24Der OGH als Retter des Gesetzgebers
Der OGH als Retter des Gesetzgebers
Österreichischem Urlaubsrecht liegt ein kalendarischer Urlaubsbegriff zugrunde.
Urlaubsentgelt ist daher nach dem Ausfallsprinzip zu berechnen.
Von Werktagen abweichende Urlaubsberechnungen müssen insgesamt günstiger als die Werktagsberechnung sein.
Im Rahmen der zwischen den Parteien gem § 97 Abs 1 Z 2 bzw Z 6a ArbVG iVm § 13 Abs 1 AVRAG abgeschlossenen BV vom 18.1.2012, gültig ab 1.2.2012, über flexible Arbeitszeitmodelle im kontinuierlichen Schichtbetrieb wurde in einem Betriebsbereich der Bekl die Reduzierung der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden auf 34,4 Stunden mit den dort beschäftigten (mehr als drei) Mitarbeitern vereinbart. Die BV enthält Bestimmungen für einen temporären Lohnausgleich sowie über Sozialversicherungsbeitragsgrundlagen, Abfertigung, Jubiläumsgeld, Sonderzahlungen, Treuegeld und den (neuen) Urlaubsanspruch. Eine Regelung, wie mit Resturlauben der Mitarbeiter aus früheren Urlaubsjahren zu verfahren ist, wurde nicht getroffen. Bei der Bekl gibt es ein Urlaubssystem mit „kalendarischem“ Urlaubsbegriff, sodass ein zusammenhängender Erholungszeitraum eingeräumt wird.
Infolge des Wechsels auf die verkürzte Normalarbeitszeit reduzierte die Bekl die alten, bis 31.1.2012 entstandenen Urlaubsansprüche der von der BV betroffenen Mitarbeiter im aliquoten Verhältnis zwischen Vollzeit und Teilzeit. Wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs von Abschluss und Geltungsbeginn der BV war den AN eine Konsumation der Resturlaube vor Reduktion der Normalarbeitszeit nicht möglich, sodass der Verbrauch der alten Urlaube erst nach Verminderung der Normalarbeitszeit erfolgte. Das Urlaubsentgelt für diese Urlaube wurde mit einem verringerten Entgelt abgegolten.
Der klagende BR begehrt mit Klage nach § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, dass den AN der Bekl, die unter den Geltungsbereich der BV vom 18.1.2012 fielen, die vor Reduzierung der Normalarbeitszeit, also noch in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung, erworbenen Urlaubsansprüche nicht anteilig zu kürzen bzw mit dem Urlaubsentgelt für die Vollarbeitszeit abzugelten seien. Eine aliquote Anpassung eines noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs bzw die Auszahlung eines geringeren Urlaubsentgelts widerspreche dem Diskriminierungsverbot des § 19d Abs 6 AZG und dem Unionsrecht.
Die Bekl beantragte Klagsabweisung [...]. Bereits erworbene Urlaubsansprüche seien entsprechend zu reduzieren bzw mit dem geringfügig verringerten Entgelt, das aufgrund der Teilzeitbeschäftigung zustehe, abzugelten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. [...]
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge. Der erste Teil des Feststellungsbegehrens (Unzulässigkeit der Kürzung des Urlaubsausmaßes) sei entgegen der Auffassung des Erstgerichts berechtigt. Der EuGH habe in der E Rs C-415/12 (Brandes) vom 13.6.2013 klargestellt, dass auch in Systemen mit einem „kalendarischen“ Urlaubsbegriff durch eine Veränderung, insb Verringerung der Arbeitszeit beim Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung, der Anspruch auf Jahresurlaub, den der AN in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben habe, nicht gemindert werden dürfe. Hingegen bestehe der zweite Teil des Feststellungsbegehrens (Abgeltung mit dem Urlaubsentgelt für die Vollzeitarbeit) nicht zu Recht. Nach der E 8 ObA 35/12y sei auch im Fall eines Wechsels von Teilzeit auf Vollzeit und umgekehrt der Bemessung der Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG das zuletzt bezogene Entgelt zugrunde zu legen. Dies gelte auch für das Urlaubsentgelt nach § 6 UrlG.
Gegen diese E richten sich sowohl die Revision des Kl als auch jene der Bekl. Der Kl strebt die vollinhaltliche Stattgebung seines Feststellungsbegehrens an. Die Bekl beantragt die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens und stellt in eventu einen Aufhebungsantrag. [...]
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind zulässig, aber nicht berechtigt. [...]
2.1. In der E C-486/08 (Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols) vom 22.4.2010 hatte der EuGH die Vorlagefrage zu behandeln, ob der in § 4 Nr 2 der [...] Teilzeit-Rahmenvereinbarung [...] festgelegte Pro-rata-temporis-Grundsatz einer Regelung entgegenstehe, bei der einem von Vollzeit auf Teilzeit übergegangenen AN der vorher in Vollzeit erworbene in Stunden bemessene Urlaubsanspruch reduziert wird bzw der AN diesen Urlaub nur mit reduziertem Entgelt verbrauchen kann. [...] Der190 für Entspannung und Erholung des AN gewidmete bezahlte Jahresurlaub (die Ruhezeit) verliere seine Bedeutung für die Sicherheit und die Gesundheit des AN nicht dadurch, dass er nicht im Bezugszeitraum, sondern zu einer späteren Zeit genommen werde. Daraus folge, dass die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Bezugszeitraum in keiner Beziehung zu der in dieser späteren Zeit vom AN erbrachten Arbeitszeit stehe. Das einschlägige Unionsrecht, insb die Teilzeit- Rahmenvereinbarung, stehe daher einer nationalen Bestimmung wie § 55 Abs 5 L-VBG entgegen, nach der bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes eines AN das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs in der Weise angepasst werde, dass der von einem AN, der von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung übergehe, in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, dessen Ausübung dem AN während dieser Zeit nicht möglich gewesen sei, reduziert werde oder der AN diesen Urlaub nur mehr mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen könne. Zulässig sei es aber, dass der Urlaubsanspruch bei Teilzeitbeschäftigten nur im aliquoten Ausmaß („pro rata temporis“) entstehe (EuGHC-486/08 Rz 33; ebenso etwa EuGH 8.11.2012, C-229/11 [Heimann] uva). [...]
3.1. Der OGH hatte sich in seiner E 8 ObA 35/12y vom 24.10.2012 mit dem umgekehrten Fall eines Wechsels von Teilzeit auf Vollzeit zu beschäftigen. [...] In einem Urlaubssystem mit kalendarischem Urlaubsbegriff, wie er dem Urlaubsgesetz zugrunde liege, werde dagegen originär kein bestimmtes Ausmaß an Freistellungsstunden, sondern ein zusammenhängender Erholungszeitraum eingeräumt. Im Interesse des Erholungszwecks des Jahresurlaubs dürfe es aber in beiden Systemvarianten nicht dazu kommen, dass ein während einer Teilzeitperiode erworbener Urlaubsanspruch, dessen Ausübung dem AN während dieser Zeit nicht möglich gewesen sei, durch den Arbeitszeitwechsel reduziert werde. Um bei einem Wechsel von Teilzeit zu Vollzeit zu diesem Ergebnis zu gelangen, sei das von dem AN am Ende der Teilzeitarbeit nicht verbrauchte Urlaubsguthaben in der Vollzeitphase dahingehend aufzuwerten, dass die neue Tagesanzahl demselben Urlaubsausmaß in Wochen entspreche wie das Guthaben vor der Umstellung. Die Höhe der Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG richte sich nach dem zuletzt bezogenen Entgelt. [...] In jedem Fall fördere diese Reflexwirkung die Beachtung der gesetzlichen Intention, den Jahresurlaub möglichst zeitnah tatsächlich zu konsumieren. [...]
4.1. Am 13.6.2013 erging in der Rs C-415/12 (Brandes) eine weitere einschlägige E des EuGH, und zwar zum deutschen Urlaubsrecht. Nach dem anzuwendenden Tarifvertrag hatten die AN – je nach Lebensalter – einen Urlaubsanspruch auf eine bestimmte Anzahl an „Arbeitstagen“. Als Arbeitstage wurden jene Kalendertage definiert, an denen die Beschäftigten dienstplanmäßig zu arbeiten haben (hätten). Bei einer Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche sollte sich der Anspruch auf Arbeitstage entsprechend verringern (aliquotieren) (vgl zur Rechtslage nach dem deutschen UrlG Linck in
5.1. Zufolge der E des EuGH C-486/08 änderte der österreichische Gesetzgeber mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111, das VBG 1948 [...].
5.3. Das UrlG erfuhr hingegen trotz der beiden Entscheidungen des EuGH keine Änderung. Um die Auswirkungen der E des EuGH in der Rs C-415/12 (Brandes) auf das österreichische UrlG (auf andere Urlaubsregelungen, wie etwa des VBG, wird in der Folge nicht weiter eingegangen) feststellen zu können, bedarf es zunächst einer Klärung des Urlaubsbegriffs im Unionsrecht und im UrlG.
6. Art 7 Abs 1 der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG normiert einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der nationalen Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist als Grundsatz des Sozialrechts der Union auch in Art 31 Abs 2 der Charta der Grundrechte der EU (GRC) verankert. Ihm wird daher der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen iSd Art 1 EUV zuerkannt (Art 6 Abs 1 EUV). Insb die Aussagen des EuGH in den Rs C-131/04 und C-257/04 (Robinson-Steele ua), C-486/08 (Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols) und C-415/12 (Brandes) lassen erkennen, dass der unionsrechtliche Urlaubsbegriff eines bezahlten Mindesturlaubs von vier Wochen wesentlich dadurch geprägt ist, dass die RL 93/104/EG den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als die zwei Teile eines einzigen Anspruchs behandelt. Durch die Zahlung des Urlaubsentgelts soll der AN während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (zuletzt EuGH 22.5.2014, C-539/12 [Lock]). In Urlaubssystemen, in denen der Urlaubsanspruch in Arbeitsstunden oder Arbeitstagen festgelegt wird, kann dieser nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht mehr reduziert werden. Die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs steht insoweit zu der in dieser späteren Zeit vom AN erbrachten Arbeitszeit in keiner Beziehung. Die normale berufliche Inaktivität während eines Zeitraums, in dem der AN nicht zu arbeiten braucht, sind in diesen Systemen nicht ident mit einem Urlaubsverbrauch.191
7. Auch nach dem österreichischen UrlG ist das Wesen des Urlaubs der Entfall der Leistungspflicht des AN unter Fortzahlung des Entgelts (Cerny, Urlaubsrecht10 § 2 Erl 1; 8 ObA 81/08g; 2 Ob 16/09f). Da diese beiden Aspekte des Urlaubsbegriffs für die Zeit des aufrecht bestehenden Arbeitsverhältnisses einen einheitlichen Anspruch bilden, besteht insoweit weitgehend Übereinstimmung mit dem unionsrechtlichen Urlaubsbegriff.
Das UrlG geht aber – anders als in den bisher vom EuGH entschiedenen Fällen – klar von einem grundsätzlich in ganzen Wochen zu verbrauchenden „kalendarischen“ Urlaubsanspruch iS eines Erholungszeitraums (das ist vom ersten Kalendertag nach Arbeitsende bis zum letzten Kalendertag vor Arbeitsantritt) aus (zuletzt ausführlich 8 ObA 35/12y). Dieser ist völlig unabhängig vom jeweiligen Beschäftigungsausmaß, sodass einerseits bei einem geringeren Beschäftigungsausmaß der Urlaubsanspruch auch nicht aliquot, sondern zu Gänze entsteht, und sich andererseits bei einer Veränderung des Beschäftigungsausmaßes auch nichts am Urlaubsanspruch ändert.
Inwieweit dies in einem Spannungsverhältnis zum unionsrechtlichen Verständnis des Urlaubsbegriffs des Art 7 der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG steht, bedürfte dann einer näheren Auseinandersetzung, wenn die Rechtslage einer anderen – richtlinienkonformen – Interpretation zugänglich wäre bzw die österreichischen Regelungen nicht als günstiger für die AN zu qualifizieren wären (vgl Art 23 der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG). Die innerstaatlichen Behörden haben die inhaltlich von der RL berührten Normen zwar soweit wie möglich im Einklang mit der RL („richtlinienkonform“) auszulegen (RIS-Justiz RS0111214). Eine richtlinienkonforme Auslegung einer Bestimmung kann aber nur soweit erfolgen, als das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt. Sie darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben (9 ObA 161/07b; 8 ObA 58/09a; RIS-Justiz RS0114158).
8. Der den Entscheidungen des OGH zum UrlG im Ergebnis zugrunde gelegte kalendarische Urlaubsbegriff ist aus dem Wortlaut, der Systematik, der Zielrichtung und der historischen Entwicklung des UrlG eindeutig abzuleiten. [...]
Der Wortlaut des § 2 Abs 1 UrlG stellt auf einen ununterbrochenen bezahlten Urlaub ab, dessen Ausmaß mit 30 Werktagen festgelegt wird. Der Begriff der Werktage erfasst nun – anders als jener der Arbeitstage – auch solche Tage, an denen den AN keine Arbeitspflicht trifft und scheidet nur Sonn- und Feiertage aus (VwGH2004/02/0378; RV 150 BlgNR 14. GP 8). Dementsprechend werden etwa auch von Kollektivverträgen zu arbeitsfreien Tagen erklärte Werktage weiter als Werktage auf den Urlaubsanspruch angerechnet (4 Ob 132/84 =
Bei der Festlegung der Lage des Urlaubsverbrauchs ist zu beachten, dass in den 30 als Urlaub konsumierten Werktagen für den AN tatsächlich auch jenes Ausmaß an Arbeitszeit (entgeltpflichtig) ausfällt, das einem durchschnittlichen Arbeitszeitverlauf durch fünf Arbeitswochen entspricht (Klein, DRdA 1994/31, 345 f), weshalb etwa bei einer Schichtarbeitszeit, die auch eine Freischichtwoche inkludiert, die Ermittlung des fünfwöchigen Durchschnitts mit einer Arbeitswoche zu beginnen hat (9 ObA 221/02v). Bei unregelmäßig beschäftigten AN ist für die Beurteilung der Günstigkeit der Umstellung auf Arbeitstage festzustellen, wie viele Tage der AN durchschnittlich in einem Zeitraum von fünf (bzw sechs) Wochen arbeitet (9 ObA 390/97m).
Zusammenfassend lässt sich also zum Wortlaut der Bestimmung festhalten, dass das Gesetz ganz klar einen kalendarischen, in ganzen Wochen zu verbrauchenden Urlaubsanspruch zugrunde legt, und die Umstellung auf Arbeitstage nur im Rahmen einer für den AN günstigeren Regelung erfolgen kann (Günstigkeitsprinzip § 12 UrlG).
8.2. Für diesen kalendarischen Urlaubsbegriff spricht auch, dass die Wurzel des Urlaubsanspruchs in der Fürsorgepflicht des AG liegt (9 ObA 16/88; Kuderna, UrlR2 § 2 Anm 1 mwN; Cerny, UrlR10 § 2 Rz 1). Es geht also um die Erhaltung der Gesundheit der AN durch eine bestimmte – längere – arbeitsfreie Periode. Der Urlaubsanspruch ist primär kein Geldanspruch für erbrachte Arbeitsleistungen (vgl 9 ObA 90/88; vgl auch § 2 Abs 2 letzter Satz UrlG), sondern ein höchstpersönliches Recht auf Erholung (RIS-Justiz RS0028100; 9 ObA 90/88; Kuderna, UrlR2 § 2 Anm 1 mwN; Cerny, UrlR10 § 2 Erl 1), das durch die Fortzahlung des Entgelts effektuiert wird. Dieser Erholungsanspruch besteht unabhängig vom Ausmaß und der Lage der jeweiligen Arbeitszeit.
Praktisch würde eine Umstellung auf Arbeitsstunden etwa bedeuten, dass dann, wenn eine junge Mutter im Zeitpunkt des Antritts ihres Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses über 10 Stunden noch einen Jahresurlaub von 200 Arbeitsstunden aus der Zeit der Vollzeitbeschäftigung offen hat, alleine der alte Urlaubsanspruch 20 Kalenderwochen abdecken würde. Sollte die Umstellung auf Arbeitstage erfolgen, so würde im genannten Beispiel wieder die Lage der Arbeitszeit entscheidend sein. Sollten die 10 Arbeitsstunden an einem Tag geleistet werden, so wäre ebenfalls ein 20 Kalenderwochen umfassender Urlaubsanspruch gegeben; sollten192diese 10 Arbeitsstunden auf 5 Tage je 2 Stunden aufgeteilt werden, so bliebe es beim 5-wöchigen Urlaubsanspruch. Umgekehrt würde es beim Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit – je nach dem gewählten Modell und der Lage der Arbeitszeit – auch zu einer massiven Reduktion des aus den früheren Urlaubs(teil)jahren zustehenden Urlaubsanspruchs kommen. Teilzeitbeschäftigte im Ausmaß von 10 Stunden könnten – je nach Modell und Lage der Arbeitszeit – mit einem offenen Jahresurlaubsanspruch aus der Teilzeitbeschäftigung nur ein bis zwei Arbeitswochen abdecken. Im Ergebnis könnte in der Zeit der geringeren Arbeitsbelastung der Teilzeitbeschäftigung ein Alturlaubsanspruch für ein Urlaubsjahr bis zu 20 Kalenderwochen abdecken – im Hinblick auf das Erfordernis, den Verbrauch mit den betrieblichen Erfordernissen abzustimmen, bedürfte es insoweit wohl einer Verlängerung der Verjährungsfristen –, während in der Zeit der hohen Vollzeitbelastung der Alturlaubsanspruch etwa nur zwei Kalenderwochen umfasst. Auch aus dem grundlegenden Ziel des UrlG, aus der Fürsorge um die Gesundheit der AN eine bestimmte Zeit im Jahr für deren Erholung freizuhalten, kann ein solches Ergebnis nicht als intendiert angesehen werden.
8.3. Bei einer systematischen Analyse des UrlG spricht § 10 Abs 4 UrlG, der für Sonderfälle abweichende Reglungen enthält, dafür, dass der Urlaubsanspruch unabhängig vom Arbeitszeitausmaß im Zeitpunkt der Entstehung immer in einer Urlaubsperiode oder in zwei Urlaubsperioden besteht, die nach der konkreten Vereinbarung oder Festlegung 30 bzw 36 Werktage umfasst.
8.4. Auch eine historische Analyse spricht für diesen Befund, weil der Gesetzgeber im UrlG offenbar bewusst dieses System aufrecht erhalten hat, während er im öffentlichen Dienstrecht für die Vertragsbediensteten umfangreiche Regelungen für einen nach Urlaubsstunden bemessenen Urlaubsanspruch samt mancher dafür erforderlicher Begleitregelungen getroffen hat. [...]
All diese – gerade auch die vom europäischen Gesetzgeber angestrebte Flexibilität beim Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit – zumindest administrativen Schwierigkeiten sprechen dafür, dass der Gesetzgeber bewusst das System des kalendarischen Urlaubsanspruchs aufrecht erhalten hat (zum Zweck der Teilzeit-RL 97/81/EG, die Flexibilität zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigungen zu erleichtern, siehe auch 8 ObA 20/12t).
8.5. Der konstruktive Ansatz von Klein (siehe 4.5.) läuft darauf hinaus, den österreichischen kalendarischen Urlaubsbegriff mit einem aus den dargestellten EuGH-Entscheidungen abgeleiteten (vgl zu deren Antwortcharakter auch Pkt 9.) Freistellungserhaltungsmodell zu einem Mischmodell zusammenzuführen. [...] Da die Richtlinien aber nicht unmittelbar wirken (vgl 7.; diese würden bloß eine aliquote Entstehung vorgeben), muss das österreichische Gesetz und dessen Grenzen der Interpretation der maßgebliche Ausgangspunkt bleiben und der von diesem gewollte – einheitliche – kalendarische Urlaubsbegriff zugrunde gelegt werden. Bei der „Entstehung“ des Urlaubs in diesem Mischmodell zeigen die umfassenden Ausführungen von Klein klar, dass das neue Urlaubsmodell einen vom Gesetzgeber nicht vorgezeichneten Weg beschreiten müsste (aliquot je nach den im Urlaubsjahr geleisteten verschiedenen Arbeitszeitperioden). Dabei würden sich – neben der Komplexität der Berechnung des entstehenden Urlaubsanspruchs – weitere Fragen beim Verbrauch ergeben (im ersten Halbjahr der Vollzeitarbeit wird der Urlaub zur Gänze verbraucht, im zweiten Halbjahr aber nur Teilzeit gearbeitet). Auch beim kalendarischen Urlaubsmodell treten bei flexiblen Arbeitszeitgestaltungen Schwierigkeiten bei den in der Praxis geübten Umrechnungen auf Arbeitstage auf. Diese können im Streitfall aber regelmäßig einer wertungsmäßig konsistenten Lösung zugeführt werden, weil der AN begehren kann, seinen Urlaub in zwei geschlossenen Teilen, die insgesamt 30 Werktage umfassen, zu verbrauchen, und zwar in einem Zeitraum (Lagerung), der dem durchschnittlichen Arbeitsverlauf entspricht. Dem Ansatz, dass es ja den Arbeitsvertragsparteien frei stehe, im Rahmen der freiwilligen Vereinbarung eines Umstiegs von Vollzeit auf Teilzeit eine adäquate Vereinbarung zur Frage des Urlaubsverbrauchs zu treffen, muss entgegengehalten werden, dass gerade in den letzten Jahren zunehmend einseitig durchsetzbare Ansprüche auf einen solchen Umstieg geschaffen wurden (vgl §§ 15h ff MSchG; § 14a AVRAG). Auch sollte dieser Umstieg in zahlreichen Modellen gefördert werden (§ 11a, § 14c AVRAG) und offensichtlich nicht mit Fragen der Regelung der offenen Urlaubsansprüche belastet werden.
9. Inwieweit der unionsrechtliche Urlaubsbegriff der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG tatsächlich der Entstehung eines kalendarisch bestimmten Urlaubsanspruchs entgegensteht, ist ungeklärt. Die EuGH-E C-486/08 (Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols) erging insoweit nur zur Teilzeit- RL 97/81/EG. Auch die Argumentation in der E C-415/12 (Brandes) stützt sich vorweg auf diese Vorentscheidung und nur in weiterer Folge auf Art 7 der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG. Beide Entscheidungen können nur vor dem Hintergrund der jeweiligen an den EuGH gestellten Fragen verstanden werden: In beiden Fällen war der Urlaubsanspruch insoweit nicht kalendarisch festgelegt, sondern es bestand ein auf Arbeitsstunden bzw Arbeitstage abstellender Urlaubsanspruch, der auch schon in der Entstehung aliquotiert war. Dass vor dem Hintergrund des Verbots der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten (vgl dazu unten) eine Reduktion eines so definierten Anspruchs nicht zulässig ist, überrascht im Ergebnis nicht (vgl etwa EuGH 22.11.2012, C-385/11 [Moreno]), besagt aber noch nicht, dass es unzulässig wäre, einen Urlaubsanspruch völlig unabhängig vom jeweils bestehenden Arbeitszeitausmaß festzulegen.
10. Zu prüfen bleibt der in den Entscheidungen des EuGHC-486/08 (Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols) und C-415/12 (Brandes) angesprochene, im Ergebnis sogar ja deren Ausgangspunkt bildende Schutz der Teilzeitbeschäftigten.
10.1. AN, die mit dem AG eine Arbeitszeitherabsetzung gem § 13 AVRAG (Solidaritätsprämienmo-193dell) vereinbaren, werden als Teilzeitarbeiter iSd § 19d AZG angesehen (§ 13 Abs 3 AVRAG). Es gilt dann – wie auch im Anlassfall für die vom klagenden BR vertretenen AN – das Benachteiligungsverbot des § 19d Abs 6 AZG (Binder, AVRAG2 § 13 Rz 6; Pfeil in ZellKomm2 § 13 AVRAG Rz 10).
10.2. Gem § 19d Abs 6 AZG dürfen teilzeitbeschäftigte AN wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten AN nicht benachteiligt werden, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Von § 19d Abs 6 AZG sind grundsätzlich die gesamten Entgelt- und Arbeitsbedingungen erfasst (9 ObA 58/13i; Mosler in ZellKomm2 § 19d AZG Rz 45).
10.3. Auch § 4 der Teilzeit-Rahmenvereinbarung verbietet die Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. [...]
10.4. Teilzeitbeschäftigte diskriminierende und unter dem Aspekt der Teilzeit-Rahmenvereinbarung RL 97/81/EG idF 98/23/EG bedenkliche Effekte sind im dargestellten kalendarischen Urlaubssystem nicht erkennbar. Der entscheidende Wert in diesem System ist die Freistellung von Arbeitsleistung zu Erholungszwecken, die von der Entgeltfortzahlung begleitet wird, und nicht das Horten von erarbeitetem Urlaubsentgelt. [...]
Selbst ausgehend von einem entgeltbezogenen Verständnis wäre aber eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten nicht erkennbar (9 ObA 6/05f und 9 ObA 65/05g zur Abfertigungsberechnung). Eine Benachteiligung könnte sich ausgehend von einem solchen entgeltbezogenen Verständnis nur dann ergeben, wenn man davon ausginge, dass bei einem Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit oder umgekehrt typischerweise in der Teilzeitphase mehr Urlaub aus der Vollzeitphase verbraucht oder abgegolten werde als umgekehrt. Dafür liegen aber keinerlei Anhaltspunkte vor. Hinzu kommt, dass es ja letztlich beim AN liegt, wann er seinen Urlaub verbrauchen möchte und dies im Rahmen des § 4 UrlG durchsetzt. Der AG hat betriebsorganisatorisch die Rahmenbedingungen dafür zu bieten, dass der Urlaubsverbrauch im jeweiligen Urlaubsjahr möglich ist (vgl auch EuGH 10.9.2009, C-277/08, Rn 24 [Pereda]). Welche Rechtsfolgen aus einem Verstoß des AG gegen diese Verpflichtung abzuleiten sind, ist hier nicht zu erörtern.
11. Eine erneute Einholung einer Vorabentscheidung ist im Hinblick auf den klaren Wortlaut des UrlG, dessen Systematik und Zielrichtung nicht geboten (EuGH 24.1.2012, C-282/10, Rn 26 ff [Dominguez]). Auch wäre das österreichische System wohl jedenfalls als für die AN im Regelfall günstiger und insoweit zulässig anzusehen (EuGH 25.10.2001, C-49/98 Rn 57 [Finalarte] ua,). Legt die RL doch nur einen vierwöchigen Mindesturlaubsanspruch fest, während die hier erfassten AN nach dem österreichischen UrlG einen Urlaubsanspruch im Ausmaß von 30 bzw 36 Werktage haben, der unter Berücksichtigung von auf arbeitsfreie Werktage fallenden Feiertagen auch mehr als 5 bzw 6 Wochen umfassen kann.
12.1. Im Ergebnis ist das primäre Begehren des klagenden BR auf Feststellung, dass eine anteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs aus Anlass der Verkürzung der Arbeitszeit nicht erfolgen dürfe, aber schon deshalb berechtigt, weil nach dem UrlG der Urlaubsanspruch in Perioden (kalendarisch) festgelegt wird, deren Ausmaß nach „Werk-“Tagen (jeder Kalendertag ausgenommen Sonn- und Feiertage) – also völlig unabhängig vom Ausmaß und der Lage der individuellen Arbeitszeit – bestimmt ist. Die Herabsetzung der Arbeitszeit berechtigt den AG auch nicht zu einer Reduktion des Urlaubsanspruchs. Vielmehr können die AN dessen ungeachtet darauf bestehen, dass der AG von der Umrechnung auf Arbeitstage oder Arbeitsstunden Abstand nimmt und mit ihnen einen Urlaub vereinbart, der zwei Urlaubsperioden im Ausmaß von insgesamt 30 bzw 36 Werktagen zu umfassen hat.
12.2. Somit war der Revision der Bekl ein Erfolg zu versagen.
13.1. Zur Höhe des Urlaubsentgelts: Nach § 6 Abs 1 UrlG behält der AN während des Urlaubs den Anspruch auf das Entgelt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen (§ 6 Abs 2 bis 6 UrlG). Damit ist das sogenannte Ausfallsprinzip angesprochen. Danach hat der AN während seines Urlaubs grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten, das er verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte (RIS-Justiz RS0058728; Reissner in ZellKomm2 § 6 UrlG Rz 5; Cerny, Urlaubsrecht10 § 6 Erl 1, 4). Ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt darf gem § 6 Abs 2 UrlG für die Urlaubsdauer nicht gemindert werden. Für die in § 6 Abs 4 aufgezählten Entlohnungsformen (Akkord-, Stück- oder Gedingelöhne, akkordähnliche oder sonstige leistungsbezogene Prämien oder Entgelte) wird das „regelmäßige“ nach dem Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen unter Ausscheidung nur ausnahmsweise geleisteter Arbeiten berechnet.
13.2. Es kann also ebenfalls auf den klaren Wortlaut, die Systematik und die ständige Judikatur des OGH verwiesen werden, wonach auf jenes Entgelt abzustellen, das der AN in der Zeit des Urlaubs verdient hätte (Ausfallsprinzip; RIS-Justiz RS0058728; vgl auch EuGH 22.5.2014, C-539/12 [Lock] Rn 16 ff). Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 6 UrlG sind klar dahin zu interpretieren, dass nicht auf das Entgelt in früheren Zeiträumen der Entstehung des Urlaubsanspruchs abzustellen ist (vgl auch Klein, Urlaub bei Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit – zur Auflösung der Spannungsfeldes zwischen nationaler und europäischer Judikatur auf Basis eines vollständigen Urlaubsbegriffes, aaO).
13.3. Es war daher auch der Revision des Kl nicht Folge zu geben. [...]
Vorliegendes Urteil behandelt zum ersten Mal ausschließlich die Problematik der Divergenz der Interpretation des nationalen Urlaubsrechts gegenüber der Rechtsauffassung des EuGH (EuGH 22.4.2010, C-486/08, Tiroler Krankenhäuser [Rs Tirol]; EuGH 13.6.2013, C-415/12, Brandes) bezüglich der Höhe des Urlaubsanspruches bei Wechsel von Vollzeit194auf Teilzeit. Im Ergebnis festigt der OGH die bisherige nationale Rechtsauffassung, die bereits bei der E 2012 zur Berechnung der Urlaubsersatzleistung bei Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit (OGH8 ObA 35/12yASoK 2014, 207) zum Ausdruck kam.
Das Österreichische Urlaubsrecht stammt in seiner wesentlichen Konstruktion aus dem Jahr 1919. Das Arbeiterurlaubsgesetz definierte den Urlaubsanspruch der Begünstigten mit der Kalenderwoche. Das Nachfolgegesetz führte den Werktagsbegriff ein, um damit eine Klarstellung vorzunehmen, dass gesetzliche Feiertage und Urlaubstage nicht zusammentreffen können. Da die gesellschaftliche Erscheinung der Teilzeitbeschäftigung noch nicht evident war, sah der Gesetzgeber für wechselndes Arbeitsausmaß keine Regelungen vor. Das aktuelle Urlaubsrecht, das grundsätzlich neben einem Anspruchsausbau auch eine Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes bewirkte, baute auf den vorhandenen Grundsätzen auf. Ebenfalls standen 1974 Teilzeitbeschäftigungen und wechselndes Arbeitsausmaß nicht im Fokus des Gesetzgebers (vgl statistische Erhebungen zur Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung ab 1974: Wiedenhofer-Galik: Entwicklung der Teilzeiterwerbstätigkeit, Statistische Nachrichten 12/2008 [1145 ff]). Es ist daher mE von einem Gesetz auszugehen, dass lediglich Vollzeitbeschäftigung berücksichtigte. Von dieser Überlegung ausgehend, ist das Fehlen von Umrechnungsbestimmungen für den Fall der Änderung des Arbeitszeitausmaßes im Gesetz jedenfalls als stimmig anzusehen. Dies gilt auch für den kontinuierlichen Schichtbetrieb, da zur Zeit des Entstehens der (aktuellen Urlaubsregeln) die Sechs-Tage- Woche das vorherrschende Arbeitsmodell war, der Schichtbetrieb, deshalb auch keine unbefriedigenden Anspruchsberechnungsproblematiken enthielt (vgl das Urteil des OGH bei einer unregelmäßigen Verteilung der Vollarbeitszeit und der Bemessung des Urlaubsverbrauchs vom OGH 26.2.2003, 9 ObA 221/02v, angeführt von Klein, Urlaub bei Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit – zur Auflösung des Spannungsverhältnisses, DRdA 2014, 398 [402]). Diese Gesetzeslogik bedarf – gerade bei der Konstellation eines Urlaubsverbrauches in ganzen Wochen – keiner näheren Untersuchung eines Urlaubsanspruchsbegriffes, da der Freistellungsanspruch (systemimmanent immer) direkt an Wochenruheanordnungen angrenzt.
Überdies wurde vom OGH erst spät in der Entwicklung des Urlaubsrechts ein tageweiser Urlaubsverbrauch als zulässig angesehen, und dies auch nur dann, wenn dies im Interesse des/der AN liegt (vgl Resch, E-Bespr zu OGH9 ObA 139/92ZAS 1993/17). Resch betont in seiner Glosse, dass bei einer Erlaubtheit einer tageweisen Urlaubsvereinbarung aus dem Gesetz bzw dessen Telos das Verbot einer stunden- oder halbtageweise Konsumierungsvereinbarung jedenfalls nicht entnommen werden kann. Schrank (Aktuelle Rechtsfragen zu Ausmaß und Verbrauch des Urlaubs – Zugleich ein Beitrag zu mehr Gleichmaß und Verhältnismäßigkeit Verhältnismäßigkeit im Urlaubsrecht, ZAS 1992, 181 ff) führt an, dass die Zulässigkeit der Umrechnung von Werktagen auf Arbeitstage bei Urlaubsanspruch und Urlaubsverbrauch auch für Teilzeitbeschäftigte nutzbar sei, was den Befund, dass das UrlG ein reines VollzeitG ist, bestätigt.
Die Kalenderwoche dient seither als Auswirkung der geschilderten Auffassungen nur mehr als Konstante in einer Kontrollrechnung, ob durch die Umrechnung von Werktagen auf Arbeitstage der gesetzliche Anspruch gewahrt bleibt. Diese Kontrollkonstante wurde nunmehr bei der Änderung des Arbeitsausmaßes, die eine Veränderung der Einsatztage verursachte, herangezogen, um das Urlaubsausmaß auf Kalenderwochen bezogen gleich zu halten. Diese Rechtsansicht berücksichtigt aber nicht die qualitativen Unterschiede zwischen an sich einsatzlosen Zeiten und Freistellungsanspruch von Einsatzzeiten. Man kann daher konstatieren, dass durch die sinngemäße Übertragung der Umrechnungsmöglichkeit des Urlaubsanspruches von Werktagen auf Arbeitstage auf Teilzeitbeschäftigungen der Charakter eines Freistellungsanspruches zugunsten eines formellen, vom Arbeitseinsatz losgelösten Kalenderwochenbegriffes verändert wurde. Diesen von Einsatzzeiten unabhängigen Urlaubsanspruchsbegriff sieht der OGH als in der Entwicklung schon immer vorhanden an (vgl Rz 7 zweiter Absatz) und führt als Bestärkung eine E zum Werktagsbegriff aus dem Jahr 1984 (OGH4 Ob 132/84
Überdies verkennt die gängige Interpretation des UrlG, dass der diesem Gesetz entspringende Urlaubsanspruch nicht wie die rechtliche Konstruktion der Arbeitszeit als „Lebensarbeitszeit“ pro Person konstruiert ist, sondern pro Arbeitsverhältnis zusteht. So kann beispielsweise eine Person, die zumindest zwei Arbeitsverhältnisse unterhält, bei einem Arbeitsverhältnis den erhöhten Urlaubsanspruch erreicht haben, während bei dem anderen Arbeitsverhältnis noch der Grundanspruch zusteht. Inwieweit dann bei der Auffassung des OGH überhaupt Urlaub, der unter der Prämisse der Erholung steht – vereinbart werden kann, wenn nur in einem Arbeitsverhältnis eine Urlaubsvereinbarung zustande kommt (Urlaub würde ja für die gesamte Woche vereinbart, wobei zumindest ein Einsatztag des zweiten Arbeitsverhältnisses im Urlaub liegen würde), zeigt die prinzipielle Schwäche dieser Theorie bei mehreren Arbeitsverhältnissen von195einer Person. Tauglich wäre diese Rechtsauffassung nur bei Einrichtung einer Urlaubskasse und einem „Lebensurlaubsanspruch“.
Historisch gesehen ist also die – auf die gegenwärtige Lage bezogene – Argumentation des OGH, dass der Urlaubs(anspruchs)begriff trotz der E des EuGH vom Gesetzgeber nicht verändert wurde, wie dies im öffentlichen Dienst geschah, also unverändert blieb, nicht nachzuvollziehen.
Eine Änderung des Urlaubsanspruchsbegriffs, wie oben dargestellt, wurde durch das Problem der Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung, da hinsichtlich Umgangs mit Teilzeitbeschäftigung das UrlG nie besondere Regelungen vorsah bzw einführte, ohne es zu beabsichtigen, vorgenommen. Historisch gesehen wäre der rechtlich richtige Befund die Konstatierung einer echten – nachträglichen – Gesetzeslücke gewesen (vgl Zippelius, Juristische Methodenlehre10 [2006] 64 f). Diese Lückenschließung hätte ua unter Beibehaltung des Systems des Gesetzes – also dem Charakters des Urlaubs als Freistellungsanspruch – vorgenommen werden müssen, da Lückenschließungen immer systemnah zu erfolgen haben.
Der OGH hält fest, dass die Urlaubsbegriffe, die der Rs Tirol sowie der Rs Brandes zugrunde lagen, nicht dem Urlaubsbegriff des österreichischen Urlaubsrechts entsprechen (vgl Rz 9). Nach den Rechtsausführungen von Latzel (Urlaub von Teilzeitbeschäftigten, EuZA 2014, 81 [82]) ist der Urlaub nach dem deutschen BundesurlaubsG (welches im Fall Brandes auf dem Prüfstand vor dem EuGH stand) nach dem Wochenprinzip zu berechnen, wobei Urlaub nur in ganzen Tagen gewährt werden darf. Die Umrechnung von Vollzeit auf Teilzeit mit wechselnden Arbeitstagen und umgekehrt wird gleich der österreichischen Vorgangsweise gehandhabt. Dieses „Wochenprinzip“ wird vom deutschen Schrifttum mit dem Verweis auf den Erholungszweck des Urlaubs gerechtfertigt, da man sich auch an arbeitsfreien Tagen erholen könne. Überdies stehe die Urlaubsbemessung in einem strengen Gegenwartsbezug, welcher eine Bemessung von Urlaubstagen nach der Zeit ihres Entstehens verhindern soll (Latzel, aaO 84).
Die für einen Rechtsvergleich bezüglich der beiden aktuellen Urlaubssysteme relevanten Punkte sind also als vergleichbar anzusehen. Die vom EuGH entwickelten Grundsätze sind daher auch auf das österreichische Urlaubsrecht anzuwenden.
Ein spezifisches Urlaubsrecht findet sich im Kanon der Rechtsnormen der EU nicht. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02 [Grundrechtecharta]) sieht in Art 31 unter dem Titel „Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen“ allgemein den Anspruch auf „bezahlten Jahresurlaub“ vor. Die Erläuterungen zur Grundrechtecharta (2007/C 303/02) stützen sich aber bereits auf die Regelung der RL 93/104/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung [Arbeitszeit-RL] (nunmehr RL 2003/88/EG). Weiters verweisen die Erläuterungen auf die europäische Sozialcharta, die einen Jahresmindesturlaub von zwei Wochen vorsieht (Art 2 Z 3) sowie in einem Zirkelverweis auf die Gemeinschaftscharta der AN-Rechte, deren Regelungen aber in die Grundrechtecharta der EU übernommen wurden. Diese können also als nicht weiterführend bewertet werden.
Die Arbeitszeit-RL sieht in Art 7 einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen vor. Die Regelungen insgesamt beziehen sich lediglich auf den Zeitraum von Kalenderwochen. Die EU-rechtlichen Vorgaben sind also genauso rudimentär wie Anordnungen des nationalen Gesetzgebers und daher ebenfalls auslegungsbedürftig. So ignorieren auch diese Regelungen das faktische Problem bei Teilzeitbeschäftigung hinsichtlich des tatsächlich zu gewährenden Freistellungsanspruches. Lösen lässt sich dieses Problem (auch für Mehrfachbeschäftigungen) mE in der Weise (Urlaubsbestimmungen stellen ja Gesundheitsschutzbestimmungen dar, vgl Erwägung 1 Arbeitszeit-RL), dass man bei der Statuierung des Mindesturlaubs durch die RL von einem „Lebensurlaubsanspruch“ pro AN ausgeht. Rechtsfolge ist, dass nationales Recht jedenfalls die Möglichkeit der Konsumation von ganzen insgesamt bezahlten und arbeitsfreien Wochen Urlaub bieten muss.
Hinsichtlich der Bedingungen für die Konsumierung des Urlaubsanspruchs verweist die Arbeitszeit- RL ausdrücklich in die jeweiligen nationalen Rechte. Wie also der nationale Gesetzgeber mit Urlaubsgewährung umgeht, welche Vorgehensweise er bei Wechsel des Arbeitszeitausmaßes vorsieht, ist also diesem expressis verbis überlassen, solange der Grundsatz des effet utile der RL nicht verletzt ist. Von der Warte der Arbeitszeit-RL aus gesehen, wäre die österreichische Lückenschließung als EU-rechtskonform anzusehen gewesen.
Hier ist die interessierende zentrale Norm das Diskriminierungsverbot der RL 97/81/EG (Teilzeit-RL), welches ein Abweichen der Beschäftigungsbedingungen für Teilzeitbeschäftigte nur aus objektiven Gründen zulässt. Gleichzeitig wird bei Tunlichkeit der Pro-rata-temporis-Grundsatz etabliert.
Mit der Frage der Verringerung des Arbeitsausmaßes und den Rechtsfolgen für den Urlaubsanspruch beschäftigte sich der EuGH mit dem nach Stunden rechnenden Urlaubsrecht der Vertragsbediensteten in Tirol (Rs Tirol) sowie der der Rs Brandes zum deutschen UrlG mit oben geschilderten Urlaubsbegriff sowie Rs Heimann (EuGHC-229/11 und C-230/11). Eine Vorlage bezüglich der Rechtsauslegung bei der Erhöhung des Arbeitszeitausmaßes aus Großbritannien ist zur Zeit anhängig (EuGH 6.5.2014, C-219/14, Greenfield gegen Care Bureau Ltd196, der Generalanwalt hat seine Schlussanträge noch nicht erstattet.
In den bisherigen Entscheidungen führte der EuGH die Unterscheidung zwischen aktuellen und vergangenen Urlaubsperioden ein. Weiters wird als Grundsatz das Pro-rata-temporis-Prinzip für das Entstehen von Urlaub bei Teilzeitbeschäftigung gefestigt: Wer weniger arbeitet, braucht auch weniger Urlaub zur Erholung (so Stiebert, Zesar 08.14, 332). Durch diese Rechtsansicht referiert der EuGH in der Rs Brandes (EuGH 13.6.2013, Rz 38 f) auf einen Freistellungsbegriff, der aus den EU-Regelungen zum Jahresurlaub ebenso wenig ersichtlich ist, wie der Begriff der abgeschlossenen Urlaubsperioden. Die Verknüpfung des Freistellungsbegriffes mit der Urlaubsperiode führt dann dazu, dass der EuGH bei Ausgangssituation der Verringerung der Arbeitszeit und des Urlaubsanspruches aus vergangenen Perioden eine Aliquotierung des Freistellungsanspruches als Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten ansieht und für unzulässig erklärt.
Aus der Betonung des EuGH, dass die Beibehaltung des in der Vollzeit erworbenen Freistellungsanspruches vergangener Urlaubsperioden nur dann stattfindet, wenn der AN keine Möglichkeit hatte, den Urlaub zu verbrauchen (Rs Brandes, Rz 32) – also ein typisches Missbrauchsargument –, ist die Referenz des Gerichts auf den Gesundheitsschutzzweck (der „besonders bedeutsame Grundsatz des Sozialrechts der Union) des Jahresurlaubs unverkennbar (vgl auch die Rechtsansicht des EuGH zum Urlaubsentgelt Pkt 7). Wer als AG Jahresurlaub nicht in der aktuellen Periode gewährt, darf quasi als Sanktion den Freistellungsanspruch der vergangenen Perioden nicht mehr aliquotieren. Hier wäre auch ein Argument, für den umgekehrten Fall die Lösung zu finden: Ist dem AG ein in einer Teilzeitphase unterbliebener Urlaubsverbrauch zuzurechnen, so wäre der Freistellungsanspruch aus vergangenen Urlaubsperioden bei Ausweitung der Arbeitszeit auf Vollzeit als Quasi-Sanktion dem neuen Arbeitszeitausmaß anzupassen (gegenteiliger Auffassung aber Stiebert, 332).
Der EuGH greift also über das Gleichbehandlungsgebot der Teilzeit-RL in jenen Bereich ein, den die Arbeitszeit-RL im Bereich des Jahresurlaubs ausschließlich nationaler Regelungskompetenz zuweist. Bei alledem untersucht der EuGH den dem EU-Recht zugrunde liegenden Urlaubsbegriff nicht. Dies hätte vor einer Lückenschließung über die systematische Logik der Teilzeit-RL erfolgen müssen. Mit der bisherigen Judikatur löst der EuGH nämlich die Problematik von Mehrfachbeschäftigungen nicht. Noch dazu ist das starre Festhalten am Pro-rata-temporis-Grundsatz für laufende Urlaubsperioden mE nicht sachgerecht, da das Ausmaß der Arbeitszeit allein in der Regel nicht direkt auf ein gesundheitliches Erholungsbedürfnis umgelegt werden kann. Ausgehend von der eigenen Argumentation des EuGH, dass Ruhephasen eines in Anspruch genommenen Urlaubs nicht mit Phasen beruflicher Inaktivität verwechselt werden dürfen, kann nur von einem Lebensurlaubsbegriff gesprochen werden, der nun aber in Kalenderwochen zu bemessen ist. Es ist daher zu erwarten, dass der EuGH in der aktuellen Vorlage aus Großbritannien zu dessen Lösung nicht umhin können wird, sich mit dem europarechtlichen Urlaubsbegriff grundlegend zu beschäftigen.
Die vom OGH aufgezeigte Problematik der (fehlenden) unmittelbaren Wirkung von RL zwischen Privaten (vgl Schlachter, Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung und Pflicht zur Umsetzung, EuZA 1/2015, 4) spielt bei gegenständlicher E jedoch keine Rolle. Wie aus dem Vorstehenden ersichtlich ist, ist die rechtliche Problematik des Umgangs mit einer Veränderung des Ausmaßes der Arbeitszeit sowohl national als auch im EU-Recht ein Problem der Rechtsauslegung in Form der Lückenfüllung. Ob nun die RL korrekt und ausreichend umgesetzt wurde, ist daher, da Auslegungen immer EU-rechtskonform unter der Pflicht zur vollen Ausschöpfung des methodischen Beurteilungsspielraumes zu erfolgen haben (Schlachter, EuZA 1/2015, 6), ohne Bedeutung. Insb handelt es sich bei der notwendigen Rechtsfortbildung im Endeffekt um eine nationale Rechtsauslegung, so dass der EuGH nicht von einem Eingriff des EU-Rechts ausgeht (Schlachter, aaO). Die E des EuGH kann daher ohne legistische Maßnahmen auf das UrlG angewandt werden.
Den Ausführungen des OGH ist in jenen Teilen zuzustimmen, in denen er darauf verweist, dass der Gesundheitsschutzzweck der Urlaubsnormen einen Verbrauch des Urlaubsanspruches in der aktuellen Urlaubsperiode vorsehen und das Horten von Urlaubsansprüchen nicht dem Telos des UrlG immanent ist. Diese Argumentation ist jedoch für die Problematik des Umgangs mit Urlaubsansprüchen bei Änderung des Arbeitszeitausmaßes ohne weiterführende Bedeutung, da die Rechtsfolgen der Rechtsauffassung des EuGH sowieso nur dann eintreten, wenn der betroffene AN nicht die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch auszuüben (EuGH Rs Tirol, Rz 33). Die vom EuGH formelartig zitierte Rsp Rs Pereda (EuGH 10.9.2009, C-277/08, Slg 2009, I-08405), die auf die Rs Schultz-Hoff (EuGH 20.1.2009, C-350/06 und C-520/06, Slg 2009, I-00179) zurückgeht, hatte aber als Ausgangspunkt langdauernde Krankenstände des Kl zur Grundlage. Aus der formelhaften Verweisungstechnik des EuGH kann aber nicht zu Unrecht auf die Notwendigkeit einer Missbrauchsprüfung des Urlaubsgewährungs- bzw Konsumverhaltens geschlossen werden. Ein Maßstab eines notwendigen Bemühens, um zum Abschluss einer Konsumationsvereinbarung zu kommen, ist aus den Ausführungen des EuGH jedoch nicht zu entnehmen. Überdies muss festgehalten werden, dass einer Missbrauchsprüfung lediglich die Funktion eines Korrektivs zukommen kann. Als dogmatische Absicherung197einer rechtsfortbildenden (nationalen) Auslegung kann eine auf subjektiven Sachverhaltselementen basierende Einzelfallprüfung aber nicht dienen.
Das UrlG und die Auslegung durch die Rsp pendelt in der Umsetzung des Gesundheitsschutzzieles zwischen dem Festhalten an der Privatautonomie aufgrund der Notwendigkeit des Zustandekommens einer Vereinbarung für den Urlaubskonsum und der einseitigen Durchsetzung im Rahmen des Verfahrens nach § 4 Abs 4 UrlG. Diese einseitige Durchsetzung von Urlaubskonsumationen ist aber nur für jenen Teil der AN möglich, die in Betrieben mit errichtetem BR beschäftigt sind. Einer Vielzahl von AN ist dieses Verfahren also nicht zugänglich. Diese Betroffenen hätten nur die Möglichkeit, über ein gerichtliches Leistungsverfahren (ob ein solches jemals geführt wurde, ist dem Autor jedoch nicht bekannt) eine Urlaubsvereinbarung zu erzwingen. Eine generelle Initiativpflicht der AN ist daher aus dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr betont der OGH in gegenständlicher E zu Recht, dass der AG verpflichtet ist, die organisatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass ein Verbrauch des ganzen Jahresurlaubsanspruches in der laufenden Urlaubsperiode möglich ist. Ebenso ist mE aus den aufgrund des Arbeitsverhältnisses bestehenden gegenseitigen Interessenwahrungspflichten davon auszugehen, dass sich beide Vertragspartner um einen periodengleichen Urlaubskonsum zu bemühen haben. Da also die Rechtslage des UrlG keine alleinige Verpflichtung des AN zur Realisierung eines Urlaubskonsums vorsieht und daher ein nicht stattgefundener Urlaubskonsum nicht automatisch vom AN zu vertreten ist, kann die nationale Rechtsansicht der ausnahmslos angewandten Anpassung des Urlaubsanspruches an das Arbeitszeitausmaß nicht den Vorgaben des EuGH an eine subjektive Missbrauchsprüfung entsprechen. Eine Verletzung der dargestellten Verbrauchsgrundsätze, die nicht der AN zu vertreten hat, löst also dann die vom EuGH entwickelten Rechtsfolgen aus, die auch insgesamt der stRsp des EuGH, dass der Anspruch des bezahlten Jahresurlaubs ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union ist und dieser nicht restriktiv ausgelegt werden darf, voll entsprechen (vgl EuGH Rs Tirol, Rz 28 f).
Als letztes Argument für die Beibehaltung der österreichischen Rechtsauslegung führt der OGH in seiner E an, dass die nationale Rechtslage ein günstigeres Niveau als die Arbeitszeit-RL bezüglich des Jahresurlaubes vorsieht. Die vom OGH zitierten Entscheidungen des EuGH besagen aber lediglich, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, die vorgegebenen Mindestniveaus zu überschreiten. Wie bereits dargelegt wurde, negiert der EuGH die Öffnungsklauseln für das nationale Recht hinsichtlich der Behandlung und Vereinbarung des bezahlten Jahresurlaubes und stellt unabhängig von der Höhe des Urlaubsanspruches auf die Behandlung bei der Änderung des Ausmaßes der Arbeitszeit ab. Es kann daher aus der Berufung auf das das Mindestmaß der Arbeitszeit-RL überschreitende Niveau des nationalen Urlaubsrechts kein die nationale Interpretation erhaltendes Argument gewonnen werden.
In der Systematik der gegenständlichen E – österreichisches Urlaubsrecht gem UrlG fällt nicht unter die vom EuGH vorgenommene Rechtsauslegung – ist das Festhalten des OGH am Ausfallsprinzip nur folgerichtig und berechtigt.
Auch aus EU-rechtlicher Sicht besteht ebenfalls kein Grund, das Ausfallsprinzip als Algorithmus des Urlaubsentgelts aufzugeben. Der EuGH betont in stRsp, dass das Urlaubsentgelt die AN in eine vergleichbare entgeltliche Lage von Urlaubs- und Arbeitszeiten versetzt (vgl Schinz, Berechnung des Urlaubsentgelts nach Maßgabe des erzielten Umsatzes, EuZA 1/2015, 95). Bereits in der Rs Williams ua (EuGH 15.9.2011, C-155/10, Slg 2011, I-8409) wies der EuGH auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten hin, dass die Vergütung jener Höhe entsprechen muss, die derjenigen für tatsächlich geleisteter Arbeit entspricht (vgl die Wiedergabe bei Schinz, 95). Verwirrend ist in diesem Zusammenhang die vom EuGH in der Rs Tirol und Brandes verwendete Formulierung: „... in der Zeit der Vollzeit erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ... reduziert wird, oder der Arbeitnehmer diesen Urlaub nur mehr mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen kann
“. Fasst man nun den Sanktionscharakter der Auslegung des EuGH ins Auge, lassen sich aber die (scheinbar) unterschiedlichen Rechtsansichten verbinden. Hat der AG den unterbliebenen Urlaubskonsum zu vertreten, so ist für die Freistellungsansprüche ebenfalls als verstärkende Sanktion ein Äquivalent als Urlaubsentgelt geschuldet, das dem vormaligen höheren Arbeitszeitausmaß entspricht. Für den umgekehrten Fall der Arbeitszeit-Ausmaßänderung kann analog Pkt 3.3 bei der Bemessung des Urlaubsentgelts weiterhin die Beachtung des Ausfallsprinzips argumentiert werden, so dass lediglich bei der Verringerung des Beschäftigungsausmaßes eine Ausnahme aufgrund des Sanktionscharakters der Rechtsfolgen vom Ausfallsprinzip besteht. Einer generellen Beibehaltung des Ausfallsprinzips bei der Berechnung des Urlaubsentgelts steht also bis auf den bezeichneten Bereich europarechtlich nichts entgegen. Die Textierung des § 6 Abs 2 und 3 UrlG ist aber jedenfalls für die Umsetzung der geschilderten Ausnahme problematisch, weil hier die „Contra legem“-Grenze erreicht wird (Schlachter, EuZA 1/2015, 7). Eine direkt für die privaten Arbeitsparteien wirksame Auslegung ist daher nicht möglich (Schlachter, EuZA 1/2015, 4). Eine Säumnis des Gesetzgebers kann daher aufgrund der Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht zu einer Schadenersatzverpflichtung führen (vgl EuGH 15.1.2014, C-176/12, Association de médiation sociale, noch ohne SlgNr). Aufgrund der E des198OGH ist aber fraglich, ob ein solcher Staatshaftungsanspruch ohne weiteres Verfahren mit zumindest gestelltem Subsidiarantrag auf Normenkontrolle (vgl Kneihs, Die Gesetzesbeschwerde zwischen Entscheidungsbeschwerde und Individualantrag, Jahrbuch Öffentliches Recht 2014, 269 f [255]) bezüglich gegenständlicher fehlender Umsetzung im Bereich von § 6 UrlG geltend gemacht werden kann (der EuGH verlangt für die Entstehung einer Staatshaftung ua einen hinreichend qualifizierten, offenkundigen Verstoß [Rz 1]; EuGH 30.9.2003, C-224/01, Köbler, Slg 2003, I-10290).
So verständlich die Beibehaltung historisch entwickelter Interpretationen nationaler Rechtslagen ist, kann mE die nunmehr deutliche Rsp des EuGH und deren nationale Auswirkung bezüglich Umgang mit Urlaubsansprüchen bei wechselnden Arbeitszeitausmaßen – insb wegen der Vergleichbarkeit des deutschen und österreichischen Urlaubsanspruchsbegriffs – nicht ignoriert werden. Da die bisherige nationale Vorgangsweise lediglich aufgrund einer Lückenschließung erfolgte, ist die ebenfalls als Interpretation anzusehende Rechtsauslegung des EuGH dogmatisch problemlos auch zwischen privaten Vertragspartnern anzuwenden. Das österreichische Ausfallsprinzip ist ebenfalls größtenteils problemlos in die Rechtsauffassung des EuGH zu integrieren, wenn auch nunmehr eine Ausnahme zu greifen hat, die jedoch vom Gesetzgeber abzubilden wäre.
Da aber insgesamt im EU-Recht von einem Lebensurlaubsbegriff – im Gegensatz zum Unternehmensurlaubsbegriff des nationalen Rechts – auszugehen ist, wäre der Gesetzgeber gefordert, nach nun jahrzehntelanger Untätigkeit sowohl das Urlaubsrecht unter Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigungen als auch unter Umsetzung des geforderten Lebensurlaubsbegriffs zu reformieren. Der aktuelle Anpassungsbedarf hat mittlerweile ein Niveau erreicht, bei welchem die Rsp nicht mehr als „Retter des Gesetzgebers“ auftreten kann, sondern dieser seine Verantwortung selbst wahrzunehmen hat, um auch eventuelle Schadenersatzansprüche geschädigter Betroffener in Form einer Staatshaftung nicht entstehen zu lassen.