33

Datenübermittlung an den Betriebsrat

WOLFGANGGORICNIK (SALZBURG)
§ 89, § 99 Abs 4 ArbVG; § 8 Abs 1, § 9 Z 11 DSG; Art 8 Abs 2 lit b RL 95/46/EG
OGH 17.9.2014 6 ObA 1/14mOLG Innsbruck 14.5.2014 13 Ra 11/14
  1. Der Regelung des § 9 Z 11 DSG 2000 kommt eine umfassendere Bedeutung zu, als es aufgrund ihrer systematischen Stellung im DSG 2000 den Anschein hat. Sie ist im heutigen System des DSG als Fortschreibung des früher ausdrücklich statuierten Grundsatzes, dass die Befugnisse des BR durch das DSG nicht berührt werden, anzusehen.

  2. Das ArbVG enthält ein abgestuftes Modell der Rechte der Einsichtnahme und Information des BR und nimmt damit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen der AN. Insb hat der BR aufgrund der Bestimmung des § 99 Abs 4 ArbVG kein Recht auf Einsichtnahme in die Dienstzettel gem § 2 AVRAG.

  3. Nachdem § 89 Z 1 ArbVG nach völlig hA eine Pflichtbefugnis des BR darstellt, der BR also zur Ausübung dieser Befugnisse verpflichtet ist, hat eine Interessenabwägung iSd § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 nicht mehr stattzufinden.

  4. Im Hinblick auf die vielfältigen Sanktionen im Fall der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch ein Betriebsratsmitglied ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Gesetzgeber angemessene Garantien für die Wahrung des Datenschutzes auch durch den BR geschaffen hat. Dies entspricht auch Art 8 Abs 2 lit b der Datenschutz-RL 95/46/EG.

Der kl BR begehrt Einsicht in die Gehalts- und Lohnabrechnungen aller Mitarbeiter. Da sich mehrere Mitarbeiter sowohl mündlich als auch schriftlich gegenüber der Geschäftsführung gegen die Übermittlung derartiger Unterlagen an den BR aussprachen und um Geheimhaltung ihrer Daten ersuchten, gewährte das bekl Unternehmen keine Einsicht. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.

Das Erstgericht gab dem aufgrund eines Teilvergleichs eingeschränkten Klagebegehren auf Einsicht des BR in die vom bekl Unternehmen geführten Aufzeichnungen über Bezüge der AN, die sich gegen eine Einsicht ausgesprochen hatten, in die zur Berechnung dieser Bezüge erforderlichen Unterlagen, in alle auf diese Bezüge bezugnehmenden Auszahlungsunterlagen sowie in sämtliche Aufzeichnungen, deren Führung durch Rechtsvorschriften vorgesehen ist, insb in Urlaubskarteien und Krankenstandsaufzeichnungen (§ 89 Z 1 ArbVG), statt. Weiters erklärte es das bekl Unternehmen schuldig, dem kl BR Einsicht in die Arbeitszeiterfassungen dieser AN zu geben sowie den kl BR von jeder seit 25.2.2011 erfolgten Einstellung von AN zu informieren, wobei diese Mitteilung Angaben über die vorgesehene Verwendung und Einstufung des AN, den Lohn oder das Gehalt sowie eine allfällige vereinbarte Probezeit oder Befristung des Arbeitsverhältnisses zu enthalten hat. Weiters sprach das Erstgericht aus, dass das bekl Unternehmen gem § 99 Abs 4 ArbVG verpflichtet ist, dem kl BR von jeder erfolgten Neueinstellung eines AN zu informieren, wobei die Mitteilung wiederum Angaben über die vorgesehene Verwendung und Einstufung des AN, den Lohn oder das Gehalt sowie eine allfällige vereinbarte Probezeit oder Befristung des Arbeitsverhältnisses zu enthalten hat.

Das Berufungsgericht bestätigte diese E und erklärte die Revision für nicht zulässig.

Hierzu hat der OGH erwogen:

Die Revision ist nicht zulässig.

Nach stRsp reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rsp bereits eine einzige ausführlich begründete E, die im Schrifttum nicht auf Kritik gestoßen ist (vgl RIS-Justiz RS0103384). Selbst bei Fehlen einer Rsp des OGH liegt bei einer eindeutigen gesetzlichen Regelung keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS-Justiz RS0042656).

Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 1 DSG 2000 normiert, dass jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen255 Daten hat, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht (Grundrecht auf Datenschutz). „Daten“ („personenbezogene Daten“) definiert § 4 Z 1 DSG 2000 als Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist. „Sensible Daten“ („besonders schutzwürdige Daten“) sind Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung oder ihr Sexualleben (§ 4 Z 2 DSG 2000).

§ 31 DSG 1978 sah vor, dass die dem BR nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zustehenden Befugnisse durch das Datenschutzgesetz nicht berührt werden. Eine derartige ausdrückliche Norm fehlt im DSG 2000. Der BR wird nur noch in § 9 Z 11 DSG 2000 erwähnt. Diese Bestimmung regelt die Frage der Zulässigkeit der Verwendung von sensiblen Daten. Die Bestimmung enthält eine taxative Aufzählung von 13 Gründen, in denen sensible Daten verwendet werden dürfen. Sie sieht im Unterschied zur Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 8 DSG 2000 für nicht sensible Daten einen Rechtfertigungsgrund der überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers nicht vor. Nach Z 11 dieser Bestimmung werden schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn die Verwendung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des Auftraggebers auf dem Gebiet des Arbeits oder Dienstrechts Rechnung zu tragen, und sie nach besonderen Rechtsvorschriften zulässig ist, wobei die dem BR nach dem ArbVG zustehenden Befugnisse im Hinblick auf die Datenverwendung unberührt bleiben.

Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass der BR dadurch in allfälligen Befugnissen nach dem ArbVG nicht beschnitten wird und dazu auf den letzten Halbsatz dieser Bestimmung verwiesen (6 ObA 1/06z). Diese E wurde mehrfach veröffentlicht und von Hattenberger (DRdA 2007/45) rezensiert, wobei diese der E vollinhaltlich zustimmte.

Dass die Befugnisse des BR durch das DSG 2000 nicht berührt werden, entspricht auch der einhelligen Auffassung im Schrifttum (Reissner in Zeller Kommentar2 § 89 ArbVG Rz 17; Cerny in

Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, Arbeitsverfassungsrecht 34 § 89 Erl 4; Löschnigg, Arbeitsrecht11 Rz 9/039; ders, Datenermittlung im Arbeitsverhältnis 271; ebenso zur Vorläuferbestimmung des § 31 DSG Kuderna in FS Floretta 584 f sowie Strasser/Jabornegg, ArbVG3 § 89 E 11 und 12).

Für diese Auffassung spricht auch eine historische Interpretation. Nach § 31 DSG 1978 wurden die Einsichtsrechte des BR nach § 89 Z 1 ArbVG und – bei Zustimmung des AN – nach § 89 Z 4 ArbVG sowie die Zustimmungsrechte des BR nach § 96 Abs 1 ArbVG durch dieses Bundesgesetz nicht berührt. Im Hinblick auf die von Kuderna (FS Floretta 585) geäußerte Kritik an dieser Formulierung wurde mit Art I Z 23 der DSG-Novelle 1986 § 31 DSG dahin umformuliert, dass klargestellt wurde, dass die dem BR nach dem ArbVG zustehenden Befugnisse durch das DSG nicht berührt werden.

Ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen § 31 DSG 1978 entsprechenden Bestimmung im DSG 2000 besteht nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit Erlassung des DSG 2000 am Verhältnis zwischen dem Datenschutzrecht und dem Arbeitsverfassungsrecht etwas ändern wollte. Vielmehr war der Gesetzgeber offenbar der Meinung, dass die Regelung des § 9 Z 11 DSG ausreicht. Diese Regelung bezieht sich allerdings lediglich auf sensible Daten. Dieser Bestimmung kommt jedoch eine umfassendere Bedeutung zu, als es aufgrund ihrer systematischen Stellung im DSG den Anschein hat (ausführlich Löschnigg, Datenermittlung im Arbeitsverhältnis 270 f; im Ergebnis ebenso Strohmaier, Personalinformationssysteme und Mitbestimmung 150). Sie ist im heutigen System des DSG als Fortschreibung des früher ausdrücklich statuierten Grundsatzes, dass die Befugnisse des BR durch das DSG nicht berührt werden, anzusehen.

Das Überwachungsrecht des BR gem § 89 Z 1 ArbVG besteht auch ohne Zustimmung des betroffenen AN (Reissner, aaO § 89 ArbVG Rz 17; Mosler in

Tomandl
, ArbVG § 91 Rz 13). Lediglich zur Einsicht in Personalakten ist gem § 89 Z 4 ArbVG die Zustimmung des betroffenen AN erforderlich (§ 89 Z 4 und § 91 Abs 2 Z 3 ArbVG).

Das ArbVG enthält ein abgestuftes Modell der Rechte der Einsichtnahme und Information des BR und nimmt damit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen der AN. Zutreffend verweist schon das Berufungsgericht darauf, dass etwa die Einsichtnahme in den Personalakt ausdrücklich an die Zustimmung des AN geknüpft ist (§ 89 Z 4 ArbVG). Weiters bildet auch § 99 Abs 4 ArbVG nach überwiegender Auffassung (Resch in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 99 Rz 57) keine Rechtsgrundlage für eine Befugnis zur Überwachung von Individualarbeitsverträgen. Insb hat der BR aufgrund dieser Bestimmung kein Recht auf Einsichtnahme in die Dienstzettel gem § 2 AVRAG.

Würde man hier eine individuelle Zustimmung der AN für erforderlich halten, würde dies die Tätigkeitsmöglichkeiten des BR im Bereich seiner Pflichtkompetenz aushöhlen. Dadurch bestünde auch die Gefahr, dass einzelne AN vom AG unter Druck gesetzt werden, um entsprechende Einsichtnahmen und Kontrolltätigkeiten des BR zu verhindern. Auch diese ergänzende Überlegung spricht dafür, dass die von der vorliegenden Klage umfassten Befugnisse des BR nicht an die individuelle Zustimmung der betroffenen AN gebunden sind.

Entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsauffassung ist eine individuelle Interessenabwägung aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht vorzunehmen. Diese Regelung widerspricht weder der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 2 DSG noch Art 8 EMRK. Gem § 8 Abs 1 Z 1 DSG 2000 werden schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht. Nachdem § 89 Z 1 ArbVG nach völlig hA eine Pflichtbefugnis des BR darstellt, der BR also zur Ausübung dieser Befugnisse verpflichtet ist, hat eine Interessenabwägung iSd § 8 Abs 1 Z 4 DSG nicht mehr stattzufinden (Reissner, aaO256 § 89 ArbVG Rz 4 mwN; Mosler, aaO § 89 ArbVG Rz 2).

Im vorliegenden Fall sind mit Ausnahme der Krankenstandsaufzeichnungen sämtliche vom Begehren des kl BR betroffenen Daten nicht als sensible, sondern (bloß) als personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSG 2000 zu qualifizieren. Die Zulässigkeit ihrer Verwendung ist daher nach § 8 DSG 2000 zu beurteilen. Nach § 8 Abs 1 Z 1 DSG 2000 sind aber schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht.

Zutreffend hat auch bereits das Berufungsgericht auf die Verschwiegenheitspflicht der Betriebsratsmitglieder hingewiesen, die durch eine Verwaltungsstrafe (§ 115 Abs 4 ArbVG) und den Entlassungsgrund des § 122 Abs 1 Z 4 ArbVG, allenfalls auch durch § 122 StGB sowie durch einen gerichtlich klagbaren Unterlassungsanspruch, gegebenenfalls auch durch Schadenersatzansprüche (dazu Mosler in Zeller Kommentar2 § 115 ArbVG Rz 50; Schneller in

Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, Arbeitsverfassungsrecht 34 § 115 Erl 9; Kuderna in FS Floretta 589 f) sanktioniert ist.

Im Hinblick auf diese vielfältigen Sanktionen im Fall der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch ein Betriebsratsmitglied ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Gesetzgeber angemessene Garantien für die Wahrung des Datenschutzes auch durch den BR geschaffen hat.

Dies entspricht auch Art 8 Abs 2 lit b der RL 95/46/EG (Datenschutz-RL). Nach Art 8 Abs 2 lit b dieser RL findet dessen Abs 1 keine Anwendung, wenn die Verarbeitung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen, sofern dies aufgrund von einzelstaatlichem Recht, das angemessene Garantien vorsieht, zulässig ist.

Zusammenfassend bringt daher das bekl Unternehmen keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Voranzustellen ist, dass die E des OGH sowohl vom Ergebnis als auch grundsätzlich von der Begründung her überzeugt. Die (angesichts der technologischen Entwicklung angebrachte) zunehmende Sensibilität in Datenschutzfragen ist wohl auch der Grund dafür, dass diese E auch schon in einschlägigen Fachzeitschriften publiziert wurde (zB jusIT 2014/112 [Thiele]; DRdA-infas 2015/10 [Chlestil]) und trotz ihres eher sperrigen Themas auch von der Presse aufgegriffen wurde (Nitzl, Welche Informationen der Betriebsrat bekommt, derStandard.at, 10.11.2014). Obwohl es sich lediglich um einen Beschluss des kraft Geschäftsverteilung für Rechtssachen nach dem DSG (auch wenn diese Arbeitsrechtssachen sind) zuständigen 6. Senates handelt, mit welchem dieser die ao Revision mangels des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückwies, setzte sich der OGH dankenswerterweise ausführlich mit dem Verhältnis von Datenschutzrecht einerseits und Arbeitsverfassungsrecht andererseits auseinander und vertiefte seine schon zu OGH6 ObA 1/06zDRdA 2007/45 (zust Hattenberger) ausgesprochene (auf Löschnigg zurückgehende) Rechtsansicht, die Regelung des § 9 Z 11 letzter Halbsatz DSG 2000 sei wohl dahingehend zu verallgemeinern, als damit zum Ausdruck kommen soll, dass nicht nur der Bereich der sensiblen Daten betroffen ist, sondern dass das DSG 2000 – in gleicher Weise wie das DSG 1978 – generell nicht in die Betriebsverfassung eingreifen will, dh die Befugnisse des BR nach dem ArbVG nicht beschnitten werden sollen (zuletzt Löschnigg, ArbeitnehmerInnendatenschutz, in

Jahnel/Mader/Staudegger
, IT-Recht3 [2012] 497 [508 f]). Da sich der OGH aber trotz seiner apodiktischen Aussage, dass die Befugnisse des BR durch das DSG 2000 „nicht berührt“ würden, en detail auf eine Prüfung datenschutzrechtlicher Tatbestände einer Erlaubnis zur Datenverwendung einließ, soll der Frage näher nachgegangen werden, ob sich der BR bei Ausübung seiner Befugnisse in Bezug auf zumindest teilweise automationsunterstützt verarbeitete AN-Daten dem Prüfmaßstab des DSG 2000 für eine Zulässigkeit der Verwendung dieser personenbezogenen Daten unterwerfen muss. Näher beleuchtet werden soll auch die obiter dictum getroffene Aussage, § 99 Abs 4 ArbVG bilde keine Grundlage für ein Recht des BR auf Einsichtnahme in die Dienstzettel gem § 2 AVRAG.

2.
Datenübermittlung an den BR
2.1.
Falllösung

Schon Löschnigg leitete aus dem Prinzip der Unabhängigkeit der AN-Vertretung zutreffend ab, dass für Datenanwendungen der Belegschaft diese (vertreten durch den BR) Auftraggeberin iSd § 4 Z 4 DSG 2000 ist, sodass zwischen AG und BR eine „Datenübermittlungsgrenze“ (wie auch zwischen den einzelnen Belegschaften bzw Belegschaftsorganen selbst) zu ziehen ist (Löschnigg, Datenermittlung im Arbeitsverhältnis [2009] 258 ff). Daraus folgt, dass der AG bzw Betriebsinhaber (im Folgenden steht der Begriff „AG“ synonym für beide) AN-Daten gem § 7 Abs 2 Z 2 DSG 2000 nur insoweit übermitteln darf, als eine gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis des BR im Hinblick auf den Übermittlungszweck besteht. Die weitere Voraussetzung der Rechtmäßigkeit einer Datenübermittlung gem § 7 Abs 2 Z 3 DSG 2000, dass durch Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des betroffenen AN nicht verletzt werden, ist nach zutreffender Ansicht des OGH dadurch gewährleistet, dass durch die in § 115 Abs 4 ArbVG gesetzlich normierte Verschwiegenheitspflicht der Betriebsratsmitglieder, die auch effektiv sanktioniert ist, der Gesetzgeber angemessene Garantien257 für die Wahrung des Datenschutzes durch den BR geschaffen hat.

An dieser Stelle der datenschutzrechtlichen Zulässigkeitsprüfung trifft das DSG 2000 eine Unterscheidung je nachdem, ob sensible Daten iSd § 4 Z 2 DSG 2000 oder nicht-sensible Daten verwendet werden. Bei Verwendung von nicht-sensiblen Daten wird die Prüfung in § 8 DSG 2000 fortgeführt, bei Verwendung von sensiblen Daten hat die Prüfung nach § 9 DSG 2000 zu erfolgen (vgl näher Jahnel, Datenschutzrecht [2010] 198). Fallgegenständlich ist der OGH von einer Pflichtbefugnis des BR (vgl zu dieser Begrifflichkeit näher Reissner in

Neumayr/Reissner
(Hrsg), ZellKomm2 § 89 ArbVG Rz 4 mwN) gem § 89 Z 1 ArbVG ausgegangen, sodass gem § 8 Abs 1 Z 1 DSG 2000 schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen in Folge dieser ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung zur Datenverwendung nicht verletzt seien. Gleiches würde auch für eine bloße gesetzliche Ermächtigung zur Datenverwendung gelten. Eine Interessenabwägung iSd § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 (zwischen den Mitwirkungsbefugnissen des BR einerseits und allfälligen Geheimhaltungsinteressen des betroffenen AN andererseits) hat sohin nach zutreffender Ansicht des OGH diesfalls nicht stattzufinden.

2.2.
Verallgemeinerung des Befundes

Der Befund des OGH, eine gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung des BR entbinde die Datenübermittlung an diesen von einer Interessenabwägung gem § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000, trifft mE auf alle gesetzlichen Mitwirkungsbefugnisse des BR zu, wenn die Ausmittlung dieser Befugnisse auf der Ebene des ArbVG (entweder aus dem klaren Gesetzeswortlaut oder kraft einer Interessenabwägung im Dreieck AN – Belegschaft/BR – AG abgeleitet) die Notwendigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen AN-Daten durch den BR ergibt. Diesfalls haben eben allfällige Geheimhaltungsinteressen eines betroffenen AN kraft gesetzgeberischer Wertung des ArbVG hinter das Belegschaftsinteresse an einer entsprechenden Datenverarbeitung durch den BR, der einer strengen Verschwiegenheitspflicht unterliegt, zurückzutreten, was auch dem Grundrecht auf Datenschutz des § 1 Abs 1 DSG 2000 entspricht (vgl in diesem Sinne schon Marhold, Datenschutz und Arbeitsrecht [1986] 53; Kuderna, Die Verschwiegenheitspflicht der Betriebsratsmitglieder und deren Bindung an das Datengeheimnis, in FS Floretta [1983] 577 [587]; vgl auch Grünanger, Einsichtsrecht(e) in Gehaltsdaten und Personalakten?ZAS 2014/48, 292). Insofern haben diese Mitwirkungsbefugnisse also auch eine (jeweils genau auszumessende) datenschutzrechtliche Dimension.

So folgt bspw nach hier vertretener Ansicht aus dem Recht des BR, die Einhaltung der für den Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen gem § 89 Z 2 ArbVG zu überwachen, dass der BR zur Einsicht in konkrete AN-Daten dann keiner Zustimmung des betroffenen AN bedarf, wenn andere AN Bedenken bezüglich der hervorragenden Beurteilung des „Liebkindes“ des Abteilungsleiters (auf Basis einer BV gem § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG) hegen, um im wohlverstandenen Interesse der Belegschaft das Zustandekommen dieser Beurteilung daraufhin überprüfen zu können, ob das in der entsprechenden BV vorgeschriebene (Bewertungs-)Verfahren korrekt eingehalten wurde (so schon Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmer-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle [2014] 30). Ein anderes Beispiel für einen entsprechenden Erlaubnistatbestand gem § 8 Abs 1 Z 1 DSG 2000 wäre die Mitwirkungspflicht des BR an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb gem § 102 erster Satz ArbVG, woraus sich bspw die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von entsprechenden Informationsrechten in einer Whistleblowing- BV ergäbe (so schon Goricnik in

Grünanger/Goricnik
, Arbeitnehmer-Datenschutz 222 FN 986).

Von konkreten Mitwirkungsbefugnissen nicht mehr gedeckt wäre aber die anlasslose Einsichtnahme in AN-Daten ohne Einverständnis des betroffenen AN (vgl Löschnigg, Datenermittlung im Arbeitsverhältnis 275) oder die Instrumentalisierung von AN-Daten zur Durchsetzung damit nicht in Zusammenhang stehender Anliegen (vgl OGH8 ObA 76/13d infas 2014 A 75).

Selbstverständlich dürfen auch weder KollV noch BV zusätzliche „übergesetzliche“ datenschutzrechtliche Befugnisse des BR kreieren, dies nicht nur wegen des zweiseitig zwingenden Charakters des ArbVG (grundlegend Jabornegg, Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, in FS Strasser [1983] 367 [384]; Strasser in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 2 Rz 14), sondern auch wegen der Einschränkung des § 8 Abs 1 Z 1 DSG 2000 auf eine „gesetzliche“ Ermächtigung oder Verpflichtung. Wegen der zweiseitig zwingenden Wirkung des ArbVG wiederum kommt die Heranziehung einer Interessenabwägung als Erlaubnistatbestand gem § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 von vornherein nicht in Betracht, da eben die Schaffung von der gesetzgeberischen Wertung des ArbVG nicht gedeckter zusätzlicher Befugnisse des BR, aus denen hernach überwiegende berechtigte Interessen zur Datenverwendung abgeleitet werden könnten, nicht möglich ist. Eine Ausnahme davon wäre aber gem § 2 Abs 2 Z 5 ArbVG iZm Mitbestimmungsregelungen im KollV bei der Durchführung von Sozialplänen und von Maßnahmen zur menschengerechten Arbeitsgestaltung denkbar; so könnte etwa in einem KollV normiert werden, dass der BR in Durchführung eines durch KollV oder BV geregelten Sozialplanes auch AN-Daten über private Lebensumstände zu erhalten hat, die im Personalbüro aufliegen, um auch diese Daten als Kriterien bei der Bemessung von Sozialplanzahlungen heranziehen zu können: Da bei manchen Sozialplanverhandlungen die vom AG bereit gestellte Gesamtzahlungssumme feststeht und sohin nur mehr die Verteiloptionen verhandelt werden, wird diesfalls das Interesse des BR, diese Daten zu erhalten, um mehrere Varianten dieser Verteiloptionen – auch auf die einzelnen AN heruntergebrochen – berechnen zu können, Geheimhaltungsinteressen dieser einzelnen AN iSd § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 überwiegen.

Sind sensible AN-Daten betroffen, kann sich der BR (ebenso wie der AG) auf die Verwendungserlaubnis des § 9 Z 11 DSG 2000 stützen. Unter258 den dort geforderten „besonderen Rechtsvorschriften“ kommen neben Gesetzen und Verordnungen auch der KollV und Betriebsvereinbarungen in Betracht (Dammann/Simitis, EG-Datenschutzrichtlinie [1997] 164; Hattenberger, Die Bedeutung des Datenschutzrechts für das Arbeitsverhältnis, in

Resch
[Hrsg], Die Kontrolle des Arbeitnehmers vor dem Hintergrund moderner Medien [2005] 13 [51]; Jahnel, Datenschutzrecht 250; aM Brodil, Die Kontrolle der Nutzung neuer Medien im Arbeitsverhältnis, ZAS 2004/28, 156 [159]). Das Besondere an diesen Rechtsvorschriften erschließt Jahnel zutreffend richtlinienkonform unter Zugrundelegung der Vorgabe der „angemessenen Garantien“ in Art 8 Abs 2 lit b Datenschutz-RL 95/46/EG, welche zusätzliche Bedingung nicht im Text des § 9 Z 11 DSG 2000 umgesetzt wurde. Eine solche (datenschutzrechtliche) Garantie wäre bspw eine Verpflichtung zur Geheimhaltung oder eine strenge Zweckbindung (Jahnel, Datenschutzrecht 251). Diese beiden Garantien treffen auf die ausgeführte Datenverarbeitung durch den BR zu: Eine (sogar gesetzliche) Geheimhaltungsverpflichtung findet sich in § 115 Abs 4 ArbVG, die strenge Zweckbindung der Datenverarbeitung erschließt sich aus dem Zweck der gesetzlichen Mitwirkungsbefugnisse.

3.
Einsichtnahme des BR in die Dienstzettel gem § 2 AVRAG

Die obiter dictum getroffene Aussage des OGH, § 99 Abs 4 ArbVG bilde keine Grundlage für ein Recht des BR auf Einsichtnahme in die Dienstzettel gem § 2 AVRAG (siehe zum diesbezüglichen Meinungsstand Goricnik in ArbVR III5 § 99 Rz 27) soll wohl ein Beispiel dafür abgeben, dass das ArbVG ein abgestuftes Modell der Rechte der Einsichtnahme und Information des BR enthalte und damit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen der AN nehme.

Missverständlich ist diese Aussage aber schon deshalb, da die dem BR gem § 99 Abs 4 ArbVG jedenfalls mitzuteilenden Angaben einen Ausschnitt der Angaben ausmachen, die gem § 2 Abs 2 AVRAG im Dienstzettel zu enthalten sind.

Darüber hinaus ergibt sich ein generelles Einsichtsrecht des BR in Dienstzettel (bzw sogar in die Arbeitsverträge) aus § 89 Z 1 und 2 ArbVG (dh ohne Zustimmung des betroffenen AN): Für das Überwachungsrecht (hinsichtlich der Bezüge der AN) gem § 89 Z 1 ArbVG folgt das schon daraus, dass die Richtigkeit der Abrechnung und Auszahlung der (allenfalls auch überkollektivvertraglichen) Bezüge vielfach nur unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung überprüft werden kann (so auch Auer-Mayer in ArbVR III5 § 89 Rz 12 und Mosler in

Tomandl
, ArbVG § 89 Rz 5).

Das Überwachungsrecht des BR gem § 89 Z 2 ArbVG umfasst darüber hinaus generell „arbeitsrechtliche Vereinbarungen“. So setzt die Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Vorgaben nicht selten die Kenntnis der (diese Vorgaben betreffenden bzw umsetzenden) arbeitsvertraglichen Vereinbarung voraus. Erst diese Kenntnis versetzt den BR letztlich in die Lage, überprüfen zu können, ob entweder (schon) im Arbeitsvertrag gegen höherrangige Normierungen verstoßen wird, oder aber (erst) ein Verstoß gegen das (zulässigerweise) arbeitsvertraglich Vereinbarte die allfällige Rechtswidrigkeit einer Personalmaßnahme begründet (vgl Auer-Mayer in ArbVR III5 § 89 Rz 7, auch mwH zum diesbezüglichen Meinungsstand; idS auch Mosler in

Tomandl
, ArbVG § 89 Rz 14; Cerny in ArbVR III4 § 89 Erl 8 f; Drs, Einsichtsrechte des Betriebsrats, DRdA 2014, 261 [264]; Drs in
Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 89 Rz 25 [in Druck]).

Folglich umfasst auch dieses inhaltlich weitreichende Überwachungsrecht die Einsicht in den (gem § 2 AVRAG verpflichtend auszustellenden) Dienstzettel oder Arbeitsvertrag (so auch schon die ErläutRV 840 BlgNR 13. GP 81, die ausdrücklich auch den „Einzelarbeitsvertrag“ als Gegenstand des Überwachungsrechtes des BR benennen).

Wie schon oben zu Pkt 2.2. ausgeführt, beinhalten die Befugnisse des BR auch eine datenschutzrechtliche Dimension, die insb vor dem Hintergrund des Grundrechtes auf Datenschutz des § 1 Abs 1 DSG 2000 genau auszumessen ist. Insofern ist nun bei einem – ohne Zustimmung des betroffenen AN gegebenen – Einsichtsrecht des BR in den gesamten Dienstzettel oder Arbeitsvertrag, das sich also nicht nur auf die für die Berechnung der Bezüge erforderlichen Unterlagen beschränkt, ein Spannungsverhältnis zu datenschutzrechtlichen Wertungen zu konstatieren, das mE am besten dergestalt aufzulösen ist, dass man den interpretativen Weg beschreitet, den schon Mosler insofern gewiesen hat, als sE das Überwachungsrecht des § 89 Z 2 ArbVG eine Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Vorlage von Einzelarbeitsverträgen im Bedarfsfall (Hervorhebung durch Bearbeiter) beinhaltet (Mosler in

Tomandl
, ArbVG § 89 Rz 14): Besteht also ein begründeter Anlass, bspw eine Verdachtslage des BR in Bezug auf eine Nichtübereinstimmung von Arbeitsvertragsinhalten mit höherrangigen Normierungen oder geht es um die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen von aktuell geplanten Personalmaßnahmen im Rahmen von Mitwirkungsrechten des BR (zB anlässlich der vom Betriebsinhaber begehrten Zustimmung des BR zu einer verschlechternden Versetzung, da der BR diesfalls ja sinnvollerweise auch hinterfragen wird, ob diese in Aussicht genommene Versetzung überhaupt individualrechtlich rechtskonform ist), wird dem BR im Belegschaftsinteresse ein entsprechendes Einsichtsrecht zuzugestehen sein, das dann auch keinen grundrechtlichen Bedenken begegnet.

4.
Resümee

Der BR hat sich bei Ausübung seiner Befugnisse in Bezug auf zumindest teilweise automationsunterstützt verarbeitete AN-Daten dem Prüfmaßstab des DSG 2000 für eine Zulässigkeit der Verwendung dieser personenbezogenen Daten zu unterwerfen. Das DSG 2000 greift aber nicht grundsätzlich in die Wertungen des Betriebsverfassungsrechtes ein (zB durch die Statuierung zusätzlicher Interessenabwägungen auf Individualebene), sondern259 diese Wertungen sind (unter Berücksichtigung von Datenschutzaspekten) in den Prüfmaßstab des DSG 2000 zu integrieren; letztlich werden also die Befugnisse des BR nach dem ArbVG zwar berührt, aber eben nicht beschnitten. Die zentrale – und nur auf der Ebene des ArbVG zu lösende – Frage hat sohin immer zu lauten, welche AN-Daten der BR zur Wahrnehmung seiner Interessenvertretungsaufgaben benötigt. Diese Fragestellung erübrigt sich natürlich bei den Fallgruppen, bei denen der Gesetzgeber des ArbVG diese Frage bereits selbst explizit beantwortet hat, indem er die Datenverwendung durch den BR (auch ohne Zustimmung des betroffenen AN) ausdrücklich für zulässig erklärt hat (wie dargestellt zB in § 89 Z 1 ArbVG). Über diesen in den §§ 8 f normierten Prüfmaßstab des DSG 2000 hinaus hat der BR nach dem Erhalt personenbezogener AN-Daten seitens des AG aber selbstverständlich auch seinerseits die weitere Datenverwendung datenschutzkonform zu handhaben, insb hat er gem § 14 DSG 2000 Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit zu treffen (zB Versperren von Aktenschränken, Shreddern von Ausdrucken vor ihrer Entsorgung oÄ) wie auch dem BR zugeordnete Mitarbeiter von diesem auf die Einhaltung des Datengeheimnisses gem § 15 DSG 2000 zu verpflichten sind (Löschnigg, Der Betriebsrat als Datenverwender, in

Resch
[Hrsg], Datennutzung im Betrieb [2015] [in Druck]). Der BR ist also nicht von der Anwendung des DSG 2000 freigestellt, was auch verfassungs- und europarechtlich geboten ist.

Bei der dargestellten Berücksichtigung sowohl der datenschutzrechtlichen als auch der betriebsverfassungsrechtlichen Wertungen findet man also zu kongruenten Antworten auf Fragestellungen zu den Befugnissen des BR auch im heiklen Bereich des Verhältnisses zu (tatsächlichen oder vorgeschobenen) datenschutzrechtlichen Individualinteressen einzelner Belegschaftsmitglieder; diese Individualinteressen haben eben je nach der gesetzgeberischen Wertung des ArbVG allenfalls hinter das Belegschaftsinteresse an einer entsprechenden Datenverwendung durch den BR zurückzutreten.