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„WhatsApp“ erfüllt nicht Schriftformgebot bei Kündigung

BARBARATROST (LINZ)
  1. Bei Übernahme gesetzlicher Begriffe durch einen KollV kann im Zweifel davon ausgegangen werden, dass der KollV diese Begriffe im gleichen Sinne verwendet wie das Gesetz. Das Gesetz versteht Schriftlichkeit in § 886 ABGB als „Unterschriftlichkeit“, die durch eigenhändige Unterfertigung unter den Text hergestellt wird. Das Erfordernis der Schriftform soll schon ganz allgemein gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können.

  2. Die unterschiedlichen Formgebote sind nach ihrem jeweiligen Zweck zu untersuchen. In jedem Einzelfall ist auch zu prüfen, ob ein Schriftformgebot nach dem konkreten Formzweck auch dann eingehalten ist, wenn das eigenhändig unterfertigte Schriftstück bloß unter Einsatz elektronischer Medien übermittelt wird.

  3. Der Empfänger, sei es nun der AG oder der AN, soll durch die geforderte Schriftlichkeit ein Dokument über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den anderen Vertragsteil zum weiteren Verbleib bei ihm erhalten, damit er es einer Überprüfung unterziehen kann. Die physische Verfügungsmöglichkeit über eine tatsächliche „Hardcopy“ (hier iSd Ausdrucks des Dokuments) des Kündigungsschreibens ermöglicht dem Empfänger nicht zuletzt auch die Anfertigung einer Kopie und Übergabe derselben oder des Originals an eine Beratungsstelle. Zudem besitzt die Schriftform einer Kündigung eine in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Beweisfunktion. Ein über „WhatsApp“ übermitteltes Foto der schriftlichen Kündigungserklärung erfüllt die vorstehenden Zwecke schon deshalb nicht, weil es für den Empfänger der Nachricht ohne weitere Ausstattungen und technisches Wissen nicht möglich ist, das auf dem Smartphone übermittelte Foto des Kündigungsschreibens auszudrucken.

Die Kl war bei der Bekl vom 3.10.2011 bis 30.11.2014 als Zahnarztassistentin beschäftigt.

§ 15 des auf das Dienstverhältnis zwischen den Parteien anwendbaren KollV für die Zahnarztangestellten Österreichs (kurz: KollV) lautet wie folgt:339

§ 15 Kündigung
1. [...]
2. Kündigungen müssen bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit schriftlich erfolgen.

Am 31.10.2014 sprach die Bekl zunächst fernmündlich gegenüber der Kl die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Noch am selben Tag verfasste die Bekl ein an die Kl gerichtetes Kündigungsschreiben, in dem sie ua erklärte, dass das Arbeitsverhältnis infolge der Kündigung mit 30.11.2014 ende. Das Kündigungsschreiben war mit Stempel und Unterschrift der Bekl versehen und ging der Kl per Post am 4.11.2014 zu. Darüber hinaus fotografierte die Bekl das Kündigungsschreiben und übermittelte das Foto über „WhatsApp“ noch am 31.10.2014 an die Kl. Diese erhielt auch die fotografierte Kündigung über „WhatsApp“ und las sie zur Gänze, also inklusive Stempel und Unterschrift der Bekl, noch am selben Tag durch.

Mit Schreiben vom 13.11.2014 teilte die Bekl der Kl mit, dass die am 31.10.2014 ausgesprochene Kündigung weiterhin bestehe, aber die Kündigungsfrist auf zwei Monate berichtigt werde, weil dies das AngG vorsehe. Somit ende das Arbeitsverhältnis am 31.12.2014.

Die Kl begehrt [...] Kündigungsentschädigung samt anteiliger Sonderzahlungen und anteiliger Urlaubsersatzleistung für den Zeitraum 1.12.2014 bis 31.1.2015. [...] Die ihr von der Bekl über „WhatsApp“ übermittelte Fotografie des Kündigungsschreibens erfülle nicht das in § 15 Z 2 KollV normierte Formerfordernis der Schriftlichkeit. [...]

Rechtliche Beurteilung

[...]

1. Die dem normativen Teil eines KollV angehörenden Bestimmungen sind nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen, und zwar nach ihrem objektiven Inhalt. Maßgeblich ist daher, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0008782; RS0010088; RS0008807 ua). Dabei ist im Zweifel zu unterstellen, dass die Vertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RIS-Justiz RS0008897; RS0008828). Bei Übernahme gesetzlicher Begriffe durch einen KollV kann im Zweifel davon ausgegangen werden, dass der KollV diese Begriffe im gleichen Sinne verwendet wie das Gesetz (RISJustiz RS0008761).

2. Nach § 886 Satz 1 ABGB kommt ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, durch die Unterschrift der Parteien [...] zustande. Diese Bestimmung ist nicht nur auf Verträge, sondern auch auf einseitige Erklärungen anzuwenden, für welche das Gesetz, ohne eine entsprechende Einschränkung zu machen, Schriftlichkeit normiert (RIS-Justiz RS0017216).

3. Dass es sich bei dem in einem KollV normierten Formgebot nicht bloß um eine Ordnungsvorschrift, sondern um eine Wirksamkeitsvoraussetzung handelt, ist stRsp (9 ObA 14/08m; 9 ObA 78/08y mwN).

4.1. Das Gesetz versteht Schriftlichkeit in § 886 ABGB als „Unterschriftlichkeit“, die durch eigenhändige Unterfertigung unter den Text hergestellt wird (RIS-Justiz RS0078934). Das Erfordernis der Schriftform soll schon ganz allgemein gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können (RIS-Justiz RS0017221).

4.2. Die unterschiedlichen Formgebote sind nach ihrem jeweiligen Zweck zu untersuchen (vgl 5 Ob 207/02f; 9 ObA 96/07v; 9 ObA 14/08m; 3 Ob 259/08x; 9 Ob 41/12p; 3 Ob 104/14m ua; vgl RISJustiz RS0031424; RS0013121; P. Bydlinski, KBB4 § 886 Rz 7; Dullinger in

Rummel/Lukas
, ABGB4 § 886 Rz 12). In jedem Einzelfall ist auch zu prüfen, ob ein Schriftformgebot nach dem konkreten Formzweck auch dann eingehalten ist, wenn das eigenhändig unterfertigte Schriftstück bloß unter Einsatz elektronischer Medien übermittelt wird (Kalss in
Kletecka/Schauer
, ABGB-ON1.02 Rz 9; § 886 ABGB Rz 9; Riedler in
Schwimann/Kodek
4 § 886 Rz 7; Kolmasch in
Schwimann/Kodek
, ABGB Taschenkommentar3 § 886 Rz 5).

4.3. Der Zweck der Schriftform (mit Unterschrift) wird auch im Übereilungsschutz und in der Beweissicherung gesehen (3 Ob 104/14m mwN). Aber auch andere Zwecke, die sich zum Teil mit den genannten überschneiden, kommen in Betracht, etwa dass eine Erklärung in Bezug auf die Person des Erklärenden und den Inhalt besonders augenscheinlich gemacht wird (9 ObA 14/08m = DRdA 2009/7, 43 [Ziehensack]). Dieser letztgenannte Zweck kann sich sowohl auf die Ausstellerseite (Schutz vor Übereilung bei Abgabe der Erklärung) als auch auf die Empfängerseite (besondere Bedeutung des Schreibens) beziehen (3 Ob 104/14m).

4.4. Gerade die besondere Bedeutung eines das Arbeitsverhältnis beendenden Kündigungsschreibens für den Empfänger ist wesentlicher Zweck des in § 15 Z 2 KollV bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit festgelegten Schriftlichkeitsgebots. Der Empfänger, sei es nun der AG oder der AN, soll durch die geforderte Schriftlichkeit ein Dokument über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den anderen Vertragsteil zum weiteren Verbleib bei ihm erhalten, damit er es einer Überprüfung unterziehen kann. Die physische Verfügungsmöglichkeit über eine tatsächliche „Hardcopy“ (hier iSd Ausdrucks des Dokuments) des Kündigungsschreibens ermöglicht dem Empfänger nicht zuletzt auch die Anfertigung einer Kopie und Übergabe derselben oder des Originals an eine Beratungsstelle (Gewerkschaft, Arbeiterkammer, Rechtsanwalt) (DRdA 2009/7, 45 [Ziehensack]). Zudem besitzt die Schriftform einer Kündigung [richtig: eine] in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Beweisfunktion. Es soll nämlich verhindert werden, dass über die Existenz einer Kündigung und die daraus resultierende Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ungewissheit oder Streit besteht (vgl Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht15 § 623 BGB Rz 1). Berücksichtigt man, dass die Kollektivvertragsparteien mit der Formvorschrift des § 15 Z 2 KollV eine zweckentsprechende und340 praktisch durchführbare Regelung treffen wollten (siehe Pkt 1), dann muss davon ausgegangen werden, dass sie bei Festlegung der Formvorschrift der Schriftlichkeit für Kündigungen auch die verschiedenen (und auch damals üblichen) Zugangsmöglichkeiten im Blick gehabt haben.

4.5. Nicht weiter strittig ist, dass es sich bei „WhatsApp“ um eine plattformübergreifende mobile Nachrichten-Applikation handelt, die es erlaubt, zwischen zwei oder mehreren Smartphones via Internet vor allem Textnachrichten und Bilddateien auszutauschen, ohne den sonst für SMS anfallenden Tarif eines Mobilfunkanbieters zahlen zu müssen. Die Applikation „WhatsApp“ greift zu auf den zugrundeliegenden Chat-Dienst gleichen Namens, der 2009 gegründet wurde. Ein nun über „WhatsApp“ übermitteltes Foto der schriftlichen Kündigungserklärung erfüllt die vorstehenden Zwecke schon deshalb nicht, weil es für den Empfänger der Nachricht ohne weitere Ausstattungen und technisches Wissen nicht möglich ist, das auf dem Smartphone übermittelte Foto des Kündigungsschreibens auszudrucken. Erhält der Empfänger einer Kündigung aber keinen Ausdruck der Kündigung und kann er auch nicht leicht den Ausdruck vom Foto des Dokuments bewerkstelligen und sich damit ein physisches Schriftstück herstellen, ist auch nicht ausreichend gewährleistet, dass der Empfänger alleine aus dem auf dem Smartphone (je nach Qualität und Größe des Displays) ersichtlichen Foto des Schriftstücks den Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnehmen kann.

4.6. Der vom Berufungsgericht gezogene Vergleich eines über „WhatsApp“ übermittelten Kündigungsschreibens mit einer „Telefax-Bürgschaft“, deren Wirksamkeit von der jüngeren Rsp anerkannt wird (9 Ob 41/12p; 1 Ob 161/13b), ist nicht zielführend. Die Sachverhalte und Probleme sind verschieden. Steht bei der Frage, ob die „Telefax-Bürgschaft“ dem Formzweck der Schriftlichkeit genügt, der Übereilungsschutz im Vordergrund, so liegt der Formzweck der Schriftlichkeit der Kündigung einer Arbeitsvertragspartei im Hinblick darauf, dass die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei von Unsicherheiten sein soll, wesentlich im Bedürfnis des Empfängers, das Kündigungsschreiben des anderen Vertragsteils physisch in Händen zu haben (siehe Pkt 4.4.).

4.7. Zusammengefasst wird ein vom schriftlichen (unterfertigten) Kündigungsschreiben erstelltes und über „WhatsApp“ an den Arbeitsvertragspartner übermitteltes Foto desselben dem in § 15 Z 2 des KollV für die Zahnarztangestellten Österreichs normierten Schriftformgebot für Kündigungen nicht gerecht. Da sich der Empfänger der „WhatsApp“-Nachricht nicht ohne weiteres, also ohne zusätzliches einfaches technisches Vorgehen, einen Ausdruck in Form eines physischen Schriftstücks des ihm übermittelten Fotos des Kündigungsschreibens herstellen kann, entspricht ein über „WhatsApp“ übermitteltes Foto des Kündigungsschreibens den Formzwecken des Schriftformgebots des § 15 Z 2 KollV, nämlich der ausreichenden Prüfungsmöglichkeit des Kündigungsschreibens und dem Beweiszweck, insb auch für den Empfänger, nicht.

4.8. Die durch die Bekl erfolgte Kündigung des Arbeitsverhältnisses wurde daher erst durch das der Kl am 4.11.2013 zugegangene Kündigungsschreiben wirksam. Die Kündigungsfrist endete somit gem § 15 Z 1 KollV iVm § 20 Abs 1 AngG am 31.1.2015. Der Kl steht aufgrund der fristwidrigen Kündigung bis zu diesem Zeitpunkt die der Höhe nach nicht mehr strittige Kündigungsentschädigung zu (RIS-Justiz RS0028223). [...]

ANMERKUNG

Tempora mutant! Und es stellt sich die Frage, ob der OGH hier die Zeichen der Zeit nicht erkennt – oder ob er richtigerweise dem elektronischen Büro an der Kippe von der Gegenwart zur Zukunft gewisse Vorgänge verweigert. Die Antwort ist für den gegenständlichen Fall verhältnismäßig klar im Recht zu erkennen, und dabei geht es nicht um Einzelregelungen für besondere Details, sondern vielmehr um sehr allgemeine und tief im bürgerlichen Recht verwurzelte Prinzipien.

Nicht nur der Inhalt der Erklärung, sondern auch die Person des Erklärenden solle hinreichend klar erkennbar sein, meint der OGH ua als Zweck von Schriftformgeboten für Kündigungen zu erkennen. Zudem sei der Übereilungsschutz ein weiterer Zweck, sowie auch die Ernsthaftigkeit (aus der Empfängersicht), vor allem aber die Möglichkeit, sich ua zur Beweissicherung eine Hardcopy anzufertigen.

1.
Formfreiheit von Kündigungen und Schriftformgebote

Kündigungen an sich sind – mangels besonderer Schriftformgebote – an keine Formvorschriften gebunden. Grundsätzlich kann daher eine Kündigung schriftlich, mündlich und sogar konkludent durch ein Verhalten, das keinen Zweifel am Willen des/der Erklärenden übrig lässt, ausgesprochen werden (vgl zB Trost in

Löschnigg
, Angestelltengesetz II9 [2012] § 20 Rz 22 f). Trotz dieser prinzipiellen Formfreiheit ist aber stets darauf zu achten, dass die Erklärung dem für das Rechtsgeschäft notwendigen Zweck entspricht: Sie muss dem Empfänger zugehen, wobei für diesen aus der Erklärung deutlich wird, wer was ausgesprochen hat (vgl § 869 ABGB). Der Zugang der Erklärung ist also nur dann gegeben, wenn diese tatsächlich in den Machtbereich des/der Empfängers/Empfängerin gelangt, und wenn dem/der EmpfängerIn aufgrund der Erklärung klar ist, dass die/der AG Erklärende/r ist und inhaltlich eine Kündigung gewollt war. Der Zugang iSd Einlangens im Machtbereich des/der Empfängers/Empfängerin ist zB idR nicht gegeben, wenn die/der AG schlicht die Abmeldung bei der SV vornimmt, ohne die/den AN davon zu verständigen (vgl nur zB OGH4 Ob 50/85
[Csebrenyak]
). An der Erkennbarkeit des/der Erklärenden könnte es etwa dann mangeln, wenn die Erklärung schriftlich erfolgt, jedoch nicht341 unterschrieben wurde und (daher) nicht erkennbar ist, von wem das Schriftstück stammt. Der Inhalt der Erklärung wird bei ordnungsgemäßem Zugang meist Auslegungssache sein.

Die genannten elementaren Prinzipien bilden im Allgemeinen die Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Art der Übermittlung zulässig und wirksam ist. Dass sich indes die Übermittlungsmethoden im Laufe der Zeit geändert haben, ergibt sich selbstredend aus der (teilweise rasanten) Entwicklung der technischen Möglichkeiten. Wenn man bedenkt, dass Kündigungen bereits ausgesprochen wurden, als selbst Telefone noch nicht oder kaum bekannt waren und Briefe mit der Postkutsche transportiert wurden, verwundert es nicht, wenn die Rechtsauslegung im Laufe der Zeit bereits mehrfach gefordert war, die Tauglichkeit alternativer Übermittlungsmethoden auf den Prüfstand zu stellen.

Von den ohne Vorliegen eines Formgebotes zur Wahl stehenden Übermittlungsmethoden ist die vom Standpunkt der Rechtssicherheit idealste die mündliche oder fernmündliche Erklärung, weil nur in diesem Fall für den/die ErklärungsempfängerIn sofort ohne Zweifel erkennbar ist, wer tatsächlich diese Erklärung abgegeben hat. Aus der Perspektive der Beweissicherung wiederum ist genau diese Art der Erklärung die unsicherste. Bei schriftlichen Erklärungen muss jedenfalls auch bei freier Wahl der Form gesichert erkennbar sein, dass das Schriftstück wirklich vom/von der Erklärenden stammt. Schriftlichkeit inkludiert daher idR auch bei freier Formwahl Unterschriftlichkeit. Während also schriftliche Erklärungen grundsätzlich für Beweiszwecke ideal sind, können sie im Hinblick auf die Rechtssicherheit dann problematisch sein, wenn zB wegen Fehlens der Unterschrift die Identität des/der Erklärenden nicht gewiss ist. In besonderem Maß hiervon betroffen sind Erklärungen durch E-Mail oder SMS – und dies ungeachtet von etwaigen Schriftformgeboten (vgl zB zur Ablehnung der SMS als Übermittlungsform bei Schriftformgebot nach BAG OGH 7.2.2008, 9 ObA 96/07), nämlich bereits im Kontext mit der Frage der Erkennbarkeit des/der Erklärenden (in diesem Sinne zB auch Hofstätter, Die Neuregelung des Theaterarbeitsrechts im Theaterarbeitsgesetz [Diss. Linz, 2014] 128). So wird auch bei Formfreiheit und trotz prinzipiellem Ausreichen des maschinschriftlich gesetzten Vor- und Zunamens uU eine Erklärung per E-Mail dann problematisch sein, wenn dem/der EmpfängerIn bekannt ist, dass der/die Erklärende (wenn auch rechtswidrig) sein/ihr Passwort weitergegeben hat, also zB – was gar nicht so unüblich ist – die Sekretärin an seiner/ihrer Stelle von seinem/ihrem Account aus E-Mails versendet. Eine Erklärung per SMS lässt etwa dann nicht eindeutig auf die/den Erklärenden schließen, wenn diese/r bekanntermaßen häufig sein Handy (nicht gesperrt) frei herum liegen lässt oder verlegt, und sich schon gelegentlich KollegInnen üble Scherze damit erlaubt haben. Diesen Problemen kann begegnet werden, indem per E-Mail oder SMS (bzw in diesem Fall richtiger MMS) das gesamte eingescannte oder als Foto-Datei beigefügte Dokument, also die schriftliche Kündigung samt Unterschrift, übermittelt wird. Richtigerweise muss Gleiches wohl auch für qualifizierte elektronische Signaturen iSd § 4 Abs 1 Signaturgesetz gelten (vgl zB Dullinger in

Rummel/Lukas
[Hrsg], ABGB4 § 886 ABGB Rz 6; Hofstätter, Die Neuregelung des Theaterarbeitsrechts im Theaterarbeitsgesetz 123; in diesem Sinne auch Köck, ZAS 2016, 87). Eine Restunsicherheit bleibt dennoch im einen wie im anderen Fall: So wie bei schriftlichen (unterschriebenen) Erklärungen, die per Post gesandt werden, sind auch bei elektronischer Übermittlung (und Übermittlung elektronisch beigesetzter Unterschriften) Fälschungen nicht ausgeschlossen. Auch kann zB ein vorbereitetes und noch nicht zur Absendung vorgesehenes Papier durch eine andere Person übermittelt werden – was übrigens beim Brief wieder eher möglich ist als bei einer MMS. Die für Verträge geltende Regel des schutzwürdigen Vertrauens des/der Empfängers/Empfängerin (bei Erklärungsfahrlässigkeit des/der vermeintlich Erklärenden) kann für einseitige (für den/die EmpfängerIn belastende) Rechtsgeschäfte, wie die Kündigung, aufgrund der Ratio jedenfalls nicht uneingeschränkt gelten. Verschafft sich also zB die Reinigungskraft widerrechtlich Zugang zum PC des AG und verschickt, um jemanden zu ärgern, eine E-Mail mit einer Kündigung, so liegt es nach Aufklärung dieses Umstandes in der Macht des/der Erklärungsempfängers/in, zu bestimmen, ob er/sie die Kündigung gegen sich gelten lassen will. Der/die Erklärende kann sich aber keinesfalls darauf berufen, er „müsse“ an dieser Erklärung festhalten.

Fest steht, dass eine einigermaßen rechtssichere Erklärung sowohl per Brief, als auch per E-Mail oder per MMS einen gewissen Aufwand erfordert: Das Verfassen eines Schreibens, die Unterschrift, die Übermittlung. Eine übereilte Erklärung ist daher in all diesen Varianten eher ausgeschlossen, während mündliche oder durch einfache (nicht unterschriebene und daher von der Erkennbarkeit des/der Erklärenden her unsichere) E-Mail oder SMS rasch und vielleicht auch wenig überlegt abgegeben werden können. Zusammenfassend ergibt sich daher – zunächst für völlig freie Formwahl –, was die Auswirkungen der jeweiligen Form auf Erkennbarkeit des/der Erklärenden, Übereilungsschutz und Beweisbarkeit anlangt, das folgende Bild:

  • Bei mündlichen und telefonischen Erklärungen ist für den/die EmpfängerIn am leichtesten erkennbar, wer die Erklärung abgegeben hat. Insofern besteht hier größte Rechtssicherheit. Daher ist nicht nachvollziehbar, warum der OGH die Schriftform ua als dem Zwecke der zuverlässigen Erkennbarkeit des/der Erklärenden dienend ansieht.

  • Mündliche und telefonische Erklärungen, solche per E-Mail und per SMS können leicht übereilt erfolgen. Demgegenüber ist der optimale Übereilungsschutz bei schriftlichen Erklärungen gegeben, wobei unter diesen nicht nur der (unterschriebene) per Post übermittelte Brief, sondern auch der eingescannte und per342 E-Mail oder MMS, oder eben auch per WhatsApp gesandte Brief zu verstehen ist.

  • Die Beweisbarkeit ist bei mündlichen und telefonischen Erklärungen am wenigsten gegeben. Bei einfachen Erklärungen per E-Mail oder SMS besteht zwar Beweisbarkeit, die Möglichkeit, dass das elektronische Medium von anderen missbraucht wurde, ist aber leichter gegeben, als dies zB bei der Fälschung einer Unterschrift der Fall wäre.

  • Die Beweisbarkeit ist ideal gegeben bei schriftlichen iS von unterschriftlichen Erklärungen, wobei die Art der Übermittlung grundsätzlich keine Rolle spielt.

  • Das zentrale Dokumentationsinteresse, nämlich jenes an der Dokumentation des Rechtsgeschäfts an sich, liegt bei AG-Kündigungen zweifelsfrei nur bei der/beim AG. Ein Beweis- und damit auch Dokumentationsinteresse des/der AN entsteht erst, wenn das Rechtsgeschäft an sich ohnehin außer Frage steht und konkrete Inhalte, wie zB die Angabe eines bestimmten Kündigungstermins, strittig werden könnten.

2.
Sinn und Zweck von Schriftformgeboten

Geht man davon aus, dass – wie dargelegt – jede Variante der Schriftform die Identifikation des/der Erklärenden erschwert und nicht erleichtert, bleiben als mögliche Zwecksetzungen von Schriftformgeboten der Schutz vor übereilten Entscheidungen, die bessere Beweisbarkeit und Dokumentierbarkeit, sowie die Ernsthaftigkeit der Erklärung (um dem/der EmpfängerIn die Seriosität deutlich zu machen).

Um den Zweck eines kollektivvertraglichen Schriftformgebotes zu erschließen, wird – mit dem OGH – richtigerweise auf Zwecke vergleichbarer gesetzlicher Schriftformgebote zu blicken sein. Die Normzweckermittlung hat dabei gem der §§ 6 und 7 ABGB im Anschluss an die Betrachtung von Wortlaut und systematischem Kontext im objektiven Weg zu erfolgen, wobei der allenfalls dokumentierte Wille des Normgebers als subjektive Komponente einzufließen hat, insoweit er der objektiven Normzweckermittlung dienlich ist (vgl insb Strasser, Juristische Methodologie und soziale Rechtsanwendung im Arbeitsrecht,

DRdA 1979, 85 ff [91 f]
; vgl auch Kuderna, Die Auslegung kollektivrechtlicher Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß,
DRdA 1975, 161 ff [169]
; vgl allgemein nur statt Vieler Kerschner, Wissenschaftliche Arbeitstechnik und Methodenlehre für Juristen6 [2014] 35 ff).

Sehr spärlich sind die Anhaltspunkte, die auf den historischen Willen der Normgeber von Schriftformgeboten schließen lassen (so etwa bereits zum SchSpG, AB 1006 BlgNR 7. GP, wo der Gesetzgeber selbst [2] Erklärungen wegen des klaren Zwecks für entbehrlich hält; vgl außerdem zum TAG ErläutRV 936 BlgNR 24. GP 14; vgl dazu Hofstätter, Die Neuregelung des Theaterarbeitsrechts im Theaterarbeitsgesetz 126; außerdem ohne Zweckkonkretisierung zum VBG die ErläutRV 544 BlgNR 5. GP 19). Deutlich hinsichtlich der Gründe für die Schriftform sind jedoch die Materialien zur schriftlichen einvernehmlichen Auflösung nach APSG (in der ursprünglichen Fassung § 6 Abs 7), wonach „sich der Dienstnehmer ... der Tragweite seines Entschlusses bewusst“ werden soll (= Übereilungsschutz; vgl ErläutRV 25 BlgNR 8. GP 8). Im Ausschuss zur Neuregelung 1991 wird zudem (nunmehr bereits zu § 16) angemerkt, dass die schriftliche Vereinbarung konstitutive Bedeutung hat (vgl AB 291 BlgNR 18. GP 15). Noch detaillierter wird in den Erläuterungen zum BAG der Übereilungsschutz als zentraler Zweck des Schriftlichkeitsgebots ausgeführt (vgl ErläutRV 876 BlgNR 11. GP 41).

Lehre und Rsp haben diese dokumentierten Zwecke von Schriftformgeboten bei Auflösungen von Arbeitsverhältnissen übernommen und ergänzt, sodass in Summe nach herrschendem Meinungsstand Schriftformgebote für Auflösungen von Arbeitsverhältnissen die nachfolgenden Zwecke erfüllen: Identifizierung des/der Erklärenden durch Unterschriftlichkeit, Beweis des gesamten Rechtsgeschäfts, Beweis rechtsgeschäftlicher Details, Übereilungsschutz (ein schließlich der Verdeutlichung der Ernsthaftigkeit). Dabei nützt die Identifizierung beiden Teilen, der Beweis des gesamten Rechtsgeschäfts dem/der Erklärenden, der Beweis der rechtsgeschäftlichen Details (zB Kündigungstermin) vor allem dem/der ErklärungsempfängerIn und der Übereilungsschutz von Fall zu Fall dem/der Erklärenden oder dem/der EmpfängerIn.

3.
Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall – und darüber hinaus

Jede Art von Schriftform verlangt die Unterschriftlichkeit, und zwar weil nur so der/die Erklärende eindeutig identifiziert werden kann. Und erst im Anschluss an diese Erkenntnis stellt sich die Frage, auf welche (im weitesten Sinn postalische) Art die Übermittlung des unterschriebenen Papiers erfolgt. Wenn das Schreiben, Unterschreiben und Übermitteln naturgemäß einen gewissen Aufwand erfordert, so ist der – vom OGH hier zu Unrecht nicht in den Vordergrund gestellte – Übereilungsschutz damit jedenfalls gegeben. Was nun das vom OGH als ausschlaggebend erachtete Dokumentationsinteresse (die Beweisbarkeit) betrifft, könnte dem gleich allgemein damit begegnet werden, dass natürlich jede Form der elektronischen Übermittlung dokumentiert bzw dokumentierbar ist. AN und AG, welche das „elektronische Büro“ grundsätzlich nicht in Anspruch nehmen, kommunizieren nicht über MMS und auch nicht über „WhatsApp“. Wer dies aber tut, dokumentiert elektronisch, zB durch Ablage in elektronischen Ordnern, auf externen Festplatten usw. Wer trotz Inanspruchnahme dieser Übermittlungstechnologie das Bedürfnis hat, Wichtiges auch als Hardcopy zu dokumentieren, tut dies, indem er/sie kurzerhand das Handy an den Laptop anschließt, die „WhatsApp“-Nachricht als Mail übermittelt und/oder auf die Festplatte überträgt und ausdruckt. Dieser Vorgang ist nicht komplexer als das Ausdrucken einer E-Mail. Lehnt man also unter Berufung auf ein Schriftformgebot die Übermittlung einer unterschriebenen Kündi-343gung per „WhatsApp“ ab, so wäre konsequenterweise auch die unterschriebene Kündigung per Mail – wie sie von der hL ganz iSd Leitentscheidung zur Bürgschaft (OGH9 Ob 41/12pJBl 2013, 663; OGH1 Ob 161/13bZak 2013, 381; vgl zB Kalss in

Kletecka/Schauer
[Hrsg], ABGB-ON1.02 § 886 Rz 9 mwN) als ausreichend angesehen wird – nicht schriftformgerecht. Übrigens unterscheidet sich auch hinsichtlich der Frage der Mobilität die Übermittlung auf Handys in keiner Weise von der Übermittlung von E-Mails, zumal tatsächlich auch E-Mails mittlerweile in weitem Umfang „unterwegs“, also am Smartphone gelesen werden (vgl auch Köck, ZAS 2016, 88). Nebenbei bemerkt geht das Argument, die Dokumentierbarkeit in Hardcopy erleichtere das Einholen von Rat und Beratung an der Realität vorbei: Wer per SMS, MMS, WhatsApp oder Ähnlichem kommuniziert, leitet Schriftstücke zwecks Begutachtung oder Beratung elektronisch weiter!