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Entziehung des Rehabilitationsgeldes bei Verweigerung der Mitwirkung an der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme

BARBARAFÖDERMAYR (LINZ)
  1. Für die Entziehung des Rehabilitationsgeldes ist der Zeitpunkt der Verweigerung der Mitwirkung an der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme maßgeblich.

  2. Das nachträgliche Erreichen eines Teilerfolges der geplanten Rehabilitationsmaßnahme durch eigene Initiative macht die Entziehung des Rehabilitationsgeldes nicht rechtswidrig.

Der 1966 geborene Kl stellte am 7.3.2014 beim bekl Pensionsversicherungsträger den Antrag auf Weitergewährung der mit 31.5.2014 befristeten Invaliditätspension. Bei der im Hinblick auf die beantragte Weitergewährung am 3.4.2014 erfolgten medizinischen (internen) Untersuchung wies er bei einer Körpergröße von 181 cm ein Körpergewicht von über 200 kg auf. Seit der Letztuntersuchung war es zu keiner Gewichtsabnahme gekommen.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 5.6.2014 wies die beklagte Partei (Bekl) den Antrag des Kl auf Weitergewährung der befristeten Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass Invalidität nicht dauerhaft vorliege. Es wurde ausgesprochen, dass ab 1.6.2014 weiterhin vorübergehende Invalidität vorliege, als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit eine stationäre internistische Rehabilitationsmaßnahme zu absolvieren sei, Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien und ab 1.6.2014 für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der KV bestehe. [...]

Der Kl weigerte sich jedoch in der Folge, den ihm von einem Mitarbeiter der T Gebietskrankenkasse im Rahmen des Case-Managements vorgeschlagenen stationären internistischen Rehabilitationsaufenthalt zur Gewichtsabnahme in der Dauer von sechs Wochen in einem Stoffwechselzentrum anzutreten. Diese Maßnahme wäre ihm sowohl aus internistischer als auch aus psychiatrischer Sicht ohne wesentliche Einschränkung möglich gewesen.

Mit Bescheid vom 13.11.2014 entzog die Bekl aufgrund der Nichtmitwirkung des Kl an medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation das ab 1.6.2014 zuerkannte Rehabilitationsgeld mit Ablauf des auf die Zustellung des Bescheids folgenden Kalendermonats (somit mit 31.12.2014). [...]

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage mit dem Begehren, es möge festgestellt werden, dass das Rehabilitationsgeld zu Unrecht entzogen worden sei, weiterhin vorübergehende Invalidität vorliege und der Anspruch des Kl auf Rehabilitationsgeld aus der KV auch über den 31.12.2014 hinaus bestehe. Eventualiter wird die Gewährung einer unbefristeten Invaliditätspension ab 1.1.2015 in der gesetzlichen Höhe begehrt. [...]

Die ihm vorgeschlagene Rehabilitationsmaßnahme wäre nicht „wirklich hilfreich“ gewesen, weil sie nicht zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geführt hätte. Am Antritt des stationären Aufenthalts sei er aus persönlichen Gründen [...] verhindert gewesen. Zudem sei er „kaufsüchtig“ [...]. In der letzten mündlichen Streitverhandlung am 13.8.2015 brachte der Kl ergänzend vor, eine Verletzung der Mitwirkungspflicht sei ihm auch im Hinblick darauf nicht vorwerfbar, dass er zwischenzeitig aus eigenem Antrieb eine Gewichtsreduktion von 28 bis 30 kg erreicht habe. [...]

Die Bekl bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. [...] Die angebotene Rehabilitation wäre aber nur ein „erster Schritt“ gewesen, auf die eine Reihe weiterer (auch ambulanter) Maßnahmen begleitet durch medizinische und diätetische Betreuung aufgebaut hätten. [...]

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren des Kl ab; das auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1.1.2015 gerichtete Eventualbegehren wies es zurück. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus – zusammengefasst – noch folgende weitere Feststellungen: [...] Der vorgeschlagene stationäre Aufenthalt wurde vom Kl (vorerst) mit der Begründung abgelehnt, er habe seine Mutter zu betreuen, sich um den Garten und die von ihm gehaltenen Hühner zu kümmern. [...] Bei einer ärztlichen Untersuchung erklärte der Kl gegenüber der Ärztin, zu einem Kuraufenthalt zwecks Gewichtsabnahme nicht bereit zu sein. Er wurde auf seine Mitwirkungspflicht und die nachteiligen Folgen seiner Weigerung wiederholt hingewiesen. [...] Die angedachte Rehabilitationsmaßnahme sollte die Gewichtsabnahme lediglich als ersten Schritt einleiten. [...]

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, es lägen die gesetzlichen Gründe für eine Entziehung vor. [...] Da der bekämpfte Bescheid keine Entscheidung über die Invalidität des Kl enthalte, sei das auf Zuspruch der unbefristeten Invaliditätspension gerichtete Eventualbegehren zufolge des Grundsatzes der sukzessiven Kompetenz wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung und dem Rekurs des Kl nicht Folge. [...]

Die Zurückweisung des auf Gewährung der Invaliditätspension ab 1.1.2015 gerichteten Eventualbegehrens durch das Erstgericht sei zu Recht erfolgt. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil keine Rsp des OGH zur strittigen Frage der Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation vorliegt. [...]

Der erkennende Senat hat erwogen:

I. Aus Anlass der Revision ist vorerst die im Umfang des auf Vorliegen der vorübergehenden Invalidität gerichteten Feststellungsbegehrens gegebene Nichtigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen109 wahrzunehmen und die Klage in diesem Umfang zurückzuweisen:

I.1. Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 (SRÄG 2012, BGBl I 2013/3) wurde die befristete Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension für Versicherte, die – wie der Kl – am 1.1.2014 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, abgeschafft. Für diese Personengruppe wurden ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation bei vorübergehender Invalidität/Berufsunfähigkeit sowie die neuen Leistungen des Rehabilitationsund des Umschulungsgeldes eingeführt.

I.2. Voraussetzungen für den Anspruch auf Rehabilitationsgeld sind im Wesentlichen, dass vorübergehende Invalidität bzw Berufsunfähigkeit im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt (§ 255b, § 273b ASVG) und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar sind (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 20).

[...]

I.5 Personen, für die bescheidmäßig festgestellt worden ist, dass vorübergehende Invalidität iSd § 255 Abs 1 und 2 oder 3 ASVG im Ausmaß von zumindest 6 Monaten vorliegt, haben Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation (§ 302 Abs 1 ASVG), wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist (§ 253f Abs 1 ASVG). Sie sind vom Pensionsversicherungsträger unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands und der Zumutbarkeit für die versicherte Person zu erbringen (§ 253f Abs 2 ASVG). [...] Verweigert die zu rehabilitierende Person die Mitwirkung an medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen, die ihr zumutbar sind, so ist das Rehabilitationsgeld zu entziehen, nachdem auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 21), auch wenn vorübergehende Invalidität weiter fortbesteht. Die Entziehung erfolgt – ebenso wie die Zuerkennung – durch den Pensionsversicherungsträger mittels Bescheid.

[...]

I.6.2 Die vorliegende Klage richtet sich ausschließlich gegen den Bescheid der Bekl vom 13.11.2014, mit dem auf Grund der Nichtmitwirkung des Kl an medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation das Rehabilitationsgeld entzogen wurde. Über das (weitere) Vorliegen oder Nichtvorliegen der vorübergehenden Invalidität wird im Spruch dieses Bescheids nicht abgesprochen. Lediglich in der Begründung wird auf das trotz Entziehung des Rehabilitationsgeldes weitere Vorliegen vorübergehender Invalidität beim Kl Bezug genommen.

I.7. Gem § 67 Abs 1 Z 1 ASGG darf ua in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. „Darüber“ bedeutet, dass der Bescheid über den der betreffenden Leistungssache zugrunde liegenden Anspruch ergangen sein muss. Der mögliche Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist durch den Antrag, den Bescheid und das Klagebegehren dreifach eingegrenzt (Neumayr in ZellKomm2 § 67 ASGG Rz 4 mwN; RIS-Justiz RS0124349). Der Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens muss demnach mit jenem des vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens ident sein, ansonsten es für ein Begehren an einer „darüber“ ergangenen Entscheidung des Versicherungsträgers fehlt und eine Klage von Amtswegen wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen ist (§ 73 ASGG). Ein davon betroffener Verfahrensteil ist als nichtig aufzuheben (RIS-Justiz RS0042080).

I.8.1 Da die Frage des Vorliegens vorübergehender Invalidität nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids der Bekl vom 13.11.2014 war, waren aus Anlass der Revision die Urteile der Vorinstanzen und die ihnen vorangegangenen Verfahrensteile von Amts wegen auch noch im Revisionsverfahren (RIS-Justiz RS0042080) wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs insoweit als nichtig aufzuheben, als die Klage (auch) auf die Feststellung gerichtet ist, es liege beim Kl weiterhin vorübergehende Invalidität vor. In diesem Umfang war die Feststellungsklage zurückzuweisen.

[...]

II. Im Übrigen – hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung, dass das Rehabilitationsgeld zu Unrecht entzogen wurde bzw weiterhin Anspruch auf Rehabilitationsgeld auch über den 31.12.2014 hinaus besteht – ist die Revision nicht berechtigt:

II.1. Zu prüfen ist, ob dem Kl eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Obliegenheit zur Mitwirkung („Mitwirkungspflicht“) anzulasten ist und – bejahendenfalls – diese Grund für die Entziehung des Rehabilitationsgeldes sein kann.

II.2.1 Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation besteht, wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist (§ 253f Abs 1 ASVG). Die Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation müssen ausreichend und zweckmäßig sein, sie dürfen jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 253f Abs 2 ASVG).

II.2.2 Der Leistungskatalog des Rehabilitationsgeldes umfasst jene Maßnahmen, die schon bisher als freiwillige Leistungen gewährt werden. [...] Im Gegensatz zur kurativ medizinischen Akutversorgung, deren Schwerpunkt auf der Heilung und Beseitigung von Krankheiten liegt, definiert medizinische Rehabilitation den Menschen als aktiven Teil der Gesellschaft und will ihm die Möglichkeit eröffnen, an seinem bisherigen Leben wieder aktiv teilzunehmen. Sie setzt auf Patienten, die sich aktiv an einer Verbesserung ihres Gesundheitszustands beteiligen und bereit sind, auf Zielvereinbarungen einzugehen und beim Rehabilitationsprozess aktiv mitzuwirken (Bergauer in Mosler/Müller/Pfeil, SVKomm [99. Lfg] § 392 ASVG Rz 3, 4).

II.3. Das Rehabilitationsgeld gebührt an sich so lange, als die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist vom Krankenversicherungsträger jeweils bei Bedarf, jedenfalls aber nach Ablauf eines Jahres nach der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes oder der letzten Begutachtung, im Rahmen des Case-Managements (§ 143b ASVG) unter Inanspruchnahme des Kompetenzzentrums Begutachtung (§ 307g ASVG) zu überprüfen.110

II.4.1 Gem § 143a Abs 4 ASVG idF SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, ist das Rehabilitationsgeld unter Hinweis auf diese Rechtsfolge für die Dauer der verweigerten Mitwirkung zu entziehen, wenn die zu rehabilitierende Person die ihr zumutbare Mitwirkung an medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation verweigert.

II.4.2 § 143a Abs 4 ASVG wurde durch das SVAG, BGBl I 2015/2, in § 99 Abs 1a ASVG transferiert (Födermayr in SV-Komm [142. ErgLfg] § 143a ASVG Rz 23). Nach § 99 Abs 1a ASVG idF SVAG, BGBl I 2015/2, ist das Rehabilitationsgeld der anspruchsberechtigten Person zu entziehen, wenn sie sich nach Hinweis auf diese Rechtsfolge weigert, an den ihr zumutbaren medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation mitzuwirken. § 99 Abs 1a ASVG trat rückwirkend mit 1.1.2014 in Kraft (vgl § 688 Abs 1 Z 2 ASVG).

II.4.3 Aus der Möglichkeit der Entziehung des Rehabilitationsgeldes nach § 99 Abs 1a ASVG folgt, dass es der Versicherte auch nicht in der Hand haben soll, durch Verweigerung einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation den Weiterbezug des Rehabilitationsgeldes zu erreichen. Der Möglichkeit zur Entziehung liegt das erklärte Ziel des SRÄG 2012 zugrunde, dass Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Maßnahmen der medizinischen bzw beruflichen Rehabilitation soweit integrationsfähig werden, dass sie (zumindest) zur Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung in der Lage sind. Mit diesem Ziel ist ein Bezug von Rehabilitationsgeld trotz Verweigerung zumutbarer Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation – unter Umständen bis zum Regelpensionsalter – unvereinbar (siehe Sonntag, ASoK 2014, 42 [47] unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 3). Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass jeder Versicherte die Interessen des Sozialversicherungsträgers und damit auch die der anderen Versicherten in zumutbarer Weise zu wahren hat, wenn er seine Ansprüche nicht verlieren will, indem er sich einer notwendigen und ihm zumutbaren medizinischen Heilbehandlung unterzieht, die zu einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit führen würde.

II.4.4 Dass die Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und ausreichend sein müssen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreiten dürfen (§ 253f Abs 2 ASVG), ist erkennbar an die Prinzipien der Krankenbehandlung angelehnt (§ 133 Abs 2 Satz 1 ASVG) und wird wie dort zu verstehen sein (Pfeil, Systemfragen der geminderten Arbeitsfähigkeit, DRdA 2013, 363 [370]).

II.4.5 Die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung wird bejaht, wenn diese nach den Erfahrungssätzen der medizinischen Wissenschaft mit hinreichender Sicherheit objektiv geeignet ist, die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Bei mehreren geeigneten Leistungen kommt primär diejenige in Betracht, mit der sich die Zweckbestimmung am besten erreichen lässt (10 ObS 86/09h mwN, SSVNF 23/81). [...]

Dass ein mehrwöchiger stationärer Rehabilitationsaufenthalt in einem Stoffwechselzentrum (der neben diätetischen Maßnahmen üblicherweise auch Bewegungsprogramme, psychologische Betreuung und Schulungen zur Änderung des Essverhaltens umfasst) objektiv geeignet ist, die beabsichtigte Gewichtsreduktion (wenngleich auch nur als „ersten Schritt“) herbeizuführen, bedarf keiner näheren Begründung. Dass der Kl über eine eingeschränkte intellektuelle Grundstruktur verfügt, die einem derartigen stationären Rehabilitationsaufenthalt entgegenstünde, steht nicht fest. Mit seinem Vorbringen, auf Grund seiner eingeschränkten intellektuellen Grundstruktur wäre eine Gewichtsreduktion eher im häuslichen Umfeld mittels Vereinbarung der Einhaltung von ihm selbst gesetzter Ziele erreichbar, gelingt es dem Revisionswerber daher nicht, eine geeignetere andere Maßnahme zur Gewichtsreduktion (als die Absolvierung eines stationären Aufenthalts in einem Stoffwechselzentrum) aufzuzeigen. Im Übrigen liegt es beim Versicherungsträger, auf Grund der vor Bescheiderlassung eingeholten medizinischen Gutachten und den dort enthaltenen medizinischen Erfahrungssätzen die Zweckmäßigkeit der zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit führenden medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation zu beurteilen.

II.5. Auch für die Frage der Zumutbarkeit der Mitwirkung des Versicherten an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme sind ähnliche Kriterien wie für die Beurteilung der Zumutbarkeit entsprechender Heilbehandlungen (im Rahmen der KV) heranzuziehen (Atria in

Sonntag
, ASVG6 § 99 Rz 22).

II.5.1 Die dazu ergangene Rsp lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Voraussetzung für eine Verletzung der Mitwirkungspflicht ist, dass diese auf einem schuldhaften, also zumindest leicht fahrlässigen Verhalten des Versicherten beruht. Dabei sind jeweils die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es ist auf objektive Zumutbarkeitskriterien (auf die mit der Maßnahme verbundenen Gefahren, die Erfolgsaussichten, die Folgen unter Berücksichtigung erforderlicher Nach- oder Folgebehandlungen und die damit verbundenen Schmerzen bzw Beeinträchtigungen) abzustellen (RIS-Justiz RS0084353). Diese Beurteilung hat nicht generell, sondern immer individuell für den oder die Betroffene zu erfolgen (RIS-Justiz RS0084353 [T12]).

Neben diesen objektiven Zumutbarkeitskriterien sind aber auch subjektive Zumutbarkeitskriterien (wie körperliche und seelische Eigenschaften, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse) zu beachten. So besteht eine Mitwirkungspflicht insb dann nicht, wenn die Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Unter einem wichtigen Grund sind die die Willensbildung bestimmenden Umstände zu verstehen, die die Weigerung entschuldigen und sie als berechtigt erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0084353 [T16]; 10 ObS 19/08d, SSV-NF 22/29 mwN).

II.5.2 [...] Im Hinblick auf die zu den objektiven und subjektiven Zumutbarkeitskriterien getroffenen Tatsachenfeststellungen ist dem Kl auch nach Ansicht des Revisionsgerichts eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflicht anzulasten. Wie das im vorliegenden Verfahren111 eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten erbracht hat, sind jene Gründe, die der Kl in Richtung eines nicht beherrschbaren Suchtverhaltens ins Treffen geführt hat, nicht geeignet, den Nichtantritt einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zur Gewichtsreduktion als nicht vorwerfbar erscheinen zu lassen.

[...]

II.5.4 Der Umstand, dass der Kl das Ziel einer Gewichtsreduktion aus eigenem Antrieb ohne Rehabilitationsmaßnahme (teilweise?) während des Verfahrens erreicht hat, hebt die Verletzung seiner Mitwirkungspflicht nicht auf. Zu beurteilen ist im vorliegenden Fall die Frage, ob sich der Kl (zu Recht) geweigert hat, an der ihm zumutbaren stationären Rehabilitationsmaßnahme in einem Stoffwechselzentrum mitzuwirken. Auf die Frage, ob der Kl das angestrebte Rehabilitationsziel auf einem anderen – von ihm selbst gewählten – Weg (teilweise?) erreicht hat, kann es nicht entscheidend ankommen, weil bei der konkreten Auswahl der dem Versicherten zumutbaren medizinischen Rehabilitationsmaßnahme letztlich dem Versicherungsträger die Entscheidungsbefugnis zukommt und eine Abwägung unterschiedlicher Vorgangsweisen bzw Rehabilitationsmaßnahmen und ihrer jeweiligen Erfolgsaussichten in der Praxis nur sehr schwer möglich wäre.

II.5.5 Zu dem Argument, der Nichtantritt der stationären internistischen Rehabilitationsmaßnahme wäre dem Kl deshalb nicht vorwerfbar, weil diese nicht zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geführt hätte, ist auszuführen:

II.5.5.1 Eine Heilbehandlung ist grundsätzlich nur dann zumutbar, wenn sie zu einer kalkülsrelevanten, die Arbeits- bzw Berufsunfähigkeit beseitigenden Besserung des Gesundheitszustands führt (10 ObS 58/11v, SSV-NF 25/57; RIS-Justiz RS0084353 [T12]).

[...]

II.5.5.3 [...] In diesem Fall ist die Gewährung des Rehabilitationsgeldes untrennbar mit der Mitwirkung des Versicherten an einer diesem zumutbaren Maßnahme der medizinischen Rehabilitation verknüpft. Das Rehabilitationsgeld ist nach § 99 Abs 1a ASVG daher bereits mit dem Zeitpunkt der ungerechtfertigten Weigerung des Versicherten, an einer zumutbaren medizinischen Maßnahme der Rehabilitation mitzuwirken, nach Hinweis auf diese Rechtsfolge zu entziehen.

Demnach steht der Umstand, dass wegen des massiven Übergewichts des Kl dessen Arbeitsfähigkeit durch eine einmalige, im Rahmen des angedachten stationären Aufenthalts erzielbare Gewichtsabnahme noch nicht zur Gänze wiederherstellbar gewesen wäre, der Entziehung des Rehabilitationsgeldes wegen der ungerechtfertigten Nichtmitwirkung nicht entgegen. Nach den Feststellungen ist diese Maßnahme nur ein „erster Schritt“, auf den – nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Bekl – eine Reihe weiterer Maßnahmen begleitet durch medizinische und diätetische Betreuung aufgebaut hätten.

Die Revision des Kl erweist sich daher als nicht berechtigt. [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitende Stellungnahme

Vorweg ist festzuhalten, dass der E des OGH im Ergebnis zugestimmt wird. Die E bietet sich dennoch an, einige Überlegungen zum rechtlichen Umgang mit dem neuen System der geminderten Arbeitsfähigkeit anzustellen. Für die Beantwortung der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Entziehung des Rehabilitationsgeldes ist entscheidend, den Normzweck klar herauszuarbeiten, um in der Folge die einzelnen rechtlichen Prüfschritte daran zu messen.

2.
Formellrechtliche Fragen

Den Ausführungen des OGH zu den im gegenständlichen Verfahren relevanten verfahrensrechtlichen Themen ist nichts hinzuzufügen. Entscheidungsgegenstand war nicht die Frage, ob geminderte Arbeitsfähigkeit vorübergehend oder dauerhaft vorliegt, sondern nur, ob das Rehabilitationsgeld zu Recht entzogen wurde. Bereits das Erstgericht hätte jenen Teil der Feststellungsklage, der auf Feststellung des Vorliegens vorübergehendender geminderter Arbeitsfähigkeit gerichtet war, wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückweisen müssen, weshalb das diesbezüglich durchgeführte Verfahren vom OGH für nichtig zu erklären war (vgl dazu die ausführliche Begründung des OGH).

3.
Materiellrechtliche Fragen
3.1.
Normzweck des neuen Systems

Mit den gesetzlichen Maßnahmen des SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, erfolgte eine nachhaltige Umstellung im rechtlichen Umgang mit jüngeren – ab dem 1.1.1964 geborenen – Personen, die gemindert arbeitsfähig sind. Anders als aufgrund der Rechtslage zuvor (diese gilt für ältere Personen weiterhin; im Folgenden auch als „Altrecht“ bezeichnet) haben jüngere Versicherte nur noch bei dauerhaftem Vorliegen geminderter Arbeitsfähigkeit Anspruch auf Pension. Liegt bloße vorübergehend geminderte Arbeitsfähigkeit vor, so greift ein System aus einer Kombination von Geldleistungen und Rehabilitationsmaßnahmen mit dem Zweck, diesen Versicherten durch Absolvierung der Maßnahmen dauerhaft eine aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt zu ermöglichen (vgl zu den Zielen der Rehabilitation allgemein bspw Burger/Ivansits, Medizinische und berufliche Rehabilitation in der Sozialversicherung, DRdA 2013, 106 [106 f]). Diese Leistungen stellen also insoweit keinen bloßen „Ersatz“ der Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit dar, wie es etwa auch der OGH in der gegenständlichen E bezeichnet, sondern implementieren ein völlig neues gesetzliches Konzept. Nach Altrecht bezogen alle gemindert arbeitsfähigen Personen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllten, eine – in der Regel befristete – Pension. Während des Bezugs traf die Versicherten grundsätzlich (vgl jedoch112 3.2.4.) keine Verpflichtung bzw Obliegenheit zur Verbesserung ihres Gesundheitszustands, allein die Geldleistung stand im Fokus. Mit den neuen Geldleistungen – also auch dem Rehabilitationsgeld – wird jedoch das Ziel der Ermöglichung der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Versicherten verfolgt. Das Rehabilitationsgeld wird zwar auch für Zeiträume gewährt, in denen keine Rehabilitationsmaßnahme vollzogen wird (vgl Sonntag, Ausgewählte Probleme des Rehabilitationsgeldes, ASoK 2014, 42 [43]), im Vordergrund steht jedoch das Erreichen des Rehabilitationsziels durch die Absolvierung der Rehabilitationsmaßnahmen (ähnlich etwa Beck, Mitwirkungspflicht aus Sicht der Pensionsversicherung, DAG 2014, 54). Mit dem Zweck dieser Leistungen ist untrennbar verbunden, dass grundsätzlich während ihrer Gewährung auch zumutbare Rehabilitationsmaßnahmen absolviert werden, um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen (der OGH verweist in diesem Zusammenhang auf Sonntag, ASoK 2014, 42 [47] mit einem Verweis auf ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 3). Der Erfolg des Systems ist somit völlig von der Mitwirkung des Versicherten abhängig, ohne die eine Rehabilitation nicht möglich ist.

Daraus folgt zweifellos, dass sich die Lösung der schwierigen Rechtsprobleme im Zusammenhang mit dem Rehabilitationsgeld – wie etwa wie im gegenständlichen Zusammenhang dessen Entziehung – auch konkret an diesem Normzweck zu orientieren hat.

3.2.
Folgen der Verweigerung der Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme
3.2.1.
Rehabilitationsmaßnahme

Im gegenständlichen Fall wurde dem Versicherten wegen Vorliegens vorübergehender Invalidität im Anschluss an einen Pensionsbezug Rehabilitationsgeld gewährt. Berufliche Rehabilitationsmaßnahmen wurden als nicht zweckmäßig erachtet, zur Wiederherstellung der Arbeitskraft wäre eine internistische Rehabilitationsmaßnahme zu absolvieren gewesen. Zu untersuchen ist zunächst, ob die dem Versicherten angebotene medizinische Rehabilitationsmaßnahme den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht und der Versicherte in der Folge daran teilnehmen hätte müssen.

Gem § 253f Abs 1 ASVG besteht der Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustandes des Versicherten zweckmäßig ist. Die Art der Maßnahme richtet sich dem Gesetzeswortlaut folgend nach § 302 ASVG, entspricht also – wie auch der OGH ausführt – den bisher freiwillig gewährten medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen. Inhaltlich ist – unter Berücksichtigung des Normzwecks – eine weite Auslegung des Begriffes der Rehabilitationsmaßnahmen geboten (vgl Beck, DAG 2014, 54 [57]). Der hier angebotene Aufenthalt zur Gewichtsreduktion und die begleitenden Maßnahmen können jedenfalls eine solche medizinische Rehabilitationsmaßnahme sein.

Weiters ist nach Abs 2 zu prüfen, ob die medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen ausreichend und zweckmäßig sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Aufgrund des gleichen Wortlauts des § 133 ASVG, der den Umfang der Krankenbehandlung in der KV regelt, ist die Orientierung an den diesbezüglich im Krankenversicherungsrecht entwickelten Grundsätzen jedenfalls geboten. Es ergibt sich ein enger Bezug zu den Prinzipien der KV (vgl auch Felten, Neue Entwicklungen in der Rechtsprechung zum SV-Leistungsrecht, ZAS 2016, 252 [254]). Wie Mosler/Felten in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 50, unter Bezugnahme auf die Rsp ausführen, ist eine Krankenbehandlung dann zweckmäßig, wenn sie den Zielen der Krankenbehandlung dient und zumindest erfolgversprechend ist, dh eine Behandlung nach den Erfahrungssätzen der medizinischen Wissenschaft mit hinreichender Sicherheit objektiv geeignet ist, die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Die Beurteilung hat ex ante zu erfolgen.

Überträgt man diese Grundsätze auf den gegenständlichen Sachverhalt, so zeigt sich, dass die Beurteilung des OGH treffend ist: Die mehrwöchige Unterbringung zur Gewichtsreduktion als erster Schritt einer Rehabilitationsmaßnahme – ein Teil eines Gesamtplanes zur Gewichtsreduktion – stellt sowohl eine zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit notwendige als auch im Hinblick auf die Zielerreichung – insb auch durch die Begleitmaßnahmen, die dafür ebenso bedeutsam sind wie die Gewichtsreduktion selbst – zweckmäßige Maßnahme dar und entspricht somit § 253f Abs 2 ASVG.

Auch für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer solchen Rehabilitationsmaßnahme greift der OGH mangels konkreter Ausgestaltung auf die im Krankenversicherungsrecht entwickelten – und auch im Pensionsversicherungsrecht angewandten (vgl 3.2.4.) – Grundsätze zur Frage der Zumutbarkeit der Mitwirkung an einer Heilbehandlung zurück (vgl Laske, Mitwirkungs- und Duldungspflichten versicherter Personen im Pensionsverfahren, DAG 2015, 14 [17], die bereits Anfang 2015 ausführt, dass sich hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit einzelner Maßnahmen nichts Wesentliches ändern wird). Dabei sind objektive – wie etwa die mit der Behandlung verbundenen Gefahren, die Erfolgsaussichten, die damit verbundenen Schmerzen – und subjektive – wie die familiären und wirtschaftlichen sowie die körperlichen und seelischen Verhältnisse – Kriterien zu berücksichtigen (zusammenfassend mwN vgl Auer-Mayer, Grenzen der Mitwirkungspflichten, in

Pfeil/Prantner
, Krankenversicherung zwischen Leistungsanspruch und Selbstbestimmung des Versicherten [2015] 33 [53 f]).

Im gegenständlichen Fall leidet der Versicherte an starkem Übergewicht. Wie Beck, DAG 2014, 54 (56 f) ausführt, ist bei Adipositas – ähnlich Alkoholismus – zu unterscheiden, ob das Übergewicht bloß Folge einer Willensschwäche und somit beherrschbar oder aber Folge einer psychischen oder physischen Krankheit ist und somit ein krankheitsbedingter Zustand vorliegt. In beiden Fällen113 ist eine Gewichtsreduktion grundsätzlich – etwa bei Adipositas infolge einer Schilddrüsenerkrankung durch eine entsprechende medikamentöse Therapie – möglich, hinsichtlich der Zumutbarkeit für den Versicherten ist jedoch zu differenzieren bzw wenn das Übergewicht Teil eines krankheitsbedingten Zustandes ist, besonders genau zu prüfen.

Im Sachverhalt finden sich diesbezüglich zwar keine näheren Feststellungen, der Versicherte hat jedoch nach Ablehnung seiner Mitwirkung an der Rehabilitationsmaßnahme aus eigenem Antrieb sehr viel an Gewicht verloren, sodass eher von einem beherrschbaren Zustand auszugehen ist. Die Frage der Zumutbarkeit hat der OGH jedenfalls ausführlich geprüft und ist bei seiner Beurteilung im Rahmen seiner bisherigen Rsp geblieben. Es wurde ausgeführt, dass die stationäre Maßnahme nur der erste Schritt der Rehabilitationsmaßnahmen sein sollte. Folge ist, dass diese nicht isoliert betrachtet werden darf. Überdies hätten während des Aufenthalts nicht nur diätische Maßnahmen stattgefunden, sondern war durch Bewegungsprogramme, psychologische Betreuung und Schulungen des Essverhaltens eine nachhaltige Änderung des Verhaltens des Versicherten bezweckt. Somit wäre auch einer neuerlichen Gewichtszunahme entsprechend vorgebeugt gewesen. Für die Betreuungs“pflichten“ seiner Mutter und seinen Tieren gegenüber wäre im Rahmen des Case-Managements eine Hilfe vermittelt worden. Seine intellektuelle Grundstruktur stand einer Teilnahme an der Maßnahme nicht entgegen, und ein neurologisch- psychiatrisches Gutachten ergab, dass die Gründe, die der Versicherte in Richtung unbeherrschbares Kauf-Suchtverhalten vorgebracht hat, nicht geeignet waren, ihm die Verweigerung des Antritts nicht vorwerfbar zu machen.

Da die Rehabilitationsmaßnahme somit auch zumutbar war, hatte der Versicherte daran teilzunehmen. Nunmehr sind die Folgen der Verweigerung der Teilnahme an der zumutbaren und den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zu prüfen.

3.2.2.
Entziehung des Rehabilitationsgeldes nach § 99 Abs 1a ASVG

Anders als bei der Frage der Folgen der Nichtmitwirkung an einer zumutbaren Krankenbehandlung im Altrecht, wo die entsprechenden Grundsätze von der Rsp entwickelt werden mussten, finden sich im Zusammenhang mit dem Rehabilitationsgeld nunmehr ausdrückliche gesetzliche Regelungen zu den Folgen von Verletzungen der Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten. Wie diese Obliegenheit konkret aussieht, wurde jedoch auch im Neurecht nicht ausgeführt (vgl dazu 3.2.1.). Nach § 99 Abs 1a ASVG (ursprüngliche Regelung betreffend die Entziehung wurde aus § 143 Abs 4 in § 99 Abs 1a transferiert; die Norm trat nach § 688 Abs 1 Z 2 ASVG rückwirkend in Kraft) ist das Rehabilitationsgeld der anspruchsberechtigten Person mittels Bescheid des Pensionsversicherungsträgers zu entziehen, wenn sie sich nach Hinweis auf die Rechtsfolgen weigert, an den ihr zumutbaren medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen. Überdies findet sich nunmehr in § 143a Abs 5 ASVG eine zusätzliche Möglichkeit des Krankenversicherungsträgers, im Rahmen des Case-Managements, nach entsprechendem schriftlichen Hinweis auf die Folgen des Verhaltens, das Rehabilitationsgeld bei geringfügigeren Verletzungen – auf Dauer oder für eine bestimmte Zeit zur Gänze oder teilweise – ruhend zu stellen (vgl ErläutRV 321 BlgNR 25. GP 4, 6).

Diese Rechtsfolgen sind jedenfalls mit dem Zweck der Neukonzeptionierung im Recht der Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu erklären. Verweigern die Versicherten die Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme gänzlich durch den Nichtantritt des ersten Teils – wie im gegenständlichen Fall – so wird der Zweck der Gewährung von Rehabilitationsgeld nicht länger verwirklicht, und das Rehabilitationsgeld ist – wenn der Versicherte so wie hier auf die Rechtsfolgen vorher hingewiesen wurde – bereits bei Verweigerung zu entziehen.

3.2.3.
Einfluss eines Alternativverhaltens

Nach § 143b ASVG haben die Krankenversicherungsträger die Rehabilitationsgeld-Empfänger im Rahmen des Case-Managements umfassend zu unterstützen, um einen dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Behandlungsprozess sicherzustellen und für einen optimalen Ablauf der notwendigen Versorgungsschritte zu sorgen. Es ist nach einer entsprechenden Bedarfserhebung ein individueller Versorgungsplan zu erstellen und umzusetzen. Es handelt sich dabei um die umfassende Betreuung und Begleitung des Versicherten während des gesamten medizinischen Rehabilitationsprozesses (vgl ausführlich zu den einzelnen Schritten des Case-Managements ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 21).

Dass der Versicherte im gegenständlichen Fall aus eigenem Antrieb – sehr viel – Gewicht reduzieren konnte, ändert nichts an der ursprünglichen Verweigerung seiner Mitwirkung an einer rechtmäßigen Maßnahme und vermag die Rechtswidrigkeit der Entziehung nicht zu begründen. Bereits im Zeitpunkt der Weigerung verhinderte er den Rehabilitationsprozess als Ganzes, der insb auch auf eine nachhaltige Änderung der Lebensweise des Versicherten, also nicht allein auf eine Gewichtsreduktion, abzielte. Überdies führt er selbst aus, dass bei ihm häufig ein „Jo-jo-Effekt“ eintritt. Daraus ergibt sich klar, dass die bloße Gewichtsreduktion nicht annähernd mit dem angestrebten Erfolg verglichen werden kann.

Die Situation im Neurecht kann mE auch nicht mit jener im Altrecht verglichen werden, wo dem Versicherten im Zusammenhang mit Heilbehandlungen keine Obliegenheitsverletzung angelastet werden konnte, solange er sich in ärztlicher Therapie befand und auf diese vertraute (dazu etwa Födermayr in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 255 ASVG Rz 83 mwN). Im Hinblick auf einen allfälligen Anspruch auf Pension unternahm ein114 Versicherter alles zumutbare, seine Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen, solange er eine Behandlung durchführen ließ. Die Rehabilitationsgeldbezieher trifft hingegen die Obliegenheit, an einer vom Versicherungsträger ausgewählten Rehabilitationsmaßnahme teilzunehmen, sodass sich der Versicherte im Zeitpunkt der Weigerung rechtswidrig verhält, auch wenn er nachträglich ein „Teil-Ziel“ aus eigenem Antrieb erreicht (zur Frage, ob ein Versicherter Anspruch auf die Durchführung einer bestimmten Maßnahme hat, erst kürzlich ablehnend Müller, Tätigkeit in geschützter Werkstätte als Maßnahme der Rehabilitation, DRdA 2016, 278 [E-Anm zu OGH10 ObS 97/15k]).

3.2.4.
Exkurs: Rechtsfolgen der Verweigerung der Mitwirkung an einer Krankenbehandlung im Zusammenhang mit Rehabilitationsgeld

Die gesetzliche Regelung des § 99 Abs 1a ASVG bezieht sich nur auf die Verletzungen der Mitwirkungspflicht im Zusammenhang mit Rehabilitationsmaßnahmen. Die Frage der Folgen der Verweigerung der Mitwirkung an einer Heilbehandlung für das Rehabilitationsgeld sind von der Norm – jedenfalls ausdrücklich – nicht erfasst, dennoch wird auch die Verweigerung der Mitwirkung an einer Krankenbehandlung – mit jener Begründung einer allgemeinen Mitwirkungsobliegenheit, die zum Altrecht entwickelt wurde (vgl dazu etwa Födermayr in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SVKomm § 255 ASVG Rz 74 ff; kritisch Müller, Richterliche Rechtsfortbildung im Leistungsrecht der Sozialversicherung, ) – zu einer Entziehung des Rehabilitationsgeldes führen müssen. Gegen eine entsprechende Mitwirkungsobliegenheit kann vorgebracht werden, dass der Gesetzgeber nunmehr für Probleme bei der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen eine ausdrückliche Regelung geschaffen hat und es ein Leichtes gewesen wäre, diese auch auf die Krankenbehandlung auszuweiten (zur Abgrenzung zwischen medizinischer Rehabilitationsmaßnahme und Krankenbehandlung vgl bspw Pöltner, Rechtsanspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation und Rechtsanspruch auf Krankenbehandlung: ein Abgrenzungsproblem?DAG 2015, 27). Dem kann entgegengehalten werden, dass die Gewährung von Rehabilitationsgeld trotz Verweigerung einer zumutbaren Krankenbehandlung mit dem Normzweck überhaupt nicht vereinbar ist (vgl auch Sonntag, ASoK 2014, 42 [47]). Viel eher ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber aufgrund der Rsp des OGH zur allgemeinen Mitwirkungsobliegenheit davon ausgegangen ist, eine ausdrückliche Regelung für die Krankenbehandlung wäre nicht notwendig (erneut Sonntag, ASoK 2014, 42 [47]; auch Auer-Mayer in
Pfeil/Prantner
, Krankenversicherung 33 [41]). Die Inkonsequenz des Gesetzgebers ist an dieser Stelle aber jedenfalls zu kritisieren: Die Thematik „geminderte Arbeitsfähigkeit“ ist mittlerweile dermaßen komplex, dass es unabdingbar ist, jene Grundsätze, die Geltung haben (sollen), ausdrücklich im Gesetz zu verankern, und es nicht Versuchen durch Rsp und Lehre zu überlassen, eine halbwegs sichere dogmatische Basis für diese Grundsätze zu zaubern. Die Bedenken Müllers gegen die Ableitung einer allgemeinen Mitwirkungsobliegenheit wurden nicht entkräftet, sondern eigentlich bestärkt.

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Entziehung des Rehabilitationsgeldes ist, auch aufgrund des Normzwecks, bei der Verweigerung der Mitwirkung an der Krankenbehandlung anzusetzen. Anders als im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Pension ist nicht erst jener Zeitpunkt entscheidend, in dem die Heilung die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt hätte, sondern – auf Grund des Zwecks des neuen Systems – jener der Weigerung.115