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Arbeitnehmer, der Behinderung verschweigt, darf deshalb nicht gekündigt werden

THOMASPFALZ (WIEN)
  1. Der Schutz vor Diskriminierungen gilt unabhängig davon, ob das Merkmal, aufgrund dessen die Diskriminierung erfolgt, tatsächlich vorliegt oder bloß vermutet wird. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des AG und dem geschützten Merkmal ist auch dann zu bejahen, wenn der AG in der unrichtigen Annahme, es liege beim AN ein geschütztes Merkmal vor, dieses zum Anlass seines Verhaltens nimmt.

  2. Besteht ein solcher Kausalzusammenhang, kommt es auf die Frage, ob ein iSd § 2 BEinstG begünstigter behinderter AN auch bei Fehlen feststellbarer körperlicher oder psychischer Funktionsbeeinträchtigungen den Diskriminierungsschutz des § 7b BEinstG genießt, nicht weiter an.

  3. Spielen mehrere Motive eine Rolle („Motivbündel“), so genügt es, wenn das geschützte Merkmal (bzw damit in Verbindung stehende Eigenschaften, Handlungen, Verhaltensweisen oder Zustände) innerhalb des „Motivbündels“ eine Rolle spielt, also zumindest mitursächlich für die [Diskriminierung] ist.

  4. Teilt der behinderte AN dem AG bei Eingehen eines Arbeitsverhältnisses seine Begünstigteneigenschaft nicht mit, kann das Interesse an der Erlangung des angestrebten Arbeitsplatzes das Informationsinteresse des AG überwiegen. Wenn sich die Behinderteneigenschaft des AN weder auf seine Einsatzfähigkeit auswirkte noch eine Gefährdung anderer Personen gegeben war, führt das Unterlassen der Mitteilung nicht zu einem Vertrauensverlust, der die Fortsetzung eines bereits Monate dauernden und anstandslos funktionierenden Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 10.4.2003 wurde festgestellt, dass der Kl seit 9.1.2003 dem Kreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) angehört. Der Grad seiner Behinderung wurde mit 60 vH eingeschätzt. Dieser Status ist nach wie vor aufrecht.

Der Kl war von 15.6.2011 bis 11.9.2012 bei der Bekl, einer Produzentin von Abgasreinigungsanlagen für Nutzfahrzeuge, als Schweißer beschäftigt. Im Zuge seines Einstellungsgesprächs legte er im Personalfragebogen nicht offen, dass er begünstigter Behinderter ist. Bei der Untersuchung durch den Betriebsarzt gab er Kopfschmerzen an, erwähnte jedoch keine weiteren Beschwerden oder Erkrankungen und unterschrieb auch eine Erklärung, keine ihm bekannten Leiden oder Krankheiten verschwiegen zu haben. Er wurde vom Betriebsarzt als geeignet eingestuft.

Am 8.6.2012 wurde der Bekl mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 14.5.2012 die Ausgleichstaxe für 2011 vorgeschrieben. Dadurch erfuhr sie erstmals, dass der Kl begünstigter Behinderter ist. Der Kl erklärte über Nachfrage, nichts davon zu wissen, behindert zu sein. Eine Mitarbeiterin der Personalabteilung erkundigte sich auch beim Bundessozialamt und erfuhr, dass der Kl sehr wohl begünstigter Behinderter sei, diesen Umstand dem DG aber nicht melden müsse. Die Bekl forderte den Kl zur Vorlage entsprechender Unterlagen auf. Ihr Geschäftsführer wollte überdies wissen, welche Behinderungen beim Kl vorliegen, um beurteilen zu können, ob diese für seine Tätigkeit relevant waren. Die vom Kl sodann vorgelegten Unterlagen wiesen ihn als zum Kreis der begünstigten Behinderten angehörend mit einem Grad der Behinderung von 60 vH aus, Gesundheitsbeeinträchtigungen waren darin jedoch nicht angeführt. Aufgrund seiner mehrfach unrichtigen Angaben im Personalfragebogen, durch Verschweigen gegenüber dem Betriebsarzt und auch über direkte Nachfrage, entschloss sich der Geschäftsführer, nachdem er auch erfahren hatte, dass die Kündigung eines begünstigt Behinderten innerhalb von vier Jahren ohne weiteres möglich ist, den Kl zu kündigen. Auch war für ihn mangels Bekanntgabe der Art der Behinderung durch den Kl nicht beurteilbar, ob er für die bisherige Tätigkeit weiter einsetzbar war oder nicht. Nach einem zunächst verfrühten Kündigungsschreiben sprach die Bekl am 27.7.2012 die Kündigung des Dienstverhältnisses des Kl zum 11.9.2012 aus. Wäre dem Geschäftsführer die Art der Behinderung(en) des Kl bekannt gewesen und hätte sich herausgestellt, dass sie ohne Einfluss auf die Tätigkeit als Schweißer sind, dann wäre einer Anstellung bzw Weiterbeschäftigung des Kl nichts entgegengestanden.344

Hinsichtlich der Arbeitsleistungen des Kl hatte es während seiner Beschäftigung keine Beanstandungen gegeben. Der Kl war während des Dienstverhältnisses nie im Krankenstand. [...] Auch im erstinstanzlichen Verfahren wurden beim Kl keine körperlichen oder psychischen Funktionseinschränkungen festgestellt. Der Kl war und ist in der Lage, eine Tätigkeit als Schweißer ohne Gefährdung der eigenen Person oder fremder Personen auszuüben. [...]

Der Kl begehrt mit seiner Klage, die Kündigung vom 27.7.2012 für rechtsunwirksam zu erklären, weil sie soweit noch revisionsgegenständlich iSd § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG diskriminierend gewesen sei. Die Kündigung sei wegen seiner Behinderung erfolgt. Er sei nicht verpflichtet gewesen, seine Eigenschaft als begünstigter Behinderter offenzulegen. Seine Behinderung sei auch ohne Einfluss auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit.

Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, die Kündigung habe nichts mit der Behinderung zu tun. Aufgrund ihrer Tätigkeit als eisen- und metallverarbeitendes Zulieferunternehmen für die Kraftfahrzeugindustrie würden bei ihr im Schichtbetrieb neben Schweißarbeiten auch stark gefahrengeneigte Tätigkeiten durchgeführt, für die sie iSd AN-Schutzes Mitarbeiter nur einsetzen dürfe, wenn sie aufgrund ihrer körperlichen, geistigen und psychischen Konstitution dazu in der Lage seien, ohne sich und andere DN zu gefährden. Obwohl dies für den Einsatz als Schweißer sehr wesentlich sei, habe der Kl dazu nichts bekannt gegeben. Die Kündigung des Kl sei letztlich erfolgt, weil die Bekl aufgrund seiner wahrheitswidrigen Angaben das Vertrauen in ihn verloren habe. Aufgrund seines Behindertenstatus sei der Kl nicht geeignet, als Schweißer in ihren Produktionslinien zu arbeiten. Nach Vorliegen des arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens brachte sie schließlich vor, der Kl sei gar nicht Behinderter iSd BEinstG, sodass die Voraussetzungen für eine Kündigungsanfechtung nach dem BEinstG nicht gegeben seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es kam zum Ergebnis, dass der Kl nicht behindert iSd § 3 BEinstG sei, sodass er deswegen auch nicht diskriminiert worden sei. Auch das Motiv einer vermuteten Behinderung greife im vorliegenden Fall nicht, weil der DG bei Kenntnis einer allfälligen Behinderung nicht von vornherein eine Weiterbeschäftigung des Kl abgelehnt hätte.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kl erhobenen Berufung Folge und änderte die Entscheidung iS einer Klagsstattgabe ab. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die Bekl ist im Wesentlichen der Ansicht, dass der DG bei Vorliegen eines Bescheids, der bei einem AN die Eigenschaft als begünstigter Behinderter feststelle, den Gegenbeweis führen können müsse, dass eine Behinderung nicht vorliege. Dabei sei vom Behindertenbegriff der Gleichbehandlungsrahmen- RL 2000/78/EG auszugehen.

Dazu war Folgendes zu erwägen:

[...]

Nach § 3 BEinstG ist eine Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Behinderung ist die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung einer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft einzubeziehen. Maßgeblich für das Vorliegen einer Behinderung ist nicht deren Grad, sondern nur der Umstand, dass sich daran eine Diskriminierung knüpfen kann (Mayr in

Neumayr/Reissner
, ZellKomm2 § 3 BEinstG Rz 1). Dementsprechend wurde bei der Definition der Behinderung bewusst eine weite Definition gewählt (siehe RV 836 BlgNR 22. GP 6, 13).

2. Der Schutz vor Diskriminierungen greift weiter aber auch dann ein, wenn der DG hinsichtlich des Vorliegens eines geschützten Merkmals einer Fehleinschätzung unterliegt. Irrtümer können Verletzungen des Gleichbehandlungsgebots nicht rechtfertigen. Der Schutz vor Diskriminierungen gilt vielmehr unabhängig davon, ob das Merkmal, aufgrund dessen die Diskriminierung erfolgt, tatsächlich vorliegt oder bloß vermutet wird (siehe schon RV 307 BlgNR 22. GP 15 zum GlBG; Eichinger/Hopf, Diskriminierung wegen Religion oder Weltanschauung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, DRdA 2006, 245 [252]; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG [2009] § 17 Rz 52, 64; Gerhartl, Probleme des Diskriminierungsschutzes behinderter Arbeitnehmer, RdW 2007, 416 [417]). [...]

Der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten eines AG und dem geschützten Merkmal ist folglich auch dann zu bejahen, wenn der AG in der unrichtigen Annahme, es liege beim AN ein geschütztes Merkmal vor, dieses zum Anlass seines Verhaltens gegenüber dem betroffenen AN nimmt. Auch die aufgrund einer irrig angenommenen oder vermuteten Behinderung erfolgte Diskriminierung nicht behinderter Personen ist damit verpönt (siehe Mayr in ZellKomm2 § 7b BEinstG Rz 2). Soll der Diskriminierungsschutz Behinderter effektiv werden, dann muss bereits bei der Zuschreibung einer Behinderung und dem damit verbundenen Vorurteil, ein behinderter AN könne keine vollwertige Arbeitsleistung erbringen, angesetzt werden.

Besteht also ein solcher Kausalzusammenhang, kommt es auf die Frage, ob ein iSd § 2 BEinstG begünstigter behinderter AN auch bei Fehlen feststellbarer körperlicher oder psychischer Funktionsbeeinträchtigungen den Diskriminierungsschutz des § 7b BEinstG genießt, nicht weiter an.

[...]

3. Zur Frage des inneren Zusammenhangs zwischen einer gegenüber einem AN gesetzten Verhaltensweise und dem geschützten Merkmal ist noch Folgendes beachtlich:

Der OGH hat bereits zur Diskriminierungsbestimmung des § 7d BEinstG (Belästigung wegen Behinderung) ausgesprochen, dass eine Belästigung dann mit dem geschützten Merkmal „im Zusam-345menhang“ steht, wenn die konkrete belästigende Verhaltensweise der Tatsache, dass ein geschütztes Merkmal vorliegt bzw dessen Vorliegen angenommen wird, zugerechnet werden kann (vgl RIS Justiz RS0124663, RS0124664). Spielen mehrere Motive eine Rolle („Motivbündel“), so genügt es, wenn das geschützte Merkmal (bzw damit in Verbindung stehende Eigenschaften, Handlungen, Verhaltensweisen oder Zustände) innerhalb des „Motivbündels“ eine Rolle spielt, also zumindest mitursächlich für die Belästigung ist. Das Erfordernis des Zusammenhangs darf dabei, um den Zweck des Gesetzes zu wahren, Diskriminierungen wegen eines geschützten Merkmals hintanzuhalten, nicht zu eng gesehen werden (8 ObA 8/09y; 9 ObA 21/12x mwN; RIS Justiz RS0124664).

Diese Grundsätze können im Fall einer Beendigungsdiskriminierung wegen Behinderung nach § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG nicht anders gelten.

4. Im vorliegenden Fall erfolgte die Kündigung des Kl nach den Feststellungen deshalb, weil er unrichtige Angaben über seine Behinderteneigenschaft gemacht hatte und für den Geschäftsführer der Bekl mangels Bekanntgabe der Art der Behinderung nicht beurteilbar war, ob der Kl für die bisherige Tätigkeit weiter einsetzbar war oder nicht. Wie bereits das Berufungsgericht ausführte, steht die Kündigung damit aber offenkundig im Zusammenhang mit der von der Bekl angenommenen Behinderung des Kl, weil erst ihre Kenntnis von der Eigenschaft des Kl als begünstigter Behinderter Anlass für ihr Verlangen nach weiteren Auskünften über die Behinderung und – weil dieses unbefriedigt blieb – schließlich für die Kündigung war. Mag die Bekl daher auch bereit gewesen sein, den Kl bei genauer Kenntnis der Art seiner Behinderungen weiterzubeschäftigen, so ändert dies dennoch nichts daran, dass die Kündigung des Kl erfolgte und im Zusammenhang mit der von ihr infolge des Bescheides des Bundessozialamtes angenommenen Behinderteneigenschaft des Kl stand. ISd dargelegten Rsp ist daher auch hier das den Kl benachteiligende Verhalten der Bekl dem (jedenfalls vermeintlichen) Vorliegen der Behinderteneigenschaft des Kl zuzurechnen.

5. Damit ist nun noch zu prüfen, ob sich die Bekl rechtfertigend darauf berufen kann, den Kl wegen der unrichtigen und später unvollständigen Angaben zu seiner Behinderung gekündigt zu haben.

Diese Frage ist zunächst vor dem Hintergrund des § 7c Abs 3 BEinstG zu sehen, wonach eine Diskriminierung wegen Behinderung nicht vorliegt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Eine solche Rechtfertigung lässt sich dem festgestellten Sachverhalt jedoch nicht entnehmen, zumal die Bekl gar nicht konkret angibt, welches Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellen würde, das die Kündigung erforderlich gemacht hätte und das der Kl verschwiegen hätte.

Damit im Zusammenhang wird von der Bekl aber auch die Frage nach der Pflicht eines AN, seine Eigenschaft als (begünstigter) Behinderter offenzulegen, angesprochen.

Grundsätzlich ist dem AG ein berechtigtes Interesse daran zuzugestehen, zu erfahren, ob ein AN begünstigter Behinderter ist, weil es sich dabei um eine Angelegenheit handelt, die infolge gesetzlicher Bestimmungen unmittelbar Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses hat (RIS Justiz RS0107830). Teilt der behinderte AN dem AG bei Eingehen eines Arbeitsverhältnisses seine Begünstigteneigenschaft nicht mit, kann aber das Interesse an der Erlangung des angestrebten Arbeitsplatzes das Informationsinteresse des AG überwiegen (RIS Justiz RS0122551; 9 ObA 47/07s; siehe auch Gerstmann, Besteht ein Fragerecht des Arbeitgebers bzw eine Offenbarungspflicht des Behinderten?ASoK 2013, 185 [189]; Sabara, Heikle Fragen im Bewerbungsgespräch: Antwortpflicht des Arbeitnehmers?ARD 2014, 3 [7]). Die Rsp geht überdies davon aus, dass dann, wenn sich die Behinderteneigenschaft des AN weder auf seine Einsatzfähigkeit auswirkte noch eine Gefährdung anderer Personen im Zusammenhang mit der Erbringung seiner Arbeitsleistungen gegeben war, durch das Unterlassen der Mitteilung das Vertrauen des DG nicht derart erschüttert wird, dass ihm die Fortsetzung eines bereits (dort: acht) Monate andauernden und anstandslos funktionierenden Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar wäre (9 ObA 240/02p; siehe auch Mayr in ZellKomm2 § 8 BEinstG Rz 7).

6. Im vorliegenden Fall lagen keine Funktionsbeeinträchtigungen des Kl für seine Tätigkeit als Schweißer vor. Dass dies auch für die Bekl erkennbar sein musste, ergibt sich schon daraus, dass bei den im Auftrag der Bekl durchgeführten Untersuchungen keine Beeinträchtigungen des Kl festgestellt wurden, der Kl anstandslos schon mehr als ein Jahr bei der Bekl tätig war und bei seinen Tätigkeiten offenkundig auch weder eine Einschränkung der Einsatzfähigkeit noch ein Gefährdungspotenzial aus der Tätigkeit des Kl für sich oder andere hervorkam. Da iSd dargelegten Rsp weder für die Begründung noch für das laufende Arbeitsverhältnis des Kl ein weiteres Informationsbedürfnis der Bekl ersichtlich ist, das für die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses erforderlich gewesen wäre, musste es hier dem Kl überlassen bleiben, konkrete Angaben über seine Beeinträchtigungen zu machen. Eine Offenlegungspflicht traf ihn insofern nicht. Die unrichtige Angabe des Kl über seinen Behindertenstatus und die Nichtvorlage von Befunden über seine Behinderung sind danach ebenfalls nicht geeignet, die in der (jedenfalls vermeintlichen) Behinderung begründete Kündigung des Kl zu rechtfertigen und den Schutz des Kl vor einer Beendigungsdiskriminierung wegen Behinderung zu beschneiden.

7. Zusammenfassend ergibt sich daraus, dass die Kündigung des Kl gegen das Diskriminierungsverbot des § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG verstieß.346

ANMERKUNG

Da das Arbeitsverhältnis des Kl bei dessen Beendigung erst rund 15 Monate bestanden hatte, war der Kl nach § 8 Abs 6 lit b BEinstG nicht vom besonderen Kündigungsschutz begünstigt Behinderter erfasst. Die Kündigung verstieß nach dem OGH jedoch gegen das Diskriminierungsverbot des § 7b BEinstG. Fraglich war daher, ob die Kündigung eines AN, der seinen Status als begünstigter Behinderter verschweigt und in weiterer Folge unwahre Angaben zu seiner Behinderung macht, als Diskriminierung auf Grund der Behinderung beurteilt werden kann.

1.
Vorliegen einer Diskriminierung
1.1.
Benachteiligung in vergleichbarer Situation

In Umsetzung der Vorgaben der Gleichbehandlungsrahmen-RL versteht § 7b BEinstG unter einer Diskriminierung eine weniger günstige Behandlung einer Person mit Behinderung im Verhältnis zu einer Person ohne Behinderung in einer vergleichbaren Situation. Im vorliegenden Fall liegt die zunächst für den AN bloß ungünstige Behandlung in der Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Frage, ob eine Person ohne Behinderung in einer vergleichbaren Situation nicht gekündigt und damit günstiger behandelt worden wäre, hätte mE mehr Beachtung verdient (vgl dazu Rebhahn in

Rebhahn
[Hrsg], GlbG [2005] § 5 Rz 3 ff; Mohr in
Franzen
[Hrsg], EUArbR [2016] RL 2000/78/EG Art 2 Rz 20 ff). Auf den ersten Blick ist nicht einmal ersichtlich, wie ein AN ohne Behinderung in eine vergleichbare Situation kommen soll, schließlich wurde das Dienstverhältnis des Kl gekündigt, weil er keine Angaben zu seiner Behinderung und damit gerade zu dem geschützten Merkmal machen wollte, das ihn von jeder (fiktiven) Vergleichsperson unterscheidet. Der OGH stellt im vorliegenden Fall keine Erwägungen zur Bildung der erforderlichen Vergleichsbasis an.

UU kann von einer vergleichbaren Situation ausgegangen werden, wenn ein AN ohne Behinderung aus Angst vor nachteiligen Konsequenzen vertragserhebliche Angaben unterlässt, die seine Persönlichkeitssphäre berühren (vgl unten 1.2.). Die Benachteiligung des Kl könnte dann bereits darin liegen, dass der AG von den für ihn zwar erheblichen Umständen auf Seiten der Vergleichsperson gar keine Kenntnis erlangt und daher auch keine Kündigung aussprechen wird. Begünstigten Behinderten wird demgegenüber durch die Mitteilung des Bundessozialamtes die Möglichkeit genommen, Stillschweigen über das Vorliegen des (ebenso in die Persönlichkeitssphäre ragenden) geschützten Merkmals zu bewahren.

1.2.
„Auf Grund“ der Behinderung

Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die Kündigung wegen der Behinderung des Kl erfolgt ist, wobei in der Rsp des OGH sowie des EuGH keine strengen Anforderungen an den inneren Zusammenhang zwischen geschütztem Merkmal und benachteiligendem Verhalten gestellt werden (vgl Pkt 3. der Entscheidungsgründe sowie die Nachweise bei Mohr in

Franzen
[Hrsg], EUArbR Rz 26 ff). Es reicht aus, wenn die Ungleichbehandlung auf dem geschützten Merkmal beruht, dh ein Kausalzusammenhang zwischen dem (vermeintlichen) Vorliegen des Merkmals und der nachteiligen Behandlung gegeben ist. Dieser Zusammenhang besteht unabhängig davon, ob das Merkmal, an das die Ungleichbehandlung anknüpft, tatsächlich vorliegt oder bloß vermutet wird.

In concreto war die Behinderung des Kl ohne Zweifel kausal für die Kündigung durch die Bekl. Es ist daher von einer Benachteiligung auf Grund der Behinderung und damit von einer unzulässigen Diskriminierung auszugehen, sofern die Bekl nicht andere Gründe für die Kündigung vorbringen kann, die den Zusammenhang mit der Behinderung entkräften. In diesem Kontext betont der OGH, dass es für eine Diskriminierung ausreicht, wenn das geschützte Merkmal innerhalb eines Motivbündels zumindest mitursächlich für die nachteilige Behandlung gewesen ist. Die Bekl hätte also nachweisen müssen, dass gerade andere Motive wesentlich für den Ausspruch der Kündigung waren und die Behinderung dabei keine Rolle gespielt hat.

Ein solcher Nachweis ist der Bekl mit den von ihr vorgebrachten Motiven nicht gelungen. Zum einen wurde als Grund für die Kündigung angegeben, dass die Bekl nicht in der Lage war, die Einsatzfähigkeit des Kl für die Tätigkeit als Schweißer zu beurteilen. Der Kl hatte aber bereits mehr als ein Jahr als Schweißer für die Bekl gearbeitet. In dieser Zeit kam es zu keinen Beanstandungen der Arbeitsleistung des Kl; er ließ auch keinerlei Schwierigkeiten erkennen und verbrachte keinen einzigen Tag im Krankenstand. Die Bekl wäre daher durchaus in der Lage gewesen zu erkennen, dass der Kl – wie auch vom Erstgericht festgestellt – für die Tätigkeit als Schweißer geeignet ist.

Zum anderen erklärte die Bekl, die Kündigung sei letztlich erfolgt, weil sie infolge der wahrheitswidrigen Angaben über seinen Behindertenstatus das Vertrauen in den Kl verloren habe. In dieser Hinsicht bestand mE jedoch gar kein schützenswertes Vertrauen der Bekl. Der Zweck der aus der Gleichbehandlungs-RL stammenden Diskriminierungsverbote besteht in erster Linie darin, Persönlichkeit und Menschenwürde der von den jeweiligen Verboten erfassten Personen zu schützen und persönlichkeitsverletzende Diskriminierungen zu verhindern (vgl statt vieler Mohr in

Franzen
[Hrsg], EUArbR RL 2000/78/EG Art 1 Rz 30, Art 2 Rz 26).

Das Vorliegen geschützter Merkmale gehört – uU mit Ausnahme des Alters – zum höchstpersönlichen Lebensbereich. Daher ist es zunächst alleinige Sache des Betroffenen, mit wem er über diese Angelegenheiten spricht. Es besteht kein allgemein zu schützendes Vertrauen des AG dahin, dass ihn seine AN über höchstpersönliche Angelegenheiten wahrheitsgemäß unterrichten. Vielmehr ist eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Bei besonderen Umständen, die eine Kenntnis des347 AG vom Bestehen eines geschützten Merkmals notwendig erscheinen lassen, kann die fehlende Offenlegung durchaus zu einem Vertrauensverlust und einer zulässigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.

In concreto lagen keine solchen Umstände vor. Die Kündigung durch die Bekl ist daher mit dem OGH als unmittelbare Diskriminierung zu qualifizieren.

2.
Pflicht des AN zur Offenlegung des Behindertenstatus
2.1.
Judikaturentwicklung

Die soeben erörterte Problematik läuft im Wesentlichen auf die Beantwortung der Frage hinaus, ob eine Pflicht des AN zur Offenlegung seines Behindertenstatus besteht. Die einschlägigen Urteile des OGH lassen eine deutliche Weiterentwicklung in der jüngeren Judikatur erkennen.

In seiner E vom 21.10.1987, 9 ObA 64/87, bejahte der OGH eine Pflicht des AN, den AG von der Invalideneigenschaft nach dem Opferfürsorgegesetz zu informieren. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handle es sich hier nicht um eine private Angelegenheit, da die Invalideneigenschaft, die zu einer Steuerbegünstigung des AG führte, unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses habe. Diese Ansicht wurde in der OGH-E vom 12.6.1997, 8 ObA 41/97f, für die Offenlegung des Status als begünstigter Behinderter bestätigt.

Auch in der E vom 2.4.2003, 9 ObA 240/02p, betonte der OGH noch die Pflicht des AN, seinen Status als begünstigter Behinderter gegenüber dem AG bekannt zu geben. Ein Verstoß gegen diese Pflicht allein führe jedoch nicht zu einer die Weiterbeschäftigung unzumutbar machenden Vertrauensunwürdigkeit, wenn sich die Behinderung nicht nachteilig auf die Einsatzfähigkeit des AN und die Sicherheit anderer Personen auswirkt. Damit nahm der OGH erstmals eine ausdrückliche Abwägung zwischen Interessen von AG und AN vor.

Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Offenlegungspflicht des AN fand in der OGH-E vom 28.9.2007, 9 ObA 46/07s, statt. Der Gerichtshof beschäftigte sich dabei auch mit den dogmatischen Grundlagen und stellte fest, dass die Treuepflicht den AN nicht in allen Fällen zur Bekanntgabe des Behindertenstatus verpflichte. Ausdrücklich betonte der Gerichtshof, dass Menschen, die ihre Behinderung offenlegen, mit wesentlichen Erschwernissen bei der Eingliederung in das Arbeitsleben rechnen müssen, und verlieh den Geheimhaltungsinteressen der AN damit stärkeres Gewicht. Zur Beurteilung einer allfälligen Informationspflicht des AN verwendete der OGH die genannten Kriterien der Einsatzfähigkeit und der Sicherheit anderer Personen (vgl Mayr in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 8 BEinstG Rz 7).

Auch in der vorliegenden E stellt der Gerichtshof darauf ab, dass die (vermeintliche) Behinderung weder eine Einschränkung der Einsatzfähigkeit noch ein Gefährdungspotenzial für den Kl oder andere Personen bewirkte. Es müsse daher dem Kl überlassen bleiben, Angaben über seine Beeinträchtigungen zu machen. Eine Pflicht zur Offenlegung des Behindertenstatus hat der OGH nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien nun erstmals ausdrücklich verneint.

Ob ein begünstigter Behinderter verpflichtet ist, seinen AG über seinen Status zu informieren, kann also zusammengefasst nur nach einer Interessenabwägung im Einzelfall beurteilt werden. Problematisch könnte sein, dass Lehre und Judikatur vor allem darauf abstellen, ob die Behinderung zu einer Einschränkung der Einsatzfähigkeit oder zu einer Gefährdung anderer Personen führt. Es ist nämlich fraglich, ob der AN stets in der Lage ist, die Anforderungen der geschuldeten Tätigkeit und die Gefahrenlage im Arbeitsprozess abschließend zu beurteilen. Letztlich kann so die Frage nach der Offenlegungspflicht erst im Erfüllungsstadium des Arbeitsverhältnisses beantwortet werden. Hat der AN Anlass, an seiner Einsatzfähigkeit oder der Sicherheit (auch anderer Personen) am Arbeitsplatz zu zweifeln, muss er dem AG nachträglich ausreichende Informationen über seine Beeinträchtigungen geben, damit Produktionsausfälle, sonstige Schäden und Gefahrensituationen vermieden werden können.

3.
In Kürze

Begünstigte Behinderte dürfen nicht einfach deshalb gekündigt werden, weil sie keine Angaben zu ihrer Behinderung und zu ihrem Status gemacht haben. Eine allgemein gültige Regel besteht jedoch nicht. Wenn ein AN durch das Verschweigen seiner Behinderung einen erheblichen Schaden für den AG oder die Gefährdung anderer Personen in Kauf nimmt, darf der AG dieses grob treuwidrige Verhalten zum Anlass einer Kündigung nehmen. Mit der vorliegenden E hat der OGH die Linie seiner jüngeren Rsp weiter verfolgt, nach der bei überwiegendem Geheimhaltungsinteresse des AN keine Pflicht zur Offenlegung des Status eines begünstigten Behinderten besteht.348