtung mit einem Dienstverhältnis auf Probe. In befristeten Arbeitsverhältnissen ist die Vereinbarung einer Rückzahlungsverpflichtung unzulässig. [...]

Abs 4 stellt iSd bisherigen Judikatur klar, dass bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Probezeit nach § 19 Abs 2 AngG oder einer gleichlautenden sonstigen gesetzlichen Regelung, bei unbegründeter Entlassung oder bei begründetem vorzeitigen Austritt keine Rückzahlungsverpflichtung besteht.“ [...]

2.2 Diese Ausführungen zeigen, dass § 2d Abs 4 AVRAG eine taxaktive Aufzählung zu jenen Fällen enthält, in denen keine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der Ausbildungskosten für den AN besteht. Vor allem aber ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber auf die in der traditionellen arbeitsrechtlichen Terminologie typischen Begriffe der unbegründeten Entlassung (§ 27 AngG und § 82 GewO 1859) und des begründeten vorzeitigen Austritts (§ 26 AngG und § 82a GewO 1859) abgestellt hat (vgl Binder, AVRAG2 § 2d Rz 37). Auf besondere, also in sondergesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Austrittsrechte, wurde nicht Bedacht genommen. An derartige Sonderregelungen, die in der Begründung des Initiativantrags nicht vorkommen, hat der Gesetzgeber offenkundig nicht gedacht.

2.3 Der Bekl ist somit zuzugestehen, dass die in Rede stehenden Begriffe der „unbegründeten Entlassung“ und des „begründeten vorzeitigen Austritts“ im Allgemeinen die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus einem wichtigen Grund betreffen (vgl RIS-Justiz RS0029015), der die Weiterbeschäftigung für den Auflösenden auch während der Kündigungsfrist unzumutbar macht (vgl RIS-Justiz RS0029013).

3.1 In der E 4 Ob 10/85 (vgl auch 10 ObS 101/94) wurde ausgesprochen, dass es dem Gesetzgeber fern lag, die Tatsache der Mutterschaft als wichtigen Grund iSd (demonstrativen) Austrittskatalogs261 des § 26 AngG anzusehen. Dementsprechend ist der Mutterschaftsaustritt auch nach der hL kein vorzeitiger Austritt aus wichtigem Grund iSd traditionellen arbeitsrechtlichen Terminologie. Vielmehr handelt es sich um eine vorzeitige Beendigungsart sui generis (Ercher/Stech in

Ercher/Stech/Langer
, MSchG und VKG § 15r MSchG Rz6 mwN). In Rsp und Literatur werden die Begriffe „(un)begründeter vorzeitiger Austritt“, „(un)berechtigter vorzeitiger Austritt“ und „(un)gerechtfertigter vorzeitiger Austritt“ synonym verwendet (vgl Binder, AVRAG2 § 2d Rz 38; Reissner in ZellKomm2 § 2d AVRAG Rz 34).

3.2 Damit stellt sich die Frage, ob der Begriff „begründeter vorzeitiger Austritt“ in § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG auf den Austrittskatalog des § 26 AngG bzw § 82a GewO 1859 zu beschränken ist. Auch wenn § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG einen ausdrücklichen Verweis auf die zuletzt erwähnten Bestimmungen nicht enthält, folgt aus den bisherigen Ausführungen, dass der Begriff „unbegründeter Austritt“ nur iS dieser Austrittskataloge verstanden werden kann. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass ein Austritt wegen Mutterschaft nach den besonderen Regelungen des MSchG eine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der Ausbildungskosten (im Fall einer Vereinbarung) grundsätzlich zulässt. Vielmehr stellt sich die Frage, ob ein Analogieschluss dahin gerechtfertigt ist, dass § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG um den Fall eines in einer sondergesetzlichen Regelung vorgesehenen besonderen Austrittsrechts der AN zu erweitern ist.

3.3 Für einen Analogieschluss ist eine planwidrige Gesetzeslücke erforderlich. [...] Wie schon dargelegt wurde, hat der Gesetzgeber an den Sonderfall des Mutterschaftsaustritts anlässlich der Schaffung des § 2d AVRAG nicht gedacht. Der Gesetzgeber hat somit Fälle übersehen, in denen in Sondergesetzen besondere Austrittsgründe normiert sind. Dazu zählt insb der Austritt wegen Mutterschaft nach § 15r MSchG.

Bei Beurteilung des Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke ist auf den gesamten Regelungsgehalt der in Rede stehenden Bestimmung des § 2d Abs 4 AVRAG und dessen Zielsetzung Bedacht zu nehmen. Eine Analyse der Tatbestände, die die Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der Ausbildungskosten ausschließen, zeigt, dass eine solche Verpflichtung – abgesehen von den traditionellen arbeitsrechtlichen Entlassungs- und Austrittskatalogen – grundsätzlich nur dann in Frage kommt, wenn das Arbeitsverhältnis auf Initiative des AN aufgelöst wird oder das Arbeitsverhältnis zwar auf Initiative des AG aufgelöst wird, den AN aber ein gewichtiger Verschuldensvorwurf oder dauernde Arbeitsunfähigkeit trifft (vgl Reissner in ZellKomm2 § 2d Rz 36; Binder, AVRAG2 § 2d FN 85; Rauch, Die jüngere Rechtsprechung zum Ausbildungskostenrückersatz, ASoK 2012, 367 [369]).

§ 2d Abs 4 Z 1 AVRAG nennt für den Ausschluss der Rückzahlungsverpflichtung allerdings auch einen Fall der Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Initiative des AN, nämlich bei Auflösung während der Probezeit iSd § 19 Abs 2 AngG oder gleichlautender sonstiger gesetzlicher Regelungen. Daraus lässt sich im Prinzip die Zielsetzung des Abs 4 leg cit ableiten, dass eine Rückzahlungsverpflichtung dann ausgeschlossen sein soll, wenn nach einer sondergesetzlichen Bestimmung in einer besonders schutzwürdigen Sonderkonstellation ein besonderes Auflösungsrecht für den AN vorgesehen ist.

3.4 Nach § 15r MSchG kann die DN während des Mutterschutzes oder während der Elternkarenz ihren vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis erklären. Mit dieser Möglichkeit des Mutterschaftsaustritts soll einer Mutter nicht nur der Abfertigungsanspruch gewahrt werden (s dazu auch § 23a Abs 3 AngG und § 14 BMSVG), sondern ihr auch erleichtert werden, bei ihrem Kind zu bleiben, ohne an Kündigungsfristen und Kündigungstermine gebunden zu sein (Ercher/Stech in

Ercher/Stech/Langer
, MSchG und VKG § 15r MSchG Rz 4). Dabei handelt es sich um ein besonderes gesetzliches Auflösungsrecht (sui generis) iS eines gesetzlich anerkannten und damit berechtigen vorzeitigen Austritts (10 ObS 101/94; Ercher/Stech in
Ercher/Stech/Langer
, MSchG und VKG § 15r MSchG Rz 6 und 7 mwN). Entgegen der Ansicht des Erstgerichts kann der Mutterschaftsaustritt somit nicht in die Nähe einer Selbstkündigung (mit bestimmten günstigeren Rechtsfolgen) gerückt werden.

3.5 Überträgt man die dargestellte Zielsetzung und Wertung des § 2d Abs 4 AVRAG auf den sondergesetzlich berechtigten Austritt iSd § 15r MSchG, so ergibt sich, dass der Gesetzgeber, hätte er an dieses besondere Auflösungsrecht gedacht, auch dazu die Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der Ausbildungskosten ausgeschlossen hätte. Insgesamt ist damit der Analogieschluss gerechtfertigt und § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG (jedenfalls) um das sondergesetzlich vorgesehene Auflösungsrecht nach § 15r MSchG zu erweitern.

3.6 Meinungen im Schrifttum sprechen nicht gegen diese Ansicht.

Reissner (in ZellKomm2 § 2d AVRAG Rz 34) gelangt zum selben Ergebnis mit der Begründung, dass es bei berechtigtem Austritt (§ 2d Abs 4 Z 3 AVRAG) auf ein Verschulden des AG offensichtlich nicht ankomme, sodass zB auch der Elternschaftsaustritt gem § 23a Abs 3, 4 und 4a AngG rückforderungsschädlich sei.

Rauch (Die jüngere Rechtsprechung zum Ausbildungskostenersatz, ASoK 2012, 367 [369]) meint, es ergebe sich schon allein aus der Vereinbarung, dass im Fall des Mutterschaftsaustritts der Ausbildungskostenrückersatz dann ausscheide, wenn in einer vertraglichen Aufzählung der Beendigungsformen, die die Kostenersatzpflicht auslösten, der Mutterschaftsaustritt nicht genannt werde. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob im Fall eines Mutterschaftsaustritts eine Rückzahlungsverpflichtung von vornherein ausgeschlossen ist, findet sich in dieser Darstellung nicht. Fraglich könnte sein, ob sich dieses Ergebnis schon allein (ohne Bedachtnahme auf § 2d AVRAG) aus einer Vereinbarung ergibt, die – wie hier – die Kostenersatzpflicht positiv formuliert und an einen unbegründeten bzw unberechtigten vorzeitigen Austritt knüpft. Dies wäre jedenfalls dann zu verneinen, wenn eine solche Formulierung nur die Kehrseite262 der Medaille zu § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG wäre. Dass die Parteien die zugrunde liegende Vereinbarung anders verstanden hätten, ergibt sich aus ihren Ausführungen im Revisionsverfahren gerade nicht. [...]

ANMERKUNG

Die vorliegende E ist im Ergebnis gewiss richtig – bei einem Mutterschaftsaustritt besteht keine Pflicht zur Rückzahlung von Ausbildungskosten. Zu dem vom OGH eingeschlagenen Begründungsweg, den taxativen Beendigungskatalog des § 2d Abs 4 AVRAG mittels Analogie um den Austritt nach § 5r MSchG zu erweitern, sind jedoch einige Anmerkungen angebracht.

Im Folgenden wird zunächst allgemein auf die Rechtsnatur des Mutterschaftsaustritts (1.) eingegangen, gilt es doch zu prüfen, ob sich diese Beendigungsart im Interpretationswege nicht ohnehin unter einen der in § 2d Abs 4 AVRAG aufgezählten Tatbestände subsumieren lässt. Daran anknüpfend muss im Hinblick auf den vom OGH vorgenommenen Analogieschluss der abschließende Charakter von Abs 4 leg cit hinterfragt werden (vgl 2.). Schließlich ist der Analogie als solche noch kurz Aufmerksamkeit zu schenken (dazu 3.), erscheint sie doch bei (vermeintlicher) Taxativität einer Aufzählung methodisch zumindest nicht unproblematisch.

1.
Zur Rechtsnatur des Mutterschaftsaustritts

Voraussetzung einer jeden Analogie ist, dass eine Subsumtion zumindest unter den äußersten Wortsinn eines Tatbestands nicht möglich ist (vgl Schauer in

Kletečka/Schauer
, ABGB-ON1.01 § 7 Rz 4). Unternimmt man nun den Versuch, den Mutterschaftsaustritt nach § 15r MSchG den rückforderungsschädlichen Beendigungstatbeständen des § 2d Abs 4 AVRAG zu unterstellen, wird man in erster Linie die Z 3 leg cit ins Auge fassen müssen. Demnach besteht ein Anspruch auf Ausbildungskostenrückersatz dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis „durch begründeten vorzeitigen Austritt“ endet. Der OGH lehnt im zu besprechenden Fall die Subsumtion des Mutterschaftsaustritts unter diesen Tatbestand mit der Begründung ab, der Begriff des begründeten vorzeitigen Austritts betreffe die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus einem wichtigen Grund und sei deshalb auf den Austrittskatalog des § 26 AngG bzw § 82a GewO 1859 zu beschränken. Beim Mutterschaftsaustritt handle es sich hingegen um keinen vorzeitigen Austritt aus wichtigem Grund iSd traditionellen arbeitsrechtlichen Terminologie, sondern vielmehr um eine vorzeitige Beendigungsart sui generis (unter Rekurrierung auf die ausführlich begründete E OGH4 Ob 10/85 Arb 10.411). Dem ist in zweifacher Hinsicht zu widersprechen. Zum einen mag es zwar stimmen, dass der besondere Mutterschaftsaustritt keinen vorzeitigen Austritt aus wichtigem Grund nach traditioneller arbeitsrechtlicher Terminologie darstellt, doch handelt es sich unzweifelhaft um einen gesetzlich anerkannten berechtigten vorzeitigen Austritt iSd Wortlauts des § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG (vgl nur OGH10 ObS 91/94 ARD 4682/4/95; OGH10 ObS 101/94 JBl 1995, 189; Wolfsgruber in
Neumayr/Reissner
[Hrsg], Zell-Komm2 [2011] § 15r MSchG Rz 3; Thomasberger in
Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Thomasberger
, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz2 [2013] 474 f). Zum anderen ist nicht recht nachvollziehbar, wieso der OGH den Begriff „begründeter vorzeitiger Austritt“ auf die Austrittskataloge des AngG sowie der GewO 1859 beschränkt, zumal – wie das Höchstgericht selbst einräumt – § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG keinen ausdrücklichen Verweis auf die zuletzt erwähnten Bestimmungen enthält. Auch den vom OGH zur Begründung seiner Ansicht herangezogenen Materialien (insb IA 605/A BlgNR 22. GP) kann nichts Gewinnbringendes für eine solche Einschränkung der Z 3 leg cit entnommen werden. Vielmehr liegt es doch nahe anzunehmen, dass der Gesetzgeber den Wortlaut bewusst allgemein halten wollte, um eben auch außerhalb des AngG bzw der GewO 1859 liegende Austrittsgründe mit zu erfassen. Im Übrigen ist ein kundgemachtes Gesetz vorrangig aus sich selbst auszulegen; andere Erkenntnisquellen über die Absicht des Gesetzgebers sind erst dann heranzuziehen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers zweifelhaft ist (OGH4 Ob 361/86 JBl 1987, 647). Da hier das Arbeitsverhältnis durch einen begründeten Austritt der AN endete („Mutterschaftsaustritt“) und es auf ein Verschulden des AG in diesem Zusammenhang nicht ankommt (Reissner in
Neumayr/Reissner
(Hrsg), ZellKomm2 § 2d AVRAG Rz 34), steht somit mE schon eine wörtliche Interpretation des § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG dem Anspruch des AG auf Ausbildungskostenrückersatz entgegen und kann deshalb mit dieser Norm für den vorliegenden Fall auch ohne den Umweg eines Analogieschlusses das Auslangen gefunden werden (so im Ergebnis auch jüngst OLG Innsbruck 25.11.2014, 15 Ra 112/14d).

2.
Zur Taxativität des § 2d Abs 4 AVRAG

Geht man – entgegen 1. – den vom OGH eingeschlagenen Weg weiter und unterstellt man der Bestimmung des § 2d Abs 4 AVRAG die Nichtberücksichtigung des besonderen Austrittsrechts nach § 15r MSchG, so ist zu untersuchen, ob § 2d Abs 4 AVRAG auch tatsächlich, wie vom OGH angenommen, eine erschöpfende Aufzählung der anspruchsvernichtenden Beendigungsarten vornimmt. Dies vor dem praktischen Hintergrund, dass eine demonstrative Aufzählung schließlich in viel weiterem Maße einer ausdehnenden Auslegung und Analogie zugänglich wäre, als das bei Taxativität der Fall ist (vgl 3.). Während ein Teil der Lehre (Binder, AVRAG2 [2010] § 2d Rz 38; Neubauer/Rath, Neuerungen beim Ausbildungskostenrückersatz und bei der Konkurrenzklausel – ein Überblick, ASoK 2006, 125 [131]; B. Oberhofer, Ausbildungskostenrückersatz und Konkurrenzklausel Neu, ZAS 2006, 152 [159]) – in allen Fällen ohne tiefer gehende Begründung – mit der vom263 OGH im gegenständlichen Verfahren vertretenen Auffassung im Einklang steht, finden sich mE gute Gründe, die gegen die Annahme eines taxativen Charakters von § 2d Abs 4 AVRAG sprechen. Ausgangspunkt ist zunächst wieder der Wortlaut. Doch enthält § 2d Abs 4 AVRAG weder einen sprachlichen Hinweis (wie zB „nur“ oder „allein“), dass nur die genannten Tatbestände gemeint sind, noch einen Hinweis (wie zB „insb“), dass es sich um eine demonstrative Aufzählung handelt. Ergiebiger ist eine logisch-systematische Auslegung. Eine solche zeigt nämlich, dass sich auch außerhalb des Abs 4 leg cit – und damit systematisch an falscher Stelle – rückforderungsschädliche Beendigungsarten wie die des Fristablaufs in Abs 3 finden, was wiederum die Unvollständigkeit der Aufzählung in Abs 4 belegt (so auch zutreffend Radner in

Reissner/Neumayr
[Hrsg], Zeller Handbuch Arbeitsvertrags-Klauseln [2010] Rz 34.56). Vom objektivteleologischen Standpunkt kommt hinzu, dass es ganz klar nicht dem Zweck des § 2d Abs 4 AVRAG entspräche, etwa bei einer vom AG verschuldeten AN-Kündigung die Rückersatzpflicht zuzulassen (ebenso – wenngleich auch noch zur alten Rechtslage – Resch, Grenzen für Vertragsklauseln über den Rückersatz von Ausbildungskosten, [19]). Insgesamt ist daher von einer demonstrativen Aufzählung in § 2d Abs 4 AVRAG auszugehen, wobei bei im Gesetz nicht genannten Auflösungsformen darauf abzustellen ist, von welcher Seite die Auflösung ausgegangen ist und auf wessen Verschulden sie beruht (idS auch Rauch, Die jüngere Rechtsprechung zum Ausbildungskostenrückersatz, ASoK 2012, 367 [169]). Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, muss dann aber konsequenterweise auch bei einer Auflösungsvereinbarung ermittelt werden, unter welchen Umständen sie zustande kam (näher dazu Radner in
Reissner/Neumayr
(Hrsg), ZellHB Arbeitsvertrags-Klauseln Rz 34.62).

3.
Zum Analogieschluss

Setzt man ein weiteres Mal – entgegen 1. und 2. – den vom OGH vorgegebenen Lösungsweg fort und unterstellt man § 2d Abs 4 AVRAG einen abschließenden Charakter, so bleibt doch die Frage, ob aufgrund der angenommenen Taxativität überhaupt noch Platz für eine analoge Ergänzung der Norm bleibt, zumal gerade aus der Nichterwähnung mancher Beendigungsarten (zB AN-Kündigung, ungerechtfertigter Austritt) e contrario eine Rückzahlungspflicht abgeleitet wird (vgl Reissner in

Reissner/Neumayr
[Hrsg], ZellKomm2 § 2d AVRAG Rz 37). Nach allgemeinen Grundsätzen ist bei erschöpfenden Aufzählungen prinzipiell ein Umkehrschluss geboten, wonach die Rechtsfolge in den nicht erfassten Fällen eben auch nicht angewendet werden soll (Schauer in
Kletečka/ Schauer
, ABGB-ON1.01 § 7 Rz 11; Kramer, Juristische Methodenlehre4 [2013] 213). Dieser Grundsatz wird von der österreichischen Rsp (so zB OGH4 Ob 364/87 JBl 1988, 50) dahingehend relativiert, als sie auch bei einer taxativen Aufzählung Analogie für möglich und geboten hält, wenn der nicht besonders angeführte Fall alle motivierenden Merkmale der geregelten Fälle enthält und das Prinzip der Norm in einem ihrem Tatbestand ähnlichen Fall Beachtung fordert. Dennoch ist bei taxativer Aufzählung größte Zurückhaltung (P. Bydlinski in
Koziol/Bydlinski/Bollenberger
[Hrsg], ABGB4 § 7 Rz 2) geboten und ist insb bei der Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Lückenfeststellung ein strengerer Maßstab anzulegen (Kerschner/Kehrer in
Fenyves/Kerschner/Vonkilch
, ABGB – Klang-Kommentar3 §§ 6, 7 Rz 125). In Frage werden wohl nur unbewusste Lücken kommen, deren Nachweis sich naturgemäß ungleich schwieriger gestaltet (vgl Kehrer, Gesetzeskonforme Methodik [2013] 98). Auch gegenständlich meint der OGH, der Gesetzgeber habe offenbar an den Sonderfall des Mutterschaftsaustritts anlässlich der Schaffung des § 2d AVRAG nicht gedacht. Deshalb sei § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG um das Auflösungsrecht nach § 15r MSchG zu erweitern. Zur Begründung hat der OGH ins Treffen geführt, dass § 2d Abs 4 Z 1 AVRAG für den Ausschluss der Rückzahlungsverpflichtung auch einen Fall der Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Initiative des AN nenne. Daraus zieht er den Schluss, dass nach Abs 4 leg cit eine Rückzahlungsverpflichtung dann ausgeschlossen sein solle, wenn nach einer sondergesetzlichen Bestimmung in einer besonders schutzwürdigen Sonderkonstellation ein besonderes Auflösungsrecht für den AN vorgesehen sei. An dieser Begründung ist an sich nichts auszusetzen; wohl aber bleibt zu fragen, weshalb der OGH den mitunter recht steinigen Umweg des Ähnlichkeitsschlusses trotz (vermeintlicher) Taxativität des § 2d Abs 4 AVRAG eingeschlagen hat, wenn ihm doch zwei – mE methodisch sogar solidere – Abkürzungen (vgl 1. und 2.) zur Verfügung gestanden hätten, die zu demselben richtigen Ergebnis geführt hätten.264