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Tätigkeit in geschützter Werkstätte als Maßnahme der Rehabilitation?

RUDOLFMÜLLER (WIEN/SALZBURG)
  1. Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation besteht auch für Versicherte ohne Berufsschutz, wenn festgestellt wird, dass vorübergehende Invalidität vorliegt und die medizinische Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist. Unter diesen Voraussetzungen besteht ferner Anspruch auf Rehabilitationsgeld gem § 143a ASVG.

  2. Die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation (§ 302 Abs 1 ASVG) dürfen jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vom Pensionsversicherungsträger unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands und der Zumutbarkeit für die versicherte Person zu erbringen.

  3. Arbeitstraining und Beschäftigungstherapie in geschützten Werkstätten sind keine Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation iSd § 302 ASVG.

  4. Ein Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation und auf Umschulungsgeld durch das Arbeitsmarktservice (AMS) gem § 39b AlVG besteht nur bei Vorliegen eines Berufsschutzes gem § 255 Abs 1 und 2 (bzw § 273 Abs 1) ASVG.

  5. Unzulässigkeit des Rechtsweges hinsichtlich der von der „Antragsfiktion“ des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG idF BGBl I 2015/2 nicht umfassten Maßnahmen der sozialen Rehabilitation iSd § 304 ASVG.

Die 1980 geborene Kl hat [...] in unregelmäßigen Abständen immer wieder als Küchengehilfin gearbeitet. Seit acht Jahren ist sie in einer geschützten Einrichtung von „p*“ tätig. Dabei handelt es sich um eine Filzwerkstatt im Rahmen einer Tagesstruktur, wo die Kl verschiedene Produkte aus Schafwolle herstellt. Die Kl leidet schon seit vielen Jahren an psychischen Problemen, die in der Vergangenheit bereits zu mehreren Aufenthalten in einer psychiatrischen Klinik geführt haben. [...] Bei ihr besteht eine bipolare Störung in Teilremission und eine posttraumatische Belastungsstörung. Sie ist nicht in der Lage, die am ersten Arbeitsmarkt gestellten Anforderungen zu bewältigen. Eine Verbesserung des Leistungskalküls bzw die Möglichkeit einer Tätigkeit am ersten Arbeitsmarkt ist aber insb dann, wenn sich die Rahmenbedingungen entsprechend ändern, zukünftig nicht auszuschließen. Durch Fortsetzung des bisherigen Arbeitstrainings und der Beschäftigungstherapie bei „p*“ kann sich der psychische Zustand der Kl verbessern.

Mit Bescheid vom 20.2.2014 verneinte die bekl Pensionsversicherungsanstalt (PVA) das Vorliegen dauerhafter Invalidität und lehnte den Antrag der Kl auf Weitergewährung der ihr im Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.3.2014 befristet gewährten Invaliditätspension ab. Ab 1.4.2014 sei weiterhin vorübergehende Invalidität gegeben, weshalb als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Verlauf weiterer Therapien abzuwarten sei. Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation seien nicht zweckmäßig. Ab dem 1.4.2014 bestehe für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der KV.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte die Kl vorerst, die Bekl schuldig zu erkennen, ihr ab 1.4.2014 die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß weiterzugewähren; in eventu ihr ab 1.4.2014 konkrete medizinische Maßnahmen der Rehabilitation und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen zu erbringen. Dieses Klagebegehren278 änderte die Kl zuletzt dahingehend, es möge festgestellt werden, dass ab 1.4.2014 weiterhin vorübergehende Invalidität vorliege und sie ab 1.4.2014 Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der KV für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität habe. Weiters sei die Bekl schuldig, ihr ab 1.4.2014 Maßnahmen der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation insb durch Fortsetzung des bisherigen Arbeitstrainings und der Beschäftigungstherapie zu erbringen. [...]

Die Bekl beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. [...]

Das Erstgericht gab ausgehend von dem eingangs dargestellten Sachverhalt dem modifizierten Klagebegehren vollinhaltlich statt. Es bejahte in rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf die bei der Kl vorliegende vorübergehende Invalidität den Anspruch der Kl auf Rehabilitationsgeld und auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation. Unter letzteren Begriff fielen alle Maßnahmen der Behandlung kranker Menschen, die nicht Krankenbehandlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn seien. [...]

Das Berufungsgericht gab der von der Bekl erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass es im Wesentlichen zu lauten hat:

  • „1

    Invalidität liegt nicht dauerhaft vor, sodass über den 31.3.2014 hinaus kein Anspruch auf Invaliditätspension besteht.

  • 2

    Ab 1.4.2014 liegt weiterhin vorübergehende Invalidität vor. Als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist der Verlauf weiterer Therapien abzuwarten.

  • 3

    Das Mehrbegehren, als Maßnahme der medizinischen, beruflichen oder sozialen Rehabilitation insbesondere die Fortsetzung des bisherigen Arbeitstrainings und der Beschäftigungstherapie zu gewähren, wird abgewiesen.

  • 4

    Ab 1.4.2014 besteht für die Dauer der vorübergehenden Invalidität der Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung. [...]“

Das Berufungsgericht stellte [...] (ergänzend) fest, dass es sich bei der Tätigkeit der Kl in der Filzwerkstatt um eine fähigkeitsorientierte Aktivität in einer Einrichtung zur Arbeitsorientierung, Entwicklungsorientierung oder Tagesstrukturierung nach § 11 Abs 2 Z 3 Oö ChancengleichheitsG, LGBl 41/2008 idgF, handelt. [...]

Die im vorliegenden Fall begehrte Beschäftigungsmaßnahme stelle [...] keine [...] – unter der Verantwortung von Ärzten – erbrachte (ambulante) medizinische Rehabilitationsmaßnahme dar. [...]

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei [...].

In ihrer Revision bekämpft die Kl das Urteil des Berufungsgerichtes lediglich in dem Umfang, als [...] das Mehrbegehren, als Maßnahme der medizinischen, beruflichen oder sozialen Rehabilitation insb die Fortsetzung des bisherigen Arbeitstrainings und der Beschäftigungstherapie zu gewähren, abgewiesen wurde. [...]

Die Revision ist [...] zulässig; sie ist aber nicht berechtigt. Aus Anlass der Revision werden aber die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren im Umfang des Begehrens, als Maßnahme der sozialen Rehabilitation insb die Fortsetzung des bisherigen Arbeitstrainings und der Beschäftigungstherapie zu gewähren, als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen. [...]

Der OGH hat dazu Folgendes erwogen:

1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

[...]

2. Zur Rechtslage nach dem SRÄG 2012:

1. [...]

3. Personen, für die bescheidmäßig festgestellt wurde, dass vorübergehende Invalidität iSd § 255 Abs 1 und 2 oder 3 ASVG im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt, haben gem § 253f Abs 1 ASVG Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation (§ 302 Abs 1 ASVG), wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist. Die Maßnahmen müssen ausreichend und zweckmäßig sein, dürfen jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vom Pensionsversicherungsträger unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands und der Zumutbarkeit für die versicherte Person zu erbringen (§ 253f Abs 2 ASVG).

3.1 Diese medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen entsprechen denjenigen, die vor dem Inkrafttreten des SRÄG 2012 mit 1.1.2014 als freiwillige Leistungen gem § 302 ASVG gewährt wurden. Auf die Erbringung dieser Leistungen bestand für die Versicherten kein Rechtsanspruch. Durch das SRÄG 2012 wurde nunmehr ein Rechtsanspruch der Versicherten auf medizinische Rehabilitation geschaffen, wenn festgestellt wird, dass vorübergehende Invalidität vorliegt und die medizinische Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist. Leistungen der medizinischen Rehabilitation wurden daher in den Pflichtleistungskatalog der PV aufgenommen (vgl § 222 Abs 1 Z 2 lit a ASVG idF BGBl I 2015/2). Der Rechtsanspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation gem § 253f ASVG besteht auch für Versicherte ohne Berufsschutz.

3.2 Personen, für die auf Antrag bescheidmäßig festgestellt wurde, dass vorübergehende Invalidität im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig (§ 303 Abs 3 ASVG) oder nicht zumutbar (§ 303 Abs 4 ASVG) sind, haben gem § 143a ASVG ab Vorliegen der vorübergehenden Invalidität für deren Dauer Anspruch auf Rehabilitationsgeld.

4. Hingegen wurde durch das SRÄG 2012 die Bestimmung des § 253e ASVG über die berufliche Rehabilitation als Pflichtleistung in der PV mit Ablauf des 31.12.2013 aufgehoben (§ 669 Abs 2 ASVG). Es gibt daher seither keinen Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation in der gesetzlichen PV mehr. Für ab dem 1.1.1964 geborene Versicherte – wie die Kl – werden berufliche Maßnahmen der Rehabilitation seither vom AMS als Pflichtleistung aus der AlV gewährt. Während dieser Zeit erhält der Betreffende ein Umschulungsgeld gem § 39b AlVG. Bei vorübergehender Invalidität hat der Pensions-279versicherungsträger gem § 367 Abs 4 Z 3 ASVG idF BGBl I 2015/2 festzustellen, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig (§ 303 Abs 3 ASVG) und zumutbar (§ 303 Abs 4 ASVG) sind und für welches Berufsfeld die versicherte Person durch diese Maßnahmen qualifiziert werden kann.

4.1 Ein Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation und damit verbunden auf Umschulungsgeld durch das AMS besteht allerdings nur bei den sogenannten gem § 255 Abs 1 und 2 (bzw § 273 Abs 1) ASVG „berufsgeschützten“ Tätigkeiten. Ein Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation für Versicherte ohne Berufsschutz kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Invaliditätsbegriff des § 255 Abs 3 (bzw § 273 Abs 2) ASVG ohnehin einer völligen Erwerbsunfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt gleichzuhalten ist, sodass letztlich eine berufliche Rehabilitation für diese Personengruppe nicht in Betracht kommen kann [... Literaturhinweise ...]. [...]

5. Besteht daher – wie im vorliegenden Fall – kein Berufsschutz, so hat der Versicherte zwar einen Rechtsanspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation gem § 253f ASVG gegen den Pensionsversicherungsträger und auf Rehabilitationsgeld gem § 143a ASVG gegen den Krankenversicherungsträger, aber keinen Anspruch auf berufliche Rehabilitation durch das AMS sowie auf Zahlung von Umschulungsgeld gem § 39b AlVG. Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation sind daher nach der Rechtslage nach dem SRÄG 2012 wieder eine Pflichtaufgabe der PV iSd §§ 300 ff ASVG und nach § 303 Abs 1 ASVG nach pflichtgemäßem Ermessen zu gewähren.

6. Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien nicht mehr strittig, dass bei der Kl keine voraussichtlich dauerhafte, sondern eine bloß vorübergehende Invalidität iSd § 255 Abs 3 ASVG vorliegt und sie daher ab 1.4.2014 keinen Anspruch auf Weitergewährung der Invaliditätspension, sondern einen Anspruch auf Gewährung von Rehabilitationsgeld aus der KV gem § 143a ASVG hat. Strittig ist allein noch die Frage, ob die Kl darüber hinaus auch einen Anspruch auf Gewährung von Maßnahmen der medizinischen, beruflichen oder sozialen Rehabilitation in Form des (bisherigen) Arbeitstrainings bzw der (bisherigen) Beschäftigungstherapie durch den bekl Pensionsversicherungsträger hat.

7. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG in der hier bereits anzuwendenden (vgl § 688 Abs 1 Z 2 ASVG) Fassung BGBl I 2015/2 ein Antrag auf eine Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit vorrangig als Antrag auf Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation sowie auf Feststellung, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, einschließlich der Feststellung des Berufsfeldes gilt. In diesem Sinne hat die Bekl auch unter Berücksichtigung der bereits zitierten Bestimmung des § 367 Abs 4 ASVG in dem durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheid darüber abgesprochen, dass der Antrag der Kl auf Weitergewährung der mit 31.3.2014 befristeten Invaliditätspension abgelehnt wird, weil Invalidität nicht dauerhaft vorliege; ab 1.4.2014 weiterhin vorübergehende Invalidität vorliege; als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Kl der Verlauf weiterer Therapien abzuwarten sei; Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien und ab dem 1.4.2014 für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der KV bestehe.

8. Soweit die Kl das begehrte Arbeitstraining bzw die begehrte Beschäftigungstherapie als Maßnahme der sozialen Rehabilitation aus der PV beansprucht, steht diesem Begehren schon die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen. [...]

8.1 Im vorliegenden Fall hat die Kl einen Antrag auf (Weiter-)Gewährung der Invaliditätspension gestellt. Von der „Antragsfiktion“ des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG idF BGBl I 2015/2 sind lediglich Leistungen von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation und des Rehabilitationsgeldes sowie die Feststellung umfasst, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind; nicht umfasst sind Maßnahmen der sozialen Rehabilitation iSd § 304 ASVG. Die erstmals im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht im Wege einer Klagsänderung erfolgte Geltendmachung sozialer Maßnahmen der Rehabilitation aus der PV stellt somit keine iSd § 86 ASGG zulässige Klagsänderung dar, sodass ihr die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegensteht. Mangels entsprechender Antragstellung kommt auch eine Säumnisklage iSd § 67 Abs 1 Z 2 ASGG nicht in Betracht. Das Klagebegehren des Inhalts, die begehrte Beschäftigungsmaßnahme als soziale Maßnahme der Rehabilitation aus der PV zu gewähren (§ 304 ASVG), war daher mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen (§ 73 ASGG) und der entsprechende Verfahrensteil als nichtig aufzuheben.

9. Auch mit ihren übrigen Ausführungen erweist sich die Revision aus folgenden Gründen als nicht berechtigt:

10. [...] Die ambulante medizinische Rehabilitation wurde erst mit dem durch das BudgetbegleitG 2011 (BGBl I 2010/111) eingeführten § 302 Abs 1 Z 1a ASVG ausdrücklich in den Leistungskatalog der PV aufgenommen. Es handelt sich dabei um einen Unterfall der stationären Maßnahme (vgl Bergauer in SV-Komm § 302 ASVG Rz 3 und 22 f). Die Leistungen der medizinischen Rehabilitation aus der PV hat der Pensionsversicherungsträger zu erbringen (§ 253f Abs 2 ASVG). Sie werden grundsätzlich als Sachleistung durch den Pensionsversicherungsträger nach einer im pflichtgemäßen Ermessen erfolgenden Auswahl einer eigenen oder einer Vertragseinrichtung gewährt (Bergauer in SVKomm § 302 ASVG Rz 27 f).

10.1 [...] (B)ei der Tätigkeit der Kl im Rahmen der Tagesstruktur von „p*“ [handelt es sich] nicht um eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme iSd § 302 ASVG – und auch nicht um eine unter der Verantwortung von Ärzten ambulant erbrachte medizinische Maßnahme iSd § 302 Abs 1 Z 1a ASVG [...]. Die Kl kann daher ihr Begehren nicht mit Erfolg auf die Bestimmung des § 253f ASVG stützen.

11. Bei der Beschäftigungstherapie der Kl handelt es sich um eine fähigkeitsorientierte Aktivität in einer Einrichtung zur Arbeitsorientierung, Entwick-280lungsorientierung oder Tagesstrukturierung, um Menschen mit Beeinträchtigungen, die keiner Arbeit nachgehen können, eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten. Es handelt sich dabei um eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme iSd § 303 ASVG. [...]

[Derartige Maßnahmen kann] die Kl im Zusammenhang mit ihrem Pensionsantrag [...] im Hinblick auf den fehlenden Berufsschutz nicht mit Erfolg geltend machen. [...]

ANMERKUNG

Das Problem der vorliegenden E lässt sich einfach darstellen: Die Kl, die keinen Berufsschutz genießt, leidet unter einer psychischen Beeinträchtigung, die sie aber nicht dauernd, sondern nur vorübergehend durch voraussichtlich mehr als sechs Monate Dauer (gemessen an den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes) invalid macht. Sie gehört zu dem Personenkreis, der zuletzt im Bezug einer vorübergehenden Invaliditätspension stand, der aber aus Altersgründen ab 1.1.2014 keinen Rechtsanspruch auf befristete Invaliditätspension mehr hat. Nach Ablauf der Frist, für welche die vorübergehende Invaliditätspension gewährt worden war, trat an deren Stelle – unter Heranziehung der in der Übergangsbestimmung des § 669 Abs 6a ASVG vorgesehenen Bemessungsvorschrift – ein Anspruch auf medizinische Rehabilitation gem § 253f ASVG und auf Rehabilitationsgeld aus der KV gem § 143a ASVG.

Im Revisionsverfahren strittig blieb nur der Spruchpunkt 3 des Berufungsurteils: Die Kl strebte mit ihrer Klage an, dass die ihr bisher vom Land Oberösterreich im Rahmen des sogenannten „Chancengleichheitsgesetzes“ (dh kompetenzrechtlich gestützt auf Art 15 Abs 1 B-VG gewährten (Sach-)Leistungen (Arbeitstraining, Beschäftigungstherapie) von der PVA übernommen werden sollten, und zwar als Rehabilitationsmaßnahmen der PV. Vorweg: Die E des OGH entspricht in jeder Hinsicht den rechtlich begründeten Erwartungen.

Ich möchte aber zunächst hinter die Prozessführung der Kl ein Fragezeichen machen (1). Nach einem prozessualen Blick auf die Abgrenzung des zulässigen vom unzulässigen Streitgegenstand (2), sei noch kurz auf den Begriff der medizinischen und der beruflichen Rehabilitation eingegangen (3) und abschließend Fragen der Rechtsdurchsetzung gestreift (4).

1.
Liegt dauernde oder vorübergehende Invalidität vor?

1.1. In den Worten des OGH war im Revisionsverfahren „zwischen den Parteien nicht mehr strittig, dass bei der Klägerin keine voraussichtlich dauerhafte sondern eine bloß vorübergehende Invalidität im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG vorliegt“. Die Betonung dieses Umstandes scheint mir angebracht: Denn die Feststellung des Erstgerichtes, die Kl könne aufgrund ihres Gesundheitszustandes zwar den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes nicht genügen, eine (künftige) Änderung des Leistungskalküls sei aber „nicht auszuschließen“, scheint mir für die Annahme (bloß) vorübergehender Invalidität iSd § 254 iVm § 255 Abs 3 ASVG seit dem SRÄG 2012 nicht mehr hinreichend zu sein: Denn seit der Änderung des § 256 ASVG durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 (Einführung des Regel-Ausnahmeprinzips zugunsten nur befristet zuerkannter Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit) hatte der OGH das Beweismaß für die dauernde Invalidität iSd Nachweises der Gewissheit verschärft. Bestanden auch nur Chancen auf eine Besserung des Leidenszustandes, konnte von dauernder Invalidität schon keine Rede mehr sein (OGH10 ObS 130/01tSSV-NF 15/6, zuletzt OGH 22.10.2013, 10 ObS 151/13y). Die Abschaffung des § 256 ASVG für die am 1.1.2014 noch nicht 50-Jährigen durch das SRÄG 2012 veranlassten den OGH aber wieder zu einer Milderung dieser strengen Rsp: Berufsunfähigkeit liegt seither schon dann „voraussichtlich dauerhaft“ vor, wenn eine Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten nicht zu erwarten ist. Der Versicherte muss daher nicht (mehr) beweisen, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes mit Gewissheit ausgeschlossen ist, sondern nur, dass sie nicht sehr wahrscheinlich ist (OGH10 ObS 40/15bZAS-Judikatur 2015/89, 267 = ARD 6470/13/2015 = DRdA-infas 2015/210, 266 ua RS0130217). Die Annahme bloß vorübergehender Invalidität wird daher von der Feststellung, dass eine Besserung des die Invalidität begründenden Leidenszustandes „nicht auszuschließen ist“, nicht mehr getragen.

1.2. Die Kl hatte noch im erstinstanzlichen Verfahren ihr Klagebegehren dahin abgeändert, dass – nicht anders als im bekämpften Bescheid der PVA – ab 1.4.2014 weiterhin vorübergehende Invalidität festgestellt werden möge und sie ab 1.4.2014 Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der KV für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität habe. Sie hat also das ursprüngliche Begehren auf Invaliditätspension wegen dauernder Invalidität frühzeitig und mE voreilig fallen gelassen. Daher betonte der OGH, dass diese Frage „nicht strittig“ sei. Die neue OGH-Leitentscheidung 10 ObS 40/15b zum Beweismaß vom 30.7.2015 konnten weder die Gerichte noch die Kl (bzw ihr Rechtsvertreter) kennen. Aber die Aufhebung des § 256 ASVG durch das SRÄG 2012 hätte es mE durchaus nahelegen können, an den OGH vorsichtsweise auch die Frage heranzutragen, ob die seinerzeit ausdrücklich auf die Änderungen durch das StrukturanpassungsG 1996 gegründete Verschärfung der Rsp weiter aufrechterhalten wird.

2.
Zulässiger und unzulässiger Streitgegenstand des Revisionsverfahrens

2.1. Das Klagebegehren gegen den Ausspruch der PVA, dass „als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Verlauf weiterer Therapien abzuwarten sei“, hatte ursprünglich dahin gelautet, die PVA als Bekl zur Erbringung konkreter medizinischer Maßnahmen der Rehabilitation und beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen zu verpflichten. Dieses Begehren konkretisierte die Kl schließlich dahin,281 dass die Bekl schuldig sei, der Kl ab 1.4.2014 „Maßnahmen der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation insbesondere durch Fortsetzung des bisherigen Arbeitstrainings und der Beschäftigungstherapie zu erbringen“.

Das Erstgericht gab dem geänderten Klagebegehren statt und vertrat die Auffassung, dass alle Maßnahmen der Behandlung kranker Menschen auch dann unter den Begriff medizinische Maßnahmen der Rehabilitation fielen, wenn sie nicht Krankenbehandlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn seien. Maßgebend sei ihre Eignung, den psychischen Zustand der Kl zu verbessern und die Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit zu bewirken. Das Berufungsgericht hat diesen Teil des Urteils im klagsabweisenden Sinne abgeändert. Nur dieser Ausspruch des Berufungsgerichtes war Gegenstand des Revisionsverfahrens.

2.2. Die Zulässigkeit des Rechtsweges des Verfahrens in Sozialrechtssachen setzt eine vorherige Befassung der sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung mit derselben Sache voraus. Das Gericht kann nur entweder bei Säumnis des Versicherungsträgers oder gegen den die Sache erledigenden Bescheid angerufen werden (§ 67 Abs 1 ASGG). Die Unzulässigkeit des Rechtsweges ist in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung von Amts wegen oder auf Antrag wahrzunehmen.

Der OGH hatte daher zu klären, welcher potentielle gerichtliche Prozessgegenstand durch den Ausspruch des Pensionsversicherungsträgers, dass vorübergehende Invalidität vorliege, „weshalb“ als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit „der Verlauf weiterer Therapien abzuwarten“ sei, eröffnet wird. Dieser etwas holprig wirkende „weshalb-Satz“ wurde vor dem Hintergrund des Deutungsschemas des § 361 Abs 1 ASVG dahin verstanden, dass konkrete (sei es ambulante oder stationäre) Rehabilitationsmaßnahmen vorerst einmal nicht gewährt werden sollten, und zwar weder aus dem Titel der beruflichen noch jenem der medizinischen Rehabilitation. Der Bescheid der PVA enthielt auch den ausdrücklichen Ausspruch, dass Maßnahmen beruflicher Rehabilitation nicht zweckmäßig seien. Nur in diesem Umfang konnte also überhaupt davon die Rede sein, dass der Pensionsversicherungsträger zu dem im Revisionsverfahren angegriffenen Spruchpunkt einen (negativen) Bescheid erlassen hatte.

Soweit das Klagebegehren aber auch auf soziale Rehabilitation iSd § 304 ASVG gestützt wurde, lag weder ein ausdrückliches, noch ein nach § 361 Abs 1 ASVG deutbares Begehren der Kl im Anstaltsverfahren und daher auch kein Abspruch der PVA vor. Insoweit blieben nur die Nichtigerklärung des Verfahrens und die Zurückweisung des diesbezüglichen Klagebegehrens. Im Rahmen des § 304 ASVG wäre die PVA übrigens auch bei Antrag nicht bescheidpflichtig gewesen (vgl unten 4).

3.
Arbeitstraining als Maßnahme der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation?

3.1. Im Rahmen des verbliebenen Prozessgegenstandes ist der OGH mE zurecht zur Abweisung der Revision gelangt: Arbeitstraining und Beschäftigungstherapie werden nicht allein dadurch zu Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, dass die damit verbundenen Erfolgserlebnisse im Ergebnis auch potentiell günstige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Kl haben können, wie das Erstgericht der Sache nach meinte. Darin unterscheiden sich diese Maßnahmen nämlich nicht von anderen erfreulichen Ereignissen des täglichen Lebens. Entscheidend ist vielmehr, dass solche Maßnahmen nicht auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen iSd Definition des § 2 Abs 2 des ÄrzteG beruhen. Damit fehlte es diesen Maßnahmen an der Grundvoraussetzung der Zuordnung zum „medizinisch-therapeutischen Komplex“.

3.2. Die Kl hatte keinen Berufsschutz. Sie hatte daher gegenüber dem Pensionsversicherungsträger auch keinen Rechtsanspruch auf Maßnahmen beruflicher Rehabilitation; auf die oben wiedergegebenen und überzeugenden Ausführungen des OGH in Pkt 4.1. der Urteilsbegründung sei zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Der Kl bleibt nur die antragsbedürftige, aber gerichtlich nicht überprüfbare (vgl auch dazu 4.) Ermessensleistung des § 303 ASVG. Daher blieb die Revision in diesem Punkt erfolglos. Vielleicht etwas voreilig hat der OGH – gleichsam nebenbei – die Beschäftigungstherapie (ausgehend vom Begriffsverständnis „einer fähigkeitsorientierten Aktivität in einer Einrichtung zur Arbeitsorientierung, Entwicklungsorientierung oder Tagesstrukturierung, um Menschen mit Beeinträchtigungen, die keiner Arbeit nachgehen können, eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten“ [Pkt 11 der Gründe]) der beruflichen Rehabilitation iSd § 303 ASVG zugeordnet. § 303 Abs 2 ASVG definiert Maßnahmen beruflicher Rehabilitation aber als solche, durch die „mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer Invalidität oder Berufsunfähigkeit beseitigt oder vermieden werden kann und die geeignet sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiederherstellung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen“. Man mag über die Begrifflichkeit noch streiten: Vom genannten Begriffsverständnis her (das wörtlich der Definition in § 11 Abs 1 Z 3 des OÖ ChancengleichheitsG, oöLGBl 2008/41, entspricht) erfüllt die Beschäftigungstherapie keine einzige der Anforderungen des § 303 Abs 2 ASVG.

4.
Rehabilitationsmaßnahmen und Rechtsdurchsetzung

4.1. Die Rechtsgrundlage des gerichtlichen Verfahrens war eine Entscheidung des Versicherungsträgers aus Anlass eines Pensionsverfahrens nach § 361 Abs 1 iVm § 367 Abs 4 ASVG. Die E des OGH gibt aber Anlass auch die Frage aufzuwerfen, ob § 253f Abs 1 ASVG, der an sich einen Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation vorsieht, auch einen Anspruch auf bestimmte, von der Partei gewünschte Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation vermittelt (wovon die Kl anscheinend ausgegangen ist, wozu der OGH aber nicht Stellung nehmen musste):282

4.2. Beim Versicherungsfall der Krankheit haben krankenversicherte Personen zwar Anspruch auf Heilbehandlung („ärztliche Hilfe“), aber keinen durchsetzbaren Anspruch auf die von ihnen selbst gewünschten Maßnahmen der Heilbehandlung. Dem steht in erster Linie die Beurteilungsprärogative des Arztes entgegen: Erst das Zusammenspiel von dessen Handeln im Rahmen der Therapiefreiheit einerseits, der Wahrnehmung seiner Aufklärungspflicht über alternativ in Betracht kommende Behandlungen andererseits und schließlich die Zustimmung des Patienten zur vom Arzt vorgeschlagenen Therapie als Drittes bestimmen die konkret durchzuführenden medizinischen Maßnahmen (illustrativ zu diesem Zusammenspiel mit Hinweisen auf die Rsp Neumayr, RdM 2014, 282). Der OGH hat schon entschieden, dass kein Anspruch auf eine bestimmte Gesundheitsleistung besteht, wenn der Krankenversicherungsträger eine ausreichende andere Leistung zur Verfügung stellt, die denselben gesundheitlichen Zweck erreicht (OGH10 ObS 111/13sSSV-NF 27/70 = DRdA 2014/32, 338 [Petric]; so auch Felten/Mosler in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 133 Rz 11) und dass die Leistungsbeschränkungen des § 133 Abs 2 ASVG (entspricht § 253f Abs 2 ASVG) legistischer Ausdruck des „in der Krankenversicherung ganz allgemein bestehenden Interessenskonflikts zwischen Patient, Arzt und Sozialversicherungsträger hinsichtlich der Art und des Umfangs der Krankenbehandlung“ sind (OGH 15.11.2014, 10 ObS 135/14x). Das ist aufgrund der Ähnlichkeit der Problemlage bei medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation iSd § 253f ASVG nicht anders (jüngst überzeugend zweifelnd, ob überhaupt eine sinnvolle Abgrenzung der medizinischen Rehabilitation von der Krankenbehandlung möglich ist Felten/Mosler, Grenzen der Krankenbehandlung, DRdA 2015, 476 [487 f]).

4.3. Bei Anträgen auf Rehabilitationsleistungen der PV außerhalb eines Pensionsverfahrens nimmt der OGH keine (durch einen Antrag bedingte) Bescheidpflicht und daher auch kein Klagerecht an (OGH 14.4.1994, 10 ObS 28/94; OGH10 ObS 68/09mARD 6109/5/2011 = DRdA 2012/2, 28 [krit Binder]; ebenso ausdrücklich zur Rechtslage nach dem SRÄG 2012 jüngst OGH 19.1.2016, 10 ObS 119/15w). Nur bei „Pflichtleistungen ohne individuellen Rechtsanspruch“ bestehen Bescheidpflicht der PVA und ein Klagerecht „wegen gesetzwidriger Ermessensübung“ (vgl die Leitentscheidung OGH 10 ObS 258/02tSZ 2003/14 = DRdA 2004/22 [zust Naderhirn] = ZAS 2004/31, 183 [abl Haslinger] zu medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation nach § 154a ASVG; zu dieser Entwicklung kritisch Kletter, Sozialgerichtliche Ermessensanmaßung, in

Karl
[Hrsg], Sozialversicherungsrecht – Jahrbuch [2008] 57 ff), dies allerdings mit der Maßgabe, dass zwar eine Rechts- jedoch keine Zweckmäßigkeitskontrolle erfolgt (OGH10 ObS 138/10gSZ 2010/162 = DRdA 2012/7, 48 [Stöger]), und zwar dahin, ob die Ermessensübung des Versicherungsträgers innerhalb des gesetzlichen Rahmens geblieben ist; das Gericht hat aber nicht selbst Ermessen zu üben (zu dieser Frage aA Stöger, DRdA 2012, 50 [51 f]).

4.4. Der OGH ging bei dem im Revisionsverfahren noch strittigen Anspruch zwar ohne nähere Begründung in diesem Punkt, aber vor dem Hintergrund der soeben zit Rsp zu § 154a ASVG konsequent von einem grundsätzlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitationsleistungen iSd § 253f ASVG aus; andernfalls hätte er auch insoweit eine Unzulässigkeit des Rechtsweges annehmen müssen. Dieser Anspruch kann aber wohl nicht in der Weise durchgesetzt werden, dass bestimmte Therapiemaßnahmen eingeklagt werden (wie sich wohl aus OGH10 ObS 111/13sSSV-NF 27/70 = DRdA 2014/32, 338 [Petric] ergibt), zumal die Rsp in vergleichbaren Fällen nur einen Anspruch auf gesetzmäßige Ermessensübung anerkennt. In der jüngeren Rsp des 10. Senates finden sich als Prüfkriterien der Ermessenskontrolle der Bedarf des Antragstellers nach der begehrten Leistung, die finanzielle Lage des Versicherten, die finanzielle Lage des Sozialversicherungsträgers sowie die ständige Praxis gegenüber anderen Versicherten sowie der Anspruch, dass bei der Entscheidung keine unsachlichen Momente eine Rolle spielen (OGH10 ObS 45/08bSSV-NF 22/35 – zur Ermessensübung nach § 205 Abs 3 ASVG; OGH 27.7.2004, 10 ObS 10/04z – zur Ermessensübung gem § 184 Abs 1 und 2 ASVG). Realistischerweise wird der Versicherungsträger nicht gleichzeitig allen Rehabilitationsanwärtern Maßnahmen gewähren können, sodass auch eine „Nullvariante“ (bei gleichzeitiger Gewährung des Rehabilitationsgeldes) eine zulässige Option der Ermessensübung sein muss. Angesichts dessen wird hier ungeachtet der Textierung des § 253f ASVG idR ein (weiter) Ermessensspielraum des Versicherungsträgers iS eines Auswahlermessens aus mehreren in Betracht kommenden Maßnahmen und demgemäß eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf gesetzmäßige Ermessensübung angenommen werden müssen. Sofern man sich nicht doch zu der Meinung durchringt, dass sich der Rechtsanspruch materiell auf das Rehabilitationsgeld beschränkt und dessen Bezug – umgekehrt – eine Obliegenheit zur Duldung zumutbarer Rehabilitationsmaßnahmen auslöst (vgl § 99 Abs 1a und § 143a Abs 5 ASVG).

4.5. Ist aber angesichts der Breite des Spielraums bei § 253f ASVG eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch in der Praxis überhaupt denkbar? Im Bereich der medizinischen Rehabilitation in der KV (§ 154a ASVG) hat die Ermessenskontrolle bisher – soweit zu sehen – nur bei einem Streit zur Kostenübernahme bei prothetischer Versorgung (OGH10 ObS 7/05k SZ 2005/80) und bei der Gewährung eines Krankenfahrstuhles (OGH10 ObS 258/02tSZ 2003/14 = DRdA 2004/22, 263 [Naderhirn] = ZAS 2004/31, 183 [abl Haslinger]) eine Rolle gespielt. Brauchbare Beispiele für eine Ermessenskontrolle im Falle eines Auswahlermessens hat sie bisher nicht hervorgebracht, sodass abzuwarten bleibt, ob im Anwendungsbereich des § 253f ASVG durch die Zulassung des Rechtsweges ein wirklicher Bedarf nach und ein Zugewinn an Rechtsschutz auszumachen sein wird.283